„Ich schenke euch ein Wort“, begann Lena Raubaum ihre Festrede bei der diesjährigen Preisverleihung der Jury der jungen Leser*innen. Ein Schuljahr lang lesen Kinder bzw. Jugendliche gut ein Dutzend Bücher, diskutieren darüber, bewerten die Lektüre und wählen gegen Ende der Saison ein Lieblingsbuch aus. Dieses stellen sie öffentlich, teils performativ, vor, begründen ihre Entscheidungen und zeichnen die Autor:innen aus. Manche reisen an, andere erfahren von ihrer Wahl – mittlerweile längst auf elektronischem Weg und die meisten aus der Ferne antworten auch – schriftlich oder hin und wieder per Video-Botschaft.
Seit vier Jahren gibt es – nach der Pause aufgrund des Todes der Gründerin der ersten Jury vor mehr als 30 Jahren, Mirjam Morad – sozusagen die Jury der jungen Leser*innen 2.0. Als Verein Literaturbagage organisieren Greta Egle, Anna und Kathi Pech sowie Sara Schausberger, die in Morads Zeit selber als Kinder bzw. dann Jugendliche Teil dieser Jury waren, die wieder auferstandenen regelmäßigen Zusammenkünfte junger Menschen, die gern lesen und über Bücher diskutieren. Das genannte Quartett holt jedes Jahr zur Preisverleihung auch eine Person, die schon etliche Bücher (auch) für junge Leser:innen geschrieben hat; so war es im Vorjahr Renate Welsh und heuer Lena Raubaum, die über Bedeutung und Wichtigkeit von Lesen erzählten.
Lena Raubaum betrat das Redepult mit einem Rucksack, aus dem sie nach und nach sozusagen Requisiten hervor holte. Aber zunächst zurück zum Beginn dieses Beitrages: Das Wort das sie – nicht nur den jungen Juror:innen, sondern natürlcih dem gesamten Auditorium und über diesen Artikel (hoffentlich) noch viel mehr Menschen „schenkte“: Litera-Tür, ausgesprochen wie im Französischen, aber eben mit der bewussten Bedeutung Tür bzw. Türen. Solche können Bücher öffnen – zu verschiedensten Welten;)
Zu den spannenden Objekten, die sie aus dem Rucksack holte zählte ein eher ungewöhnliches Symbol für Zeit – die mit Büchern verwendet, nie verschwendet werde: Das fast kreisrunde Ding war keine Uhr – die wäre ja gewöhnlich -, sondern die Scheibe eines Baumstammes!
Apropos Zeit: Die 41-jährie Autorin zahlreicher, auch preisgekrönter, Bücher, zählt zu den wenigen, die neben Prosa-Geschichten auch Gedichte verfasst. Ein solches aus dem Band „Mit Worten will ich dich umarmen. Gedichte und Gedanken“, illustriert von Katja Seifert, teilte sie zum Abschluss mit dem Publikum, indem sie es nicht nur hörbar vortrug, sondern auch in Gebärdensprache, die sie derzeit erlernt, sichtbar machte – und alle dazu einlud, bei der nachfolgenden Wiederholung mit zu gebärden. Ein Gedicht übrigens, das derzeit fast jeden Tag bei Betrachtung der Weltlage vielleicht eine Spur von Trost vermitteln könnte:
Tage gibt’s, da spinnt die Welt
da dreht sich alles um
da geht was schief
da rennt was schräg
da frag dich nicht warum
denn Tage gibt’s, da spinnt die Welt
das Tröstliche dabei:All diese schrägen Tage
die gehen auch vorbei
Aus Lena Raubaum / Katja Seifert: Mit Worten will ich dich umarmen. Gedichte und Gedanken
Apropos „spinnen“ und vorbeigehen – vielleicht unterstützt das Kulturamt der Stadt Wien ja im kommenden Jahr die Aktivitäten dieser wunderbaren Initiative wieder. Heuer hat sie – im Gegensatz zu all den vergangenen Jahr(zehnt)en die Subvention dafür gestrichen, noch dazu kurz vor der Preisverleihung.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wandte sich mit der Frage nach einem warum an die Wiener Kulturstadträtin und wurde von dort direkt an die zuständige MA (MagistratsAbteilung) 7 verwiesen. Von dort hieß es in der eMail-Antwort mit Verweis auf die Förderung zahlreicher anderer Kinderliteratur-Initiativen unter anderem: „Die Absage in dieser Runde erfolgte aus budgetären Erwägungen, die in jeder neue Einreichrunde gefasst werden. Da es in dieser Einreichrunde eine große Zahl von Einreichungen von hoher Qualität bei einem begrenzten Budget gab, und da die Veranstaltung laut Antrag auch auf andere Fördermittel aus Bund und Stadt (Bezirk) zurückgreifen und daher stattfinden konnte, wurde in dieser Runde eine Förderung nicht empfohlen. Der durchaus sichtbare Wert der Veranstaltung ist in dieser Empfehlung aber nicht widergespiegelt und wir laden die Literaturbagage ein für 2026 in der nächsten Einreichrunde Ende des Jahres anzusuchen…“
Also Nachfrage bei der Literaturbagage, wie das mit den anderen Fördermitteln ist. Antwort: „Es stimmt, dass wir Förderung von Bezirk und Kulturministerium. Aber der Bund (Ministerium) finanziert den laufenden Betrieb, jene von Bezirk und Stadt Wien wären direkt für die Veranstaltung der Preisverleihung. Also nach der MA-7-Logik könnte dann der laufende Betrieb funktionieren, aber die Preisverleihung geht sich eigentlich nicht aus. Außer wir machen alles gratis, wobei wir das Ganze ohnehin schon quasi für kein Geld machen.“
Als Carla Steiner, Emma Gruber, Zeynep-Sara Türk, Alma Hammerer und Suren Leo Paydar an den Tischen auf der Bühne des Wiener Literaturhauses Platz genommen hatten, wurden ihnen Schalen mit Gemüse und Obst gebracht. Suren griff zu einem aus grünen Krepp-Papieren kunstvoll gebastelten „Brokkoli“. Da war selbst jenen, die den Folder beim Büchertisch noch nicht gesehen oder gelesen hatten, aber mindestens dieses eine Buch kannten, klar: Die Wahl dieser jungen Leser:innen und ihrer beiden Kolleginnen Mia Hildebrandt, Marie Kozojed, die mit ihren Klassen auf Projekttagen waren, ist aus jenen 13 Büchern, die sie alle gelesen hatten – wie auch schon im Titel hier angekündigt – auf „Drei Wasserschweine brennen durch“ (Idee und Text: Matthäus Bär; Illustration: Anika Voigt) gefallen. Denn die Requisiten deuten auf das Futter zumindest einiger der im Buch vorkommenden Tiere im Zoo Schönbrunn hin.
Nicht zufällig war der Autor, dessen zweiter Band „Wasserschweine wollen’s wissen“ auch schon erschienen ist, ein dritter folgt, im Literaturhaus anwesend. Und lauschte aufmerksam, welche Stellen die fünf jungen Juror:innen ausgewählt hatten. Noch mehr war er neugierig auf die Begründungen der, wie er schon bei einem früheren Treffen festgestellt hatte, sehr kritischen Viel-Leser:innen.
Mehrfache sagten die genannten Kinder, dass sie es spannend gefunden haben; dazu kam noch, dass es leicht zu lesen war, dass es im Zoo Schönbrunn spielt, viel davon in der Nacht „und weil Wasserschweine drin vorkommen“. Außerdem wurde hervorgehoben, „dass das Buch aus der Sicht der Tiere geschrieben ist“ und verschiedene Altersgruppen anspricht, es auch lustig ist und „man sich so richtig in die Geschichte hineinversetzen konnte“ (siehe dazu auch das Video von den Begründungen der jungen Juror:innen).
Im Zuge der Preisverleihung interviewten die Kinder auch den Autor, der lange vor allem als Liedermacher und Sänger bekannt war. Die 3:50 für einen Song seien ihm zu kurz geworden, er wollte länger und mehr erzählen, weshalb er die künstlerische Disziplin gewechselt habe. Matthäus Bär gestand auch, dass er durch die Zusammenarbeit mit der Illustratorin Anika Voigt erst draufgekommen sei, dass Wasserschweine keine Hufe haben, weshalb er diese Passagen ändern musste. Diese Tiere faszinierten ihn, weil sie vor allem mit schwimmen, schlafen und fressen auskommen. Und Brokkoli habe er so einen wichtigen Stellenwert eingeräumt, weil da die Meinungen so ganz verschieden wären – die einen lieben, die anderen mögen ihn so gar nicht. Was für das Publikum im vollbesetzten Veranstaltungssaal des Literaturhauses, das er gleich einmal fragt, ganz und gar nicht stimmte – da gingen beim „mögen“ fast alle Arme hoch. „na gut, dann hab ich’s geschrieben, weil alle Brokkoli lieben!“, schwenkte er verschmitzt um.
Wird fortgesetzt mit den Ergebnissen der „älteren“ (12-bis 16 Jahre) sowie der Festrednerin, einer bekannten jungen Kinderbuchautorin.
In den Links unten u.a. eine schon vor Längerem erschienene Besprechung des ausgewählten Buches, das übrigens auch einen der österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreise bekommen hat; sowie von anderen der Bücher auf der Lese-Liste dieser jungen Jury.
Der Veranstaltungssaal des Literaturhauses Wien im Untergeschoß mit Eingang Zieglergasse /Ecke Seidengasse drohte fast überzugehen. Flugs stellten Mitarbeiter:innen zwsichen Ausstellungstafeln und -objekten Dutzende Sessel auf, eine Leinwand wurde ausgefahren und das Geschehen von der Bühne hierher per Kamera übertragen. Auf dem Programm stand die Präsentation zweier druckfrischer Bücher.
Sabrina Myriam Mohamed las aus ihrem (bisher ersten) Jugendroman „komm runter!“. Knapp zehn Monate vorher hatte sie für ein Kapitel daraus einen der Literaturpreise der edition exil bekommen. Nun ist daraus ein 180-seitiger locker, unterhaltsam – und im letzten Drittel auch sehr ernster Roman rund um fünf Jugendliche aus einem Wiener Gemeindebau geworden. Sprachlich vielfältig mit Wörtern und Sätzen von (Ur-)Wienerisch über Englisch bis Arabisch und Romanes sind so nebenbei eingebaut.
Zu einer Buchbesprechung sowie einem Interview mit der jungen Autorin geht es in eigenen Links – hier unten bzw. am Ende dieses Beitrages.
Als Sina Kiyani an seinem an diesem Abend präsentierten Roman „paradiesstraße“ zu schreiben begonnen hat, war seine Kollegin noch in der Schule. „Eeeendlich“, freute sich die Verlagsleiterin Christa Stippinger, „ist dieses Buch erschienen“ und hielt es hoch. „Zehn Jahre lang hab ich daran gearbeitet und mindestens genauso oft fast alles verschmissen und neu begonnen“, verrät Sina Kiyani nach der Präsentation Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… Die Grundstory, eine Liebesgeschichte zweier Männer im Iran – wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht – blieb immer gleich. „Aber die Perspektiven, und viele Einzelheiten hab ich immer wieder neu geschreiben. Aber ich habe ja dazwischen auch anderes veröffentlicht.“
Für das künstlerische Rahmenprogramm sorgten dieses Mal die Schauspielerin und Sängerin Lucy McEvil – am Klavier begleitet von Martin Kratochwil. In ihrer eleganten Art sang sie diverse berührende, aber auch frech-witzige Chansons und musste mehr als eine Zugabe singen.
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