Ohrenbetäubender Protestlärm aus Hunderten Trillerpfeifen erfüllte die kleine, fast versteckte Ölzeltgasse beim Heumarkt in Wien-Landstraße Samstagmittag. Aus allen Seiten vor allem aus Richtung Stadtpark strömten ununterbrochen Menschen vor die serbische Botschaft. Viele hatten handgeschriebene (lateinisch und kyrillisch) und gemalte Plakate mitgebracht. So manche hatten auf die Plakate rote Handabdrucke gemalt, andere reckten ihre mit roten Handschuhen überzogene Hände in die Höhe und den Kameras entgegen.
Um 11.52 wurde es besonders laut. Pfiffe und Sprech-Chöre unter anderem „Vučiću odlazi“ – der Name des Präsidenten dieses Landes mit der Aufforderung „geh (weg)!“ erinnerten an die 15 Toten von Novi Sad (ca. 70 Kilometer von Beograd entfernt). Die Protestbewegung in Serbien – und die Solidaritätsaktionen in anderen Ländern geben sich nicht zufrieden mit dem „Bauernopfer“ des Rücktritts von Premierminister Miloš Vučević.
Kurz nach dem lautstarken Höhepunkt wurden alle Demonstrant:innen zu Schweigeminuten gebeten – im Andenken an die 15 Getöten.
Am 1. November des Vorjahres war genau zu diesem Zeitpunkt das Vordach des Bahnhofes dieser 300.000-Einwohner:innen-Stadt eingestürzt und hatte die eineinhalb Dutzend Menschen unter sich begraben, darunter ein fünfjähriges Kind. Bald danach begannen Proteste, die sich nach und nach auf ganz Serbien ausweiteten. Der Vorwurf an Regierungs- und Staats-Spitze: Korruption und mangelnde Bau-Aufsicht bei der Renovierung des Bahnhofes im Zuge der Kooperation mit China.
Getragen wurde und wird – nach einem Generalstreik in der Vorwoche gab es Ende dieser Woche einen Protestmarsch von der Hauptstadt (Belgrad) nach Novi Sad – werden die Aktionen vor allem von Studierenden. Und dies äußerst friedlich. Sogar als – mittlerweile zum dritten Mal – Gegner:innen der Proteste mit Autos in Demonstrationen fuhren, wurden weder diese Autos noch deren Fahrer:innen attackiert. Dafür wurden sie – wie Ende Jänner der Dramatiker Sinisa Kovačević auf „X“ twitterte kollektiv für ihren Ghandi-artigen Protest für den Friedensnobelpreis dieses Jahres nominiert.
So friedlich reagierten die Protestierenden in der Ölzeltgasse auch auf zwei nationalistische Männer, die die Kundgebung missbrauchten und mit entsprechenden Fahnen den Kosovo für Serbien reklamierten. Cool down ersuchten sie die beiden wenigsten ihre Sprechchöre einzustellen.
Bei der Kundgebung vor der serbischen Botschaft nahmen nicht zuletzt aufgrund des fünfjährigen Todesopfers in Novi Sad auch so manche Kinder mit eigenen handgeschriebenen Plakaten und roten Kartonherzen teil. Und Marina hatte sogar ihrem Hund Nika ein Plakat umgebunden: „Für Dona – wir geben nicht auf!“ Denn auch eine Hündin namens Dona wurde bei einer der Demonstrationen in Serbien von einem gegnerischen Autofahrer niedergeführt und getötet.
Der Tod der Hündin und die Proteste „verzögerten“ Mitte dieser Woche auch den Beginn der Oper „Der Barbier von Sevilla“ im Nationaltheater Belgrad, weil das Orchester im Chor das Gedicht „Protest“ von Nikola Radošević vortrug.
Marina, ihre Schwester Andrea hatten aber auch Plakate, dass sie als Tanten der zweiten Generation in Wien, ihrer Nichte Sofia in Serbien wünschen, dass sich dieses Land unter der Protestbewegung so demokratisiere, dass Sofia nicht auch noch ihre Heimat verlassen muss. Lilijana, die Mutter der beiden längst erwachsenen Schwestern, hatte ein anderes Plakat geschrieben – mit einem seit Kurzem weit verbreiteten Spruch, der Bezug darauf nimmt, dass auch die Schüler:innen streiken – und bewusst einen Fehler in des Spruch einbaut 😉
Außerdem unter anderem zu sehen englischsprachige Losungen wie Schande an hochrangige Politiker:innen der EU, die eher auf Seiten der Herrschenden als jener der Protestierenden Sebiens stehen. Ein anderes Plakat wies darauf hin, dass gerade die protestierenden Studierenden in Serbien Europa deren eigene Werte lehren…
instagram -> nominiert für den Friedens-Nobelpreis
orf.at -> Proteste in Novi Sad
Nach der vielumjubelten Aufführung von „Beograd – Beč“ (Belgrad – Wien) beim Wiener Kultursommer im Mortara Park (Brigittenau; 20. Bezirk) musste Marko Dimitrijević zunächst einmal für viele Selfies mit Fans vor der und rund um die Bühne posieren. Dann aber konnte er sich doch Zeit nehmen für ein Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Übrigens nicht zum ersten Mal. Vor zwei Jahren – im Sommer 2022 – spielte, sang und tanzte er im teatro-Musical „Schneewittchen“ im Stadttheater Mödling sowohl den Jäger als auch den Prinzen (Link zum damaligen Interview am Ende dieses Beitrages).
KiJuKU: Wie war das bei der Anfrage der Regisseurin vor rund einer Woche, so eine große Rolle kurzfristig zu übernehmen?
Marko Dimitrijević: Es war eine sehr große Herausforderung. Ich hab mir sehr viel Mühe gegeben.
KiJuKU: Aber haben Sie sofort zugesagt oder zunächst einmal tief geschluckt und gefragt, wie soll das gehen?
Marko Dimitrijević: Ich glaub, ich hab insgesamt ungefähr zehn Minuten darüber nachgedacht. Dann hab ich zurückgerufen und gesagt: Ich mach’s! Ich versuch’s! Ich hab so etwas bisher in meinem Leben noch nie gemacht – ich mein auf Serbisch zu spielen. Das kann ich lang nicht so gut wie Deutsch. Aber: Wieso nicht?!
Eine Herausforderung kann nicht schaden. Ich wollt’s unbedingt probieren.
KiJuKU: Und wie ging das dann, dass Sie so schnell den Text gelernt haben – ist ja doch ziemlich viel?
Marko Dimitrijević: Ich hab mir das Video von der Aufführung im Ateliertheater angeschaut – mehrmals. Immer ganz genau aufgepasst und hingehört und zugeschaut, wie der Schauspieler (Dorijan Bakoš-Dodek) sich bewegt, was er beim Sprechen macht und die Regisseurin gefragt, was sie noch von mir sehen will in dieser Rolle des Đorđe.
Ich hab wirklich Tag und Nacht gelernt. Aufgestanden, gegessen, hab gelernt, war Duschen, hab wieder gelernt…
KiJuKU: Lernen Sie grundsätzlich so schnell – auch in der Schule?
Marko Dimitrijević: Wenn ich was lernen will, dann schaff ich’s. Ich bin okay in der Schule. Aber ich will wirklich Künstler – Schauspieler oder Sänger werden. Ich will auf der Bühne stehen können und Menschen Spaß bereiten.
Eigentlich lern ich wirklich nur schnell, wenn ich was lernen will.
KiJuKU: Sie sind 16 und kommen jetzt in die 7. Klasse, oder?
Marko Dimitrijević: Ja, ich geh in die Hegelgasse, in den Polyästhetik-Zweig, wo wir jetzt auch in der 7. Klasse ein großes Theaterprojekt machen. Aber bei der Projektwoche in der letzten Schulwoche, wo schon damit angefangen wurde, war ich nicht dabei. Ich will ehrlich sein, ich war da Vorsprechen bei der MUK (Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien) – ich war der Jüngste und bin von 300 Menschen immerhin in die zweite Runde gekommen, in die es nur 69 geschafft haben. Das ist schon ein großer Erfolg. Leider konnte ich deswegen nicht auf die Projektwoche mitkommen.
KiJuKU: Zurück zu diesem Stück, wie hat Ihnen die Rolle des Đorđe in „Beograd – Beč“ zugesagt?
Marko Dimitrijević: Der Charakter des Đorđe ist nicht so weit weg von mir – er ist nach Wien gekommen, um seinen Traum zu verwirklichen. Ich hab auch ein künstlerisches Ziel vor mir. Und deswegen hatte ich auf der Bühne auch so ein gutes Gefühl, ich war so locker. Und das, obwohl ich jetzt zum ersten Mal auf Serbisch gespielt habe – ein bisschen mit österreichischem Akzent, diese sch, dsch, tsch-Laute, die kann ich nicht so gut. Aber, ich darf im Oktober noch einmal ein anderes Stück auf BKS spielen.
Drei längliche Tische stehen auf dem Podest vor der Bühne im Wiener Figurentheater Lilarum – jeweils mit weißen Tüchern bedeckt. Als so ziemlich alle auf ihren Plätzen sitzen, wuchtet eine Hand von hinter den Tischen einen grünen Baum auf den mittleren Tisch, dazu einen alten Wecker, noch einen Baum und noch einen… Dann erscheint unter dem mittleren Tisch ein Gesicht, irgendwie erinnert seine Schminke an die eines Clowns. So, offenbar auf dem Boden unter dem Tisch liegend, beginnt er sich mit den Kindern zu unterhalten. Was sie da machen, worauf sie etwa warten… – auf Serbisch.
Das nach dem serbischen Journalisten und (Kinderbuch-)Autor Duško Radović (1922 – 1984) benannte „Malo pozorište“ (kleines Theater) aus Beograd (Hauptstadt Serbiens) gastierte in Wien-Landstraße und spielte ein Stück nach dem weniger bekannten Märchen „Der Schweinehirt“ von Hans Christian Andersen: „Bajka o tihom princu i tužnoj princezi“ (Ein Märchen über einen stillen Prinzen und eine traurige Prinzessin).
Mladen Vuković schlüpfte hin und wieder in die Rolle des „stillen“ Prinzen eines kleinen Königreiches am Rande – des einen Tisches. Vor allem aber verlieh er dessen Figur ebenso wie den weiteren Figuren in dem Stück seine Stimme – und seine Hände, um sie zu bewegen. Hin und wieder fällt eine Figur um, oder irgendwo runter – obwohl sicher nicht jedes einzelne „Missgeschick“ genau geplant ist, gehört es dennoch – wie KiJuKu nachher anvertraut wurde, dazu. Es passt zum Charakter des Harlekins und macht einen Teil des Charmes dieses Spiels aus und sorgt immer wieder für Lacher. Da der Harlekin die Szenerie rund um den „armen Prinzen“ und die superreiche Prinzessin bald nach Beginn in die Atmosphäre einer Art Zirkusmanege verwandelt, holt er sogar wilde Tiere – als Spielfiguren, die sich auf dem Plattenteller eines alten tragbaren drehen…
Sehnsüchtig schaut der Prinz in Richtung einer mächtigen Schloss-Anlage – aus Karton-Häusern und -Türmen am Ende des dritten Tisches. Dort wohnen der mächtige Kaiser, seine Tochter, Hofdamen und, und, und… Der Prinz ist im Vergleich dazu arm, aber reich an Kreativität und Zuwendung. So pflegt er einen Rosenstrauch, der nur alle fünf Jahre blüht. Und auch da trägt sie nur eine Rose, die jedoch so intensiv und betörend riecht, dass es nicht nur eine Freude ist, sondern sie auch Sorgen vertreiben kann. Diese sowie eine Nachtigall, die alle Melodien der Welt singen konnte, ließ er ins Kaiserschloss liefern, um sich um die Prinzessin zu bewerben.
Doch diese verabscheute Rose und Vogel – weil „zu natürlich“.
Da verfiel der Prinz auf die Idee, sein Gesicht eher schmutzig zu bemalen und sich als Gehilfe beim Kaiser zu bewerben – er wurde Schweinehirt. Und hatten dabei noch genügend Zeit, um einen Zaubertopf zu bauen und später eine magische Ratsche. Als die Prinzessin von ersterem erfuhr, wollte sie den Topf haben, dessen Schellen Melodien spielten, sobald etwas kochte. Außerdem konnte man einen Finger in den Dampf des Topfes halten und dann riechen, wer und wo in der ganzen Stadt was gekocht hatte.
Zehn Küsse verlangte der „Schweinhirt“ dafür. Was sie erst nicht „zahlen“ wollte, dann aber siegte doch ihre Besitzgier, die Hofdamen müssten sich halt schützend davor hinstellen, damit niemand sie sieht…
Für die später produzierte Ratsche (im Original) – hier ein kleines Ringelspiel als Spieluhr – verlangte der Erfinder 100 Küsse – selbe Prozedur, doch die dauerte offenbar so lange, dass der Kaiser dies entdeckte, Hirten und Tochter verstieß – der Schau- und Puppenspieler zieht die drei Tische auseinander – einer für den Kaiser, einer für die Prinzessin und der dritte für den „Schweinehirten“, sprich Prinzen. Dazwischen unüberwindbare Gräben…
Nun bedauerte die Prinzessin, nicht den Prinzen mit Nachtigall und Rose genommen zu haben. Der Schweinhirt ergab sich zu erkennen. Sie verbeugte sich vor ihm, wollte zu ihm in sein für ihre Verhältnisse ärmliches Schloss, er aber „machte ihr die Tür vor der Nase zu. Da konnte sie draußen stehen und singen: Ach, Du lieber Augustin, Alles ist hin, hin, hin!“ – wie es in Andersens Märchen heißt.
Das hier dann doch ein wenig anders gespielt wird (Regie, Adaption, Musikauswahl und Choreografie: Aleksandar Nikolić; Kostüm-, Bühnen- und Puppendesign: Tanja Žiropadja). Wie sollten oder könnten die beiden doch noch zusammenkommen, fragt der Spiele das Publikum – und munter rufen die Kinder die unterschiedlichsten Varianten in Richtung Bühne. Da besteigt der Prinz den Korb eines fahrenden Ballons und schwebt dorthin, wo die Prinzessin tief gefallen ist…
Und setzt der Geschichte ein so vom Märchendichter nie gewolltes herkömmliches „Happy End“ auf.
„Malo pozorište Duško Radović“ gibt es seit knapp mehr als 70 Jahren. Fast 20 Jahre war es ein wanderndes Puppentheater, Anfang Juni (6.) 1968 konnte es ein eigens errichtetes Kindertheaterhaus im Zentrum der Hauptstadt – damals noch Jugoslawiens – beziehen. Gespielt wird schon lange sowohl für Kinder als auch für Jugendliche und Erwachsene, in erster Linie aber doch für ein junges und jüngstes Publikum, weshalb es sich auch den Namen Malo pozorište (Kleines Theater) gab.
Seit 2019 lädt das Wiener Figurentheater Lilarum immer wieder Gruppen aus mittel- und osteuropäischen Ländern (CEE Central and East-Europe) zu Gastspielen in der jeweiligen dominierenden Landessprache ein. In erster Linie spricht dieses Kindertheater in Wien-Landstraße (3. Bezirk) damit zwei- bzw. mehrsprachigen Familien mit Herkünften oder Verwandten in diesen Ländern an. Die Kinder können so auch – sonst eher selten – Theater in ihrer jeweiligen Erst- oder Familiensprache erleben.
Die jüngste Aufführung war die erste, wo im Anschluss Pädagog:innen mit den Kindern zweisprachig – in dem Fall Serbisch und Deutsch – einerseits das Stück, andererseits anhand von Zeichnungen Wörter besprochen haben.
Gleich am Sonntag, 7. April 2024 geht’s weiter – dieses Mal mit einem Gastspiel aus Bratislava (Slowakei) mit einem Märchenmix aus Aschenputtel, Hässlichem Entlein und weiteren Elementen – ein Puppenspiel über den Blick auf sich selbst und andere, Selbstachtung, Stolz und schiefe Spiegel wie es in der Ankündigung heißt – Details in der Info-Box ganz am Ende des Beitrages.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen