Finale des elften Preises für jugendliche Literatur – Gala mit Burgschauspieler:innen; 825 Einreichungen.
Von Zerrissenheit ist in vielen der 25 Finaltexten des diesjährigen Preises für junge Literatur zu lesen. Die Literat:innen dieses – heuer zum elften Mal ausgetragenen Bewerbs namens texte.wien sind zwischen 14 und höchstens 19 Jahre. Nach zwei digital-virtuellen Jahren konnte erstmals wieder die Gala samt Preisverleihung analog-live über die Bühne gehen – wie immer im Kasino am Schwarzenbergplatz, einer der Spielstätten des Wiener Burgtheaters.
So viele Jugendliche wie nie zuvor hatten Texte eingereicht – 825, was die Jury doch ein wenig stöhnen ließ – wie mehrfach am Gala-Abend zugegeben wurde. Die Juror:innen, die aus dem Bereich (literarischem) Schreiben sowie Pädagogik kommen, freuten sich aber auch, dass die Initiative, junge Menschen zum Schreiben zu bewegen, auf so fruchtbaren Boden gefallen ist.
Das Besondere an diesem jungen Literaturfinale ist, dass allen Finaltexten – diesmal 25 – zunächst einmal gleiche Würdigung und Wertschätzung zuteil wird, in dem sie professionell performt werden. Jeweils vier Schauspieler:innen vom Burgtheater lesen Auszüge aus all diesen Texten. Genau gleich lang – 110 Sekunden. Nach 1.50 Minuten ertönte – nein, kein Gong, sondern ein paar Schläge an den Drums und einige Griffe auf der E-Gitarre – von jungen Musikern von „The VoiceBrakers“ aus Salzburg, die mehrmals für heiße Rhythmen und große Begeisterung sorgten; nicht für diese kurzen Einsätze. Mehr zu den vier Jungs an anderer Stelle.
Apropos Zeitlimit. Stefanie Dvorak – eine der vier vortragenden Burgschauspieler:innen neben Alexandra Henkel, Daniel Jesch und Markus Meyer – schien sich bei so manchen der Texte zu ärgern, dass sie nicht länger weiterlesen durfte(n). Und als sie mit „How to make Zukunftszauber“ von Nina Krammer (Grazer Ortweinschule) dran war, schaltete sie den Turbo ein, raste durch das Rezept in elf Schritten zum Zukunftszauber (das Motto des diesjährigen Bewerbs), um nur ja alles unterzubringen. Letzte Worte „Gutes Gelingen“ rausgerufen, Tusch der Musiker und ein stummes Yeah samt geballter Siegesfaust 😉
Zurück zur Literatur – und ihrer professionellen Präsentation. Manche der jungen Schreiber:innen seien immer wieder über die Auszüge aus ihren eigenen Texten überrascht gewesen, wenn sie diese so kunstfertig vorgetragen gehört haben, meinte Hannah Oppolzer, die den Abend moderierte. Es war übrigens erstmals, dass eine vormalige Siegerin (2019 mit „In einem fernen Land“) durch die Gala und Preisverleihung führte. Mehrfach wies sie darauf hin, dass unabhängig von der letztlichen Platzierung sowie den Preisen, in Wahrheit alle 25 Finalist:innen schon Gewinner:innen sind, haben sie es doch aus 825 Einsendungen in dieses Finale geschafft – und wenigstens Auszüge aus ihren Texten wurden derart hochwertig vorgestellt.
Wobei manche der Finalist:innen sogar ihre Vorrunden-Texte besser gefunden haben als die in der Endrunde. Dazu zählte etwa Lilo Buschek, eine von sieben aus der Ortweinschule, die mit ihrem Beitrag im Finale landete. „Estan und der Wald“ aus der Vorrunde sei ihr viel besser gelungen, fand sie im kurzen Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… vor der Veranstaltung. (Die 40 Jugendlichen aus Graz hatten Stress, mussten sie doch danach noch den Zug zurück in die steirische Landeshauptstadt erreichen.) „Ich war überrascht, dass ich es ins Finale geschafft hatte. Ich selber hab keine Werbung fürs Voting gemacht. Und für den zweiten Text, den fürs Finale, ist meine Kreativität nicht so geflossen wie beim ersten Text“, gesteht die Schülerin, die aber noch viel lieber zeichnet, was der Grund für die Schulwahl im Zweig Kunst & Design gewesen ist.
Neben der Premiere einer jungen Moderation gab es noch ein anderes erstes Mal. Mit Severin Weh hat nach zehn Jahren Gewinnerinnen zum ersten Mal ein Bursch den nach Meinung der Jury besten Text verfasst. „Transitkind“ beschreibt – wie eingangs schon zusammenfassend erwähnt – eine Zerrissenheit. Ist es in so manchen Texten die eigene, innerliche, so fühlt sich die Ich-erzählende Figur sozusagen im Nirgends zwischen mütterlicher und väterlicher Wohnung, aber nirgends Zuhause. Er habe, so der Sieger im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… „schon ein wenig das Klischee armer Scheidungskinder“ bedient „und es dramatisiert“. Vier Mal hat er schon am Bewerb teilgenommen, es drei Mal hintereinander ins Finale geschafft und nun eben auf Platz 1 beendet. ER hat aber auch schon erfolgreich am Landesjugendredewettbewerb teilgenommen – ein Telefon-Interview aus der Pandemiezeit ist am Ende dieses Betrages verlinkt. Der nunmehrige Student der Philosophie und vergleichenden Literaturwissenschaften „schreibe jetzt nicht mehr so viel, dafür arbeite ich mehr an einem Text. Ich hab jetzt mehr Geduld, überarbeite das Geschriebene mehrere Male.“ Zurückkommend auf seinen Seigertext „sehe ich dann am Ende gar nicht so sehr, dass die Hauptfigur so ein armes Scheidungskind ist, sondern einen eigenen Weg findet“.
Sogar Platz 2 ging diesmal an einen männlichen Teilnehmer, an Yiannis Pagger aus der schon erwähnten Grazer Ortweinschule mit seiner krassen Action-Szene-Schilderung eines filmreifen Geschehens am Grazer Griesplatz. Mindestens genauso wie von der schrägen Szenerie lebt sein Text von Wortspielen, das schon beim Titel beginnt „Die Lämmer“ und eher auf die gesprochene Version der beiden Wörter setzt, das sich dann anhört wie „Dilemma“ womit wir wieder bei der Zerrissenheit wären, die sich eben angesichts des Mottos „Zukunftszauber“ in den Köpfen vieler – nicht nur dieser – Jugendlichen breitmacht.
„Ein unglaublich witziger Text und dabei so vielschichtig, frisch und voller Sprachlust“, begründete die Jury ihre Wahl – mehr über die Jurysprüche in einem eigenen Beitrag, der unten am Ende dieses Artikels verlinkt ist.
Platz drei ging ebenfalls in die Steiermark, allerdings nicht in die schon erwähnte Ortweinschule. Katharina Huber besucht die 7. Klasse des WiKu (Wirtschaftskundliches RealGymnasium) Graz. Die 16-Jährig erzählt im Interview, dass in dieser Schule die Oberstufe in einem Kurssystem funktioniere und sie unter anderem „kreatives Schreiben“ gewählt hatte. „Traumfängerbasteln“ schildert die Begegnung eines vierjährigen Kindes mit einer an sich angstbesetzten Figur. „Der Tod war nett; er sah ein wenig aus wie Onkel Hans…“
„Die Geschichte ist mir tatsächlich im Traum gekommen. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht und hab mich hingesetzt und glich die ersten Sätze geschrieben“, verrät sie dem Journalisten die Anfänge ihres Textes, der sie aufs „Stockerl“ brachte.
Zum elften Mal fand dieser Bewerb für schreibwütige junge Menschen zwischen 14 und 19 Jahren statt. Zum ersten Mal seit 2019 wieder analog mit den jungen Literat:innen und Publikum – in der Brugtheater-Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz (die beiden vergangenen Jahre jeweils im Lockdown gab’s nur ein virtuell gestreamtes Finale).
Ebenfalls zum ersten Mal moderierte eine vormalige Siegerin, Hannah Oppolzer, die übrigens das letzte Live-Finale 2019 mit „In einem fernen Land“ über Sibirien gewonnen hatte.
In diesem Jahr haben so viele Jugendliche wie nie zuvor Texte eingereicht – 825 (im Vorjahr waren es 430). Besonders viele kamen aus der Grazer Ortweinschule – eine HTL einerseits für Bautechnik und andererseits für Kunst & Design. Aus dieser Schule waren allein rund 40 Schüler:innen zum Gala-Finale angereist. Die Schule wurde nicht nur dafür ausgezeichnet, die meisten Teilnehmer:innen gestellt zu haben, sieben von ihnen waren mit ihren Texten ins Finale gekommen – neben 18 anderen jungen Schreiber:innen.
1. Severin Weh, mittlerweile Student, mit „Transitkind“
2. Yiannis Pagger, HTBLVA (Höhere technische Lehr- und Versuchsanstalt) Ortwein, Graz mit „Die Lämmer“
3. Katharina Huber, WiKu BRG (wirtschaftskundliches BundesREalGymnasium), Graz mit „Traumfängerbasteln“
Wie jedes Jahr – auch in den beiden digital-virtuellen Finali – lasen Schauspieler:innen des Burgtheaters Auszüge aus allen Finaltexten sowie den siegreichen Text nach der Preisverleihung zur Gänze. Diesmal performten Stefanie Dvorak, Alexandra Henkel, Daniel Jesch und Markus Meyer.
Die Texte der jungen Literat:innen werden zweifach be- und gewertet – zum einen in einem offenen Online-Voting und zum anderen von einer Jury, Profis im schreibenden Gewerbe (Schriftsteller:innen, Journalist:innen) sowie aus der Pädagogik (Lehrer:innen). In diesem Jahr waren dies Barbara Beer, Judith Fischer, Erwin Greiner, Eva Holzmann, Vanja König, Hanno Millesi, Jana Podbelsek, Sandra Schüddekopf und Petr Paul Wildner
Wie immer sind alle – nicht nur die Final-, sondern auch die Vorrunden-)Texte auf der Homepage des Vereins „Literarische Bühnen Wien“ (Obmann: Cornelius Obonya, Intendant: Christoph Braendle) nachzulesen: texte.wien