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Szenenfoto aus "Opernball - Walzer, Wein und Wohlstandsbauch"

(Selbst-)ironischer Opernball-Besuch

Wenn das Opernhaus an der Wiener Ringstraße zu einem riesigen Ballsaal umgebaut ist, dann wird das seit viiiielen Jahrzehnten zum gesellschaftlichen Großereignis, das seit Langem schon auch von praktisch allen Medien groß zelebriert wird. Da wird sogar die ORF-Nachrichtensendung ZiB2 zeitlich verschoben und auf Mindestmaß zusammengestutzt. Die billigste Loge beim Ball der Reichen und (angeblich) Schönen kostet 15.000 Euro. Dafür müssten Durchschnittsverdiener:innen (netto knapp mehr als 2.000 €) siebeneinhalb Monate lang jeden Euro sparen – ohne Wohnen, Essen und sonstige Ausgaben. Und das für eine Nacht – ohne dort einen Tropfen zu trinken bzw. einen Bissen zu essen!

Christina Tscharyiski und Stefanie Sargnagel bei der Recherche zum Stück beim Oprernball im Vorjahr
Christina Bona Maria Tscharyiski und Stefanie Sargnagel bei der Recherche zum Stück beim Oprernball im Vorjahr

„Blumenkinder“

Dieses Ball„vergnügen“, das nur einmal 1991 wegen des ersten Irakkrieges sowie in den Jahren 2021 und 2022 wegen der Pandemie abgesagt wurde, gab sich im Vorjahr auch die Schriftstellerin Stefanie Sargnagel gemeinsam mit der Theaterregisseurin Christina Bona Maria Tscharyiski – zu Recherchezwecken im Auftrag des Theaters im Wiener Gemeindebau Rabenhof. Und was für eine satirische, sarkastische Show ist daraus geworden! Natürlich überspitzt und überzeichnet, wurden ihre Wahrnehmungen zu einer verspielten Show mit Live-Musik. Und doch ist ihr Text – gespielt von Laura Hermann, Martina Spitzer, Skye MacDonald, Jakob Gühring in Ganzkörper-Blumenkostümen in der Art von zu Baumformen gestutzten Figuren (Miriam Draxl) – kein reines „Eat the Rich“-Bashing. Sondern enthält auch Elemente des offenbar massenhaften Gerne-dabei-sein-wollens. Und auch die Reflexion ihrer eigenen Anwesenheit. Um 360 Euro (heuer schon 390) gibt’s Eintrittskarten.
„Das ist für ein Ballett, die Philharmoniker, einen Ball und so weiter gar nicht so viel. Auf eine andere Veranstaltung dieser Art würdest du gar nicht kommen.“
„Das ist meine Monatsmiete!“ ruft die Kellnerin entsetzt.
„Das ist ein Viertel meines Gehalts. Das ist viel Geld!“
„Naja wennst bissl was sparst, dann geht sich das schon aus. Die haben nicht mal unseren Ausweis kontrolliert.“
So heißt es unter anderem im eineinhalbstündigen Stück, für das sie fiktive Begleiter:innen – eine Kellnerin und einen Museumswärter – miteinbaut. Wechselnd schlüpfen die vier Schauspieler:innen in die Rollen dieser beiden, von Stefanie Sargnagel herself und so manche Ballbesucher:innen.

„Mörtel“

Natürlich darf in dem unterhaltsamen, schrillen, schrägen, temporeichen, bitterbösen Spiel jene Zentralfigur der Berichterstattung nicht fehlen, der (im Vorjahr im Sommer verstorbene) Baumeister „Mörtel“ Lugner mit seinen jeweiligen eingekauften prominenten Gästinnen. Anfangs von den Reichen und Schönen naserümpfend kommentiert, wurde er in den folgenden Jahren immer mehr zu einer Art Ballkönig. „Lugner ist mächtig, denn er ist zu allem bereit und unmöglich zu kränken. Ihm ist alles scheiß egal. Niemand interessiert sich für Betrand de Billy, Garanca oder – Strauss. Alles, was die internationale Öffentlichkeit wissen will, ist, ob seine neue Freundin Vogi, Schweindi, Hexi, Schwubsi, Popschi, Furzi oder Gaxi heißt. Wie übergriffig er diesmal seinen Gast behandelt, wie oft er ihren Namen falsch ausspricht. Chinchilla, Brunzilla, Gozilla. Spitzenpolitikerinnen, Weltstars, Milliardäre werden zur Seite gebulldozert, wenn er durch die Festgesellschaft will.“

Live-Band

Congenial ist das Zusammenspiel der „Blumenkinder“-Darsteller:innen, die mit Fortdauer des Stücks und der Illuminierung der Ballgäste Teile ihrer Dekoration ablegen, mit der Live-Band Saló, die lautstark eigene Songs mit ironischen Opernball-Texten performen. Von „Wer ist in Wer, Wer ist ein Was?“ bis zu einem über Lugner. Phasenweise wäre ein bisschen weniger Lärm nicht schlecht, um mehr von den Texten zu verstehen.

kijuku_heinz

Szenenfoto aus "Hänsel und Gretel" im Wiener Rabenhoftheater

Wie ist das wirklich mit der Hexe und dem Düsterwald?

Nicht „es war einmal“, sondern „es ist jetzt, heute und hier“. Nein, nicht ganz hier, sondern doch auf der Bühne. Doch ein Märchen: Und das spielt 250 oder 300 Jahre  – mindestens und genau ist ein immer wieder auftauchender Streit in der Erinnerung von Großvater Öhi – nach dem Original; nachdem Vater und Stiefmutter die Kinder Hänsel und Gretel im Wald aussetzen, weil sie zu Hause nix mehr zu essen haben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hänsel und Gretel“ im Wiener Rabenhoftheater

Ach ja, und die alte Geschichte geistert noch in den Köpfen. Achtung, da ist eine Hexe, die Kinder ins Lebkuchenhaus lockt und vernaschen will, mindestens einen, den Hänsel, den sie aber vorher mästet. Also warnen der Großvater und vor allem der Jäger Jörg die Kinder, ja keinesfalls in den Düsterwald zu gehen.

Und natürlich reizt das Verbot. Die aufgeweckte Gretel will’s wissen. Was ist da wirklich im düsteren Wald und gibt es diese Hexe überhaupt und wenn ja, wie ist die?

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hänsel und Gretel“ im Wiener Rabenhoftheater

Sehr flexible Kulissen

Das ist die Ausgangsgeschichte für „Hänsel und Gretel – Ding Dong! Die Hex ist tot!?“ aus der Reihe „Classics for Kids“ des Wiener Rabenhoftheaters in Kooperation mit dem Theater der Jugend. In einer Bühne (Thomas Garvie) die an Teile aus einem Ausschneidbogen erinnern, und aus (fast) zweidimensionalen Elementen eine 3D-Welt erschaffen, die mit wenigen Handgriffen und Drehungen sich verwandeln lässt – wobei Licht und Musik und Geräusche (Josch Russo) stark unterstützen, erleben wir (fast) zwei kurzweilige, phasenweise doch recht gruselige Stunden (eine Pause).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hänsel und Gretel“ im Wiener Rabenhoftheater

Mutige Gretel, einsame „Hexe“

Die sehr aufgeweckte, selbstbewusste starke Gretel (Elena Hückel), animiert, überredet, naja ehrlicherweise drängt sie ihren ängstlichen Bruder (Jakob Schmölzer) zum Abenteuer in den Düsterwald. Ingo Paulick gibt zum Gaudium des Publikums einen eher dümmlichen, dafür umso großsprecherischen Jäger und Bernhard Majcen im ersten Teil den besorgten, aber irgendwie auch schon vergesslichen Opa, im zweiten Teil – und auch schon knapp vor der Pause – vor allem die Hexe mit furchterregender Maske (Lisa Werner, Kostüme: Valentina Mercedes Obergantschnig). Die mutige Gretel will der Sache aber auf den Grund gehen, glaubt nicht an die Hexen-Geschichte, vor allem nicht, dass die so böse sei, empfindet eher Mitgefühl mit der alten, einsamen Frau, die schon ewig so allein und abgeschieden lebt. Doch wehe, sie sagt „liebe Hexe“, schon schleudert ihr die ein heftiges: „Ich bin NICHT lieb!“ entgegen.

Gerüchteküche

Natürlich bleibt’s nicht dabei. Die Empathie der Gretel kann den Panzer der Hexe doch – zumindest ein wenig knacken. Und die Moral von der Geschichte: Glaubt nicht allen Gerüchten, die so verbreitet werden, auch wenn „alle“ davon sprechen. Und grenzt nicht aus, nur weil ihr wen für hässlich findet…

In der dieser Schiene im Rabenhoftheater üblichen witzigen Art (Buch und Regie: Roman Freigaßner-Hauser), diesmal aber weniger „draufdrückend“ zerlegt das Stück sozusagen einen alten Mythos und bringt ihn in aktuellen Zusammenhang – siehe den vorherigen Absatz; und das, ohne krampfhaft zu wirken. Damit reiht sich diese „Hänsel und Gretel“-Version ein in eine Reihe unterschiedlicher Kindertheater-Stücke und -bücher, die vor allem den in vielen Märchen „verteufelten“ Wolf von seinem bösen Ruf befreien (wollen) – siehe Links unten zu Wolf-Stück- und -Buch-Besprechungen.

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Musical-gegen-vorurteile -> damals noch im KiKU

Wolf-oder-nicht-wolf -> auch noch im KiKu

Wenn-der-wolf-dann-doch-nicht-vegan-isst -> ebenfalls im KiKu

Schneekaeppchen-und-der-froschwolf/ -> KiKu

Klein-wolf-wird-schaf -> auch noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus "Thor - die Geschichte mit dem Hammer"

Wenn Männer zeigen wollen, wo der Hammer hängt …

Höchstwahrscheinlich war die Wahl des Premierentags kein Zufall. An einem Donnerstag startete im Wiener Rabenhoftheater „Thor – Die Geschichte mit dem Hammer“. Seit vielen Jahren inszeniert Hausherr Roman Freigaßner-Hauser hier für das Theater der Jugend alljährlich eine Adaptierung eines klassischen Stoffes – flott, rasant, oft fast comic-haft und actionreich rocken antike Stoffe knapp verdichtet spielfreudig von einem immer sehr kleinen Ensemble gespielt über die Bühne (Thomas Garvie).

Das kleine Ensemble bedingt/führt zu Doppelrollen. Das Spannende daran ist, dass die Schauspieler:innen damit sehr oft die jeweiligen Gegenspieler:innen verkörpern (müssen). Also die Feind:innen sind sie sozusagen selbst. Der nordische Göttervater Odin ist somit gleichzeitig – im Schauspiel natürlich immer abwechselnd – der Oberste der Eis-Riesen Thrym (Bernhard Majcen). Die haben den Göttern den magischen Donnerhammer Mjölnir entwendet. Für die Rückgabe verlangen sie, dass Göttin Freya (Saskia Klar, die auch in die Rolle von Thryms Tochter Angeboda schlüpft) ausgeliefert werden sollte. Auf dieses Ansinnen scheint Odin sogar eingehen zu wollen. Doch die kriegslüsternen Männer beider Seiten haben nicht mit der selbstbewussten Art dieser Frau gerechnet!

Wie überhaupt die Lust, Kriege zu führen, Macht auszuüben und sich in Szenen setzen zu wollen, das eigene Image zu pflegen – auch Ingo Paulik als Loki und Lennart Lemster als Thor (Sohn des Odin, kampfeslustigst, aber wenig Grips und für Blitz und Donner zuständig) – stets mit einem Schuss Überdrehtheit versetzt, der Lächerlichkeit Preis gegeben wird. Und damit zum Statement zu aktueller (Kriegs-)Politik wird. Und das mit nicht zu wenig Humor – und doch einem tiefergehenden Ernst.

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