Tanzstück „Sei kein Mann“ von Kollektiv F aus Bern beim 4. „jungspund“ Theaterfestival für junges Publikum in St. Gallen (Schweiz).
Unbeschwert, voller Leichtigkeit spielen sich die drei Tänzer durch den Raum und mit ihren Papierfliegern. Da sind Petr Nedbal, Emanuel Rüfenacht und Flamur Shabanaj sehr junge Buben, einfach Kinder, die (noch) nicht auf Rollen fixiert, in Schubladen gesteckt, wurden. Doch damit ist’s recht bald vorbei.
Schnell und stark sein, obendrein immer mehr und besser als die anderen… – Konkurrenz als patriarchalisches Prinzip noch immer mit Männlichkeit engstens verbunden. Und das trotz jahrzehntelanger intensiver Diskussionen, in mehreren Wellen erstarkter Frauenbewegung und davon ausgelöst doch auch Debatten um neue Männerbilder, insgesamt Rollen jenseits altbackener Klischees…
Kollektiv F Bern ließ sich von dem Buch „Sei kein Mann“ von JJ Bola für das jüngste Stück inspirieren. Unter dem selben Titel zeigte es das Tanzstück am Abend des internationalen Frauentages beim „jungspund“ Theaterfestival für junges Publikum. Der (lyrische) Schriftsteller in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) geboren und ab seinem 6. Lebensjahr in London aufgewachsen, arbeitete nach seinem Masterabschluss in Kreativem Schreiben einige Jahre als Sozialarbeiter für Jugendliche mit psychischen Problemen. Doch schon als Jugendlicher hatte er sich in Tagebüchern und Gedichten mit männlichen Rollen-Zuschreibungen auseinandergesetzt.
Von dem 2019 (auf Deutsch ein Jahr später) erschienenen Buch ausgehend, arbeitete Kollektiv F Bern einerseits mit Jugendlichen in der eigenen Stadt und andererseits mit den drei Tänzern an der Verarbeitung eigener Erfahrungen sowie deren Reflexionen. Konzept, Recherche und Vermittlung stammen von Luzius Engel, die Choreografie von Vanessa Cook. Luz Gonzàlez als Live-Musikerin im seitlichen Bühnen-Vordergrund treibt sozusagen das Tanz-Geschehen an. Mirjam Berger steuerte nicht nur das Lichtkonzept zur rund einstündigen Performance bei, sondern agiert ebenfalls seitlich im Vordergrund der Bühne und setzt den jeweiligen Fokus.
Das Tanz-Trio „erinnert“ sich teils an eigene Jugend-Szenen, so bekennt einer sich schuldig, gegenüber seiner Schwester bevorzugt worden zu sein…
Me Culpa, Konkurrenz und Kampf, Reflexionen, Versprechen zur Besserung, Ansätze diese auch im Umgang miteinander zu versuchen… – noch immer ein Minderheitenprogramm. Vielleicht aber auch nicht der ideale Ansatz, um Jungs oder Männer zu einem Umdenken bzw. noch wichtiger einer Änderung von Verhalten zu bewegen?
Möglicherweise ist schon der Titel nicht ideal, lautet die wörtliche Übersetzung des englischen Originals doch „Maske ab: Männlichkeit neu definiert“, und selbst der deutsche Untertitel (Übersetzung: Malcolm Ohanwe) gibt weit mehr her als der Stück- und Buchtitel, nämlich „Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“.
Und das ist vor allem JJ Bolas Ansatz, eigenes Erleben, Erkenntnis in der Arbeit mit männlichen Jugendlichen und der Tenor des Buches: Klassisch männliche Rollenbilder als gewaltige Einschränkung für Buben und Männer – kaum bis keine Gefühle zulassen dürfen … – das kommt in so manchen der Szenen zwar ansatzweise vor – aber insgesamt wirkt die Performance ein wenig stark pädagogisch durchzogen von erhobenem Zeigefinger.
Da hätte wenigstens ein Spur vom Zugang zur „Greulichen Griselda“ des Vorstadttheaters Basel ganz gut getan – Rollenklischees mit einem kräftigen Schuss Humor zu durchbrechen und damit in Frage zu stellen.
Wobei es auch einen kulturell eingeschränkten Blick gibt, verblüfft doch Bola in seinem Buch schon im Vorwort mit folgender Frage, die er aus eigenen Erfahrungen ableitete: „Wie konnte es sein, dass es in einem Teil der Welt völlig normal war, wenn zwei Männer sich an den Händen hielten, während die Menschen in einem anderen Teil der Welt stehen blieben und starrten?“
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Kollektiv F Bern
inspiriert vom gleichnamigen Buch von JJ Bola – mit dem Untertitel: „Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“ (Aus dem Englischen von Malcolm Ohanwe)
Ab 12 Jahren; eine Stunde
Konzept, Recherche, Vermittlung: Luzius Engel
Tanz: Petr Nedbal, Emanuel Rüfenacht, Flamur Shabanaj
Choreografie: Vanessa Cook
Live-Musik: Luz Gonzàlez
Bühne, Kostüme: Renate Wünsch
Lichtkonzept, Technik: Mirjam Berger
Aussenauge (dramaturgische Beratung): Noëmi Gradwohl
Produktionsleitung: Nina Engel
Produktion: Kollektiv F
Koproduktion: Dampfzentrale Bern
kollektiv-f.ch
St. Gallen, Schweiz
jungspund.ch
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