„Der bleiche Baron“ der belgischen Gruppe Kopergietery nimmt Diktaturen satirisch aufs Korn und gastiert bei spleen*graz.
Ambiente und Beginn fast wie ein Märchen – An den Seitenwänden neben dem Publikum im Theater am Lend beim Festival spleen*graz hängen hellblau-weiße Fahnen mit einem Einhorn-Kopf in der Mitte. Flaggen eines Fantasielandes. Die beiden Musiker:innen und Schauspieler:innen Anna Vercamme und Joeri Cnapelinckx von der belgischen Gruppe Kopergietery kommen mit der Faust auf der Stirn, ebenfalls das Fabelwesen symbolisierend.
Doch das „Märchenland“ erweist sich rasch als Dystopie. Alles ist dem unumschränkten, diktatorischen Leiter untergeordnet. Widerspruch mag der ebenso wenig wie Künstler:innen, spezielle Dichter:innen. Die schaffen es, Kritik zwischen den Zeilen zu verstecken und deswegen hat er sie längst alle ausweisen lassen. Keine leichte Ausgangsbedingung für Felka und Felix, wie die von den beiden verkörperten Figuren im Stück „Der bleiche Baron“ heißen. Und als solche bilden sie die „Felka und Felix kleine Widerstand Sing along bing bong“.
Zur Tarnung wollen sie was Nützliches für den Leiter machen und laden das Publikum ein, Huldigungslieder für diesen Herrscher einzustudieren – unter anderem dafür, dass er den (größten) Sprechstab habe. Sie verstünden ja, wenn wer dabei nicht mitmachen wolle, aber „da müssen wir jetzt durch“. Selbst das vermitteln die beiden mit einem Augenzwinkern, mit (Selbst-)Ironie – und lassen dabei doch an- und durchklingen, was sich rundum in der Welt abspielt und anbahnt.
Felka greift immer wieder absichtlich zu falschen Artikeln für Substantiva, wird von Felix stets verbessert und erklärt, dass sie sich ständig rechtfertigen müsse, „nicht von hier“ zu sein. Sie sei von nirgends und überall aber jetzt eben einmal da. Und trotz der drohenden Gefahr an Leiters Geburtstag, wo er 1000 neue Sterne in den Himmel schießen will. Und Unliebsame Menschen gleich mit dazu – Regime-Gegner:innen oder Fremde. Ihr Kompagnon Felix drängt auf Zusammenpacken und Abhauen ehe es zu spät ist. Sie hat es satt. So oft musste sie schon flüchten. Jetzt ist es genug, aber er könne ruhig gehen.
Wie die Geschichte selber weitergeht? Nein, gespoilert wird nicht. Verraten hingegen sei schon, dass Anna Vercammen (Felka) Saxophon, Trompete und Klavier und ihr Kollege Joeri Cnapelinckx (Felix) Klavier, Schlagzeug und E-Gitarre spielt.
Wirkt die vom Leiter erwünschte und verlangte Huldigung noch lächerlich, so wird es nach und nach ernst und ernster – in der Sache, im musikalischen und Schau-Spiel der beiden bleibt es humorvoll, wenngleich mitunter sarkastisch – mit Anmutungen von subversiver, kritischer Satire im Untergrund. Getragen von einer gewissen Leichtigkeit, die offenbar die Schwere der Bedrohung erträglich machen will/soll. Zumindest für Zuschauer:innen, die nicht akut in einer ähnlichen Lage sind oder Verwandte und Freund:innen in einer solchen haben.
Compliance-Hinweis: Das Festival spleen*graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … für drei Tage zur Berichterstattung nach Graz eingeladen.
Kopergietery (Belgien)
Konzept, Spiel & Musik: Anna Vercammen, Joeri Cnapelinckx
Künstlerische Beratung: Joris Van den Brande
Bühnenbild: Michiel Soete
Kostüme: Joke Raes
Ausstattung: Kris Van Oudenhove, Polien Demeulemeester
Stimme: Lore Dejonckheere
Ton: Jonas De Wulf
Licht: Jeroen Doise
Technik: Jonas De Wulf, Kris Van Oudenhove, Gielke Smet
Produktion: Gielke Smet
24. April 2024; 12 Uhr
Theater am Lend: 8020, Wiener Straße 58 a
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10. internationales Theaterfestival für junges Publikum
Bis 24. April 2024
Graz – an acht Spielorten
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