„Dizzy Izzy“ ist der neueste Film aus der Reihe alternativer Erzählungen der Kunstuni Linz, in der hochkomplexe Wissenschaft in verständlicher Form vermittelt werden.
Izzy will Kaffee trinken. Kaum steht das im Lokal servierte Häferl mit der ersehnten Flüssigkeit auf dem Tisch, beginnt der Kaffee zu schwabbeln, als gäbe es ein Erdbeben oder würde Izzy sich auf einem Schiff befinden. Alles andere steht jedoch still, ist stabil – also Irritation Nummer 1.
Doch es wird gleich noch schräger: Izzy will nach der Tasse greifen, doch siehe da, bevor die Hauptfigur dieses Animationsfilms noch trinken kann, verwandelt sich die Tasse in einen Donut!?
Neue Bestellung, neuer Versuch, neues Glück. Schmäck’s – oder denkste, je nach sprachlicher Färbung und Vorliebe. Jedes Mal wird aus dem Häferl (der Tasse) das kreisrunde Gebäck mit dem Loch in der Mitte.
Genau Letzteres lüftet sozusagen das Geheimnis hinter der Verwandlung. Auch das Häferl – mit Henkel – ist ein Objekt mit Loch. Hätte die Tasse keinen Griff, oder dieser keine Öffnung, ja dann würde diese Transformation nicht gelingen. Exakt um diese (strukturellen) Gemeinsamkeit geht es – Izzy, sozusagen mit „Vorname“ Dizzy (schwindelig) – landete wie die Stimme der Erzählerin (auf Englisch) erklärt, in der Welt der mathematischen Topologie. (Wobei Topologie aus dem Altgriechischen Topos kommend, was im Deutschen nur für Ort steht, eine Vielzahl von Bedeutungen in unterschiedlichsten Feldern hat: Von der Geografie über die schon erwähnte Mathematik bis zu Physik, Chemie, Biologie, Technik (Elektronik, Anordnung der Neuronen in einem künstlichen neuronalen Netzwerk), Philosophie und nicht zuletzt auch in der Kunst.
Wegen der zuerst sowie zuletzt genannten Disziplinen – Mathe und Kunst – kam es überhaupt erst zu jener Zusammenarbeit an deren Ende der nicht ganz achtminütige Film (samt langem Abspann mit vielen Beteiligten) „Dizzy Izzy“ steht. Dieser hatte in der zweiten Woche des neuen Jahres (2024) zunächst die inoffizielle Weltpremiere im Wiener Kulturzentrum Viktoria (15. Bezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus) und tags darauf die offizielle Uraufführung im Linzer Kino Moviemento am Platz des Offenen Kulturhauses.
Auf der einen Seite stand die Arbeit „Topologien künstlerischer Forschung” von Sarah Kolb. Auf der anderen ein Team der Kunstuni Linz, das sich in wechselnden Besetzungen schon seit gut zehn Jahren der künstlerisch-filmischen Umsetzung wissenschaftlicher Themen aus unterschiedlichsten Disziplinen widmet und diese „alt narratives I Cinematic Communication Of Scientific Research“ nennt. Alternative Erzählungen, um meist hochkomplexe – unterschiedlichste – Forschungs- bzw. Wissenschaftsbereiche anders, vor allem verständlich(er) zu vermitteln. Und dafür eben das Medium Film wählt(e).
Im ersten „alt narratives“-Film „Maybe Palermo“ wurden in einer filmischen Taxifahrt Polyphosphazene erklärt – vereinfachend gesagt ein Mix aus anorganischen und organischen Polymeren vor allem mit Einsatzgebiet Medizin. Damit gewann das Team den „Goldenen Delfin“ in Cannes bei den Medien- und TV-Awards (2016).
Zurück zur/m verwirrten Izzy, einer bewusst non-binären Hauptfigur. Schon im Café hingen an der Wand zwei Bildern, die ebenfalls diese Veränderbarkeit der künstlerischen Topografie darstellen: Eine Möbius-Schleife (ein in sich verdrehtes Band, das damit kein Außen und kein Innen hat – sehr gut zu sehen im Titelbild einer Reportage über „Forschen statt Faken“ vom Science Center Netzwerk – Link am Ende des Beitrages) und Banksys „Mädchen mit Ballon“.
Nachdem das mit dem Kaffee nix wird und Izzy mit Donuts schon mehr als vollgestopft ist, geht’s also raus und weiter auf die Suche nach Trinkbarem.
Unterwegs trifft die Hauptfigur auf eine Frau, die einen Mann auf allen Vieren an der Leine, zieht, was an die bekannte Performance von Valie Export und dem im Vorjahr verstorbenen Peter Weibel erinnert (Februar 1968 in der Wiener Innenstadt „Aus der Mappe der Hundigkeit“). Der Weg selber ist ein Möbius-Band – wie nun da rauskommen? Izzy hat die Topologie ge-checkt, setzt auf Transformation, bläst einen Kaugummi auf und schwebt davon wie Banksys Luftballon-Girl.
Und trifft später unter anderem auf Yayoi Kusamas gelben Kürbis, Rirkrit Tiravanijas Bild „Pad Thai“, wo sich was auch immer in schier unendliche Nudeln verwandelt, oder auf Marcel Duchamps „Brunnen“, ein Urinal, das der Künstler zu einem dreidimensionalen Kunstobjekt gestaltete. Und Izzy setzt sich mit Marina Abramović an den Tisch im Bild „The Artist is present“. An dem übrigens einige der Figuren und Objekte aus anderen Kunstwerken ebenfalls Platz nehmen.
Die schon genannte künstlerische Forscherin oder forschende Künstlerin Sarah Kolb ging mit dem Kernteam dieser Sparte an der Linzer Kunstuni – Andre Zogholy, Marlies Hajnal als Projektleiter:innen sowie Shari Ehlers und Thomas Guggenberger als Regisseur:innen und anderen in zweitägige Klausur. Das Thema wurde hin und her gewälzt, erörtert, auf Erklärbares runtergebrochen. Und dann stand die Frage: Wie filmisch umsetzen. Die vorherigen „alt narratives“ waren meist mit realen Personen, die Szenen spielen. Animation – und Wimmelbild mit Rein- und Rauszoomen war die erste Idee – so bei der Erstpräsentation in Wien, an der Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… teilnahm.
Also fragte das Team die Mit-Absolventin die Studiengangs Zeitbasierte und Interaktive Medienkunst, Lisa Prast an. Die zeigte sich skeptisch angesichts der Wimmelbild-Idee: „Schwierig etwas so digital zu zeichnen, dass es sowohl sehr klein als auch dann herangezoomt groß gut ausschaut“, verrät sie dem Journalisten.
Also dann „nur“ Animationsfilm. Die schon bisher Genannten schrieben das Drehbuch, die nun ins Boot geholte Animationskünstlerin baute darauf aufbauend das Storyboard, das sie mit allen Beteiligten immer wieder absprach und dann ging’s ans digitale zeichnen. Anton Vertipolokh schuf Musik, Alex Siegl steuert das Sound Design bei und Christopher Hüttmansberger übersetzt alle Texte auf Englisch – der Film soll international bei Festivals laufen und Lena Blessing sprach diese Texte der Erzähl- und Erklärstimme ein.
Und weil der Film eben zu Festivals soll, kann auch noch nicht – wie auf die anderen Filme – verlinkt werden; der entsprechende Kunstuni-Link ist unten in der Infobox zu finden.
Basierend auf dem FWF-Projekt (Forschungs- und Wissenschaftsfonds) „Topologien künstlerischer Forschung” von Sarah Kolb
Regie: Thomas Guggenberger, Shari Ehlers
Animation: Lisa Prast
Drehbuch: Thomas Guggenberger, Shari Ehlers, Marlies Hajnal, Sarah Kolb, Andre Zogholy
Produktion: Andre Zogholy, Marlies Hajnal
Production Manager – Thomas Guggenberger
Erzähl-Stimme: Lena Blessing
Sound Design: Alex Siegl
Musik: Anton Vertipolokh
Übersetzung ins Englische (Originalsprache des Animationsfilms): Christopher Hüttmansberger