Zum achten Mal wurden die Janusz-Awards vergeben. Dieses Mal in Wien. Die – auch als Statue kreativ-künstlerisch ungewöhnliche Statue geht an Kinder und/oder Jugendliche. An solche, die es oft in ihrem bisherigen jungen Leben nicht leicht hatten – und trotz der schwierigen Ausgangslage großartig ihr Leben meistern. Schon in so jungen Jahren sind sie Vorbilder für Altersgenoss:innen in ihrem Umfeld. Und verdienen es, dafür ausgezeichnet zu werden – und mit der feierlichen Preisverleihung obendrein zum Role Model auch für ein breiteres Publikum zu werden.
Ach ja, bevor die Preisträger:innen vorgestellt werden, kurz noch die Erklärung für den Namensgeber: Janusz Korczak (ursprünglicher Name Henryk Goldsmit) war (Kinder-)Arzt, Pädagoge in Polen (1879 bis 1942). Er gründete in Warschau Waisenhäuser, legte Wert auf Mitsprache und Mitbestimmung der Kinder, schrieb dazu Bücher, machte Radiosendungen und verfasste etwas, das als Vorläufer der Kinderrechtskonvention bezeichnet werden kann.
Sodala, aber jetzt die ausgezeichneten – in dem Fall Jugendlichen – in der Reihenfolge, wie sie in feierlichem Rahmen im nicht ganz vollbesetzten (gut sechs Dutzend Besucher:innen) Wappensaal des Wiener Rathauses sozusagen vor den Vorhang gebeten worden sind. Zitiet wird aus den Laudationes (Lobreden), die Herbert Stadler, jahrzehntelanger Lehrer und … der Janusz-Korczak-Gesellschaft, hielt und am Ende jeweils ein passendes Janusz-Korczak-Zitat fand. Alle Preisträger:innen hatten sich im Vorfeld einen Lieblings-Song ausgesucht, der kurz angespielt wurde, bevor’s an die Würdigung gegangen war – ach und dazwischen trat das Duo EsRap – Esra und Enes Özmen – mit einigen ihrer berühmten Nummern auf, die zum – zumindest auf den Sitzen – mitschwingen einluden.
Jasmin Jungwirth (16) lebt seit elf Jahren in einer Wohngemeinschaft in Wien-Simmering. „Das Leben meinte es nicht immer gut mit Ihnen, doch egal wie schlimm es auch manchmal war, Sie gaben nie auf! Mit viel Fleiß und Ausdauer absolvierten Sie ihre Schulzeit und konnte im August eine Lehre zu ihrem Wunschberuf, Drogistin, beginnen.
Sie werden als sensibel, pflichtbewusst und zuverlässig beschrieben und besitzen große innere Stärke und ein beeindruckendes Durchhaltevermögen! Sie setzten sich mit aufkommenden Problemen intensiv auseinander und schaffen es, sich auch Unterstützung zu holen, was weder einfach noch selbstverständlich ist.
Für ihre Familie sind Sie immer da und manchmal übernehmen Sie mehr Verantwortung, als sie sollte. Doch so sind Sie: loyal und großzügig.
Janusz Korczak, dessen Preis Sie heute bekommen, meint: Wenn ich mich mit einem Kind beschäftige, so habe ich, zwei Empfindungen: Zuneigung für das, was es heute ist und Achtung vor dem, was es noch werden kann.“
Über Isabelle Baumgartner (15) sagte der Laudator – die Informationen über alle Preisträger:innen waren vor allem von den Sozialpädagog:innen gekommen, die die Ausgezeichneten nominiert hatten: „Sie sind ein Vorbild für die anderen Kinder und tragen maßgeblich zu einem guten Klima in der WG bei. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft legen Sie an den Tag – zu allen Kindern – auch wenn diese manchmal anstrengend, laut und lästig sind.
Wir wissen, dass Sie sich häufig Sorgen um Ihre Familie machen – Ihre zwei Schwestern und Ihre Mama, die psychisch stark belastet sind! ALLE 3 brauchen Sie. Mit großer Stärke und Zuversicht machen Sie ihnen Mut. „Isa“ ist für alle da – Sie unterstützen Ihre Familie bewundernswert. Sie haben gerade Ihre Lehre als Köchin im Hotel Imperial gestartet! WOW!
Janusz Korczak hätte Ihnen ganz sicher in Ihr persönliches Entwicklungsbuch geschrieben: Nicht der Wind – sondern die Segel bestimmen den Kurs.“
Ahmed Raihan Abdul Rahimzai (14 Jahre) wurde in Afghanistan geboren. Als die Taliban vor zwei Jahren erneut die Macht im ganzen Land übernommen hatten musste er mit seiner Familie flüchten. Als einziger seiner Familie hat er es bis Österreich geschafft. Fast zwei Jahre war er auf der Flucht. Herbert Stadler nannte die Stationen der langen Flucht des Jugendlichen: Afghanistan, Belutschistan, Pakistan (2 Tage), Iran (rund 20 Tage), Türkei – wo er rund ein Jahr gearbeitet hat, Griechenland, Bulgarien, Serbien, Ungarn und schließlich Ankunft in Österreich.
„Zu deinen Stärken gehören Offenheit anderen Personen gegenüber und dein Wissensdrang in Hinblick auf Kultur, Sprache und deren Werte. Du bist empathisch, also einfühlsam und sehr reflexionsfähig, was heißt, dass du bereits über Vieles nachdenken kannst.
Deiner Intelligenz hast du es zu verdanken, dass du sehr rasch große Fortschritte in deinem Deutschkurs gemacht hast und schon nach ein paar Monaten eine Klasse überspringen konntest. Deine guten Sprachkompetenzen und dein Eifer führten dich zum Ziel: Du hast es in die 4. Klasse einer Mittelschule geschafft, und zwar in die Regelklasse!
Trotz der vielen sehr belastenden Lebenssituationen, die du meistern musstest, schaffst du es vor allem mit deiner positiven Einstellung und deinem Humor dem Leben die guten Seiten abzugewinnen.
Janusz Korczak hätte bei dir ganz sicher stolz festgestellt: Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft – hat schon verloren.“
Sephora Ngubi Nzimbu (bald 20 Jahre) flüchtete 2017 8da war sie 13) mit ihrer kleinen Tochter Mami (10 Monate) aus dem Kongo nach Österreich und wurde im April in der Mutter-Kind-Unterbringung, kurz MuKi, aufgenommen.
„Sie sprachen kein Wort Deutsch und waren, nachdem, was Sie alles für uns Unvorstellbare erlebt haben, schwer traumatisiert. Trotzdem schafften Sie es, sich liebevoll um ihre kleine Tochter zu kümmern und Deutsch zu lernen. Dass Ihr Asylantrag in 1. Instanz abgelehnt wurde, war ein herber Rückschlag für Sie und sorgte für viel Unsicherheit. Trotz der widrigen Umstände und Ihrer psychischen Belastung, schafften Sie vor drei Jahren Ihren Schulabschluss.
Nach dem positiven Asylbescheid im November 2020 sind Sie dann richtig durchgestartet: Sie begannen eine Kurzzeitlehre bei JobNavi als Einzelhandelskauffrau und zogen im Frühling 2021 mit ihrer Tochter Mami in das betreute Wohnen der MAG 11. Mittlerweile haben Sie ihre Ausbildung abgeschlossen und sind auf Arbeitssuche.
Ihre Tochter Mami gerät nach Ihnen, sie besucht die Volksschule und ist ein sehr wissbegieriges, lebensfrohes und liebenswertes Mädchen … und dafür, liebe Mami, bekommst du auch ein Applaus.
Sefora, Sie können stolz auf sich sein. Sie haben eine bald 7-jährige Tochter, eine Ausbildung abgeschlossen und verlässliche Beziehungen zu Menschen in Österreich aufgebaut. Sie sind eine sehr kreative und ambitionierte Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Sie schaffen vieles selbstständig und organisieren sich auch Hilfe, wenn sie diese benötigen. Der nächste Schritt ist für sich und Ihre Tochter ganz alleine Sorgen und das werden Sie auch schaffen.
Die berührende Aussage ihrer Betreuerinnen in der MuKi: „Uns ist es eine große Freude, diese außergewöhnlich starke junge Frau und ihre Tochter ein Stück ihres Weges begleiten zu dürfen.“
Und was würde Janusz Korczak sagen? Erziehe dich selbst, bevor du Kinder zu erziehen trachtest. Das trifft auf Sie ganz besonders zu, denn Sie sind auch ein Vorbild für Ihre Tochter!“
Asefgul Kumargul (21 Jahre) kam auch als Flüchtling – aus Afghanistan – nach Österreich. Er besuchte die Mittelschule Plankenmaisstraße und fing danach als Pflasterer in Niederösterreich zu arbeiten an. „Von Beginn an zeigten Sie trotz Ihrer schwierigen Lebenssituation, eine mitreißende Lebensfreude und eine Hilfsbereitschaft, die Sie so besonders macht. In der Wohngemeinschaft und in der Firma wurden Sie schnell ein wertvolles Mitglied. Sie waren auch kreativ und einfallsreich – so haben Sie zusätzlich einen Tag in der Woche als Fahrradmechaniker in der Seestadt zu arbeiten begonnen. Dabei ist Ihnen klar geworden, dass das Ihre Leidenschaft ist. So wurden Sie schließlich als Mechaniker bei United in Cycling tätig.
In der Zwischenzeit scheint Sie beinahe jede Person in der Seestadt zu kennen, jedenfalls sind Sie überall gern gesehen und werden liebevoll „Bürgermeister von der Seestadt“ genannt!
Über Ihr soziales Netzwerk, das Sie sich aufgebaut haben, sind Sie schließlich auch zu Ihrer eigenen Mietwohnung gekommen, die Sie mit dem Erreichen Ihrer Volljährigkeit bezogen haben.
Bis heute besuchen Sie gerne Ihre WG und unterstützen, wo Sie nur können. Sie sind für die Jugendlichen ein gutes Vorbild und können auch gut überzeugen, wenn Sie davon sprechen, wie wichtig der Zusammenhalt in einer Gemeinschaft ist. Die berührend wertschätzenden Aussagen ihrer Sozialpädagog:innen darf ich hier zitieren: „Wir sind alle sehr froh, dass Asef den Weg zu uns gefunden hat. Er bereichert unser Leben in der Wohngemeinschaft täglich neu, unterstützt uns und bringt uns stets zum Lachen. Danke Asef!“
Janusz Korczak meinte dazu: dass wir Erwachsenen immer glauben, auf die Kinder hinab-sehen zu müssen, aber es müsste wohl umgekehrt sein, wir müssten zu den Kindern hinauf-sehen! So wollen wir heute, auf Sie, lieber Herr Asef, mit großem Respekt „hinauf-sehen“, mit dem Wunsche, dass Sie weiterhin erfolgreich sind, und in eine Zukunft gehen, die Sie selber mit Lebensfreude gestalten!“
Andrei Christian Botez (12 Jahre) kam 2012 mit seiner Mutter und zwei älteren Geschwistern aus Rumänien nach Österreich. „Zu dieser Zeit warst du erst ein Jahr alt. Deine Familie hat durch den Vater viel Gewalt erfahren und ist deshalb zu einer Tante nach Österreich geflohen. Der Neustart wurde aber durch die Krankheit deiner Mama sehr erschwert. Sie hat dann auch leider nach fünf Jahre den Kampf gegen den Krebs verloren – für einen 6jährigen ein großer Verlust.
Du wohnst nun seit 2017 gemeinsam mit deinem Bruder in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft der Stadt Wien und bist mittlerweile zu einem ganz tollen jungen Burschen herangewachsen.
Was reden die Erwachsenen so über dich? Weißt du das? Du meisterst deinen Alltag einwandfrei und gehst gewissenhaft den anstehenden Aufgaben nach. Die Hausübung wird gemacht, du legst auf Körperpflege und ein ordentlich aufgeräumtes Zimmer wert und liebst dein Taekwondo-Training. Jetzt besitzt du bereits den grünen Gürtel! Du bist ehrlich, humorvoll und gehst sehr respektvoll mit deinen Mitmenschen um.
Seinen Weg machen … dankbar die Chancen nutzen – trotz schwieriger Startbedingungen – ein vorbildlicher Weg! Andrei, du machst den Jüngeren in der WG Mut, dir nachzueifern!
Dazu ein passendes Zitat von Janusz Korczak: Und wieder einmal lehrte mich das Leben, dass manchmal gerade dort eine günstige Entwicklung einsetzt, wo wir (Erwachsenen) meinen, es habe uns eine Katastrophe betroffen!
Und deine WG meint stolz: Wir finden, dass Andrei es verdient hat, für seine liebevolle Art und sein großes Verantwortungsbewusstsein geehrt zu werden.“
Neben den hier ausführlich gewürdigten Preisträger:innen wurden in diesem Jahr zwei Sonderpreise vergeben:
Stellvertretend für die 600 Sozialpädagog:innen, die in Einrichtungen der Stadt Wien engagiert tätig sind, überreichte Belinda Mikosz (klinische und Gesundheitspsychologin und Initiatorin dieses Preises) einen Janusz an den Abteilungsleiter Johannes Köhler.
Einen weiteren Janusz bekam das Duo EsRap, immerhin hatte auch Esra es in ihrer Schul-Karriere nicht immer leicht, unter anderem meinte – in der 7. Klasse Gymnasium – eine wichtige Lehrerin: Die Matura schaffst du bei uns sicher nicht!“
Natürlich bestand sie die Matura – halt in einem anderen Gymnasium, studierte und arbeitet gerade an ihrer Masterarbeit – neben der erfolgreichen Rap-Karriere mit ihrem jüngeren Bruder.
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Janusz Korczak wurde übrigens mit seine 200 Waisenkinder im Konzentrationslager der Nazis in Treblinka am 6. oder 7. August 1942 ermordet. Ihn selbst hätten die Faschisten auf internationalen Druck hin frei gelassen. Aber er wollte und konnte „seine“ Kinder nicht im Stich lassen.
„Pokale, Trophäen, Statuen sind, so unterschiedlich sie auch gestaltet sein mögen, praktisch immer fix, statisch. „Janusz“ – eine Holzkugel mit durchschiebbaren Stäben und bunten Elementen an deren Enden lädt so richtig zum Spielen ein“, schrieb der KiJuKU-Autor (damals noch für den Kinder-KURIER). Die Kugel steht auf für das Leben – wenn’s rund läuft, die durchschiebbaren Stäbe (ebenfalls aus Holz) können auch Stolpersteine sein und stehen für Hürden und Hindernisse. Die Symbole können und sollen von den Preisträger:innen selber gedeutet werden.
Entworfen wurde der „Janusz“ von Elisabeth Köpl (Sozialarbeiterin, Künstlerin, ehem. Leiterin der Servicestelle der MA 11) und Peter Ribarits, angefertigt werden die künstlerischen Objekte von Jugendlichen in einer Werkstatt von Jugend am Werk in Floridsdorf.
Vergeben wurden die Preise erstmals 2017 – damals im Polnischen Institut in Wien, danach tourte der Janusz-Award durch die Bundesländer-Hauptstädte: Eisenstadt, Graz, Linz, Klagenfurt, Salzburg; dazwischen fand 2020 in Pandemie-Zeiten eine Online-Preisverleihung von St. Pölten aus statt. Und nun, 2023, im Wiener Rathaus.