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Elodie Arpa. Cellistin Carola Krebs und Hannah Oppolzer vor dem Theater am Steg in Baden bei Wien
Elodie Arpa. Cellistin Carola Krebs und Hannah Oppolzer vor dem Theater am Steg in Baden bei Wien
29.09.2022

Poesie in Wort und Ton – offenbarend, nicht als Be“hübsch“ung

Ein Abend zweier junger Autorinnen mit einer Cellistin im Theater am Steg im niederösterreichischen Baden.

„Verpasst“ und zwar so grundsätzlich, das, nein ihr, Leben. So kommt es nicht nur der 48-Jährigen, namenlos bleibenden Protagonistin des – noch – unveröffentlichten Romans vor. Aus ihm las die 23-jährige Autorin Hannah Oppolzer kürzlich im Theater am Steg in Baden (Niederösterreich). Sozusagen ein gar nicht untypisches Frauenschicksal eschreibt die junge Schriftstellerin, die seit gut zehn Jahren auch an ihrem Opus Magnum arbeitet, einer dystopischen Trilogie. Eine daraus destillierte kurze Geschichte namens „Sibirien“ brachte ihr vor drei Jahren den Hauptpreis beim „Preis für junge Literatur – texte.wien“.

Oppolzer, die derzeit noch Germanistik und vergleichende Literaturwissenschaft in Wien und ab dem nächsten Studienjahr dann literarisches Schreiben im deuchten Hildesheim studiert, arbeitet neben dem großen Romanprojekt auch immer wieder an anderen Texten. Unter anderem eben hat sie den eingangs genannten Roman fertig – noch fehlt ein Verlag.

Hannah Oppolzer liest aus
Hannah Oppolzer liest aus „Verpasst“

Wiederholung?

In „personaler Erzählperspektive, also einer Art Außensicht, die aber sehr nah an den Figuren dran ist“, beschreibt sie aber nicht nur das vor den eigenen Augen und dem eigenen Inneren zerrrinnende Leben der 48-Jährigen. Die zweite – ebenso präsente Hauptfigur dieses Romans ist Emma, die 25-jährie Tochter der zuerst beschriebenen Frau. Auch deren Leben scheint in klassisch vorgegebenen Bahnen verlaufen zu sollen. Wiederholt sie das Schicksal der Vorfahrin?

Sehr nachvollziehbar und plastisch schildert sie das Leben der beiden Frauen und viele der Momente, in denen sie das „verpassen“. So heißt es an einer Stelle über die Mutter: „Lange Zeit hat sie gedacht, sie könne nie wieder Freude empfinden. Aber Freude ist anders als die anderen Gefühle. Häufig kommt sie nicht einfach so. Sie sträubt und ziert sich. Sie ist schüchtern. Manchmal muss sie gebeten werden und manchmal muss man sie üben. Sie hatte es verlernt, sich zu freuen. Aber Freude ist nicht gierig. Sie braucht nicht viel.“

Poetische Wortbilder

In die einfühlsame Beschreibung verpackt die junge Schriftstellerin aber auch immer wieder weit über diese hinausgehende allgemeine Feststellungen, manche davon in wunderschöne Wortbilder. „Die Menschen behaupten, dass man sich auf Reisen selbst kennenlernt. Aber vielleicht gehört sie einfach zu den Leuten, die Flügel suchen, weil sie keine Wurzeln haben.“

Organisch baut die Autorin sozusagen ihre eigene Betrachtung der von ihr erschaffenen Figuren ein. So heißt es – vielleicht nicht nur – über Emma, nur knapp zwei Jahre älter als die Autorin: „Das ist es, denkt sie, was das Erwachsenwerden so schwierig macht: Man wird aus einer Welt gepflückt, die andere gestaltet haben und wacht in einer Welt auf, die man sich selbst zurechtbasteln muss. Man entwächst einer alten Zeit und erwächst sich eine neue.“

Der Abend im Badner Theater bot aber noch weit mehr. Hannah Oppolzer las nicht nur aus „Verpasst“, sie hatte auch Elodie Arpa, die sei bei einer anderen literarischen und politischen Gelegenheit – Gedenktag an die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen (2018) kennengelernt hatte, mit auf die Bühne geholt. Und dazu noch – Lesungen ohne Musik schätzt sie nicht sehr – Carole Krebs, eine Cello-Spielerin und universitäre Lehrerin.

Organische Einheit mit Musik

Letztere eröffnete und beschloss den Abend nicht nur als bunte Um-„malung“, sondern baute – natürlich in enger Abstimmung und Vorbereitung – passende sehr kurze und längere Musikstücke von Schubert, Bach, Händel, Dvorak und Camille Saint-Saëns in die gelesenen Abschnitte aus Oppolzers Roman ein. „Ich habe mit Flöte beginnen, aber schon mit sechs Cello zu lernen begonnen“, erzählt sich vor dem gemeinsamen musikalischen-poetischen Abend Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … Cello sei so richtig ihr Instrument – liebevoll wie sie darüber spricht, wird auch ihr Blick. „Das Cello mag ich, weil es von allen Instrumenten der menschlichen Stimme am nächsten kommt und von der Form her Ähnlichkeiten mit dem weiblichen Körper hat“, gerät Carola krebs fast ins Schwärmen. Für die Auswahl der Musikstücke des Abends zeichnet aber vor allem Hannah Oppolzer, die den auch organisiert hatte, letztlich verantwortlich, so die Musikerin. „Sie hat mir die Text-Auszüge gegeben, ich hab die gelesen, einiges dazu Passendes ausgesucht, ihr dann das eine und andere vorgespielt und sie hat entschieden: Das nehmen wir, das auch, das nicht …“

Elodie Arpa liest aus ihren kurzen, pointierten, messerscharfen und doch immer wieder auch humorvollen Texten
Elodie Arpa liest aus ihren kurzen, pointierten, messerscharfen und doch immer wieder auch humorvollen Texten

Knapp und doch so breit und weit

Elodie Arpa, die in verschiedenen Medien immer wieder Texte zu aktuellen Themen – aus Sicht einer jungen Europäerin – publizierte, veröffentlicht im Frühjahr 2023 einen Essayband zum Thema Freiheit in der Reihe „über Morgen“. An dem Abend im Theater am Steg las sie aus kurzen, knappen Texten zu verschiedenen Themen.

„Du Heulsuse/ nannten sie dich damals …“ – Gefühle, die sich nicht gehören für einen richtigen Mann und andererseits nicht die Bilderbuch-Mama zu sein. Ein Kind haben müssen, Monatsblutung, Wochenbett-Depression, Ärger darüber als Mädchen und Frau aufs „Hübsch“-Sein reduziert zu werden – vor allem noch immer tabuisierte Themen sind es über die Elodie Arpa an diesem Abend liest. In (ge-)dichter Form, knapp auf den Punkt gebracht – und doch praktisch immer die ganze Bandbreite eines dieser Themen beleuchtet. Nicht selten auch mit einem Schuss Ironie, der dann doch mindestens zum Schmunzeln verleitet.

Elodie Arpa liest aus ihren kurzen, pointierten, messerscharfen und doch immer wieder auch humorvollen Texten
Elodie Arpa liest aus ihren kurzen, pointierten, messerscharfen und doch immer wieder auch humorvollen Texten

Eröffnet hat die ebenfalls 23-Jährige den Abend mit „Alle rennen“ über die wohl vielen bekannte Tretmühle, das Hamsterrad, das nicht selten nervt, und sie dennoch mitrennen. Ihren zweiten Auftritt beendete sie mit einem süffisant-sarkastischen Text über die Beschwerde nicht weniger, dass sie sich „immer die gleichen Themen“ wie Feminismus, Antirassismus und so weiter anhören müssten oder lesen sollten … – mit einer treffenden Wendung – diesen gesamten Text hat die mehrsprachig aufgewachsene Autorin Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … zur Verfügung gestellt. Er wird in einem eigenen Beitrag – natürlich hier unten verlinkt – veröffentlicht.

Trotz Jugend schon „alt“ bekannt

Hannah Oppolzer ist übrigens dem Autor dieses Beitrages und Betreiber dieser Website schon seit gut zehn Jahren bekannt- Damals noch im Kinder-KURIER, wo sie ihre ersten Texte veröffentlicht hatte, gab es Beiträge über den genannten Jugend-Literatur-Bewerb. Aber auch über ihre bewegenden, tief berührenden Texte zum Gedenken an die Mordmaschinerie im Konzentrationslager Mauthausen – mit der Brücke zu heutigen jungen Menschen. Bei einem Schreib-Workshop mehrerer Jugendlicher in der Gedenkstätte Mauthausen hatten einander auch Oppolzer und Elodie Arpa kennengelernt. Auch sie schon mehrfach in KiKu-Berichten – und mit eigenen Texten – vorgekommen, sie vor allem als Preisträgerin des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“.

Links zu früheren Beiträgen über die/von den beiden Autorinnen

KiKu – > vielleicht-muessen-wir-gedenken-weil-zu-wenig-gedacht-wurde

KiKu – > Gedenken

KiKu -> Anne Franks Freund Peter

KiKu -> KZ-Gedenkstätte Mauthausen

KiKu -> Globale-probleme-nur-gemeinsam-loesbar

KiKu – > Bedingungen für Zentralmatura

KiKu -> Anbandeln für die Zukunft

KiKu -> Poetry Slam

KiKu -> Jugendliteraturbewerb

KiKu -> Denkanstoesse-einer-18-jaehrigen

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