Spaziergang von Erzählstuhl zu Erzählstuhl rund um das Next Liberty und die Oper in Graz.
Zwischen dem Kinder- und Jugendtheaterhaus Next Liberty und der Oper in Graz steht auf einer Wiese ein großer Hirsch aus Kunststoff – nur vorübergehend. Bei ihm hängt einer der großen weißen Luftballons mit dem Logo des Dramatiker*innen-Festivals. Es ist die erste der zweiten fünf Stationen der „Dramawalks zu Erzählstühlen“ (die anderen fünf führen rund um und durch das taO! (Theater am Ortweinplatz). Mit Auszügen aus den zehn ausgewählten Texten, die für den Retzhofer Dramapreis in der Kategorie Theater für junges Publikum eingereicht sind, wurden Hörspiele gestaltet – gesprochen von Profi-Schauspieler*innen, Jugendlichen und Kindern. Und diese irgendwie auch inszeniert.
Beim Hirsch läuft die Geschichte „Wir Zwei“ von Fayer Koch, in der ein Waschbär und ein Tierpräparator wichtige Rollen spielen. Bei der nächsten Station stehen zwei Plastikstühle mit Plastikblumen und ebensolchem Gemüse in einer Wiese. Mit „Sichtfenster“ auf eine Baustelle eines Hauses. In „Waran Taran“ (Eva Roth) der hier zu hörenden Story geht’s nicht nur um Zaubersuppe, Kinder, die nicht schlafen gehen wollen, sondern auch immer wieder um Hausbau und Baugrube.
„Schachteldrama“ von Verena Richter stellt eine Schachtel ins Zentrum, die alles hat, weil sie ein Gierschlund ist. Törtchen, so was die der Sekretär, kündigt einen Besuch von jenseits des Schuldenbergs an. Und irgendwann geht’s um die Suche nach der Gerechtigkeit – ein Wort, das der Schachtel nicht so leicht über die Lippen kommen will. In einer hinterletzten Gasse eines Hofs der Grazer Bühnen ist diese Story zu hören – auf einem großen Hocker mit der Aufschrift „Gerichtigschrott“.
Station 4 spielt sich hinterm wuchtigen öffentlichen Klo-Haus neben der Oper bei der Dubrovnik Allee ab. Caroline Docar hat eine Geschichte mit dem Titel „13 Reiskörner vor Nuss – Opa Erwin fängt den Tod“ geschrieben. Und nicht nur der Titel ist schräg. Dieser Erwin kommt zu früh in seinen Garten. Dort macht sich jemand zu schaffen. Der meint, er ist hier zur richtigen zeit am richtigen Ort, nur Erwin ist halt zu früh dran. Wäre der Opa – so wie jeden Tag gekommen, dann wäre er schon längst weggewesen. Übrigens er ist Tod, so heißt er und das ist seine Profession.
Mit einer früheren, Ur-Version „Opa Erwin fängt den Tod“, hatte die Autorin 2018 den Dixi-Kinderliteraturpreis gewonnen. Dabei handelt es sich um einen Nachwuchs-Förderpreis. Viele der Gewinner*innen veröffentlichen aus diesen Texten nach Weiterentwicklung ihr erstes Buch. „Irgendwie ist mir dieser Text dann immer wieder entwischt, hat sich gedreht und gewendet und dann hab ich beschlossen, daraus einen Stücktext zu machen“, verrät Docar dem Reporter. Was geblieben ist, ein teils sogar sarkastischer Humor, Sprachwitz und Komik aus Missverständnissen und so manche Wendung der gelernten Schauspielerin.
Zu einer Story – damals noch im Kinder-KURIER – über ihren damaligen Preis geht es hier.
Vor dem steinernen, monumentalen Denkmal Peter Roseggers schräg hinter der Oper wäre auf einem Liegebett ganz entspannt die Geschichte „nachtschattengewächse“ von Johannes Hoffmann zu hören gewesen. Wäre, weil beim Walk des Berichterstatters hat’s derart zu schütten begonnen, dass ein Mitarbeiter herbeieilte, um die Betten samt grüner Matte einzusammeln.
Aber, das soll der Berichterstattung keinen Abbruch tun. Im Trockenen im Next-Liberty-Forum konnten die die fast neun Minuten sozusagen ortsunabhänig nachgehört werden. Sehr poetisch verhandelt der Autor ärgste Begebenheiten. Nicht im Hörspiel, aber im Textbuch heißt’s gleich zu Beginn: „die welt/war einst aus porzellan/bei jedem schritt/brach splitterte/ein stückchen welt ab/egal wie vorsichtig man war/ging man auch auf zehenspitzen/es knirschte/bröselte/staubte/und staubte/ welt/welt/ bis keine welt mehr/ pause /pulverisiert…“
Im Hörspiel ist die Sprache dialogischer. „Hält die Welt mehr bereit als Stockbetten?“ ist ein Satz, der schon ganz schön viele Bilder im Kopf entstehen lässt. Ein anderer: „Nachts wuchsen die Träume“, der die Poesie aufnimmt…
Szenische Einrichtung: Anja Michaela Wohlfahrt
Dramaturgie: Iris Harter
Musik und Sound Grilli Pollheimer
Ausstattung: Andrea Fischer
Assistenz Andrea Gutschi
Das 5. internationale fragt Autor*innen, Theatermacher*innen und andere Künstler*innen: Welche Geschichten brauchen wir auf dem Weg ins ÜBERMORGEN und wie kommen wir dort hin? Wir suchen nach Theaterabenden, Texten und Fiktionen, die das Potenzial haben, Zukunft zu sein.
Compliance-Hinweise: Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … wurde für die Dauer des Festivals nach Graz eingeladen.