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Montage aus mehreren Fotos: Finn Wörnschimmel bei seiner Finalrede und drei private Bilder
Montage aus mehreren Fotos: Finn Wörnschimmel bei seiner Finalrede und drei private Bilder
23.06.2022

Wünsche mir Akzeptanz und Respekt

„SAG’S MULTI!“-Finalist:innen-Serie (3): Telefoninterview mit eine Redner, der sich gegen Schubladen und Boxen wehrt.

„Wurde euch als Kind auch oft gesagt, du kannst alles sein, was auch immer du willst? Arbeitest du nur hart genug, kannst du alles erreichen und wir, wir werden immer hinter dir stehen.
So naiv wie ich war, glaubte ich an diese Sätze, meine Eltern würden mich doch nicht anlügen. Nur je älter man wird, desto mehr realisiert man, wie stark jede einzelne Person in unserer Gesellschaft in Boxen gedrängt wird.“

Finn Wörnschimmel bei der Finalrede von
Finn Wörnschimmel bei der Finalrede von „SAG’S MULTI!“

Dieses Reinstecken in Schachteln oder Schubladen traf und trifft Finn Wörnschimmel, HLW-Schüler in der Steiermark besonders hart. Darüber sprach er in sowohl in der Vorrunde als auch im Finale des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ auf Englisch – und natürlich auch Deutsch, das alle Jugendlichen sowieso verwenden (müssen). Seit der ersten Klasse der HLW lernt er auch Russisch sowie seit diesem Schuljahr noch Italienisch. „Die russische Schrift konnte ich sogar schon vorher lesen, die hab ich mit meinem Bruder, der zehn Jahre früher die selbe Schule besucht hat, mitgelernt. Aber Englisch beherrsch ich von den erlernten Fremdsprachen am besten, da kann ich meine Gedanken sogar oft besser rüberbringen als in Deutsch“, sagt Finn Wörnschimmel im Telefon-Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … Und Deutsch sei überhaupt sein Lieblingsfach – dort habe er auch von „SAG’S MULTI!“ erfahren.

Finn Wörnschimmel
Portraitfoto von Finn Wörnschimmel

Im falschen Körper

Dem Schubladisieren habe er sich schon früh ausgesetzt gefühlt, „nicht erst seit der Geschlechter-Identitätsfrage – ich fühle mich als Transmann, sondern auch schon vorher. Meine Eltern sind Zeugen Jehovas und da waren wir als Familie schon immer mit Vorurteilen konfrontiert. Als ich mich mit ungefähr 13 zum ersten Mal gegenüber meiner Mutter ge-outet habe, dass ich mich in einem falschen Körper fühle, wurde das ignoriert. Das wird schon wieder, war die Reaktion. Ich war dann lange sehr unglücklich und eifersüchtig auf andere Menschen, die von ihrer Familie einfach unterstützt werden darin so sein zu dürfen wie sie sind.“

Heute, vier Jahre später „bin ich sehr sicher in meiner Identität, das gefunden zu haben, was zu mir passt. Ich weiß, dass ich das bin. Aber das waren schon immer wieder sehr krasse Konflikte in der Schule. Manche Lehrerinnen und Lehrer akzeptieren und unterstützen das voll, andere haben sehr arg, richtig verletzend reagiert. Meine Eltern sind auch keine Unterstützung, aber auf vielen Freundinnen und Freunden kann ich zählen, andere geben sich zumindest Mühe.

Finn Wörnschimmel
Beim Fitness tanken

In seiner Freizeit zeichnet Finn Wörnschimmel gerne, „ich lerne auch tätowieren, derzeit auf einer Übungshaut, lese ziemlich viel. Jahrelang war ich auch in einer Theatergruppe und ich koche gerne – das aber lieber in der Freizeit als in der Schule.“

Endlich wohlfühlen

Derzeit absolviert er in Wien ein dreimonatiges Tourismus-Praktikum für seine HLW-Ausbildung. „Es war generell ganz, ganz schwierig, einen Praktikumsplatz zu finden“, erzählt der Jugendliche. Einerseits weil die Branche nach mehr als zwei Corona-Jahren in der Krise steckt, aber zusätzlich, „weil für viele Hotels und Gastro-Betriebe schon gefärbte Haare ein No-Go sind und die meisten meine Identität gar nicht verstanden haben.“

Finn Wörnschimmel
Fröhlich unterwegs …

Nach der Zusage aus Wien hatte Finn Wörnschimmel zunächst „ein bisschen Angst gehabt, was die Kolleginnen und Kollegen sagen werden, aber dort wo ich jetzt arbeite – auch wenn’s bei einer 40-Stunden-Woche und wechselnden Schichten schon recht stressig ist – fühl ich mich sehr wohl und aufgehoben. Dafür bin ich extrem dankbar, auch wenn das in Wien in einem Studierenden-Heim jetzt schon eine große Umstellung ist, dass ich für alles selber verantwortlich bin. Aber nach der Umstellung in den ersten Wochen ist es auf jeden Fall sehr befreiend.“

In der Umfänglichkeit erlebt der 17-Jährige jetzt offenbar zum ersten Mal, was er – nicht nur für sich -in seiner zweisprachigen Rede gewünscht hatte: „Alles was ich mir wünsche ist Akzeptanz und denselben Respekt, den man sich von mir erwartet.“

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

SAG’S MULTI!

Der mehrsprachige Redebewerb „SAG’S MULTI!“ will seit Beginn Mehrsprachigkeit fördern – bei Gleichwertigkeit aller Sprachen. Und Schüler:innen eine Plattform und Forum geben, ihre Gedanken in Deutsch und jeweils einer anderen Sprache zu Gehör zu bringen.
Im 13. Jahr des Bewerbs, dem zweiten in dem der ORF „SAG’S MULTI!“ hostet, starteten im Herbst 410 Jugendliche aus 160 österreichischen Schulen – mit insgesamt 39 verschiedenen Sprachen. 161 redeten sich ins Bundesfinale – sie alle sind Sieger:innen. Dennoch werden bei der Schluss-Gala im Wiener Rathaus am 26. Juni Preise vergeben.
Vorgestellt werden die Preisträger:innen von Alumni, vormaligen Preisträger:innen, deren erfolgreiche weitere Wege ebenfalls präsentiert werden.

sagsmulti

In der ORF-TVthek können die Finalrunden nachgeschaut werden