Katherina Braschel arbeitet als freie Schriftstellerin und Kulturveranstalterin. Sie schreibt darüber hinaus für die Literaturmagazine „Radieschen“ und „Morgenstern“ und gibt Schreib-Workshops, unter anderem im Literaturhaus Wien. Dieses Jahr war sie Teil der Jury für die Exil-Literaturpreise – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat darüber bereits zwei Teile veröffentlicht – Links dazu am Ende dieses Beitrages.
Mit KiJuKU spricht in Braschel über ihr Leben als Autorin, was einen guten Text ausmacht und wieso Tagebuchschreiben nichts für sie ist. Das Interview führte Stefanie Kadlec, Schülerin im Maturajahr, die hier seit einigen Monaten Journalismus-Luft schnuppert.
KiJuKu: Wie bist du zum Schreiben gekommen, war das schon sehr früh?
Katherina Braschel: Meine Mutter hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass ich viel lese und deswegen waren wir auch viel in Bibliotheken, wo ich dann sehr viel Zugang zu Büchern bekommen habe. In der Schule hatte ich Glück mit meinen Lehrpersonen, die mich immer unterstützt haben und auch schon in der Volksschule gesagt haben: Das ist eine tolle Kurzgeschichte. Schreib noch eine. Ich habe in der Schule auch Schreibworkshops besucht und das Schreiben ist mir immer geblieben. Eine Zeit lang war ich mehr im Theaterbereich, also in der Off-Szene, aber das Schreiben war immer da. Ich habe 2019 beschlossen, es auch hauptberuflich zu machen. Ich glaube, es war schon immer da, dadurch weil es auch immer schon meine Ausdrucksform war.
KiJuKu: Du bist in der Jury der Exil-Literaturpreise, wo du Texte lesen und aussuchen musst. Wie sucht man einen Text aus und wann ist ein Text gut?
Katherina Braschel: Eine Jury wird nach verschiedenen Qualifikationen zusammengestellt, aber man kann versuchen, es nach objektiven Kriterien zu machen. Das haben wir auch versucht und hoffentlich gut hinbekommen, aber letztlich sind es auch subjektive Kriterien. Ich fand es total spannend, so viele Texte zu lesen und unterschiedliche Zugänge zu bekommen. Wir hatten auch Texte, wo wir uns in der Jury gar nicht einig waren. Für mich ist ein Text gut, wenn er mich noch länger beschäftigt. Er muss mich irgendwie berühren, er kann mich auch wütend machen und er kann mich auch angreifen. Ich mag es auch, wenn Leute sich in ihren Texten etwas trauen, die Formen sprengen oder erweitern. Bei diesem Preis ist es ein bisschen selbstverständlich, aber ich mag auch politische Texte, die sich etwas trauen.
KiJuKu: Was hast du als Autorin schon veröffentlicht?
Katherina Braschel: Ich habe 2020 das Buch „Es fehlt viel“ in der Edition Mosaik veröffentlicht. Das war ein experimenteller Band, also die Buchhandlungen tun sich schwer es irgendwo hinzustellen und es lag meistens bei Lyrik. Es ist vielleicht auch ein bisschen eine Hilflosigkeit, ich finde es ist keine Lyrik. In dem Buch ging’s um Dokumentieren, da habe ich experimentell gearbeitet und Zitate, Mitgehörtes auf der einen Seite in den Text eingeflochten und auf der anderen Seite Beobachtungen und Reflexionen. Das klingt jetzt ein bisschen trocken, aber es ist auch schwer zu erklären. Es ist ein Text, der sich ums Dokumentieren dreht und um die Frage, wozu man eigentlich das Recht hat zu dokumentieren.
KiJuKu: Schreibst du auch Tagebuch?
Katherina Braschel: Nein, ich habe oft versucht damit anzufangen, aber ich glaube ich bin dazu nicht genug gnädig mit mir selbst. Ich habe dann permanent ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen oder mehrere Tage auslasse. Eine Zeit lang habe ich jeden Tag in ein Notizbuch einen Satz geschrieben. Das hat gut funktioniert und das lese ich auch jetzt manchmal noch gerne durch, weil’s auch ein Satz ist und es macht Freude und das ist auch etwas, was man leicht einhalten kann.
KiJuKu: Hast du irgendeinen Lieblingssatz?
Katherina Braschel: Ein Satz, der nie unwichtig sein wird: Kein Mensch ist illegal.
Stefanie Kadlec, 18
Eine dreisprachige Familie steht im Zentrum des Textes der Siegerin, in anderen Texten kommen mehrere Sprachen vor, die Jugendlichen des prämierten Schulprojektes versetzten sich in Altersgenoss:innen in verschiedensten Teilen der Welt… Über die Texte der Schülerinnen samt kurzen Interviews mit jenen sechs der sieben die zur Preisverleihung gekommen waren, gibt es einen eigenen Beitrag, der schon früher erschienen ist – Link dazu am Ende dieses Beitrages: „Wenn ich bei der Geburtslotterie nicht gewonnen hätte…“
„Schreiben zwischen den Kulturen“ ist das Motto der heuer (2023) zum 27. Mal vergebenen Exil-Literaturpreise. Nach vielen Jahren auf der Buch Wien – wo der zeitliche Rahmen immer sehr begrenzt war – fand die Preisverleihung nun auch schon zum wiederholten Mal im Literaturhaus Wien statt. Heuer mit leider nur recht kurzen Auszügen aus den ausgezeichneten Texten.
Der Bewerb, die Preise und vor allem die Edition Exil, bei der nicht nur die gesammelten vollständigen Preistexte erscheinen – siehe Info-Box -, sondern immer wieder auch Einzelbände vormaliger Preisträger:innen, wirkt damit seit mehr als einem ¼-Jahrhundert befruchtend für die österreichische Literatur. „Heute so bekannte Autor*innen wie Julya Rabinowich und Thomas Perle, Susanne Gregor und Didi Drobna, Marko Dinić, Ljuba Arnautović, Dimitré Dinev und Samuel Mago und viele andere wurden durch die Exil-Literaturpreise entdeckt und zu Beginn ihrer Karrieren im Autor*innen-Coaching im Rahmen der Exil-Autor*innenwerkstatt und meist auch mit Erstpublikationen in der edition exil entscheidend gefördert“, schreibt und sagt Christa Stippinger, Herz, Seele und Motor des Bewerbs und der Edition.
„Ich weiß, dass in jeder Sprache ein anderer Mensch steckt. Mein Vater ist sanft, wenn er Ukrainisch spricht“, heißt es an einer Stelle von „Platz für Enge“, dem Text, mit dem Anastasiya Savran den Exil-Literaturpreis 2023 – von 1999 Einreichungen) gewonnen hat. „Mutter hingegen ist geradlinig, gerecht und streng. Ihre russische Sprache und den Tonfall nehme ich an, wenn ich überzeugen will. Wenn wir diskutieren und jeder den eigenen Standpunkt durchzusetzen versucht.
Und Deutsch? Das ist die Sprache, die ich verwende, um zu erklären. Es ist die Sprache, um sich Neuem anzunähern. Wir reden deutsch, wenn etwas noch fremd für uns ist.
Ich weiß auch, dass alle drei Sprachen in meinen Eltern wohnen. Aber seit einem Jahr hat sich etwas verändert…“
Die Autorin ist als sehr junges Kind (eineinhalb Jahre) nach Österreich gekommen. „Als meine Familiensprache bezeichne ich Ukrainisch, weil es für mich eine starke Bedeutung hat, in Bezug auf Emotionen und den Wortschatz. … Mit meinen Brüdern oder Schwestern rede ich Deutsch, und obwohl wir die Sprache beherrschen, ist es anders, als wenn wir Ukrainisch sprechen“, wird sie im Preistexte-Band zitiert. „Für mich persönlich ist Heimat kein Ort, den man mit einer Pin-Nadel auf einer Karte festlegt, sondern ein Wert, und der kann in zwei, drei oder vier Ländern liegen.“
Savran, die am Gymnasium im Wiener Theresianum naturwissenschaftliche Fächer unterrichtete, ist nunmehr Lehrende und Forscherin an der Pädagogischen Hochschule Wien 10 – Schwerpunkt Naturwissenschaften, IT in Verbindung mit Kunst (STEAM – Science, Technology, Engineering, Arts, Mathematics) – womit sie noch ganz andere Sprachen in ihr Leben integriert – und obendrein vermittelt;)
„In meiner Sprache kann ich nicht schlafen, dormire, il sonno heißt aber der Schlaf. Insonne werde ich, als er mir ausweicht. Sogar manche Pflanzen nehmen nachts eine Schlafposition ein, lese ich, die Blätter nach unten. Blüten schließen sich meistens. Ob sie auch wirklich schlafen, weiß ich nicht“, schreibt Wania Laila Castronovo in „Insonne. Berichte aus einer anderen Landschaft“. Damit gewann sie den zweiten Preis. Immer wieder switcht sie zwischen Deutsch und Italienisch (manches Mal in Fußnoten im Buch übersetzt) und bringt das in zwei kurzen Sätzen auf den Punkt: „Am liebsten die Sprache vermischt. Am genauesten spreche ich gemischt.“
„Das Ungleichgewicht der Grenzen“ betitelte Sára Köhnlein ihren Text, mit dem sie auf Platz drei des aktuellen Bewerbs kam. Und in dem sie unter anderem die „herrschende“ Hierarchie von Sprachen thematisiert. Aus dieser Passage sei hier zitiert:
„Doch es ist mehr als der Inhalt, es ist die Sprache selbst. Er ist der, der alle Sprachen sprechen darf; wenn er Deutsch redet, antworten die Menschen auf Deutsch, um die Sprache zu üben. Wenn er Tschechisch spricht, wird er für seine Kenntnisse gelobt. Wenn er Englisch spricht, sagt man, er beherrsche so viele Sprachen.
Auch in der Familie bemerkt Ludvika das subtile Ungleichgewicht, das in allen Aspekten des Lebens vorhanden ist. Wenn sie in Deutschland sind und Mutter auf Deutsch spricht, wird sie korrigiert, während Vater in Tschechien viel häufiger gelobt wird. … eine Sprache ist immer mächtiger als die andere, eine Sprache hat mehr Geld als die andere, … In Ludvika wohnen beide Sprachen und in ihrem Haus wohnen beide Elternteile.“
Auch in der Familie bemerkt Ludvika das subtile Ungleichgewicht, das in allen Aspekten des Lebens vorhanden ist. Wenn sie in Deutschland sind und Mutter auf Deutsch spricht, wird sie korrigiert, während Vater in Tschechien viel häufiger gelobt wird. … eine Sprache ist immer mächtiger als die andere, eine Sprache hat mehr Geld als die andere, … In Ludvika wohnen beide Sprachen und in ihrem Haus wohnen beide Elternteile.“
In diesem Jahr wurde auch ein Lyrikpreis vergeben. Dieser ging an Lorena Pircher für ihren gedichteten Text „Neujahr“ über zerrissene Gefühle einer Familie im Exil. Daraus sei der Abschnitt V (von sechs -in römischen Ziffern) zitiert: (alles in Kleinschreibung im Original) „geruch von schafwolle und essig duft der geborgenheit heu orecchiette geschälte tomaten wir inhalieren einen schluck wein und / die scalda ’nduja zischt leise das fleisch köchelt / spalmare ein wort das meinen gaumen füllt meine augen folgen der hand meiner schwester / sie liest matilde serao nach dem essen obwohl die worte ihr wie geröll im mund lasten einzeln gegen die zähne schlagen fremdkörper in ihr / wir kinder sprechen die madrelingua nur mehr selten rauchschwalben pendelnd zwischen dem was wir nicht loslassen wollen und dem was wir noch nicht erfassen können / niemals vergessen wollen was wir erinnern können niemals vergessen woher wir kommen.“
Seit vielen Jahren vergeben die Exil-Literaturpreise auch einen für Autor:inen mit Deutsch als Erstsprache. Dieser ging 2023 an Lisa-Viktoria Niederberger für „Gittka“. Ihre Protagonistin lebt im Altersheim – und die Autorin verwebt ihr dortiges Dasein mit Erinnerungen an deren eigene Geschichte. Darin heißt es unter anderem:
„Gittka und ihre Eltern.. gehören zur Gruppe der Vertriebenen, sind Displaced Persons. Ein Drittel der Menschen in Linz nach dem Krieg waren KZ-Überlebende, Flüchtlinge, Vertriebene. Ich habe in der Schule nicht viel über diese Stadt in jener Zeit gelernt. Auch die Volksdeutschen, die Karpatendeutschen, waren lange Zeit nur eine Fußnote in meinem Wissen über Zeitgeschichte. Irgendwann ändert sich das, will ich diese Lücken füllen, mit Büchern, Dissertationen, Besuchen in Archiven. Meine Primärquellen sind tot.“
„Vom Vergessen. Vom Kritzeln.“ Nannte Estera Calin ihren poetisch, phasenweise fast mystischen-Mythischen Text. Mit dem gewann sie die Jugendkategorie bei den Exil-Literaturpreisen 2023. In diesem Jahr hatte sie in Linz maturiert, wohin sie erst wenige Jahre zuvor aus Chișinău (Hauptstadt der Republik Moldau) mit ihrer Familie gekommen war. Die ersten zwei Lebensjahre verbrachte sie in Gagausien, einem autonomen Gebiet in diesem kleinen Land.
Zitat aus dem ausgezeichneten Text: „Vielleicht waren ihre Worte im Innersten faul, bereits verrottet.
Vielleicht hatte sie nicht die richtige Sprache gesprochen.
Vielleicht war sie einfach nur wahnsinnig verliebt in Worte, die niemand verstand.
Folclor. Бабушкин суп. Criză economică. Клянусь, я пришла сюда не для того, чтобы есть ваши деньги. Ihre Worte, ihre Kinder. Ihre unschuldigen, süßen Kinder. Die sie sprechen würde. Die sie singen würde. Die sie fürchtete, durch den bloßen Akt des Vergessens getötet zu haben.
Die sie jetzt so verzweifelt wiederbeleben wollte, aber sie wollten nicht kommen.
Vielleicht haben sie sie vergessen.“
„Nur eine Literatur, die Mehrsprachigkeit nicht nur zum Thema macht, sondern aus der Mehrsprachigkeit kommt und sie in vieler, oftmals erstaunlicher Weise selbst praktiziert, kann uns Leser*innen all das zeigen. Und darum, so denke ich, sollten vielleicht gerade Autor*innen, die mit großer Souveränität ihre einzige eigene Sprache handhaben, sich diesen mehrsprachigen Texten aussetzen…“, schreibt Jessica Beer, Mitglied der Jury und Moderatorin der Preisverleihung im Vorwort zum aktuellen „preistexte“-Band.
Eine Kategorie der Exil-Literaturpreise „Schreiben zwischen den Kulturen“ ist Texten aus Schulprojekten gewidmet. In diesem Jahr ging er an sieben Schülerinnen der Wortwerkstatt im privaten Wiener Gymnasium St. Ursula (23. Bezirk, Liesing). Lehrerin Johanna Schmidt, die diese kreativen Schreib-Workshops leitet, gab als Thema vor „Ich bin…“
Sieben Schülerinnen (ca. 15 bis 18 Jahre) – in diesem Jahr gab es ausschließlich Mädchen und Frauen, die gewonnen haben – dachten sich ungefähr Gleichaltrige in verschiedensten Gegenden der Welt aus: Vancouver (West-Kanada), Regenwald in Brasilien, Grönland, Insel Elba (Italien), Teheran (Iran), Indien und Sydney (Australien).
Die Bandbreite der Texte reicht vom Leben einer Jugendlichen in einem indischen Slum über den Widerstand gegen das Fällen von Bäumen im Regenwald, die ständige Angst als Protestierende in der iranischen Hauptstadt Teheran bis zur Verbundenheit mit dem Element (Meer-)Wasser, der Sehnsucht aus der Abgeschiedenheit einer kleinen grönländischen Siedlung die große, weite Welt kennenzulernen bis zum überprivilegierten Leben als Kind superreicher Eltern in Sydney (als bewusste Ausnahme). In der Geschichte aus dem kanadischen Vancouver – in einer viel zu engen Wohngemeinschaft – findet sich ein Satz, der vielleicht für viele andere wo auch immer auf der Welt gilt: „mein größter Wunsch wäre, eine Person zu finden, die mir zuhört, mich ernst nimmt…“
Sechs der sieben Autorinnen kamen zur Preisverleihung ins Wiener Literaturhaus. Und stellten sich jeweils zwei Fragen von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Erstens, wie sie jeweils zum Schreiben – über das für die Schule erforderliche Ausmaß hinaus – gekommen waren; und zweitens: warum und wie sie sich für die jeweilige fiktive Person und Weltgegend entschieden haben. Die Reihenfolge entspricht nur derjenigen, in denen die Jugendlichen die Interviews gegeben haben.
Elisa Rodia (1. Klasse Oberstufe) – Delphina, 15-jährige im Amazonas-Regenwald in Brasilien
In der Schule mussten wir einmal einen Kreativtext schreiben, das war in der zweiten Klasse Unterstufe. Aber wir hatten eine Wortbegrenzung und ich wollte halt weiterschreiben. Dann hab ich diesen Text zu Hause ausgeschrieben, der hat jetzt 20 Seiten. Das hat mir Spaß gemacht und so habe ich immer mehr Texte geschrieben.
Für den Regenwald in Brasilien hab ich mich entschieden, weil ich gerne Fantasybücher lese. Regenwald hatte für mich so etwas Geheimnisvolles, Mystisches. So hab ich mir vorgestellt, als Autorin viel Freiraum zu haben.
Athina Klenk (7. Klasse) – Blake, Jugendliche in Sydney (Australien)
Zu schreiben begonnen habe ich so ungefähr mit zehn Jahren, in der ersten Klasse Gymnasium – zuerst Tagebuch und ich habe angefangen, sehr viel zu lesen. So bin ich dazu gekommen, mir eigene Geschichten mit den Figuren aus Büchern auszudenken.
Meine Lehrerin hat mich gefragt, ob ich etwas über Australien schreiben könnte. Es gab da schon sehr viele Texte, die ärmere Menschen dargestellt haben, so hab ich mir gedacht, ich schreibe etwas über sehr reiche Leute und kann dadurch ein bisschen die andere Seite beleuchten. So gesteht ihre Blake, die entspannt im Luxus lebt ihre große Ignoranz gegenüber Armut, die sie auf der Straße sieht und wie sie entsprechende Nachrichten überspringt. „In stillen Momenten kommt die Frage nach dem Wieso. Immer kehrt sie wieder, wieso haben manche so viel und manche so wenig?“
Lena Heindl (8. Klasse) – Ajala Amita Gandhi aus einem indischen Slum
Bei der Wortwerkstatt bin ich jetzt das vierte Jahr dabei. Selber hab ich mit acht Jahren angefangen mitvKurzgeschichten über Kinder und Jugendliche, wo sich Freunde und Freundinnen treffen und gemeinsam etwas unternehmen. Über die Zeit hinweg hat es sich dann entwickelt zu Liebesgeschichten. Aber ich hab auch über tiefere, ernstere Themen geschrieben.
Wettbewerbe haben mir Inspiration gegeben, aber ich hab auch immer wieder aus dem Privatleben Anregungen bekommen, mich dann hingesetzt und geschrieben.
Wir haben im Geografieunterricht schon vor Jahren über das Leben in Slums geredet. Das fand ich immer schockierend, dass das Leben in anderen Orten so komplett anders ist als ich es hier kenne. Als wir das Thema bekommen haben, sich in andere hineinzuversetzen, hab ich mich daran erinnert und wollte darüber schreiben. Um sich auch als eine reichere Person vorzustellen, wie schwierig das Leben für andere Menschen ist.
Rosa Klanatsky (6. Klasse) – Zahra Asadi (was übrigens Freiheit heißt), 15-Jährige in Teheran (Iran)
Begonnen mehr als für die Schule zu schreiben hab ich als ich 12 Jahre war. Angefangen hab ich mit Tagebüchern und bin dann zu Kurzgeschichten übergegangen.
Die Protestbewegung im Iran war oft in den Nachrichten, so bin ich draufgekommen, dass das ein interessantes Thema sein könnte. Ich wollte, dass auch mehr Menschen darüber erfahren.
Auf die Nachfrage, ob sie Menschen gesucht habe, die aus dem Iran gekommen sind, meinte die Mit-Preisträgerin: Ich hab mir ein paar Videos und Nachrichten angeschaut. Und dann versucht, mich hineinzuversetzen.
Elsa Mayr (1. Oberstufe) – Felicia auf der italienischen Insel Elba
Ich war so drei, vier Jahre alt, da hab ich angefangen, meiner Mutter Geschichten zu diktieren, weil mir sehr viel eingefallen ist und mir das extrem viel Spaß gemacht hat. Sie hat alles aufgeschrieben
„Gibt’s diese Texte noch?“, will KiJuKU wissen. „Ja, das hat sie in so ein Fotobuch eingeklebt und Zeichnungen dazu gemacht.
„Haben Sie sich das später einmal angeschaut und durchgelesen?“
„Schon, aber ich kann mich auch noch so an die Geschichten erinnern.“
Für Italien habe ich mich entschieden, weil ich Wurzeln in Italien habe und weil mich einfach das Meer extrem fasziniert. Deswegen wollte ich eine Figur erfinden, die das Meer als Seele hat.
Livia Pajor (7. Klasse) –Maya (16), Vancouver (Kanada)
Schon im Volksschulalter habe ich Gedichte geschrieben. Irgendwann hab ich begonnen, Gefühle in meine Texte einzubauen und mich so ausgedrückt. Zuerst nur für mich, hin und wieder habe ich Texte dann einem engeren Kreis um mich herum gezeigt, aber nie bewusst für Wettbewerbe oder so. Das hat erst mit der Wortwerkstatt begonnen.
Ich habe einen großen Teil meiner Familie in Kanada und fühl mich mit dem Land ziemlich verbunden und wollte mal darüber schreiben.
Weitere Beiträge zu den Exil-Literaturpreisen 2023 folgen
„Alles schwarz und weiß. Nur Rosa leuchtet orange. Sie ist eine außergewöhnliche Schachspielerin. Wir sitzen auf ihrem Balkon. Die Partie, die wir gerade spielen, ist schon die zweite an diesem Tag. Das erste Mal musste ich mich schon nach dem dritten Zug von meiner Dame verabschieden und nicht wenig später war es um meinen König geschehen. Bis heute verstehe ich nicht, warum der König die wertvollste Figur in diesem Spiel sein soll, wenn er nur einen Schritt pro Zug machen kann, während die Königin doch so viel mehr Macht besitzt.
So beginnt Jun Kathan den poesievollen Text „Als wir in Anwesenheit des Orangenbaums sprachen“. Damit gewann sie die Jugendkategorie der diesjährigen exil-Literaturpreise.
Es sollte ein Matriarchat und nicht ein Patriachat sein“, sagte ich schon gleich bei unserem ersten Kennenlernen zu Rosa und sie stimmte mir, ohne mit der Wimper zu zucken, zu.
Ein Grund, warum ich mich in sie verliebt habe: Sie hat immer eine klare Meinung zu allem und jedem. Jedenfalls stehe ich zum zweiten Mal an diesem Tag kurz vor dem Abgrund des Schachbrettes.“
Im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… verrät Jun Kathan übrigens, sich den Vornamen selbst ausgesucht zu haben („weil ich mich nicht als Frau identifiziere“, wie sie*er für den Sammelband mit allen Preistexten zu Protokoll gab).
Zu einem Interview mit Jun Kathan geht’s hier unten in einem eigenen Beitrag.
Der Schul(-klassen) bzw. Gruppenpreis ging in diesem Jahr an ein Projekt aus dem Musischen Gymnasium Salzburg. In „(W)Orte finden“ kombinierten zwei Dutzend Jugendliche eines fächer- und klassenübergreifenden Projektes aus den Schwerpunktfächern Literatur sowie Bildnerische Erziehung Texte und bildnerische Arbeiten zum Thema Heimat, Flucht und Friedenssuche. (Als Gesamtkunstwerk publizierte die Schule sie in einem eigenen Heft, in die Anthologie des Literaturpreises fanden natürlich „nur“ die Texte der 16 Schreiber:innen Eingang).
Maya Lehofer, Paula Obermann, Lara Krejci und Lilia Stys vertraten ihre Kolleg:innen bei der Preisverleihung im Wiener Literaturhaus. „Wir hatten einen Workshop mit dem aus Syrien geflüchteten, im Sommer dann leider bei einem Bergunfall ums Leben gekommenen Autor Jad Turjman. Jede und jeder hat dann für sich selber den eigenen Text geschrieben“, erzählen die beiden zuletzt genannten Schülerinnen in einem kurzen Gespräch. Auf Nachfrage sagen sie, „aber wir reden immer über alle unsere Texte“. Die Zeichnungen, meist Holzschnitte, seien aber völlig unabhängig von den Texten entstanden – „diese Schülerinnen und Schüler haben einfach auch zum selben Thema gearbeitet“.
„Na, wie gehts dir denn jetzt am Gymnasium?“
„Sehr gut.“
Yasmin war kurz angebunden. Frau Susi war nämlich ihre Klassenlehrerin gewesen, die ihr und ihrer Mama mit zuckersüßer Stimme nahegelegt hatte, Yasmin solle lieber nicht ins Gymnasium wechseln. Dafür konnte Yasmin generell sehr wenig, sowie Adrijana und Leyla sehr wenig dafürkonnten, denen sie dasselbe gesagt hatte. Hannah und Isti waren fein aus der Sache raus. Das war in Wien oft so. Wenn man nicht Laura, Marie oder Sophie hieß, gab es ein paar Lehrer*innen, die Schüler*innen mit Namen jenseits eines altösterreichischen Telefonbuches und mit dunklerem Hautton nicht jede Schule zutrauten.
„Und wie tust du dich so?“
Frau Susi musterte sie jetzt mit einem ernsteren Blick. Man musste keine Blitzgneißerin sein, um die gespielte Einfühlsamkeit in ihrer Stimme zu erkennen…“
Mit ihrem Text „all-inclusive“ gewann Sabrina Myriam Mohamed den dritten der diesjährigen exil-Literaturpreise. Was es mit dem Titel des Textes, der (nicht nur) eigene Erfahrungen der 27-Jährigen literarisch sozusagen autofiktional verarbeitet, auf sich hat – das wird hier noch in einem weiteren Zitat aus dem preisgekrönten Text gelüftet:
„Man sollte meinen, eine Person, die im Lehrer*innenzimmer damit prahlte, in die Dominikanische Republik auf Urlaub zu fahren und zwar nicht nur all-inclusive, sondern um die Kultur des Landes zu erleben, habe ein bisschen mehr Interesse daran, ihren Horizont zu erweitern.“
Zu einem ausführlichen Interview mit der Preisträgerin geht es hier unten.
… betitelte der Gewinner des ersten Preises, Kenan Kokić seinen Text. Und schon die ersten Sätzen verbinden Eindrücke eines Lebens in alles andere als privilegierten Verhältnissen mit einem kräftigen Schuss ironischem Sarkasmus: „Sie waren alle rechteckig. Unnachgiebig, unbekümmert rechteckig. Jedes Zimmer auf seine Weise, auf seine unangenehme, undurchdachte Art und Weise. Wer auch immer sich ihrer Raumaufteilung angenommen hatte, musste das klare Ziel gehabt haben, diese Wohnung so beklemmend und sinnfrei wie möglich zu gestalten.“
Der vielsprachige (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und natürlich Deutsch sowie ein bisschen Bosnisch) Grazer HTL-Absolvent, dessen Familie vor dem Krieg im zerfallenden Jugoslawien aus Bosnien in die Südsteiermark flüchtete, verfasste mit dem ausgezeichneten Text genau das, was der Untertitel des Bewerbs markiert „Schreiben zwischen den Kulturen“.
„Wenn sie (Freunde in der Schule) mich fragten, ob ich Bosnisch spräche, und ich ihnen ein paar bosnische Wörter entgegnete, ein paar, die ich kannte, oder alle, die ich kannte. Dann war ich plötzlich etwas Exotisches geworden, ein Magier, der aus fremden Ländern Gold, Weihrauch und Myrrhe mitgebracht hatte. Ich war stolz darauf, obwohl ich für solche Gelegenheiten meinen gesamten Wortschatz ausreizte, denn ich sprach die Sprache nicht, ich mochte sie nicht. In ihr hörte ich nur Dinge, die mir auf die Nerven gingen. „Räum dein Zimmer auf. Putz dir die Zähne. Zieh dich an.“
Zu einem Interview mit Kenan Kokić geht es hier unten.
Zu Schreiben begann Kenan Kokić „so glaub ich mit elf Jahren“, erinnert sich der Gewinner des ersten Preises der exil-Literaturpreise 2022 im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… „Da hab ich die Geschichte einer Zeichentrickserie niedergeschrieben und um eigene Episoden erweitert.“
KiJuKU: Also wie Fan-Fiction?
Kenan Kokić: Ja, aber das war noch in der Zeit davor, und ich hab das nur für mich geschrieben und das ist leider verloren gegangen. Meine nächste Schreibphase war dann als Jugendlicher in so einer Art Emo-Phase. Da schreibt man halt so gerne negativ über die ganze Welt. Unabhängig davon, dass es qualitativ nicht sehr hochwertig war, hat es mir sehr geholfen, weil ich alles schreibend verarbeiten konnte. Vor allem aber auch, weil ich das auf Englisch gemacht hab und dadurch diese Sprache sehr gut gelernt hab. Nach der Matura hab ich halt einen Job begonnen, nicht so viel Zeit und auch nicht das Selbstvertrauen gehabt, für andere zu schreiben.
KiJuKU: Hat der Job nichts mit Schreiben zu tun?
Kenan Kokić: Nein, ich bin Software-Entwickler.
KiJuKU: Das ist ja dann auch Schreiben in einer anderen Sprache 😉
Kenan Kokić: Aber es ist nicht die Art von Kreativität wie beim literarischen Schreiben. Oder bei Musik, was ich auch gerne mache. Vor ein paar Monaten hab ich von der Nava Ebrahimi, der Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin, die auch in Graz lebt, den Tipp bekommen, ich könnte doch einen Text bei diesem Bewerb hier einreichen. Das hab ich gemacht und hier bin ich.
KiJuKU: Wie bist du an deinen jetzt ausgezeichneten Text herangegangen, hattest du eine Ausgangsidee oder drauf los geschrieben?
Kenan Kokić: Ich hab sehr improvisatorisch geschrieben.
KiJuKU: Bestärkt dich das jetzt, wieder mehr zu schreiben?
Kenan Kokić: Ja, auf jeden Fall. Einerseits hab ich mich jetzt an der Uni für Angewandte Kunst für „Sprachkunst“ beworben und dann würde ich mich nächstes Jahr für das Staatsstipendium für Literatur bewerben. Das hat mir sehr den Rücken bestärkt.
KiJuKU: Schreibst du jetzt nur mehr auf Deutsch oder doch auch wieder wie als Jugendlicher auf Englisch?
Kenan Kokić: Auf Deutsch, für mich ist sowohl emotional aber auch Ästhetisch mehr die Verbindung zu Deutsch da. Das Englische von damals würd ich eher nicht literarisch nennen, sondern eher so etwas wie Tagebucheinträge. Und Bosnisch hab ich als Kind nie wirklich gut gelernt und auch sehr spät damit begonnen, das war fast wie eine Fremdsprache für mich. Passiv versteh ich sehr viel – durch meine Eltern, die hin und wieder mit mir Bosnisch geredet haben, aber ich hab immer auf Deutsch geantwortet. An unserer Volksschule ist auch nur sehr kurz Bosnisch angeboten worden.
In „all-inclusive“ verpackt die Gewinnerin des dritten der exil-Literaturpreise 2022 eigene Erfahrungen, die vielfach auch exemplarisch sind für Kinder mit Migrationsgeschichte (ihrer Elternteile) – wie zu lesen und sie im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erzählt.
KiJuKU: Wie und wann hast du zu schreiben begonnen?
Sabrina Myriam Mohamed: Ich glaub, ich hab zuerst einmal Tagebuch geschrieben, klassisch, aber in der Schule hat mir das Schreiben von Aufsätzen auch immer Spaß gemacht. Außerdem hatten wir einmal in der Schule eine Schreibwerkstatt, da hab ich mich so richtig damit auseinandergesetzt.
KiJuKU: Noch in der Volksschule?
Sabrina Myriam Mohamed: Nein, schon im Gymnasium. Und bei den Erich-Fried-Tagen vom Literaturhaus hab ich dann in der 8. Klasse den 1. Preis gewonnen. Unser Deutsch-Lehrer hat uns als Klasse angemeldet und am letzten Tag vor den Weihnachtsferien gesagt: Es hat niemand was geschrieben, das ist urpeinlich. Und dann hab ich in den Ferien halt einen Texte geschrieben, obwohl in der achten Klasse – Vorbereitung auf die Matura, das war der Ur-Stress -, hab ich halt was geschrieben, aber danach nicht mehr daran gedacht. Dan ist eines Tages die Direktorin in die Klasse gekommen und hat gesagt, „es wurde die Short-List veröffentlicht, eure Klasse ist drauf, geht’s bitte hin.“
Aber ich hatte für den Führerschein die Nachtfahrt, einen Termin auf den man ewig wartet, also konnte nicht hin. Als ich danach das Handy wieder aufgedreht hab, fand ich die Nachricht von den anderen: Hey, du hast gewonnen!“
KiJuKU: Worum hat sich der Text gedreht?
Sabrina Myriam Mohamed: Das Thema war Utopie – Dystopie und das war voll mein Glück, weil ich zu der Zeit nur Jugendromane mit Dystopien gelesen habe. Der Text hat „Die Zwiebel“ geheißen.
KiJuKU: Was war das Dystopische an der Zwiebel?
Sabrina Myriam Mohamed: Es ging um einen Menschen, der in einem Raum aufwacht, der ein bisschen ausschaut wie ein Raumschiff. Da wo die Protagonistin oder der Protagonist – ich mag es, wenn die Figuren nicht immer so eindeutig geschlechtlich festgelegt sind – aufwacht, ist herum eine weiße kreidespur – wie oft bei Tatorten. Und dieser raumschiffartige Raum schaut aus wie eine Zwiebel. Ich war dann doch urfroh, damit gewonnen zu haben.
KiJuKU: Hat dich das dann bestärkt, weiter literarisch zu schreiben, oder hättest du das ohnehin gemacht?
Sabrina Myriam Mohamed: Es hat mich doch extrem bestärkt. In Deutsch war ich immer so mittelgut – kreativ ziemlich gut, aber mit vielen teilweise schweren Rechtschreib- und Grammatikfehlern, weshalb es fast nie für einen Einser gereicht hat. Ich bin halt auch sehr schlecht im Korrekturlesen, was bei Schularbeiten nicht so förderlich ist. Und für den Preis hat mich dann halt schon auch mein Professor gelobt.
KiJuKU: Nun zu deinem jetzt ausgezeichneten Text: War das ein eigenes Erlebnis mit der ehemaligen Volksschullehrerin?
Sabrina Myriam Mohamed: Ja, aber ich wusste damals nicht, dass das so eine kollektive Erfahrung ist, dachte damals eher, das ist mein Einzelschicksal. Dass es viele trifft, hab ich erst später erfahren als ich mit mehr Leuten geredet habe, die auch Migrationsgeschichte haben. Bei „SAG’S MULTI“ (mehrsprachiger Redewettbewerb, den es heuer zum 14. Mal gibt, wo sie in der Organisation mitarbeitet) hab ich viele solcher Jugendliche getroffen, einige wollen deswegen auch Lehrpersonen werden, um für Schülerinnen und Schüler da was zu verändern, weil das Schulsystem sehr ungerecht ist.
KiJuKU: Und wie kam’s dann in deinem Text zu dem Bogen mit dem Istvan, der sich Tipps holt, ums ich aufzumascherln für die Vorstellung bei den Eltern seiner Schulfreundinnen?
Sabrina Myriam Mohamed: Das war die erste Stelle von dem Roman, den ich geschrieben hab (und der in der edition exil kommendes Jahr erscheint, Anm. d. Red.) und einer der Charaktere dieses langen Geschichte. Es ist ja eigentlich eine furchtbare Situation, dass er trainiert werden muss, Eltern der anderen kennen zu lernen, das sollte doch gar nicht notwendig sein, natürliches Verhalten müsste ausreichen. Er ist einer von mehreren Charakteren, um die sich die Geschichte des Romans dreht.
Ich hab ja schon vorher zwei Mal Texte bei diesem Bewerb eingereicht. Aber die waren alle sehr traurig. Irgendwann kam mir dann die Idee, das Traurige dahinter checkt man eh, da muss ich nicht noch einmal draufklatschen. Deshalb hab ich dann probiert, auch Humor in die Geschichten zu packen und eine gewisse Leichtigkeit. Ja, und das hat dann eben geklappt.
KiJuKU: Das heißt, dieser Text, mit dem du heuer den 3. Preis gewonnen hast, ist „nur“ Teil des schon (fast) fertigen Romans?
Sabrina Myriam Mohamed: Ja, das hat begonnen mit ein paar Szenen, Kurzgeschichten bis ich gemerkt habe, ich schreib am liebsten über diese Charaktere. Das hat mir Ur-Spaß gemacht und dann bin ich halt bei diesen Typen picken geblieben und hab immer neue Szenen für und über sie geschrieben.
KiJuKU: Haben diese Charaktere reale Vorbilder oder sind sie Puzzles aus leibhaftigen Personen?
Sabrina Myriam Mohamed: Puzzles, es sind sehr viele Menschen, mit denen ich aufgewachsen sind, vor allem Volksschule und Unterstufe. Es sind teilweise reale Situationen, manchmal schon auch verändert. Und dann hab ich auch geschrieben, wie Freund:innen und andere Personen auf diese oder solche Situationen reagiert haben.
KiJuKU: Schreibst du dann immer, wenn du Situationen erlebst oder siehst, die in so eine Geschichte reinpassen könnten, Stichworte auf oder gleich die gesamte Szene?
Sabrina Myriam Mohamed: Stichworte im Handy, weil ich merk mir gar nix. Wenn ich mich dann hinsetz, um weiter zu schreiben, geh ich meine Stichwörter durch…
KiJuKU: Für den Roman – hast du dir da einen Handlungsbogen skizziert oder zuerst einfach die Szenen und dann überlegt, wie könnten die wo zusammenpassen?
Sabrina Myriam Mohamed: Beides; es sind immer mehr Szenen geworden und irgendwann haben die dann auch zusammengepasst. Es gab schon eine Grundidee für die ganze Geschichte. Es sind fünf Freund:innen, die sich nicht so von anderen Personen unterscheiden und ich hab begonnen zu überlegen, warum würden Leute das lesen wollen. Irgendwann sind aber die Szenen so nahtlos ineinander übergegangen, dass es eine runde Sache wurde – mit tragischem Beigeschmack, weil sehr ernste Themen behandelt werden wie zum Beispiel Abschiebungen. Aber die sind eben relevant.
KiJuKU: Ist das jetzt deine Perspektive, literarisches Schreiben zum Beruf zu machen?
Sabrina Myriam Mohamed: Nein, ich hab Publizistik studiert, ich schreib extrem gerne auch literarisch. Aber wenn mein Einkommen davon abhängt, dann nein. Ich find auch, wenn darauf angewiesen ist, dann verliert man oft auch die Freude an einer Sache. Ich wer das – hoffentlich – immer nebenbei machen und nur dann, wenn ich Freude am Schreiben habe.
Jun Kathan gewann mit dem Text „Als wir in Anwesenheit des Orangenbaums sprachen“ die Jugendkategorie der diesjährigen exil-Literaturpreise. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… führte mit ihr*ihm ein kurzes Gespräch dazu.
KiJuKU: Spielen Sie selbst Schach?
Jun Kathan: Ja, und ich hab auch „Das Damengambit“ (Netflix-Serie) gesehen und ich liebe Orangenbäume.
KiJuKU: Im Buch steht nach ihrem Text, dass Sie bisher immer nur ganz kurze Texte geschrieben haben, wie kam’s nun zu dieser längeren Geschichte?
Jun Kathan: Dafür war definitiv der Wettbewerb ausschlaggebend. Da war etwas da, worauf ich hinstreben konnte.
KiJuKU: Haben Sie jetzt vor, weiter zu schreiben?
Jun Kathan: Ich will selbst auch im Journalismus arbeiten. Seit ich schreiben gelernt habe, schreibe ich gerne.
KiJuKU: Journalismus und literarisches Schreiben sind aber doch zwei verschiedene Paar Schuhe…
Jun Kathan: … aber ich mag eben beides oder zum Beispiel auch im Deutschunterricht, wenn wir verschiedene Textsorten durchnehmen. Jedenfalls will ich meinen schreiberischen Weg weiter verfolgen, ich mag auch Poesie und Lyrik.
KiJuKU: Zurück zu Ihrem preisgekrönten Text: Hatten Sie zuerst die Grundgeschichte und die dann geschrieben?
Jun Kathan: Ich hatte anfangs nicht einmal eine Idee. Meistens ist es so, dass ich einen Schub von Kreativität habe und dann muss ich mich hinsetzen und das einfach ausleben – das kann schreiberisch sein, aber auch in der Musik oder bildnerisch. Dann such ich mir halt aus, in welche Richtung dieser Künste es gehen soll. Dann war’s halt Schreiben – für den Wettbewerb. Aber bei mir entwickeln sich Geschichten dann erst im Lauf des Entstehens. Ich hatte so im Kopf: Schach, Orangenbaum und eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen – das war’s dann auch schon wieder.
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