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Szenenfoto aus "Pinokkio"
Szenenfoto aus "Pinokkio"
23.04.2024

Holzfigur wird lebendig – und was damit anfangen?

Faszinierende „Pinokkio“-Version als Gastspiel aus Belgien in italienischer Sprach (mit Untertiteln) beim zehnten Kinder- und Jugendtheaterfestival spleen*graz.

Noch ist es finster im Saal des TaO! (Theater am Ortweinplatz) in der steirischen Landeshauptstadt. Heftige, schneidende Geräusche von Schleifen einer Klinge erfüllen den Raum. Uuuuh. Gleich geht’s einem Baum sozusagen an den Kragen. Steht doch „Pinokkio“ auf dem Programm. Eine Produktion aus Belgien gastiert damit beim aktuell laufenden, dem zehnten, Theaterfestival für junges Publikum, spleen*graz. Und die Hauptfigur ist schließlich aus Holz geschnitzt.

Drehen sich Pinocchio-Erzählungen oder Stücke oft um dessen Nasen-Wachstum mit jeder Lüge, so stellen Jonas Baeke und Jef Hellemans anderes ins Zentrum. Wie ist es von einem leblosen Gegenstand zu einer lebendigen Figur zu werden. Gut, sein Holz als Teil des Baumes hat schon einmal gelebt, aber gefällt und zurechtgeschnitzt ist er nur mehr ein Ding gewesen. Und nun beginnt er zu leben, wird vom Tischlermeister fremdbestimmt, versucht seiner eigenen Wege zu gehen, fällt immer wieder auf falsche Freunde rein…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pinokkio“

Master-Arbeit wurde zum Meisterwerk

Doch diese Erzählung bildet nur den Hintergrund für die Regie-Arbeit der beiden, die damit vor zwei Jahren ihr Schauspiel-Studium abgeschlossen haben. Jonas Baeke hatte sich ins Original von Carlo Collodi vertieft, war von der größeren Heftigkeit als in nachfolgenden Interpretationen geflasht und machte sich mit seinem Kollegen an das Konzept einer neuerlichen Interpretation.

Sein Co-Master-Arbeiter, Jef Hellemans, verkörpert selbst diese Hauptfigur. Nachdem er als Baum gefällt und umgearbeitet wurde, liegt er als Figur auf dem Boden, beginnt sich, das heißt zunächst nur einzelne Körperteile zu bewegen, kann sich endlich erheben, gehen, laufen, immer und immer wieder im Kreis – wie aufgezogen.

Echt oder geträumt?

Figuren wie sein „Meister“, der Tischler Gepetto – ziemlich schräg dargestellt von Lieselot Siddiki, die Fee (Colette Goossens) und Freund „Kerzendocht“ – Elias Degruyter, der aufgrund einer Fuß-Operation mit Krücken auftritt und später als Fuchs lässig-überheblich als Fuchs im Rollstuhl anrollt -, tauchen auf. Sind sie echt oder nur vorgestellt, im Kopf ausgemalt oder gar geträumt? Oder pendelt Pinokkio zwischen lebendig gewordenem Dasein und wieder nur Holzfigur auf dem Tanzboden liegend?

Jedenfalls klagt die Figur immer wieder über Hunger. Körperlichen oder seelischen? Fühlt er sich leer angesichts der neuen Möglickeiten als Lebewesen statt eines hölzernen Daseins?

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pinokkio“

Freiräume

Die Inszenierung (Regie und Text: Jonas Baeke, einfache einerseits und fantasievolle Kostüme andererseits: Lucie Plasschaert, Louis Verlinde) fasziniert nicht zuletzt dank der vielen (Gedanken-)Freiräume, die sie eröffnet. Aber auch wegen des genialen körperbetonten Spiels des Hauptdarstellers – die zwischen kontrolliert hölzern und unkontrolliertem teils fast scheinbaren Eigenlebens einiger Körperteile mitunter Staunen erzeugt. Die Leistung seiner Kolleg:innen sind nicht weniger überzeugend, doch hier sind sie nur auf kurze Auftritte als Nebenfiguren auf dem (Lebens-)Weg des P. beschränkt. Was allerdings dafür umso mehr Punktgenauigkeit bedarf.

Italienisch mit „Untertiteln“

Übrigens sind die Texte auf Italienisch (mit deutschen Übersetzungen – auf eine Wand projiziert, die das Gelb des Tanzbodens ins Senkrechte fortsetzt). Einerseits wollte der Regisseur dem Original seine Ehrerbietung erweisen, andererseits „ist es damit auch für die Schauspieler:innen etwas Fremdes und verstärkt damit dieses Gefühl der Suche nach sich selbst“, so Baeke nach der Vorstellung zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Und um die Verfremdung nochmals zu verfremden wird nicht der Originalname Pinocchio (für Pinie einer- sowie Dummköpfchen / pinco andererseits), sondern die Schreibweise in vielen anderen Sprachen mit dem Doppel-k verwendet 😉

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Das Festival spleen*graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … für drei Tage zur Berichterstattung nach Graz eingeladen.

Besprechung von Stücken, die beim 10. spleen*graz gezeigt werden, KiJuKU aber schon davor andernorts gesehen hat

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pinokkio“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Pinokkio

Jonas Baeke / Jef Hellemans (Belgien)
Konzept: Jonas Baeke, Jef Hellemans
Text & Regie: Jonas Baeke
Schauspiel
Pinokkio: Jef Hellemans
Fee: Colette Goossens
Gepetto: Lieselot Siddiki
Fuchs / Freund „Kerzendocht“: Elias Degruyter

Ton: Margy Regniers, Jonas Baeke
Kostüme: Lucie Plasschaert, Louis Verlinde
Coaching: Joachim Robbrecht, Jan Stehen

spleen*graz

10. internationales Theaterfestival für junges Publikum
Bis 24. April 2024
Graz – an acht Spielorten
spleen-graz -> programm