Ein langer Laufsteg – an beiden Seiten die Publikumsreihen; der Catwalk – in dem Fall phasenweise Dog-Walk 😉 – mündet in eine Art offener Halfpipe samt davor postierter Sieges-Treppe für 1., 2., 3. Wie sie von vielen Bewerben her bekannt ist.
Hier spielte sich bei Schäxpir Ausgabe Nummer 13 – Theaterfestival für (nicht nur) junges Publikum – von Anfang bis Ende „Deadly Poodles“ der Erfolgsautorin Barbi Marković ab. Eine schräg-witzig-bissige Satire auf (Selbst-)Optimierungswahn mit Anspielungen auf Castings-Shows à la Heidi Klum und Assoziationen an Goethes Faust – vom Seelenverkauf bis zu „des Pudels Kern“.
Das Landestheater – wegen Umbaus im Ausweichquartier Ursulinenhof-Saal – eröffnete als Mix aus Ensemblemitgliedern und Schauspielstudierenden der Anton Bruckner Uni mit diesem vordergründig heiteren und tiefgründig satirischen 1¼-stündigen Stück das Schäxpir-Festival und spielte auch noch am letzten Tag.
Angesagt, erzählt und mitunter bewertet von Angela Waidmann, schlüpfen Markus Ransmayr in die Rolle eines Arztes, der so auf seine Fitness schaut, um ja nicht Patient zu werden, Lara-Luna Wojtkowika in die von Rebecca, einer übereifrigen, streb- und arbeitssamen, ja Workoholicerin, Vivian Micksch in die der alles mit Make-Up übertünchenden Lady Barbie mit ihren unbegrenzten Ansprüchen und schließlich Daniel Klausner als Contra-punkt, der als Dennis alles unheieieieimlich laaaaaangweilig findet. „Boring“ ist wohl das häufigste Wort in dieser Aufführung. Klausners Auftritte – als Dennis – gruppieren sich um den englischen Begriff für fad.
Nach dieser Ouvertüre der menschlichen Charaktere geht’s um „des Pudels Kern“. Die Stage verwandelte sich am Gipfel der Skater-Ramp in eine Tierhandlung mit bunten Pudel. Die vier Schauspieler:innen verwandeln sich abwechselnd in diese, immer ein Pudel für einen der Menschen. Alles Luxus-Tierchen mit dem Versprechen den Protagonist:innen zu mehr – vor allem – Ansehen zu verhelfen; mit elendslangen Verträgen voller „Kleingedrucktem“. Vor dem die Erzählerin warnt – und es dann doch zulässt.
Und so tauschen die Menschen im Glauben, mit dem jeweiligen Luxushündchen stellvertretend Zaubermittel für die von ihnen gewünschten Eigenschaften zu kriegen, ihre Seele mit der Tierhandlung, machen sich zu Sklav:innen der durch den jeweiligen Pudel verkörperten Optimierungs-Strategie – (seelen-)tödliche schicke, zurechtfrisierte und -geschnittene Luxushündchen, die Macht über ihre Besitzer:innen gewinnen.
Diese Strategie aber verfängt bei Dennis gar nicht. Er der alles langweilig findet, will sozusagen nix, vor allem nichts kaufen, da beißen sich die Hündchen und Marketingstrategie sozusagen die Zähne aus 😉
Vor allem die vier Protagonist:innen – ob als Menschen oder als Hunde zeigen eine große Bandbreite an Können – Schauspiel, Tanz, ansatzweise auch akrobatisch auf der Skater-Ramp oder Rad schlagend auf dem Laufsteg, Gesang, manches auch chorisch aufgeführt – und „über“dressiert von der Erzählerin / Moderatorin / Bewerterin auf dem Thron, pardon dem Schiedsrichter:innen-Stuhl wie beim Tennis.
Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.
„Alle checken alles, nur du nix!“ – das war Nummer 3 auf der 55-teiligen Horror-Liste, aus der Barbi Marković beim Kultursommer im Vorjahr las – mehr dazu im Link am Ende dieses Beitrages. In der Zwischenzeit hat sie ihren dritten Roman „Minihorror“ (nach „Superheldinnen“ und „Die verschissene Zeit“) veröffentlicht– übrigens mit einer weit längeren, anderen Horror-Liste im Anhang. Schon am Vorabend der Bucherscheinung startete eine Bühnenversion von diverCITYLAB im Theater am Werk-Meidling.
Mini – so heißt eine der Hauptfiguren im jüngsten Marković-Kosmos. Sie, aus Serbien, und Miki, aus Oberösterreich, sind ein Paar. Mit alltäglichen kleinen Katastrophen, die sich nicht selten zu fast selbst- und einander zerfleischendem Horror auswachsen. Und wie die Autorin es in praktisch all ihren Texten anlegt, immer mit einem kräftigen Schuss schrägem Humor und (Selbst-)Ironie.
Ob beim Einkaufen, dem Streit darüber, dass die eine von dem anderen und umgekehrt, zu wenig über deren/dessen Familie erzählt bis zum versuchten Eintauchen in diese Welt des/der anderen oder beim (vergeblichen?) Warten auf die Lieferung einer neuen Küchenplatte… Was sind schon die großen Weltsorgen gegen den Horror, sich möglichst „normal“ einzurichten und dann an allen Ecken und Enden gegen Hindernisse und Beziehungsprobleme zu rennen – und das in einer bitterbösen Form in der das Publikum sehr viel darüber lachen kann; nicht zuletzt deswegen, weil es so manches aus eigenem Erleben kennt. Samt der mehrfach ventilierten Frage, „lebe ich eigentlich noch wirklich?“ inklusive auf die Schaufel nehmen eines darauf Bezug nehmenden Werbespruchs.
diverCITYLAB-Gründerin Aslı Kışlal hat den Ton der Autorin aufgenommen, so manche Sätze auch selber erfunden. Und in der Inszenierung den Gag aus den zwei I-Punkten im Titel-Schriftzug des Buches aufgenommen: Mini und Miki treten mit den weltbekannten großen runden schwarzen Ohren sowie ebensolchen Clown-Nasen (Kostüm: Nadine Cobbina) auf. Womit ihnen gleich vom ersten Moment an eine zusätzliche schräge Dimension verliehen wird.
Dennis Cubic, Deborah Gzesh, Isabella Händler, Jonas Kling, Kari Rakkola und Violetta Zupančič sind alle abwechselnd, durcheinandergewürfelt mal die eine, dann die andere Hauptfigur. Mitunter schlüpfen sie – mit ein wenig anderer Verkleidung – auch in Nebenrollen, etwa Minis Großmutter (Kari Rakkola) in einer sarkastischen Szene in der Mini mit unzähligen Verwandtem auf engstem Raum leben muss, aus dem sich nach und nach einige durch Wegziehen, andere durch Tod entfernen, bis das Trio Mini, Mutter und Oma überbleibt…
Die schräge Szenerie wird durch Live-Musiker und fallweise auch Sänger Uwe Felchle zu einer witzigen Show abgerundet, mit einigen Momenten in denen auch Bühnenelemente (Bühne und Requisite: Markus Liszt, Je.Jesch, Michi Liszt) für Überraschung sorgen.
Jennifer, Minis Cousine und „fleischfressendes Monster“, aus dem Roman von Barbi Marković taucht in der Inszenierung als furchteinflößendes animiertes Schattenmonster an den Wänden auf – samt Interaktionen mit Schauspieler:innen.
„Alle checken alles, nur Mini gar nichts.“ „Miki ist nicht sicher, ob er im Spiegel auf dem Rücken eine Zecke oder ein Muttermal sieht. Das macht ihn fertig.“
Diese beiden Sätze stammen – dort auch mit kleinen eigenhändigen Zeichnungen der Autorin versehen aus dem dritten und letzten „Bonusmaterial – 105 weitere mögliche Horrors mit Mini und Miki“ von Barbi Marković zu ihrer dieser Tage erschienenen Episodengeschichten „Minihorror“ vor allem über Mini und Miki. Schon am Vorabend des Verkaufsstarts in Buchhandlungen war eine dramatisierte Fassung dieser skurrilen kleinen und oftmals doch so großen Geschichten über diese beiden Figuren zu erleben. diverCITYLAB spielte viele der Szenen in einer noch schrägeren Bühnenversion mit Livemusik im Theter am Werk/Meidling – zu einer Stückbesprechung geht es hier unten.
Liebevoll und fast durchgängig humoristisch, ohne sie allerdings lächerlich zu machen, lässt die Autorin ihre beiden Protagonist:innen durch alltägliche – vielfach bekannten Hindernisse stolpern, immer wieder auch scheitern. Aber gleichsam jedes Mal wieder aufzustehen. Auch wenn sie beim Philosophieren über ihre Existenzen mitunter nicht einmal sicher sind, dass es sie (noch) gibt. „Miki wird unsicher, ob er nicht auch schon tot ist. Ob er nicht bei einer heiklen Situation in der Vergangenheit gestorben ist und es nicht bemerkt hat…“ Dieser Passage lässt die sprach- und gedankenspielerische Autorin überraschend und doch fast logisch diese Schlussfolgerungen folgen: „Wenn Miki aber jetzt wirklich tot wäre, wären sämtliche Lebensbemühungen seit dem Moment seines Todes eine harte Blamage. Er wäre der größte Verlierer – jemand, der schon ins Jenseits übersiedelt ist, sich aber immer noch wegen jeden Blödsinns stresst.“
An so manchen Stellen lässt Barbi Marković ihr Duo auch außerhalb ihrer intensiven Zweierbeziehung auftreten – mal in ihrer Heimat Serbien, mal in seinem Herkunftsort in Oberösterreich – samt Konfrontation mit den jeweiligen Familien. Oder bei Sylvester- und anderen Gelegenheiten auftauchen, um dabei so manchen Party-Smalltalk amüsant auflaufen zu lassen.
„Miki sagte: »Hallo Mini, mir geht es HERVORRAGEND!« Mini fand das übertrieben für eine Person, die in derselben Welt voller Leid lebte wie alle, aber sie versuchte, offen zu bleiben und sich seine Gründe anzuhören. Leider packte Miki unfassbare Prinzipien und Glaubenssätze aus.“ (S. 117)
Trotz viele Witz baut die Autorin immer wieder umfassende und tiefgreifende Gesellschaftskritik so „nebenbei“ ein, ohne dass diese je aufgesetzt wirken würde. Im Folgenden zwei Beispiele:
Miki fallen im Wartezimmer einer ärztlichen Ordination einige Münzen aus dem Hosensack. Als ihn das wenig kümmert, bücken sich viele, um die Cent-Stücke für ihn unter den Sesseln hervorzuholen. „»Oh mein Gott!«, wütet Miki innerlich, während er“ sich lieb bedankt. »Menschen würden einen ersaufen und an Hunger und Kälte sterben und auf der Straße schlafen und verrecken lassen, kein Problem. Aber wie sie sich in alle Richtungen stürzen, wenn eine Cent-Münze auf dem Boden rollt, als wären sie eine nur darauf trainierte Gruppe Labrador-Retriever.«“ (S. 100)
Mini sieht – nach vielen Jahrzehnten – wieder ein Monster, als Kitzelmonster kennt sie es seit den 80er Jahren. „Überall, wo die Menschen einander nicht helfen (können oder wollen, das ist egal), taucht das Kitzelmonster auf und geht auf die Person, der nicht geholfen wird, los, um sie zu kitzeln.“ (S. 111)
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