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Szenenfoto aus "Kaffee mit Zucker?"
Szenenfoto aus "Kaffee mit Zucker?"
24.04.2024

Schwarz und / mit /versus Weiß

„Kaffee mit Zucker?“ – beeindruckende Performance mit Live-Musik rund um Themen wie Kolonialisierung, Ausbeutung des globalen Südens und Identität zwischen (mindestens) zwei Welten beim zehnten spleen*graz.

Schon im Foyer des „Kristallwerks“, einem Veranstaltungsort der Grazer freien Theaterszene deuten einige bildnerische Werke von Schüler:innen auf das Stück „Kaffee mit Zucker?“ hin. Andere dieser Arbeiten hängen übrigens hinter der Kaffeemaschine im Festivalzentrum von spleen*graz, dem taO! (Theatr am Ortweinplatz). Kaffeepulver auf Papier. Was vielleicht wirkt, als wären die brauen „Brösel“ aufgeklebt, hält nur dadurch, dass die Jugendlichen davor ihre Blätter in Wasser getaucht haben. Manche verabreichten Teile ihrer Bilder nochmals ein kurzes Wasserbad – weniger Kaffee und heller das Ganze.

Kaffee-Bilder von Schüler:innen

Diese Schüler:innen – der Modellschule Graz sowie des BG Rein – hatten vor Wochen Workshops mit Künstler:innen des KMZ Kollektivs, wo sie auf die genannte Produktion eingestimmt wurden, sich aber auch in die Rolle von Kaffee und Zucker hineinzuversetzen versuchten und Fragen stellten wie „Kaffeebohne, wie viele Hände haben dich schon berührt?“ „Zucker, wie fühlt es sich an, zu wissen, dass Kaffee mehr kostet als du?“, „Kaffee, denkst du, du bist besser als Kakao?“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kaffee mit Zucker?“

Vielfältige Performance

Während Yahima Piedra Córdova hinter ihren Musik- und Klanginstrumenten wie in einem Cockpit schon in den Startlöchern für die rund einstündige Performance steht, kocht im Vordergrund ihre Kollegin Laia RiCa Kaffee – eine Tasse für sich, ein für die Musikerin. Fast ein Dutzend weiterer Häferln steht und wartet – auf spätere Einsätze.

Laia RiCa ist auch die künstlerische Leiterin des Stücks, in dem sich vieles um die Bohnen, deren Anbau, die Ernte, den Transport und den Konsum dreht. Und damit auch die ungerechten Verhältnisse zwischen globalem Süden und Norden.

Weiße Europäer – das anfangs fast nur Männer, nicht gegendert – kamen, nahmen um Spottpreise Land in Besitz und bauten an, viel mehr ließen sie anbauen. Die angestammten Einwohner:innen wurden zu Sklav:innen, die den Reichtum der Einwanderer mehrten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kaffee mit Zucker?“

Action-reiche überraschende Szenen

Das alles und noch viel mehr erzählt die Performerin in Worten (auf Deutsch – mit spanischen Übertiteln) und viel auch tänzerisch bzw. mit viel Action. Auf einer schwebenden runden Fläche verteilt sie mal Kaffeebohnen, versetzt diese in Schwingungen, legt sich darunter und oben fliegen die Bohnen davon, erzeugen Kreise. Zuvor hat sie schon ein Bild „gemalt“ – in der Art, wie die von Schüler:innen wie eingangs beschrieben. Nur jetzt live on stage. Und zwar Amerika – den ganzen Kontinent, nicht nur wie oft fälschlich bezeichnet nur die USA, sondern auch die Teile nördlich und vor allem südlich der Vereinigten Staaten von Amerika. Und zu diesem Süden gehören unter anderem auch die Länder Guatemala aus deren Kaffee-Anbau sie viel erzählt und aus El Salvador, wo sie selbst jahrelang aufgewachsen ist – als „Mestize“ (ein Elternteil indigen, ein Teil aus Europa).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kaffee mit Zucker?“

Weder da noch dort?

Dieses Dazwischen-Sein – von vielen weder da noch dort als zugehörig anerkannt – ist ebenfalls ein zentrales Thema des Stücks. Das auf ganz außergewöhnliche, sehr fantasievolle und bewegende Art von Laia RiCa (von ihrem zweiten Vornamen America) in Szene gesetzt wird: Nicht nur dass sie Zucker auf die nun mit Kaffeepulver befüllte schwebende Fläche streut, „kocht“ sie solchen auch mit einer Heißluftmaschine zu Zuckerwatte. Mit dieser formt sie sich ein weißes Gesicht… kämpft sich davon frei, bedauert, dass sie als Nachfahrin von Indigenen deren Sprache Nahuatl nicht kann.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kaffee mit Zucker?“

Vorurteile

Musikerin Yahima Piedra Córdova, die viel am Piano spielt, wiederum erzählt – auf Spanisch, mit deutschen Übertiteln – die Anekdote, dass sie, gebürtige Kubanerin eines Tages mit einer europäischen Musikerin, einer Percussionistin unterwegs war. Als ein Gesprächspartner die beiden traf und von ihren Instrumenten erfuhr, fragte er die Europäerin nach ihren Klavierkünsten.

Heftig und dennoch…

Die Produktion schafft es, ein doch so schweres Thema, neben der Ernsthaftigkeit und so manchen Phasen, die dich richtiggehend heftig schlucken lassen, wenn Ausschnitte aus dem Film „Die Zivilisationsbringer“ mit krassen Rassismen zitiert oder eingespielt werden, dennoch mit verspielter szenischer und musikalischer Umsetzung einen kämpferischen Optimismus zu versprühen.

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Das Festival spleen*graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … für drei Tage zur Berichterstattung nach Graz eingeladen.

Besprechung von Stücken, die beim 10. spleen*graz gezeigt werden, KiJuKU aber schon davor andernorts gesehen hat

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Kaffee mit Zucker?

KMZ Kollektiv / Laia RiCa (El Salvador/Deutschland)

Künstlerische Leitung, Text & Spiel: Laia RiCa
Dramaturgie: Antonio Cerezo
Musik (Live Performance): Yahima Piedra Córdova
Live-Video: Daniela del Pomar
Künstlerische Mitarbeit: Leicy Valenzuela
Bühnenbild: Marian Nketiah
Licht-Design: Vanessa Farfán

Dramaturgische Beratung: Ruschka Steininger
Produktions-Assistenz: Rodrigo Zorzanelli Cavalcanti
Produktionsleitung & Tourmanagement: ehrliche arbeit – freies kulturbüro

kmzkollektiv -> kaffee-mit-zucker

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10. internationales Theaterfestival für junges Publikum
Bis 24. April 2024
Graz – an acht Spielorten
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