„Jacky“ vom inklusiven Theater Delphin – parabelhafte Version eines bekannten Märchens.
Auf eine – teils intensive – Achterbahn der Gefühle nehmen die Schauspieler:innen vom inklusiven Theater Delphin das Publikum im 1 ¼-stündigen Stück „Jacky“ mit. Was als Hoffnung auf ein besseres Leben für das Mädchen Jacky Antonich, die mit ihrem schwerkranken Vater Josef vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet ist, beginnt, wird zum Albtraum im US-amerikanischen Anwesen der reichen Familie Heiter. Der Hausherr Albert, ein Politiker und Unternehmer mit mehr als zweifelhaften Geschäften, erweist sich als eine Art „Menschenfresser“. Dem letztlich aber das Handwerk gelegt werden kann.
Ausgehend vom Kern des bekannten Märchens „Hans und die Bohnenranke“, schreib Gabriele Weber, Co-Leiterin des Theaters, eine total umgemodelte Version dieser Geschichte, die sie gemeinsam mit dem Co-Leiter Georg Wagner inszenierte (Regie und Produktionsleitung).
Hans tauscht eine Kuh gegen fünf Bohnen. Schlechter Deal würden wohl die meisten meinen. Auch seine Mutter schimpft ihn dafür. Doch die Bohnen lassen urschnell riesige Ranken wachsen mit denen Hans in die Welt von Riesen kommt, in der er Wertvolles mitnehmen kann. Aber auch bedroht ist vom Riesen, der Menschen frisst. Das ist das Märchen von „Hans und die Bohnenranke“ (Jack and the Beanstalk – bekannt geworden in der Version von Joseph Jacobs 1890, aber schon fast ein Jahrhundert zuvor – 1807 – in einer Fassung von Benjamin Tabart veröffentlicht).
Der Kern – scheinbar schlechter Tausch gegen fünf Bohnen – ist der Gleiche. Die Pflanzen ermöglichen das Eintauchen in eine andere Welt – wo die Hauptfigur zu materiellen Gütern kommt, aber bedroht wird „gefressen“ zu werden. In dem Fall wird die lebenslustige, gutgläubige Jacky (verspielt, oft auch tanzend: Evelyn Schonka) von Albert Heiter (Marek Janta im Elektro-Rollstuhl) vergewaltigt. Obendrein droht ihr, in einem Bordell zur Zwangsprostitution eingesetzt zu werden.
Diese Gewalt-Szene, mit wenigen Bewegungen angedeutet, aber vor allem stark gespielten emotionalen Reaktionen, lässt es eisigkalt den Rücken rauf oder/ und runter laufen. Fast unaushaltbar ist eine andere, sehr hautnahe Kampfszene zwischen Jacky und der Haushälterin Maria, die von Zlatoslava Osypova arrogant-machtgeil-tussihaft gespielt wird.
Wirklich wie aus einer anderen Welt wirkt Jackys imaginärer Freund und Helfer Franceso (Reinhard Jadamus). Nur in den entscheidenden Momenten ist er nicht da – damit Ärgstes passieren kann. Folgerichtig darf Jacky auch nicht auf ihre reale Freundin Sarah (resches Spiel: Maria Meitner) hören.
Abgerundet wird das Schauspiel von Herbert Klinghardt als Jackys Vater Josef, Ulli Munsch in der Rolle der wohlhabenden Flüchtlingshelferin Susanne Heiter, die jahrzehntelang bei den Machenschaften ihres Ehemanns offenbar weggeschaut hat, im Alter dann doch die Konsequenz zieht, und sich scheiden lässt und nicht zuletzt dem jahrzehntelang untergebenen „Mädchen für alles“ für Herrn Heiter, dem Prokuristen Friedrich von Arlstein (Roman Kellner). Wobei – ob ohne oder mit Behinderung – jede und jeder der Schauspieler:innen neben dem Zusammenspiel auch jeweils mindestens eine Szene hat, in der sie / er sozusagen im Zentrum steht oder sitzt.
Die Bühne (Bühnenbild, Technik: Georg Wagner) kommt mit wenigen Mitteln aus – genial, wie ein Kastl danke weniger Handgriffe zum Auto wird 😉 Für die passenden Kostüme sorgte Sigrid Dreger.
Sehr frei ausgehend von dem Märchen „Hans und die Bohnenranke“ von Joseph Jacobs
Theater Delphin Basis 3; 1 ¼ Stunden
Textfassung: Gabriele Weber
Regie, Produktionsleitung: Gabriele Weber und Georg Wagner
Darsteller:innen
Jacky Antonich: Evelyn Schonka
Ihr Vater, Josef: Herbert Klinghardt
Francesco, imaginärer helfender Freund von Jacky: Reinhard Jadamus
Sarah, Jackys Freundin: Maria Meitner
Dr.in Susanne Heiter, Helferin: Ulli Munsch
Ihr Ehemann, Politiker und Geschäftsmann Dr. Albert Heiter: Marek Janta
Friedrich von Arlstein, Prokurist, Chauffeur und „Mädchen für alles“ bei den Heiters: Roman Kellner
Maria, Haushälterin und Chefin des Servicepersonals bei Heiters: Zlatoslava Osypova
Bühnenbild, Technik: Georg Wagner
Kostüme: Sigrid Dreger
Aufführungsrechte: Verein Theater Delphin
Bis 27. Oktober
Theater Delphin
1020 Wien, Blumauergasse 24
Telefon: 0676 448 87 78
karten@theater-delphin.at