Der vollbesetzte große Festsaal im Wiener Rathaus feierte Sonntagmittag Mehrsprachigkeit und Vielfalt. Der Abschluss mit Preisverleihung der 14. Runde von „SAG’S MULTI!“ stand auf dem Programm. 30 jener Jugendlichen, die es ins Finale dieses mehrsprachigen Redewettbewerbs mit 172 Teilnehmer:innen mit 39 verschiedenen Sprachen geschafft hatten, wurden bejubelt, beklatscht, mit Statuen ausgezeichnet und extra für die Bühne gebeten. Sie alle werden hier – der Übersichtlichkeit halber aufgeteilt auf mehrere Beiträge nach den drei Altersgruppen – mit Kürzest-Auszügen aus ihren Reden vorgestellt.
Aber schon vor der Verleihung der Preise baten die beiden Alumnis (ehemaligen Preisträger:innen) Tereza Machova und David Popescu musikalisch alle anwesend Finalist:innen auf die Bühne – passend zum Song „True Colors (Billy Steinberg/Tom Kelly) – Video verlinkt im Teil über die Presiträger:innen der mittleren Alterskategorie.
Stellvertretend für alle Finalist:innen und Preisträger:innen hielten neun der Jugendlichen gekürzte Versionen ihrer Reden am Pult auf der Bühne des Festsaals. Und rissen das Publikum mit, rüttelten es auf, berührten es und ließen manches Mal auch den Atem stocken – etwa wenn sehr Persönliches in Sachen Mental Health preisgegeben wurde. Und Jugendliche scheuten auch nicht vor kämpferischen Auftritten, kritisierten, dass neue Landesregierungen Deutsch als einzige Pausenhofsprache verordnen wollen, noch immer nicht alle i Bildungssystem die gleichen Chancen haben oder wir hier in privilegierten Positionen Schicksale von Millionen Menschen in anderen Weltgegenden arrogant ignorieren. Oder viel zu wenig wirklich in Sachen Klimaschutz tun…
Hier nun die Preisträger:innen der jüngsten Kategorie (7. und 8. Schulstufe), zunächst jene drei, die stellvertretend auf der Bühne sprachen
Maya Enyangaro Schad, 14 Jahre
AHS Rahlgasse Wien 6
Englisch erlernt/Deutsch
Es geht darum, zuzuhören. Es geht darum, Stimmen hörbar zu machen, die unterdrückt wurden. Es geht darum, den Diskurs über Rassismus und Diskriminierung in Österreich zu führen. Und wenn ich einen Teil dazu beitragen kann, dann werde ich das tun.
Damit Vielfalt uns stärker machen kann, müssen wir Vielfalt stärken.
Rihanna Husseini, 16 Jahre
MS Selzergasse Wien 15
Dari/Deutsch
Wir sind alle Farkhonda, Mahsa, und Malala. Wir sind alle die Frauen und Mädchen aus Afghanistan. Dafür möchte ich stark sein.
Elisa Rodia, 13 Jahre
BG St. Ursula Wien 23
Italienisch/Deutsch
Auf der einen Seite Wasserknappheit und Dürren, auf der anderen Seite Flüsse, die über die Ufer treten und dafür sorgen, dass vielen Menschen das Wasser bald wortwörtlich bis zum Hals steht. Wird es in Wien jemals wieder weiße Weihnachten geben? Können wir noch etwas tun oder ist es schon zu spät? Nein, denn solange es Hoffnung gibt, ist es nie zu spät! Die Hoffnung ist unser Motor auf dem Weg in eine bessere Zukunft.
Eçrin Baraşı, 15 Jahre
Mittelschule Garsten (Oberösterreich),
Türkisch/Deutsch
Mein Wunsch ist, dass unsere Welt zu einem Ort wird, an dem Frauen nicht das Recht auf Bildung genommen wird, an dem sie die gleichen Chancen am Arbeitsmarkt haben, an dem sie nicht in jungen Jahren zur Ehe gezwungen werden, an dem ihre Ehre und Moral nicht eingeschränkt werden zu ihrem Körper, wo sie keine körperliche, psychische oder verbale Gewalt erleiden, wo sie keine Mütter oder Schwestern sein müssen, um Respekt und Liebe zu erhalten, und wo sie nicht getötet werden
Zehra Başdoğan, 14 Jahre
WMS Kauergasse Wien 15
Türkisch/Deutsch
Wenn ich heute hier vor Ihnen stehe, liegt es an der Kraft, die mir meine Schule gegeben hat. Ich begann mein Schulleben als schüchternes, ruhiges, ängstliches Mädchen, das die deutsche Sprache und ihre Muttersprache nicht ausreichend beherrschte, und setze heute mein Schulleben als junges Mädchen fort, das mit selbstbewussten Zielen und Träumen in beiden Sprachen sprechen und diskutieren kann.
Sharon Ikekhua, 14Jahre
MS Ilse-Brüll-Gasse Innsbruck (Tirol)
Englisch/Deutsch
Weil ohne Erinnerungen von Menschen würden die Dinge, von denen wir täglich umgeben sind, nicht existieren. Gestern, heute und morgen hängen zusammen wie ein Netz. Die Dinge, die wir tun – mit all unseren Fehlern – sie machen uns zu dem was wir sind.
Aufgrund dessen möchte ich alles tun, was ich kann: damit ich eine bessere Version von mir selbst bin.
Tris Karner, 14 Jahre
GRG 21 „Bertha von Suttner“ – Schulschiff Wien 21
Englisch erlernt/Deutsch
Jeder Mensch hat etwas, was ihn einzigartig macht. Jede Person unterscheidet sich von der anderen, auch wenn es nur im kleinsten Sinne ist. Vielfalt kann verschiedene Religionen, Hautfarben, Sexualitäten und so viel mehr bedeuten.
Ich jedoch fokussiere mich heute auf die Vielfalt von queeren Personen überall auf der Welt, da ich der Meinung bin, dass wir alle, die in einem freien Land leben, für andere kämpfen sollten, die sich nicht verteidigen können.
Ina Postica, 12 Jahre
MS 12 Kneippgasse Klagenfurt (Kärnten)
Rumänisch/Deutsch
Obwohl ich mich manchmal in meine alte Heimat träume, um meiner Oma nahe zu sein, bin ich im nächsten Moment wieder froh, dass meine Eltern den Schritt der Auswanderung gewagt haben. Ich bewundere sie für ihren Mut, denn ein Leben in einer neuen Heimat aufzubauen, ist sehr schwierig. Mit ihrem Fleiß und ihrem Mut sind meine Eltern meine größten Vorbilder, die wie Löwen für das Wohl ihrer Kinder kämpfen.
Lara Salem, 14 Jahre
Technische Naturwissenschaftliche Mittelschule 2, Grieskirchen (OÖ)
Arabisch/Deutsch
Wenn wir uns ausschließlich auf unsere negativen Erfahrungen konzentrieren, lähmt uns das und hindert uns daran, unser Leben bewusst und selbstbestimmt zu gestalten.
Sara Scarapazzi, 13 Jahre
BG Fichtnergasse Wien 13
Italienisch/Deutsch
In der Schule habe ich gelernt, dass man mit Mühe und starker Arbeit eine Niederlage in einen Erfolg verwandeln kann.
In der Schule habe ich gelernt, dass Vielfalt uns reicher macht, und dass die Welt schöner ist, wenn sie bunt ist.
In der Schule habe ich gelernt, dass Träume, Ziele werden können.
Die Preisträger:innen der beiden älteren Kategorien folgen in zwei eigenen Beiträgen – hier unten.
Wie schon bei den Jüngsten – den Jugendlichen aus 7. und 8. Schulstufen – stellten auch in den folgenden beiden Altersgruppen fünf ehemalige Preisträger:innen, also Alumnis und zwar Arkadi Jeghiazarian, Melisa Mete, Sabiha Moradi, Tracy-Cindy Agbogbe und Banan Sakbani, die neuen Preisträger:innen vor, also jene jeweils zehn Redner:innen, die von den Jurys – immer mindestens eine Person, die jeweils auf Muttersprachen-Niveau die Sprache der Teilnehmer:innen beherrscht – die meisten Punkte bekommen hatten, auch hier wieder zunächst jene – in diesem Fall zwei, die stellvertretend gekürzte Versionen ihrer Finalreden nochmals vor vollem Festsaal hielten.
Defne Bikakçı, 15 Jahre
Maygasse Business Academy Wien 13
Türkisch/Deutsch
Stellen Sie sich vor, dass Ihr ganzes Leben lang, niemand an Sie glaubt. Jeder vermittelt Ihnen das Gefühl, dass Sie niemals mehr erreichen können als Ihre Eltern. Irgendwann glauben Sie selbst nicht daran, dass Sie in Österreich eine Chance auf eine Welt haben, in welcher sie für ihre persönlichen Fähigkeiten und nicht für ihre Herkunft beurteilt werden. Wären Sie als Kind einer Familie mit Migrationshintergrund in Österreich geboren wäre Ihnen möglicherweise genau das passiert.
Anaïs Leschanz, 15 Jahre
Europagymnasium Klagenfurt (Kärnten)
Französisch/Deutsch
Ich glaube nicht, dass Fremdenfeindlichkeit immer von Angst vor dem Unbekannten bedingt wird, sondern eher, dass solche Menschen denken, sie – und nur sie – hätten das Recht auf ein komfortables Leben. Sie wollen den Kuchen eben nicht mit anderen teilen. Wenn jemand anderes ein noch so kleines Stück bekommt, dann fürchten sie, dass ihr Stück kleiner ausfällt. Aber das System geht von einem unfairen Ausgangspunkt aus: Manche Menschen haben jetzt schon ein großes Kuchenstück, während andere nichts bekommen.
Anna Michaela Bota, 15 Jahre
BG/BRG Klosterneuburg (NÖ)
Rumänisch/Deutsch
Wenn ich an Europa denke, denke ich an all die Familien und Freundschaften, die trotz vieler tausender Kilometer trotzdem funktionieren und lebenslange, starke Verbindungen zwischen Menschen kreieren.
Hanna Brčić, 14 Jahre
Akademisches Gymnasium Graz (Steiermark)
Kroatisch/Deutsch
Wir müssen aus unserer Komfortzone raus, wenn wir uns verbessern wollen. Es ist egal ob und wie viele Fehler man macht, denn nur so kann man etwas Neues dazulernen. Vielleicht sieht man die Fortschritte nicht gleich, es dauert lange oder länger als man sich erhofft hätte. Trotzdem ist es wichtig, dass man nicht einfach so aufgibt und dass man dranbleibt, wenn man sich irgendwo schwer tut.
Leonita Fetaj, 15 Jahre
BG Kapfenberg (Steiermark)
Albanisch/Deutsch
Wir sind in der Lage, unsere Lebensart und unseren Konsum zu ändern. Wir sind in der Lage uns für Nachhaltigkeit und somit für unseren Lebensraum zu entscheiden. Denn wenn wir so handeln wie bisher – nämlich gar nicht – werden wir die Auswirkungen des Klimawandels deutlicher zu spüren bekommen als je zuvor.
Kimaya Ganatra, 14 Jahre
Gymnasium Sacré Coeur Wien 3
Englisch/Deutsch
Feminismus ist nicht, zu sagen, dass Männer und Frauen gleich sind. Feminismus ist, dass Männer und Frauen und alle Menschen dieser Welt gleich viel Wert sind. Feminismus ist, zu erkennen, dass unsere Unterschiede etwas Gutes sind.
Rebeka Jankulovski, 17 Jahre
BRG 8 Albertgasse, Wien
Kroatisch/Deutsch
Es gibt kein Wachstum, bis man in den Spiegel schaut und erkennt, dass der einzige Feind man selber ist. Es ist Zeit für mich, in Frieden in der Gegenwart zu leben. Ich habe mich von einer Raupe in einen wunderschönen Schmetterling verwandelt, der fliegen kann. Es ist ein großartiges Gefühl, so etwas sagen zu können und auch wirklich zu fühlen. Ich bin bereit, meine Flügel zu öffnen, bist du es auch?
Angela Pereppadan, 16 Jahre
Gymnasium Sacré Coeur Wien 3
Englisch/Deutsch
Ich bin multikulturell aufgewaschen und muss mich nicht für eine Kultur entscheiden oder gar schämen. Jede Kultur ist einzigartig und unersetzbar und wenn wir der kommenden Generation die richtigen Werte mitgeben wollen, sollte genau das jedem Kind schon von klein auf beigebracht werden.
Viktoria Pirzl, 15 Jahre
BG/BRG Neunkirchen (NÖ)
Englisch erlernt/Deutsch
Mir ist aufgefallen, dass Licht erst dann wirklich wichtig ist, wenn es dunkel ist. Und um bei dieser Metapher zu bleiben, fallen mir gleich mehrere negative Entwicklungen ein, die einen Schatten auf unsere und somit auch auf meine eigentlich so strahlende Zukunft werfen: Verlust der Artenvielfalt, Zerstörung der Umwelt, Klimakrise, Krieg, Inflation und Armut, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber anscheinend ist es für viele Mitmenschen noch nicht dunkel genug. Vielleicht wachen sie erst dann auf, wenn sie den Weg zum Lichtschalter in der Dunkelheit nicht mehr finden.
Stella Vanin, 15 Jahre
GRG/ORG Heustadelgasse Wien 22
Italienisch/Deutsch
Wissen Sie noch die Frage die ich vorhin gestellt habe? Ob die Welt perfekt wäre wenn niemand Fehler machen würde? Ich finde nicht. Fehler machen, heißt den Mut und die Hoffnung zu haben etwas auszuprobieren und nur wer etwas ausprobiert und keine Angst davor hat, kann eine bessere Zukunft erreichen.
Die Preisträger:innen der beiden anderen Alters-Kategorien folgen in zwei eigenen Beiträgen – hier unten.
Neben den fünf schon – bei den Preisträger:innen der mittleren Altersgruppe – genannten Alumnis, sprachen über diese (Selbst-)Organisation der Ausgezeichneten der vergangenen 13 Jahre die Obfrau Yasmin Maatouk und Tekla Scharwaschidze, ein weiteres Vorstandsmitglied. Erstere hielt ein knappes, starkes Plädoyer dafür, dass sich (junge) Mehr- und Vielsprachige, Räume erkämpfen. Dabei sei „SAG’S MULTI!“ eine große Hilfe und Unterstützung.
Und hier nun Sätze aus den zehn mehrsprachigen Reden – hier immer nur auf Deutsch – der Jugendlichen aus den (vor-)letzten Schuljahren.
Lilly Freiheim, 17 Jahre
BHAK Korneuburg (NÖ)
Englisch/Deutsch
Das Bildungs- und Schulsystem. Es ist krank. Man muss ganz schnell etwas daran ändern und wenn ich jetzt schon die Chance habe, meinen Beitrag zur Veränderung zu leisten, dann helfe und unterstütze ich das so gut ich kann. Vertretungsarbeit ist etwas, was ich sehr gerne mache, es ist ein Herzensthema.
Mohid Singh, 19 Jahre
Gymnasium am Augarten Wien 20
Hindi/Deutsch
Fragen Sie Ihre Großeltern, welche Rolle Sie in beiden Weltkriegen gespielt haben. Fragen Sie die Briten, die Franzosen, die Deutschen, die Portugiesen, die Niederländer, die Spanier, die Italienier, ob sie wirklich unzivilisierte Völker Afrikas und Asiens zivilisiert haben. Fragen Sie sie, ob Sie auch heute noch auf ihre imperialistische Vergangenheit stolz sind.
Fleta Rexhaj, 17 Jahre
GRG 10, Ettenreichgymnasium, Wien
Albanisch/Deutsch
Gestern bin ich noch im AKH behandelt worden, heute behandelt meine Schwester im Rahmen ihres Medizinstudiums Kinder, die dasselbe Schicksal teilen wie ich. Gestern liefen meine Eltern noch mit einem Deutsch-Albanisch Wörterbuch in der Tasche durch Wien und heute hören sie hier meine Rede.
Zoé Mauchamp Feßl, 17 Jahre
BG / BRG Brucknerstraße Wels (OÖ)
Französisch/Deutsch
Würden wir die Wichtigkeit und Schönheit unserer Verschiedenheiten in einer Gemeinschaft als Menschen erkennen, feiern, tolerieren, akzeptieren, schützen – und so weiter – würde es uns definitiv helfen bei so vielem, da wir zum Beispiel-
– unsere Mitmenschen, deren Unterschied ist, dass sie wo anders leben, doch nicht ausbeuten wollen
– oder die neue Nachbarsfamilie, deren Unterschied es ist, dass sie zuvor ihr Zuhause verloren hat, doch nicht im Stich lassen oder gar abschieben wollen
– oder die Existenz einiger oder auch vieler für unser billiges Steak, doch nicht gefährden oder gar zerstören wollen
Ola Burhan, 18 Jahre
Vienna Business School Floridsdorf Wien 21
Arabisch/Deutsch
Ich brauche Ihnen die Bedeutung von Freiheit nicht zu erklären, oder vielleicht sollte ich das doch tun? In Ländern wie Österreich versteht man unter Freiheit Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Eigentumsfreiheit. Aber in Ländern wie Syrien sind wir davon noch entfernt. Denn das, wofür wir kämpfen, ist nicht plötzlich bei einem Bombeneinschlag zu sterben oder verhaftet zu werden, nur weil wir unsere Meinungen etwas zu laut äußern.
Sara Čošabić, 17 Jahre
Musisches Gymnasium Salzburg
Bosnisch/Deutsch
Was ich Ihnen damit sagen möchte, ist Folgendes: Die Zukunft ist etwas Ungewisses, etwas, was wir nicht sehen können.
Denn das, was wir sehen können, ist das Heute. Und auf diesem Wissen von Heute bauen wir einen neuen Legostein, und damit setzen wir Schritte, um in die Zukunft zu gelangen, die wieder einmal unser Heute sein wird, auf dem wir wieder einen neuen Legostein bauen würden.
Jazz Feichtinger, 19 Jahre
BHAK/BHAS Stegersbach (Burgenland)
Englisch/Deutsch
Solange keiner von euch sich darum kümmert, was meine Generation zu sagen hat. Solange keiner von euch zuhört, was wir zu sagen haben.
Solange keiner von euch verstehen will, was wir schon so lange verstanden haben. So lange wird sich die Geschichte immer und immer wieder wiederholen und jede Tragödie wird zur Farce und jede Farce wird wieder zur Tragödie und das alles so lange…
Bis ihr uns endlich zuhört.
Joud Nimr, 18 Jahre
BORG Monsberger Graz (Steiermark)
Arabisch/Deutsch
Denn ich bin hier mehr als nur eine Muslimin in Österreich. Ich bin eine Schülerin, die sich dafür bereit macht, das Land mitzugestalten, bis keine/keiner mehr diskriminiert wird. Ich werde später erfolgreich meinen Job ausüben und daneben eine Mutter sein, die ihren Kindern beibringt, wie wertvoll ihre Religion und Kultur ist, aber auch gleichzeitig, wie sie sich in die Gesellschaft integrieren können und immer dort zur Stelle sind, wo Hilfe benötigt wird.
Somya Rathee, 17 Jahre
HTL Spengergasse, Wien
Hindi/Deutsch
Ich denke, dass ohne innovative Technologie sich unsere Probleme nicht ändern werden und wir die Menschheit gegen die Wand fahren.
Polina Ruda, 17 Jahre
VBS Schönborngasse Wien 8
Ukrainisch/Deutsch
Auch wenn ich zurzeit nicht zuhause bin und auch somit nicht viele Möglichkeiten habe zur Unterstützung als in einem anderen Land lebende Schülerin, leiste ich meinen Beitrag zur Stärke der Ukraine, indem ich hier stehe und mit Ihnen darüber spreche. Ich will für mich und meine Heimat stark sein.
Die Preisträger:innen der beiden anderen Alters-Kategorien folgen in zwei eigenen Beiträgen – hier unten
Dass Lernen und Schulbesuch ein Privileg in dieser Welt ist, wie aber Schule auch hierzulande besser, weniger diskriminierend funktionieren sollte ebenso wie engagierte Plädoyers für einen anderen Umgang mit der Umwelt sowie Mitmenschen – vielfältig wie die Sprachen waren auch die Themen, die 172 Jugendliche zwischen 11 und 20 Jahren in den Finalrunden beim 14. Durchgang des mehrsprachigen Redewettbewerbs „Sag’s Multi!“ dem Publikum zu Gehör brachten. Kürzlich wurden diese Finalrunden abgeschlossen – im Wiener Funkhaus, zuvor in mehreren Landesstudios bzw. in Niederösterreich sogar im Landtags-Sitzungssaal. In den Bewerb waren im Herbst 406 Schüler:innen gestartet, die 39 verschiedene Sprachen mitgebracht hatten und diese jeweils mit Deutsch kombinierten. Seit Beginn von „Sag’s Multi!“ im Schuljahr 2009/10 – lange Jahre vom Verein Wirtschaft für Integration organisiert durchgeführt von EduCult, seit drei Jahren ist der ORF Träger des Bewerbs – waren bisher 89 Sprachen zu hören bzw. sehen, denn mehrmals haben auch Jugendliche mit österreichischer Gebärden- und deutscher Lautsprache teilgenommen.
Vielfalt macht uns stärker war eines der Unterthemen des diesjährigen Bewerbs, Überthema: „Dafür will ich stark sein“. 406 Jugendliche zwischen 11 und 20 Jahren waren im Herbst in den Bewerb gestartet, bei dem sie jeweils in Deutsch und einer anderen Sprache ihre Reden halten. Die andere kann sowohl eine Erst- als auch eine erlernte Fremdsprache sein. Auch viele jener, die eine andere Familiensprache mitbringen, wählen einer erlernte neue Sprache. Und andere müssen sich oft für eine ihrer Sprachen, mit denen sie aufgewachsen sind, entscheiden.
Wobei so eine Entscheidung nicht immer ganz freiwillig erfolgt. So schilderte Deborah Eze (WMS Kauergasse (Wien 15, Rudolfsheim-Fünfhaus), in Wien aufgewachsen, im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Edo war meine Muttersprache, die ich als kleines Kind fließend sprechen konnte, aber wenn meine Mutter und ich die in der Öffentlichkeit verwendet haben, wurden wir immer sehr blöd angeschaut. Ich hab begonnen mich für meine Sprache (eine der größeren der mehr als 200 Sprachen Nigerias, Westafrika) zu schämen und hab dann nur mehr Deutsch und Englisch gesprochen. Außerdem werde ich sehr, sehr oft als Ausländerin angesprochen, angesehen, obwohl ich eben hier geboren und aufgewachsen bin. Erst jetzt in der WMS (Wiener Mittelschule) Kauergasse habe ich eher das Gefühl dazuzugehören.“
Weil sie sehr oft aber als Schwarze Jugendliche das gegenteilige Gefühl vermittelt bekommt, sagte sie in ihrer Rede – auf Deutsch und Englisch „Obwohl Nigeria politisch und gesellschaftlich nicht das fortschrittlichste Land ist, fühle ich mich in Nigeria wohl. Meine mentale Gesundheit ist in bester Verfassung, wenn ich dort bin. Von anderen umgeben zu sein, die mich lieben und gut behandeln, unabhängig von meinem Alter.“
Sie würde, sagte sie in ihrer Rede, schön langsam müde werden, gegen rassistische Vorurteile und Angriffe zu argumentieren und eher aufzugeben – woraufhin sie mit starkem Beifall und in etlichen Gesprächen danach bestärkt wurde, nicht aufzugeben, U ru ẹse/danke, liebe Deborah Eze!
Ihre Klasse, die 4b, ist sozusagen eine der vielen international schools in Wien, in ihr bringen die Jugendlichen neben Deutsch noch die Sprachen Englisch, Ukrainisch, Russisch, Türkisch, Kurdisch, Rumänisch, Spanisch, Kroatisch, Serbisch, Polnisch mit. Wobei manche es dabei nicht belassen, so lernt Atimeea Daria wie sie dem Journalisten in einer Pause erzählt, „seit ein paar Jahren Koreanisch, weil ich gern K-Dramas in Originalsprache mit englischen Untertiteln anschaue. Aber ich hab früher auch Englisch durch viele Serien und Filme im Original gelernt“. Sie allerdings trat nicht bei „Sag’s Multi!“ an, sondern war „nur“ mit der ganzen Klasse gekommen, um die bereits genannte Mitschülerin Deborah Eze und eine weitere moralisch zu unterstützen, die den Mut gefasst hatten, ihre Rede vor analogem Live-Publikum im Radiokulturhaus und Online-Zuseher:innen im Livestream zu halten.
Bei der weiteren handelt es sich um Zehra Başdoğan, die auf Türkisch – und natürlich – Deutsch sprach und gemeinsam mit ihrer Klassenkollegin Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ein Interview gab. Ihr Türkisch konnte sie, so erzählt sie im Gespräch, „auch stark verbessern, seit wir in der Schule eine unverbindliche Übung in dieser Sprache haben“. Für ihre Rede hatte sie sich das Unterthema „So macht Schule stark“ gewählt und sagte unter anderem: „Diese Schule hat mir gezeigt wie wichtig es, für mein weiteres Leben ist, an sich selbst zu glauben und seine eigenen Talente und Fähigkeiten zu kennen. In mir wurde Neugierde geweckt und damit die Freude am Lernen. … Es ist wichtig, dass in der Schule die Möglichkeit geboten wird, dass Schülerinnen und Schüler sich aktiv am Lernprozess beteiligen können. Nur wenn wir engagiert und motiviert sind, können wir unsere Potenziale besser entfalten und unsere Fähigkeiten stärker entwickeln.“
Bereits zum zweiten Mal trat Julia Shoppmeier aus dem Döblinger Gymnasium in der Wiener Gymnasiumstraße an – mit Ungarisch und natürlich Deutsch, das muss aber jetzt in der Folge nicht jedes Mal noch dazugeschrieben werden 😉 Auch sie widmete sich der Schule. „Ich schätze die Möglichkeit, die Schule besuchen zu dürfen. Krieg, Diktatur, Armut, Hunger oder dass ich als Kind arbeiten müsste, verhindern nicht, dass ich in die Schule gehe.“ Aber sie schilderte auch so manch negatives Erlebnis in der Schule – von der per eMail erhaltenen Absage ihres Referats – am selben Tag um 6.30 Uhr früh etwa. Oder weniger motivierten Lehrpersonen. Und wünschte sich: „Ich möchte, dass die Lehrkräfte mich informiert, motiviert und offen machen. Ich möchte erreichbare Ziele genannt bekommen. Ich möchte, dass die Chancenlosen eine oder mehrere Chancen bekommen. Dass die Talentierten entdeckt und betreut werden. Dass die Engagierten gelobt werden.“
Aber die Schülerin der 4b der genannten AHS betrieb keinesfalls beliebtes Lehrer:innen-Bashing, sondern sagte auch: „Ich merke, dass die Gesellschaft den Beruf Lehrer teilweise nicht besonders cool findet. Andere Werte scheinen wichtiger… Ich bitte auch alle Lehrerinnen und Lehrer, zu unserer Verstärkung, dass sie es wagen, cool zu sein. Weil eine starke Schule kann nur auf starke Lehrkräfte gebaut werden. Und nur eine starke Schule kann uns Schüler und Schülerinnen so stärken, wie wir es benötigen.
Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … konnte in diesem Jahr nur einige Redner:innen lang bei „Sag’s Multi!“ live zuhören. Hier sind sie – in Bild und Kürzest-Auszügen aus ihren Reden:
Adrienne Elbeshausen aus der Theresianischen Akademie (Wien 4, Wieden) begann ihre Rede auf Englisch als erlernter Fremdsprache fast in der Art eines Märchens: „Once upon a time there was a blue planet. …“, um dann über „diese lustig aussehenden Kreaturen“ zu sprechen, die wir Menschen sind. „Wir sind der unachtsame Konsument eines Medikaments, der die Packungsbeilage nicht richtig gelesen hat. Risiken und Nebenwirkungen unserer Kreativität werden uns oft erst viel zu spät bewusst. Denken Sie an Sprengstoff, denken Sie an Waldrodung, denken Sie an Atomkraftwerke. Viele unserer Erfindungen führen zu Veränderungen, die wir nie wieder rückgängig machen können.“
Damaris Benta, 14 und aus der Modularen Mittelstufe Aspern (Wien 22, Donaustadt) wählte „Frieden – mehr als Sehnsucht nach Sicherheit?“ über das sie auf Rumänisch sprach und heftig begann: „Es gibt Krieg in Österreich – jeden Tag. Kriege finden nicht nur auf der Weltbühne statt, sondern auch in unserem zu Hause. Auch in einem friedlichen Land wie Österreich. Wisst ihr eigentlich wie viele Kinder von Gewalt in der Familie betroffen sind? Jedes 10. Kind in Österreich!“, um dann ein konkretes Beispiel einer Freundin zu schildern, das (nicht nur ihr) sehr nahe ging.
Nina Isailović vom Schulschiff, der AHS Bertha von Suttner in Wien-Floridsdorf an der Donauinsel widmete sich in ihrer Rede auf Serbisch „Erinnerungen – ohne Gestern kein Morgen“ um eingangs eigene, persönliche Erinnerungen zu schildern, dabei aber nicht stehen zu bleiben.
„Jeder und jede von uns ist von Erinnerungen geprägt. Wir treffen viele Entscheidungen, basierend auf unseren Erfahrungen. Unsere Vergangenheit belehrt uns. Einerseits können wir versuchen unsere Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen, andererseits hüten wir unsere guten Erinnerungen und lassen sie dank Traditionen weiterleben. … Oft ist zu hören: Lebt nicht in der Vergangenheit. Dem stimme ich zwar zu. Aber ohne Erinnerungen gibt es auch keine Zukunft. …
Zukunft ist nicht etwas, was ohne uns entsteht. Wir sind die Zukunft und wir werden sie nach unseren Vorstellungen gestalten. Wir sind Erfahrungen und Erinnerungen. Wir wissen insgeheim, was wir wollen und was nicht.“
Teona Popa (GRG Rosasgasse, Wien 12, Meidling) begann den deutschsprachigen Part ihrer Rede (Rumänisch) mit „Bildung ist wichtig!“, das sagen uns unsere Eltern. Natürlich wollen dem nicht alle Kinder zustimmen, denn sie wissen nicht, was das Leben für sie bereithält. … Die Welt ist groß und sie entspricht genau dem Gegenteil davon, wie es sich Kinder in jungen Jahren vorstellen. In meinem Fall war das genauso. Ich konnte es kaum erwarten, erwachsen zu werden und endlich arbeiten zu gehen. Ich wollte nicht jeden Tag zur Schule gehen, weil ich dachte, dass es viel leichter wäre zu arbeiten als zu lernen. … Wenn man arbeitet, hat man nicht nur den Stress der Arbeit, sondern das Leben wird ebenso stressiger. Rechnungen zahlen, genügend Geld verdienen, wenig Freizeit und sehr viel zu tun, sind typische Merkmale eines erwachsenen Menschen. Da bleibe ich lieber in der Schule und bereite mich auf mein Erwachsenenleben vor.
… Bildung ist jedoch nicht nur für unsere Zukunft wichtig. Für Anne Frank war Bildung eine Ablenkung. Sie hat durch Bildung sehr viel überwinden können, da sie während sie sich im zweiten Weltkrieg vor den Nazis versteckte, mit dem Lernen beschäftigt war. Damals war ihre Situation nahezu unvorstellbar und das Lesen von Büchern gab ihr Stärke. Schulen spielen eine entscheidende Rolle dabei, Kinder zu stärken, um sie auf ihre Zukunft, auf das Leben als Erwachsene vorzubereiten. Das Bildungssystem ermöglicht ihnen die Entwicklung wertvoller Fähigkeiten und die Entdeckung ihrer Talente.
… Ich bin also stark, weil ich meine eigene Meinung bilden kann. Bildung ist jedoch nicht für alle gleich. Manche Kinder haben keine Chance auf Bildung, weil sie es sich nicht leisten können. Andere haben kein Recht auf Bildung, weil in einigen Ländern Kinderrechte in Füßen getreten werden.
Tris Karner (GRG 21 Bertha v. Suttner) sprach auf Englisch über „Vielfalt macht uns stark“: „Jeder Mensch hat etwas, was ihn einzigartig macht. Jede Person unterscheidet sich von der anderen, auch wenn es nur im kleinsten Sinne ist. Vielfalt kann verschiedene Religionen, Hautfarben, Sexualitäten und so viel mehr bedeuten. Ich jedoch fokussiere mich heute auf die Vielfalt von queeren Personen überall auf der Welt, da ich der Meinung bin, dass wir alle, die in einem freien Land leben, für andere kämpfen sollten, die sich nicht verteidigen können. Das Thema Vielfalt im Bereich von Sexualität und Gender ist mir sehr wichtig, da ich selber queer und trans bin. Ich persönlich hatte glücklicherweise noch keine schlechten Erfahrungen mit dem Thema Transgender. In der Schule werde ich Tris genannt, meine Pronomen werden respektiert und ich werde gleich wie alle meine MitschülerInnen behandelt. Doch nicht jeder hat diese Privilegien. Viele andere Trans-Personen werden täglich diskriminiert, ihre Rechte werden ihnen weggenommen.“
Genau deswegen widmete Tris Karner sich diesem Thema und berichtete von zahlreichen diskriminierenden Gesetzesvorhaben in US-Bundesstaaten, aber auch in Österreichs Nachbarland Ungarn, immerhin Mitglied der EU.
„Wir können durch Vielfalt lernen und akzeptieren, dass andere eben anders sind als einer selbst. Und in diesem Sinne macht Vielfalt alle Menschen viel stärker, als wenn alle gegeneinander sind. Nur müssen alle beginnen, sich gegenseitig zu akzeptieren, denn das ist der erste Schritt auf dem Weg der Besserung. Ohne Akzeptanz sind wir und werden wir nie gemeinsam stark sein.“
„Kein Wohlfühl-, sondern ein Mutmacherprojekt“ sei „Sag’s Multi“, meinte in einer der Pausen am vorletzten Finaltag der Erfinder des Bewerbs und Jury-Vorsitzende Peter Wesely. Mut beweisen die jugendlichen Redner:innen – und sie machen Tausenden anderen Mut, ebenfalls ihre Stimmen zu erheben.
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