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Szenenfoto aus "Urknall"
Szenenfoto aus "Urknall"
09.03.2024

Neue Stücke: Wie geht’s der Erde und den Menschen auf ihr?

Kurze Einblicke in zehn neue bzw. erst entstehende Stücke für junges Publikum beim „Schaufenster“ professioneller Schweizer Theaterschaffender beim „jungspund“-Festival in St. Gallen.

„Erde, wie geht’s dir?“ fragen Nora Vonder Mühll & Stefan Colombo (Theater Sgaramusch) die Kugel, die sie an einem langen von der Decke baumelnden Seil aufgehängt haben. Zuvor haben sie per Schnur und Kreide einen großen Kreis auf den Boden gezeichnet, aus einer Tasche verschieden große Bälle und so manch anderes Zeugs herausgeholt – ein Universum „erschaffen“. In und mit diesem spielen sie in „Urknall“. Das heißt eigentlich zeigten sie nur zehn Minuten daraus. „Schaufenster“ nennt sich das Format, das am „jungspund“-Abschlusstag des Theaterfestivals für junges Publikum im Schweizer St. Gallen einen Einblick in aktuelle – teils erst entstehende – Produktionen für Kinder bzw. Jugendliche geben will.

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Szenenfoto aus „Wir sind dann mal weg“

Ebenfalls – aber auf ganz andere Art und Weise laden Bharathi Mayandi Franaszek, Stephanie Müller, Matthias Nüesch von pulp.ooo auf eine Zeitreise zum Beginn wenigstens des Lebens auf der Erde ein: „Wir sind dann mal weg“ ist ein Wechselspiel zwischen menschlichen Schauspieler:innen, Figuren und der Zeitmaschine Solveig, einer Art Licht-Puppe, sowie physikalischen Experimenten mit Wasser, flüssigem Stickstoff und vielem mehr (Letzteres bei der Präsentation als Video-Einspielungen). Und der Titel deutet an, dass vielleicht auch die Frage verhandelt wird, wieweit die Menschheit mit ihrem Tun oder Unterlassen an ihrer eigenen Abschaffung und der so manch anderer Arten arbeitet.

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Szenenfoto aus „Bestiarium – Varieté der vergessenen Tiere“

Sehr großen Anklang fand die Performance von Annina Mosimann über das Zusammenleben von anfangs nur als Hände oder Füße auftauchenden menschlichen Körperteilen aus kleinen Klappen einer großen senkrecht aufgestellten Kiste mit Tieren wie einer Fliege, Ratte, Spinne usw. und dazu noch der Bedienung einer Loopstation und eines kleinen Tasteninstruments. „Bestiarium – Varieté der vergessenen Tiere“, nennt sie ihre Show.

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Szenenfoto aus „Echo Echo“

An Beppo, den Straßenkehrer in Michael Endes Momo, erinnert der erste Moment in „Echo, Echo“ von theater salto&mortale. Doch hier geht’s um das Zusammenleben in einem abgeschiedenen Dorf – und das als „Eindringen“ empfundene Auftauchen eines Fremden sowie um Warnungen der Raben vor einem drohenden Bergrutsch – und das nicht-zuhören der Einheimischen.

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Szenenfoto aus „Giraffenblues“

Apropos Aufkehren und Putzen – in „Giraffenblues“ (kuckuck-Produktion) entert ein Reinigungstrupp das Museum (entstanden in Kooperation mit dem Zoologischen Museum der Universität Zürich) oder den jeweiligen Spielort. Eigentlich sollte hier ein Theaterstück stattfinden, aber… – ein Trick, den so manche Theatergruppe schon angewandt hat: Die Putzbrigade spielt einfach ein, nein DAS Stück. Und dieses nimmt Anleihe bei einer wahren Begebenheit: 1935 wurde eine in Giraffe  damals in Tanganjika (heute Region zwischen Tanzania und Kenia) gefangen und in die Schweiz transportiert, wo sie in den Züricher Tiergarten kam.

„Giraffenblues“ (Regie: Roger Nydegger) rückt allerdings den Einreiseversuch unter die Lupe: Giraffe keein Problem, die lassen Mira Frehner und Andreas Peter als Grenzbeamt:innen durch. Doch den menschlichen Begleiter und Betreuer Mokassa, gespielt von Robert Achille Gwem, den wollen sie nicht reinlassen. Was vielleicht heute nicht viel anders sein könnte, oder?!

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Szenenfoto aus „Red“

Natürlich spielen Themen wie Umgang mit Social media, Influencer:innen-(Möchtegern-)Dasein usw. in so manchen Stücken eine wichtige Rolle. Red von Merge Dance Collective ist so ein (Tanz-)Stück – noch dazu mit viel Humor. Linda Heller & Audrey Wagner tauchen in typische TikTok-Posen ein: Zack, Boom, Bäm – 100.000 Follower – oder doch nicht. Nein, wir sind doch ganz anders, wir sind ehrlich, authentisch und so weiter – oder auch das wiederum nur ein Marketing-Gag?

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Szenenfoto aus „Das ist die Moral der Geschichte, Liebling“

Noch krasser – selbstironisch und doch fast nichts anders als die Wirklichkeit so mancher TV- und Online-Shows aufnehmend, agiert Linda Hügel (Text: Fiona Schreier; Regie: Johanna Benrath) in „Das ist die Moral der Geschichte, Liebling (netzwerk wildi blaatere). Erst mit Riiiiesen-Mikro über die Auflösung der Moral philosophierend, wandelt sie sich zur Show-Masterin, die das Publikum auf Teufel-komm-raus animiert – und manipuliert.

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Szenenfoto aus „Unter Drachen“

Auf ganz andere Art animiert Nadja Rui als Kind Ira das Publikum – durch die Reihen spazierend, einzelne Zuschauer:innen ansprechend verwandelt sie diese beispielsweise abwechselnd vor allem in ihren Opa. „Unter Drachen“ (Text: Hanna Röhrich; Regie: Patricija Bronić) ist eigentlöich konzipiert, um in einem eigenen großen Kuppel-Zelt gespielt zu werden – auf engem Raum mit dem Publikum. Und es geht um den Tod des Großvaters bzw. die Erinnerung an ihn und seine nach und nach verloren gegangenen Erinnerungen als er noch gelebt hat.

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Szenenfoto aus „Die Geschichte von Lena“


Um (analoges) Mobbing, vor allem im Zusammenhang mit dem Vertrauensbruch einer engen Freundin dreht sich „Die Geschichte von Lena“ (Theater Spielfeld/theater fabula!), gespielt von Lisa Gartmann und Eliane Blumer.

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Foto zu „Encylopedia“

Den humorvollen Abschluss des Schaufensters – die echte Reihenfolge unten im Info-Block (nicht hier in diesem Beitrag) performten (abwechselnd Tanz und Sprache) Lucia Gugerli und Christophe Rath von der Cie Nicole Seiler, von der auch das Konzept und die Choreografie stammt. „Encyclopedia“ versteht sich als eine solche – von Gesten, Begriffen und Bezeichnungen. So wird die eine zum Strich, Winkel, einer Statue, gleich danach zu einer gestürzten Statue, der andere zum Äffchen, einem Disco-Move on repeat, einem Hochhaus und Godzilla, der ein solches zerstört…
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Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

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KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Schaufenster für professionelle Schweizer Theaterschaffende

(In der Reihenfolge der Auftritte beim „Schaufenster“, die sich nach technsichen Umbau-Gegebenheiten richtete.)

Unter Drachen
Bronić/Röhrich
Ab 8 Jahren
Regie: Patricija Bronić
Text: Hanna Röhrich
Spiel: Nadja Rui
Outside Eye (dramaturgische Beratung): Annalena Küspert
Bühne: Nora Müller
Musik: Tobias Schmitt
Produktionsleitung: Irene Andreetto, Patricija Bronić, Hanna Röhrich

Red
Merge Dance Collective
Ab 12 Jahren
Choreografie & Tanz: Linda Heller & Audrey Wagner
Technik: Jon Carl Brunke oder Raphael Vuilleumier
Sprecherin: Annabelle Sersch
Kostüme: Jamina Dervishaj
Outside Eye (dramaturgische Beratung): Sonia Rocha

Wir sind dann mal weg
pulp.ooo
Ab 9 Jahren
Text: Zarah Mayer
Spiel: Bharathi Mayandi Franaszek, Stephanie Müller, Matthias Nüesch
Künstlerische Leitung: Matthias Nüesch
Bühne, Objekte: Stephanie Müller, Dominik Baumann
Musik: Joel Schoch
Technik: Dominik Baumann
Endregie: Marius Kob
Produktionsleitung: Anthony Ackermann
Mentorin: Cristina Galbiati

Bestiarium – Varieté der vergessenen Tiere
Annina Mosimann
Ab 6 Jahren
Idee, Konzept, Ausstattung, Spiel: Annina Mosimann
Beratung, Produktion & Dramaturgie: Marius Kob
Außenblick: Lara Epp, Ariel Doron
Beratung & künstlerische Mitarbeit, Bau: Lukas Schneider
Beratung Musik: Erik Tarantola
Dramaturgie: Petra Fischer
Produktionsleitung: Beat Ryser

Echo Echo
theater salto&morale
Ab 10 Jahren
Regie: Damiàn Dlaboha
Text, Dramaturgie: Béla Rothenbühler
Schauspiel: Magdalena Neuhaus, Patrick Slanzi
Live Musik: Nick Furrer aka Haubi
Songs, Bühne: Andreas Bächli
Kostüme: Benjamin Burgunder
Produktionsleitung: Alena Beck
Theaterpädagogik: Nicole Lechmann

Das ist die Moral der Geschichte, Liebling
netzwerk wildi blaatere
Ab 14 Jahren
Text: Fiona Schreier
Regie: Johanna Benrath
Spiel: Linda Hügel
Bühne/ Technik/ Vermittlung: Lea Niedermann
Kostümbild: Swantje Silber
Dramaturgie/Vermittlung: Elo Göldi
Produktionsleitung: Esther Friederich

Giraffenblues
Kuckuck Produktion
Ab 8 Jahren
Spiel: Mira Frehner, Andreas Peter, Robert Achille Gwem
Regie: Roger Nydegger
Idee & Text: Brigitta Paulina Javurek
Regieassistenz: Nellie Hächler
Dramaturgie: Brigitta Paulina Javurek, Roger Nydegger
Bühne & Kostüme: Doris Berger
Musik: Andreas Peter
Rassismuskritische Beratung & Begleitung Rahel: El-Maawi
Produktionsleitung: Lukas Piccolin
Grafik: Daniel Müller, Giorgio Chiappa
Animation/Visualisierung: Raphael Lapouille

Urknall
Theater Sgaramusch
Ab 5 Jahren
Regie: Markus Keller
Spiel: Nora Vonder Mühll & Stefan Colombo
Dramaturgie: Priska Praxmarer
Ausstattung, Kostüme: Jasmin Wiesli
Choreografische Mitarbeit: Ursula Lips
Produktionsleitung: Cornelia Wolf

Die Geschichte von Lena
Theater Spielfeld/theater fabula!
Ab 9 Jahren
Spiel: Lisa Gartmann, Eliane Blumer
Auge von Außen (dramaturgische Beratung): Nathalie Hubler

Encyclopedia
Cie Nicole Seiler
Ab 10 Jahren
Konzept & Choreografie: Nicole Seiler
Performance & Choreografie: Lucia Gugerli, Christophe Rath (Deutsch) / Anne Delahaye, Christophe Jaquet (Französisch)
Künstlerische Zusammenarbeit: Muriel Imbach
Produktionsleitung: Ana Lagarrigue
Administration: Léonore Friedli

Das Schaufenster wurde/wird unterstützt durch Pro Helvetia – Schweizer Kulturstiftung

jungspund – Theaterfestival für junges Publikum

St. Gallen, Schweiz
jungspund.ch