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Szenenfoto aus "Souhung"
Szenenfoto aus "Souhung"
09.03.2024

(Sau-)hündische Liebes-Suche

„Souhung“ eine suchende pure (Liebes-)Geschichte eines Jugendlichen auf der Basis eines fast 50 Jahre alten damaligen Skandal-Romans so heutig – und allgemeingültig gespielt beim „jungspund“-Festival in St. Gallen (Schweiz).

Der Solist, Darsteller des 15-Jährigen Protagonisten Benni, switcht in Sekundenschnelle in die Rollen seines strengen, auf Militärdrill programmierten Vaters, der überfürsorglichen Gluckhennen-Mutter ebenso wie in die des von ihm zunächst angehimmelten Stars, des Musikers Fögi. Gleich nach dem mittlerweile Rolling-Stones-urgesteins Mick Jagger siedelt er ihn an. Und es wird mehr daraus – eine Beziehung – anfangs von beiden Seiten auf Liebe aufgebaut.

„Souhung“ heißt das Stück, das beim „jungspund“-Festival für junges Publikum in der Lok-Remise von St. Gallen (Schweiz) zu sehen war. Es basiert auf dem Roman „ter fögi ische souhung“ von Martin Frank. Im Jahr 1979 als er ihn veröffentlichte, wollte ihn kein Verlag drucken, zu skandalträchtig schien die Liebesgeschichte eines schwulen Paares. Die doch mehr als problematische Konstellation eines Jugendlichen mit einem Mitt-20-Jährigen schien weniger Thema gewesen zu sein. So publizierte der Autor damals im Eigenverlag – übriggebliebene Originalausgaben gibt’s rund um die Vorstellungen. Im Vorjahr veröffentlichte der Menschenversand Verlag das Buch neu.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Souhung“

„Wär meint sig wohr ische spinnsiech, s’isch aus erfunge.“ Dies ist eines der Zitate aus „Souhung“ – in der Originalsprache. Der schon genannte Spielort ist ein Hinweis – doch kein hinreichender. Der Satz – und all die anderen im Stück ebenso wie in dem Roman, auf dem es basiert – ist in Bern-Deutsch. Es handelt sich um einen der vielen, teils sehr unterschiedlichen Dialekte des schweizerischen Deutsch. Schwyzerdütsch wird von vielen als Begriff rundweg abgelehnt: „Das gibt es nicht, es gibt nur die verschiedenen regionalen Deutsch-Varianten, Hoch- oder Standard-Deutsch empfinden viele als die erste Fremdsprache, die sie mit Schuleintritt lernen.

Sprache und Story

Die Originalsprache war ein wichtiges Element für den Schauspieler Max Gnant, um dieses Stück mit der vanderbolten.production Zürich zu verwirklichen (Regie, Dramaturgie: Maria Rebecca Sautter, David Koch). Noch wichtiger aber war ihm die Story und wie sich der Autor in die Gefühlswelt eines Heranwachsenden, seine Ängste, Zweifel, Ausbruchsversuche aus den elterlichen und gesellschaftlichen Vorgaben hineindenken konnte. Durchaus auch die fast anarchistische Scheiß-dir-Nix-Sprache, die die Grundstimmung unterstreicht – auch wenn des Berndeutschen nicht mächtige Zuschauer:innen wie der Rezensent von dieser bestenfalls etwas erahnen konnte 😉

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Souhung“

Vom Aufblühen bis zur Toxizität

Im stark tänzerischen, teils sogar akrobatischen Schauspiel verkörpert Gnant zunächst einen verschlossenen, fast verstockten Jungen, der in Liebe – allen Anfeindungen zum Trotz – aufblüht und dann doch an der toxisch werdenden Beziehung zerbricht. Machtgefälle zwischen Star und Anhimmler einerseits, der Altersunterschied spielt dann doch eine Rolle. Aber auch der ständige Drogenkonsum, die Suche nach Sinn und Leben-wollen des Jungen (mittlerweile 17 Jahre) auf der einen und das „es hat eh alles keinen Sinn“ des zehn Jahre Älteren endet tödlich – für Letzteren. Und der nunmehrige Leere Bennis.

Das alles spielt sich in einer dichten Stunde voller Emotionen auf einer aus mehreren flexiblen Elementen ständig veränderbaren Bühne (Szenografie, Bühnenbau: Lea Niedermann) ab – und ist nicht vor fast einem halben Jahrhundert angesiedelt. Über die konkrete Story hinaus vermittelt das Schauspiel und die Inszenierung durchaus zeitlos und von handelnden Personen und Konstellationen unabhängig hautnah Suche nach Anerkennung und Liebe einerseits und die Qualen von Beziehungen mit Machtgefälle.

Ach, übrigens der oben zitierte Satz – aus dem Stück – „Wär meint sig wohr ische spinnsiech, s’isch aus erfunge“ – bedeutet übersetzt: „Wer meint, es sei wahr gewesen, spinnt, es ist alles erfunden.“

Tönt recht ähnlich

PS: Im Vorjahr erschien in Deutschland ein zwischenzeitlich auch gehypter Roman unter dem Titel „Sauhund“. Geständnis: Kenne ihn (noch) nicht, aber Sätze des Verlags (Hanser) über Lion Christs Debütroman machen schon stutzig: „München, 1983. Flori kommt vom Land und sucht das pralle Leben, Glanz und Gloria, einen Mann, der ihn mindestens ewig liebt. Er ist ein unverbesserlicher Glückssucher und Taugenichts, ein Sauhund und Optimist. … und so weiter“ Da erinnert doch so manches vom Plot her an Martin Franks „ter fögi ische souhung“;(

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Souhung“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Souhung

vanderbolten.production Zürich
Ab 15 Jahren; eine Stunde
nach dem Roman „ter fögi ische souhung“ von Martin Frank (1979)

Spiel, Konzept: Max Gnant
Regie, Dramaturgie: Maria Rebecca Sautter, David Koch
Szenografie, Bühnenbau: Lea Niedermann
Produktion, Koordination: Christopher Kriese, Donia Sbika
Licht, Technik, Bühnenbau: Jonas Schaller
Theaterpädagogik: Lena Steinemann, Nina Balmer
Produktion: vanderbolten.production
Koproduktion: Theater am Gleis Winterthur, ThiK Baden, Tojo Theater Reitschule Bern, Zentralwäscherei Zürich
souhung.love

Das Buch

Text: Martin Frank
ter fögi ische souhung
Neuauflage
104 Seiten
Der gesunde Menschenversand, 2023
Gebundene Ausgabe: 31,50 €
eBook: 18,99 €
Zu einer Leseprobe geht es hier unten
martinfrank -> foegi
menschenversand -> martin-frank-foegi

Jungspund – Theaterfestival für junges Publikum

Bis 9. März 2024
St. Gallen, Schweiz
jungspund.ch