In einen Action-Krimi-Film mit „Demokratie, was geht?“ betteten Jugendliche Erfahrungen als junge Geflüchtete mit der Polizei ein.
Auch wenn der Sozialarbeiter freundlich und empathisch die beiden Buben zu fragen beginnt – die Szene in dem kahlen Büro mit kräftiger Schreibtischlampe vermittelt schon, die beiden haben Angst. Verstehen offenbar die Sprache nicht. Just als Fabian – der Einfachheit halber hat er im Film seinen echten Vornamen – versucht zu erfragen, welche Sprache die beiden mitbringen, stürmen zwei Polizisten in den Raum und nehmen die Jungs gewaltsam mit.
So beginnt der knapp mehr als 20-minütigen Film „Im Schatten von Wien“, entstanden im Projekt „Demokratie, was geht?“.
Gedreht von Profis hinter der Kamera, gespielt zum Großteil von Jugendlichen aus den beiden großen Wiener Gemeinde-Wohnhausanlagen Am Schöpfwerk (Meidling, 12. Bezirk) und Rennbahnweg (Donaustadt; 22. Bezirk). Diese Jugendlichen waren es auch, die in Workshops ihre Ideen für die Story sowie für viele der Szenen einbrachten. Aus den Inputs der Jugendlichen schrieben Ibrahim Amir und Mahir Yıldız das Drehbuch; Letzterer führte auch Regie.
Yousef und Mo – so die beiden Buben im Film – sind beide geflüchtet – und so manches aus der Story hat auch mit den jugendlichen Darstellern zu tun. Abdulsattar Qasimi, der den späteren jugendlichen Yousef überzeugend und ganz und gar nicht laienhaft spielt, obwohl dies seine erste Arbeit vor der Kamera war, hat afghanische Wurzeln. Die Familie seines Kollegen Ali Saykhan Khazaev, ebenso hervorragender Darsteller des jugendlichen Mo, kommt aus Tschetschenien. Zu Interviews mit diesen beiden geht es in einem eigenen Beitrag.
Die beiden eingangs geschilderten Buben – die Protagonisten im Kindesalter – wurden natürlich von anderen gespielt, von Yasir Arman sowie Valerian Vallant. Auch sie beeindrucken – insbesondere wie sich die Angst in ihren Augen, in ihrer Mimik spiegelt.
Die beiden Jungs im Film, schon kurz nach der Flucht trotz der dabei aufgesammelten Traumata brutal be- bis misshandelt, werden im Verlauf der Story Kleinkriminelle. Zentral dreht sich die Story trotz der Action-Szenen aber um die Frage von Ver- und Misstrauen.
Der Polizist in Zivil, der seinen Namen auf Antonio geändert hat, versucht erst im Verhör Mo dazu zu bringen, Yousef zu verraten. Als der sich nicht darauf einlässt, besucht der Polizist jene Moschee, in der er Yousef trifft und dessen Vertrauen gewinnen möchte. Er sei ja selber vor 35 Jahren nach Österreich geflüchtet…
Doch Yousef lässt sich darauf nicht nur nicht ein, er erkennt und sagt, dass Antonio ja zu einer ganz anderen Zeit geflüchtet wäre, wahrscheinlich sogar mit dem Zug angekommen sei und die Lage von Yousef, Mo und den anderen gar nicht verstehe. „Weißt du, wir haben keine Chance, wir waren schon tot, bevor wir überhaupt geboren worden sind…“
Apropos Antonio und Namensänderung. Als Yousef mit Mo neben den Abstellgleisen eines Bahnhofs dahingeht und sich über die „Drecksratten da“ beschwert, meinte Mo: „Ein bisschen Respekt, du bist zu Gast bei den Ratten, immerhin schauen sie nicht so komisch, wenn sie deinen Namen hören!“
Im Bühnengespräch nach dem Film erläuterte Mo-Darsteller Ali Saykhan Khazaev, dass es zu diesem Satz kam, weil er immer wieder erlebe, dass Leute komisch reagieren, wenn sie seinen Namen oder den so mancher Freunde zum ersten Mal hören… – Erlebnisse von Alltags-Rassismus.
Und das bezieht sich dann nicht nur auf die Namen – sondern auf das Gefühl, nicht dazugehören zu dürfen.
Die große Filmpremiere mit Hunderten begeisterten Kino-Besucher:innen bildete da übrigens ein Gegengewicht – ebenso wie schon die Arbeiten mit den Profis an dem Film.
Großer Jubel des vollbesetzten Saals für den Film und die darstellerische Leistung der Jugendlichen, die fast ausnahmslos zum ersten Mal vor der Kamera spielten. Immer wieder jedoch gab’s Bedauern, dass sich praktisch alles um Burschen drehte. Der Grund: Für die Workshops hatten sich fast ausschließlich solche gemeldet. „Demokratie, was geht?“ ließ jedoch anklingen, der nächste Film solle sich vor allem um Mädchen drehen.
Demokratie was geht?
Eine Gleisdreieck-Produktion
Regie: Mahir Yıldız
Drehbuch: Ibrahim Amir und Mahir Yıldız
Kamera: Michael Rottmann
Montage: Wolfgang Auer
Cast
Yousef: Abdulsattar Qasimi
Yousef als Kind: Yasir Arman
Mo: Ali Saykhan Khazaev
Mo als Kind: Valerian Vallant
Antonio: Ahmet Ağgün
Sami: Mohamad Ibragimov
Fabian, Sozialarbeiter: Fabian Reicher
Polizistin auf der Veranstaltung: Karin Eva Meisl
Imam: Achmad Mitaev
Pflegerin: May Garzon
Polizist im Erstaufnahmezentrum: Michael Schläger
Polizist im Erstaufnahmezentrum: Thomas Momčinović
Weiters – ohne Rollennamen: Sahil Qasimi, Muhanad Abdi, Dorian Biniek Schuh, Merdan Doğan, Aihan Hajo, Ibrahim Fabrizio Di Donato, Sara Kazemi (Stimme der Mutter)
Kompars:innen
Abdulrab Habibyar, Hares Habibyar, Laila Tabatabaie, Shaghayeq Tabatabaie, Madina Haidari, Ali Reza Khosravi, Vahid Neysi, Mansour Eghbali, Sepehr Jahan Tigh, Parham Rostam Abadi, Mahan Khofaji, Hossein Rezaei, Matin Farzaneh, Behzad Sadeghzadeh, Mohammad Amin Sheikhiani, Farid Ali Panah, Parsa Zamani, Hadi Sarkhosh, Mohsen Mohebi Kia, Hesam Fatahi Baghi, Majid Aghajani-Rizi, Khalil Rajabi, Amirali Ahani, Davood Gholamishiri, Markus Lipp, Manfred Fuchs, Tobias Brossmann, Johannes Blanckenstein, Valentin Maurer, Mark Gering, Jakob Serdaroğlu
Ausführender Produzent: Jakob Serdaroğlu
Szenenbild: Noémi Andits
Kostümbild: Lina Klavora
Maskenbild: Birgit Brezina
Unit Kamera Operator: Anna Haderer
1. AC: Germaine Haller, Anna Haderer
2. AC: Anna Haderer, Michael Evstrotov, Jonas Heuwieser, Valentin Maurer
Script Supervision: Olivia Kranner
1. AD: Reza Rasouli
2. AD: Reza Shirvan
Oberlicht: Oskar Ott
Best Boy: Ladislav Ludi
Jung Beleuchter: David Klaubetz
Grip: Florian Noever, Simon Mück
Innenrequisite: Maria Harrison
Original Ton: Anton Vertipolokh
Boom Operator: Maximilian Demets, José Camargo
Aufnahmeleitung: Ahmet Damar
Produktions-Assistenz: Denny Calas, Merlin Hauser, Cordula Rieger, Anna Rottensteiner
Sound Design, Tonmischung: Lukas Frei
Grading/ VFX: Wolfgang Auer
BTS Fotograf: Marc Gering
Drehbuch-Coach: Ibrahim Amir
Schauspiel-Coaches: May Garzon, Khaled al Mobayed
Workshop- Betreuung: Fabian Reicher, Achmad Mitaev
Musik: Gambino 36, Apsilon, MarbleSpace, Orchestralis, Original Ton aus TV: „La Haine“
Postproduktion: Ephemeron
Catering: Sulumbek Mitaev, Oxana Magomadova, Chadischat Mitaeva, Elina Magomadova