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Szenenfoto aus "nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül
Szenenfoto aus "nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül
26.09.2022

Erzieh dich selbst zum Optimum – aber kannst du dann noch wachsen?

Nach den beiden Grazer Jugendtheater spielt nun auch das Burgtheater Studio eine Version von „nachtscahttengewächse“, das im Vorjahr einen der beiden Retzhofer Dramapreise für junges Publikum gewonnen hatte.

„nachtschattengewächse“, die 2. – nach der Uraufführung des preisgekrönten Stücks von Johannes Hoffmann vor einem halben Jahr in Graz (Koproduktion der beiden Jugendtheater taO!/ Theater am Ortweinplatz und Next Liberty), feierte es nun – in einer anderen Inszenierung (Antje Schupp) – seine Wien-Premiere im Vestibül des Burgtheaters. Die jungen Menschen sollen im dunklen, in kellerartigen Drill-Internaten wachsen. Blühen ist weniger angesagt. Vor allem nicht bunt und unterschiedlich. Uniforme Optimierung, Zurichtung. Und das sollen die Jugendlichen dürfen/ müssen/ sollen die Jugendlichen Insaß:innen dieser Anstalt selber tun. Es gibt keine Erwachsenen. Ausbrechen? Das will keine/r. Selbst besser werden. Das haben sie in ihren Köpfen (sich) selbst eingebrannt. Nicht alle gleichermaßen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül

„Gedankendisziplin“ & Co.

Joanna (Seide Noffke) hat es (fast) zur Perfektion gebracht. Keine Erinnerung an draußen, kein Funken von Gefühlsregung. Höchstens eine Spur an Lust, ihre sozusagen Schülerin Ivette (Pilar Borower) maßregelnd zu „erziehen“, ihr die „Sinnsprüche“ wie „Gedankendisziplin“, „Erinnerung ist Rückschritt“ usw. – die hier auch schwarz gedruckt auf gelbem Hintergrund die Wände des kleinen Spielorts zieren – verbal einzubläuen. Ivette hat nicht selten sentimentale Anwandlungen, Erinnerungen, ja sogar ein Andenken an früher und draußen, das sie – entgegen den Regeln – nicht verbrannt hat.

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül

Hund und Herrl

Zwei Jungs bevölkern mit den beiden Genannten die oberste Etage der Selbstoptimierung: Der hündisch ergebene, fast Speichel leckende Moritz (Eren Kavukoğlu) und sein „Herrl“ Jonas (Johannes Deckenbach). Der wär gern ein Anführer, will sich so aufführen und macht sich unfreiwillig bei einer großen Ansprache zur Witzfigur. Doch, Achtung, wie lächerlich klingen und wirken doch heute so manche seinerzeitigen Führer!

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül

Vertrauen(sbrüche)

So weit die Ausgangssituation, in deren erster Hälfte sich dann doch die eine oder andere gefühlsmäßige Anwandlung und In-Frage-Stellung andeutet, die eine oder andere vertraute Szene entsteht und Vertrauen aber wiederum auch heftigst gebrochen wird. Und dann – kommt ein Neuer dazu. Henrique (Ruben Sabel) sind all die Regeln so was von wurscht. He, ihr könntet doch tun und lassen, was ihr wollt. Keine Autoritäten da – strahlt er aus und sagt’s in ähnlicher Form mehrfach. Das bringt das Gefüge des Quartetts, das sich selbst optimieren will und nur an der einen oder anderen Schwäche auf diesem Weg leidet, ziemlich durcheinander. Wirft manche aus der Bahn.

Bis Henrique, der dennoch nicht nur als Held angelegt ist, sondern beispielsweise eher teilnahmslos zusieht, wie sich die anderen in die Wolle kriegen, einfach die Tür öffnet und rausgeht. Folgen ihm die anderen – na, ganz alles sei doch wohl nicht verraten.

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül: Ein Neuer! Ruben Sabel in der Rolle von Henrique

Interviews: Frühere und spätere Wege auf Bühnen

Die fünf Schauspieler:innen sind allesamt Studierende am renommierten Max Reinhardt Seminar in Wien und kommen nun mit Oktober ins dritte Jahr (von vier). Mit vier von ihnen konnte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … nach der vielumjubelten Wien-Premiere kurze Interviews führen – vor allem zu ihren Wegen auf die Bühne; Spoiler vorweg: Die sind recht unterschiedlich.

Während die beiden Deutschen Seide Noffke (Joanna) und Eren Kavukoğlu (Moritz) schon in frühester Kindheit in Theaterrollen geschlüpft sind, kamen Johannes Deckenbach (Jonas) und Ivette-Darstellerin Pilar Borower spät – und doch sehr verschieden zum Schauspiel.

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül: Ivette (Pilar Borower) und Moritz (Eren Kavukoğlu)

Im Kindergarten

„Schon im Kindergarten hab ich in einem Stück gespielt – in „Die Bremer Stadtmusikanten“ war ich der Esel“, erinnert sich Eren Kavukoğlu im Interview an seinen allerersten Auftritt. „Die Lust am Theaterspielen ist mir geblieben und so mit 15 oder 16 war für mich fix, das soll mein Beruf werden und ich hab begonnen, mich umzuschauen, wo ich das studieren kann. Angefangen habe ich dann in Regensburg … und hab später nach Graz und dann nach Wien gewechselt“, erzählt der Bayreuther. Die Rolle als hündischer Unterläufel von Jonas, der fast um Schläge winselt, „finde ich schon recht strange, aber Johannes (der Jonas-Darsteller) und ich verstehen einander sehr gut, das ging/geht das.“

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül: Seide Noffke als Joanna

Sängerin?

Seide Noffke, die die völlig straighte Systembefürworterin Joanna spielt – „ja sie ist eigentlich das System“, zog es schon sehr früh auf die Bühne. „Als ganz kleines Kind wollte ich Sängerin werden. Aber ich hab geglaubt, mein Mund wäre zu groß dafür und ich werde lieber Schauspielerin“. Aufgewachsen in Bargteheide bei Hamburg – „von dort kommt auch der Hollywood-Schauspieler David Kross“ – hat sie dann viel im Schultheater gespielt, „oft auch in Musicals später in Hamburg unter der Regie von meinem Vater“. Schnell sei klar gewesen, Schauspiel soll zum Beruf werden.

Die Rolle, in der sie sämtliche Gefühle unterdrücken muss, quasi die Vorzeige-Jugendliche der Selbstoptimierung wird/ist, „passt gut in die heutige Zeit, in der es oft nicht erlaubt ist, Fehler zuzugeben, immer funktionieren zu müssen“.

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül: Die einst sehr schüchterne Pilar Borower geht aus sich heraus – hier mit Moritz-Darsteller Eren Kavukoğlu.

Lange sehr schüchtern

Eine Rolle, die Pilar Borower auch gerne übernommen hätte. „Normalerweise spiel ich immer die Böse“, beginnt sie das Interview. und überrascht mit den dann folgenden Ausführungen. „Als Kind habe ich gemalt und war sehr schüchtern“, was heute kaum zu glauben ist – nicht nur auf der Bühne. Wie es dann zur Wende kam, will der Reporter wissen. „nach der Schule mit 19 wollte ich das nicht mehr – Schüchtern sein – und hab beschlossen, ich will das Gegenteil davon werden.“ Vier Jahre lang habe sie sich an allen möglichen Schauspielschulen beworben, wurde immer wieder abgelehnt. Doch sie blieb ihrem Ziel treu. Und begann bereits in verschiedenen Theaterprojekten mitzuwirken, u.a. in „Die Liebe ist ein Heckenschütze“ im Dschungel Wien (2018), „Kriegerin“ (Burgtheater-Studio, Jänner 2020) und „Helena oder: Stay Safe and Stay Sorry“ (Mai 2022, Kurzstück im Finale des Nachwuchsbewerbs im Theater Drachengasse).

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Szenenfoto aus „nachtscahttengewächse im Burgtheater-Vestibül: Jonas-Darsteller Johannes Deckenbach

Umwege

Johannes Deckenbach, der den bügelfalten-kantigen Möchtegern-Anführer Jonas spielt, hat ein mit Bachelor abgeschlossenes Psychologie-Studium hinter sich. „Danach hab ich spontan beschlossen, jetzt will ich auf die Bühne“, verblüfft er (wahrscheinlich nicht nur) den Journalisten. Die Frage, ob er schon als Kind Theater gespielt habe, verneint er, „aber ich habe Musik gemacht, das war mir dann aber auch zu eng und so hab ich mich nach einer Schauspiel-Ausbildung umgeschaut“. Die Jonas-Rolle passt für ihn vor allem aufgrund des guten Zusammenspiels mit seinem Kollegen Eren Kavukoğlu.

Follow@kiJuKUheinz

Probenbesuch bei „Kriegerin“ -> Bericht damals noch im Kinder-KURIER

Stückbesprechung von „Die Liebe ist ein heckenschütze“ – ebenfalls noch im KiKu

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

nachtschattengewächse

von Johannes Hoffmann – einer der beiden Gewinner des Retzhofer Dramapreises für junges Publikum 2021
Burgtheater Studio in Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar
Ab 13 Jahre; ca. 70 Minuten

Regie: Antje Schupp

Ivette: Pilar Borower
Joanna: Seide Noffke
Moritz: Eren Kavukoğlu
Jonas: Johannes Deckenbach
Henrique: Ruben Sabel
Alle fünf studieren am Max Reinhardt Seminar und starten im Oktober mit dem dritten Jahr

Dramaturgie: Alexander Kerlin
Bühne und Kostüme: Christopher Rufer
Musik: Martin Gantenbein
Licht: Enrico Zych
Ton: Christian Strnad
Requisite: Christian Kraus
Bühnentechnik: Bernhard Bultmann, Manfred Widmann

Inspizienz: Stefanie Schmitt
Soufflage: Yasmine Steyrleithner

Regie-Assistenz: Jakob Wernisch
Bühnenbild-Hospitanz: Liana Ebben
Kostüm-Hospitanz: Ida Bekić
Kostüm-Volontariat: Sophie Schöls

Wann & wo?

Nächste Vorstellungen – mit verfügbaren Tickets: 9., 14. Oktober 2022
und hoffentlich noch öfter in der Saison, abe rnoch keine fixierten Spieltermine
Vestibül des Burgtheaters: 1010, Universitätsring 2
Telefon: 01-51 444-0
burgtheater -> nachtschattengewaechse