Ein schmaler Schlitz auf der Titelseite des Buches in dem die Augen eines nicht mehr ganz jungen Mannes ebenso zu sehen sind wie senkrechte Striche. In Kombination mit dem Titel in einer Art Kinderschrift „Mein Papa ist kein Mörder“ ist klar, die Striche sind wahrscheinlich Gitterstäbe eines Gefängnisses.
Viele jahr(zehnt)elange Tabus sind mittlerweile mehr oder minder oft in Büchern für Kinder und / oder Jugendliche angekommen – vom Tod über Gewalt und Ausgrenzung auch unter Kindern bzw. Jugendlichen, Behinderungen bis hin zum Verlieben in Angehörige des gleichen Geschlechts. Ein enger Verwandter im Gefängnis kam bisher kaum vor. In „mehr als alles auf der Welt“, einer Graphic Novel auf der Bühne des zum Burgtheater gehörenden Akademietheaters sowie in „Hey, Kiddo“, der Graphic Novel von Jarret J. Krosoczka, über seine alles andere als leichte Kindheit, spielt dies eine Rolle.
In jenem rund 120 starken Buch – ein Mix aus Graphic Novel und Sachbuch-Erklär-Stücken -, dreht sich aber alles darum, dass der Vater von Simon und seiner jüngeren Schwester Vicky, eines Tages nicht nach Hause kommt. Sissy, ihre Mutter, faselt etwas von dringend und schnell für die Arbeit wegmüssen. Und das nehmen die beiden Kinder, die natürlich noch nicht so viel wissen, wie die Leser:innen, die ja den Buchtitel kennen, schon nicht für bare Münze, fragt die Volksschülerin doch, wieso er denn dann nicht auf ihre Textnachrichten antwortet…
Wenige Seiten später rückt Frau Petermann mit der Wahrheit heraus. Der Vater ist im Gefängnis. Er hat als Busfahrer einen 12-jährign Buben auf seinem Fahrrad übersehen, niedergeführt, Paul ist dabei gestorben. Und Bernd hatte während des Unfalls verbotenerweise am Handy telefoniert.
Ohne diesen schuldhaften Unfall zu verharmlosen konzentriert sich das Buch auf gezeichnete Szenen in der Familie – zu Hause, in der Schule, beim Besuch im Gefängnis, der späteren Weigerung der Kinder ihren Vater zu besuchen. In der Schule werden sie als Kinder eines Mörders beschimpft, die Situation wird auch finanziell schwieriger, weil nun die Mutter Alleinverdienerin ist. Ebenso zeigt Zeichner Lukas Vogl Szenen Bernd Petermanns im Gerichtssaal bei der Verhandlung, dem Urteil – drei Jahre Haftstrafe -, im Gefängnis und den Problemen mit dem Mithäftling wegen Rauchens… Späteren Troubles als der Vater Freigang kriegt, eine Lehrstelle findet – er muss von Busfahrer auf einen neuen Beruf umsatteln -, die wieder verliert, Wickel zu Hause…
Autorin Christine Hubka greift für die Geschichte selbst – und die sachlichen Erklärstücke rund um alle erdenklichen Seiten der Justiz – auf ihre jahrelange praktische Erfahrung als Gefängnis-Seelsorgerin zurück. Das macht das Buch sehr authentisch und realistisch mit allen schmerzvollen Szenen für die Beteiligten der Familie Petermann – mit doch einigermaßen Happy End – so weit es unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich ist. Immerhin, der 12-jährige Paul ist tot und kann auch durch die tiefste Reue nicht wieder lebendig gemacht werden. Aber auch das ist eindrücklich auf der letzten Doppelseite zu sehen.
Noch immer sind Väter, die sich (mindestens) gleich viel um Kinder kümmern wie Mütter eine kleine Minderheit. Dieses dicke Papp-Bilderbuch mit vielen Ausklapp-Seiten (seitlich aber auch senkrecht), Löchern zur Durchsicht auf andere Seiten und anderen verspielten Elementen, feiert die Beziehung zwischen einem Kind und dessen Vater.
Und das aus beider Sicht. So heißt das Buch auch von einer Seite gelesen und betrachtet: „Mein großer Herzensmensch“ und umgedreht von der anderen Seite begonnen „Mein kleiner Herzensmensch“.
Zu einer guten Beziehung gehört nicht nur Sonnenschein und Spiel, sondern auch Ärger, Zorn, Wut oder Situationen, wo Hilfe, Fürsorge usw. gebraucht wird. Und das „spielt“ sich hier auf den bunten Seiten, auf denen es auch viele Details zu entdecken gibt, ab. Übrigens braucht – aus Kindersicht – hier auch der Papa Aufmunterung beim Erlernen von Neuem, in dem Fall Skaten.
In der Mitte stoßen die beiden Sichtweisen zusammen – womit jeweils eine der Seiten sozusagen Kopf steht 😉
Zwei Paare – ein reales sowie ein schauspielendes – betreuten vor rund einem Jahr für mehrere Tage High-Tech-Baby-Puppen, die auch weinen und ähnliches simulieren können. Kinder haben wollen oder nicht und wenn ja, wie dann umgehen mit elterlichen Rollen – das sind Fragen, die in der Live-Performance „Who wants to be the mum?“ (Regie: Miriam Schmid) gipfelten. Nach einer Aufführungsserie im Herbst in Graz ist die Produktion vom Performance Kollektiv „Das Planetenparty Prinzip“ (Theaterstücke, Performances, hybride interaktive Spiele) nun in Wien im Theater am Werk/Petersplatz zu erleben – Details siehe Info.
Auf der Bühne – komplett in der Einheitsfarbe gräulich-bläulich gehalten, andere empfinden’s fast als türkis, – spielen Alexander Benke, Victoria Fux, Nora Köhler (alphabetisch nachnamensmäßig sortiert; in den Videos als Vierter im Bunde: Jakob Kolb) Familie der 90er Jahre mit Wählscheibentelefon und so. Abwechselnd schlüpfen die drei in die Rollen eines auf dem Boden knieenden, malendes Kindes, einer kochenden Mutter, und des freudig von der Arbeit nach Hause kommenden Vaters. Das Trio hebt sich in der Kleidung von der Wohnzimmerlandschaft mit integriertem Küchenblock ab: Knallpink und orange (Bühne und Kostüm: Lisa Horvath).
Immer wieder wechseln die Schauspieler:innen die Rollen. Und doch bleibt der Ablauf mehr oder minder der Gleiche – lange Zeit. Immer und immer wieder. Was wechselt ist das „Gekochte“, stets aber fischig. Und vor allem die Zeichnungen des Kindes – nicht zu sehen, wie alles sind auch Zeichenblätter, ja selbst Zeitungsseiten in der nämlichen Einheitsfarbe, sogar die senkrechten Jalousien, die die drei Wände bilden.
Dass es nicht immer so weitergehen kann, ist klar – eine bricht aus. Ist es eine oder einer? Wie sich das Stück – in dem es immer wieder Video-Rückblenden (Kamera: Vincent Seidl, David J. Wimmer) auf die Phase mit und rund um die Simulationspuppen und deren Betreuung gibt – weiterentwickelt, sei hier nicht gespoilert.
„Kinder oder keine – entscheiden wir alleine!“, war schon ein Slogan bei Demos der Frauenbewegung in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach erkämpftem Wahlrecht nach der vorvorigen Jahrhundertwende, wurde nicht zuletzt im Gefolge der 68er-Bewegung der Zusammenhang zwischen privatem und politischem Verhalten intensiv diskutiert. Gleichberechtigung wurde zum Thema auch in Bezug auf Beziehungen, „halbe – halbe“ zur Forderung, zum Ziel. Und dennoch hat sich trotz einiger Änderungen in diese Richtung (noch) nicht allzu viel getan. Abgesehen davon, dass gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit – in Österreich beispielsweise – noch in weiter Ferne sein dürfte, liegt der Anteil von Männern in Karenz bei 2 von zehn Paaren.
Und auch in der Performance ist der Mann, wenn er sich die Schürze umbindet und kocht, „Mom“ und nicht „Dad“. Und selbst als Vater einmal Mutter anbietet, selbst nach dem Essen abzuräumen, um ihr Freizeit zu gönnen, meint sie: „Du weißt ja gar nicht, wo alles hingehört“. Das jeweilige „Kind“ hingegen ist schon viel weiter. Auf die Frage von „Mom“, was es denn da gezeichnet habe, zählt es jedes Mal unterschiedliche Familien auf – beispielsweise einmal eine mit drei Papas.
Die gängigen Rollenklischees – trotz jahrzehntelangen Diskussionen, Forderungen, Versprechen bleibt der überwiegende Anteil unbezahlter „Care“-Arbeit an Frauen hängen – durchbricht dies das Trio vor allem durch leicht überdrehtes, ironisch-parodistisches Schauspiel – das damit immer wieder für Lacher in den rund 1 ¼ Stunden führt.
Was vielleicht ein wenig abgeht – Ausgangspunkt in den Videos war die Frage: Kinderwunsch oder nicht – ist ein vor allem unter Jugendlichen sehr wohl diskutierter Aspekt: Kinder in diese Welt angesichts von Kriegen, Klimakrise, Perspektivlosigkeit?
Sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen