„Herbstfest auf dem Lande“ – Gastspiel von Theater im Bahnhof (Graz) im Wiener TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße): Ein Live-Hörspiel – einmal als Aufnahme, einmal beim Abspielen.
Im Hintergrund in luftiger Höhe ein riesiger Kleiderständer, eigentlich -hänger bzw. Kostümgarderobe. Davor sechs Notenständer. Links und rechts davon zwei ziemlich angeräumte Tische. Einer mit Keyboard und liegender eGitarre, der andere mit vielen, teils mit Wasser befüllten Gläsern. Und eine eher ältere Tonregler-Anlage. So präsentiert sich die Bühne im TAG, dem Theater an der Gumpendorfer Straße (Wien) bevor das Gastspiel von Theater im Bahnhof (Graz) mit „Herbstfest auf dem Lande“ startet.
Zwischen den Publikumsreihen eilt ein Mitglied der Theatergruppe zur Bühne, klopft an eine der Türen im Hintergrund, die Schauspieler:innen kommen raus und – nein, sie haben keine Blasinstrumente dabei. So viel darf sicher gespoilert werden. Obwohl Fest und Land im Titel dienen die Notenständer „nur“ als Halterungen für Texte.
Juliette Eröd, Gabriela Hiti, Lorenz Kabas und Martina Zinner nehmen Platz und starten in pathetisch-schwülstig formulierten Landschaftsschilderungen die Einleitung eines Hörspiels. Jacob Banigan und Frans Poelstra sorgen auf den seitlichen Tischen für die akustische Untermalung. Obwohl alles zu sehen, beginnt im Kopfkino tatsächlich ein Hörspiel. Auf der Bühne sozusagen das Making of desselben zu sehen, nein zu erleben.
Und erst die Geschichte: Die vier Erzähler:innen schlüpfen in die Rollen vier erwachsener Geschwister. Ihr Vater wird demnächst 80 (Text: Monika Klengel und Ensemble; Regie und Konzept: Frans Poelstra, Monika Klengel). Zur Vorbereitung eines Geburtstagsfestes gründen sie ein WhatsApp-Gruppe. Samt gesprochener Verschreiber und deren Korrekturen: „Ich freude mich… nein freue mich“. Oder nachdem – auch ausgesprochen – Hochladen eines alten Familienfotos mit der mittlerweile verstorbenen Mutter: „Da hat sie das letzte Mal gelästert…“ – „Freud‘scher Fehler: gelächelt“. Die jüngste Schwester, offenbar schon eine mit Social Media aufgewachsene jüngere Erwachsene, die immer wieder englische Begriffe in ihre (Halb-)Sätze in die Gruppe schreibt und mit vielen Rufzeichen arbeitet, bei denen sie nicht immer die Caps-Lock-Taste (Shift, Feststelltaste, Großbuchstaben) und daher !!!111 verlesen wird.
Wer organisiert was? Wo soll das Fest stattfinden? Viele Fragen und so scheint ein direktes, persönliches Vorbereitungstreffen notwendig – in einem Gasthaus: Da mischen sich Gesprächsfetzen mit Geräuschen von Teller- und Besteckklappern, Suppe löffeln und Bestellungen beim Wirtshauspersonal… und obwohl du nur die beschriebene Szenerie siehst und das Gesprochene hörst, fühlst du dich fast in diese Wirtsstube hineinversetzt, kannst fast den Geruch der genannten Speisen wahrnehmen. Köstlich und so perfekt gesprochen, szenisch gespielt und soundmäßig mit fast unbeschreiblichen „Tricks“ akustisch kreiert.
Natürlich ist bald nicht alles eitel Wonne. Erst recht nicht beim Fest mit der Überraschung eines auf dem Dachboden gefundenen alten Super-8-Millimeter-Films und einem dafür aufgetriebenen Projektor. Was da als Bruch des Bildes der heilen Familie ins Bild kommt, wird hier aber nicht verraten. Dass es damit auch zum Wickel unter den Geschwistern kommt, drängt sich auf.
Der genialen – trotz so manch bitterböser Familien-Auseinandersetzung über weite Strecken witzigen Live-Aufnahme des Hörspiels folgt nach der Pause ein zweiter, zunächst spartanisch wirkender Teil vor einem Schnürlvorhang. Wortlos bewegen sich die Protagonist:innen immer wieder tänzerisch zum Abspielen des zuvor Aufgenommenen. Mit ihren teils zeitlupenartigen Moves drücken sie die jeweiligen Stimmungen und Gefühle bzw. das Verhältnis zueinander aus – manchmal sehr eng, dann wieder ziemlich vereinzelt und abweisend.
Eine metaphorische „Nebengeschichte“ handelt von Ameisen, die sich im Falle einer Überschwemmung zu einer Art lebendigem Floß ineinander verhaken. Für die Illustration dieser Passage schlüpfen die zuvor fast ausschließlich schwarz gekleideten Schauspieler:innen nun in bunte Gewänder vom eingangs genannten Kleiderständer und werden zu der entsprechenden Einheit, die das Überleben der Gruppe sichert. Bevor sie – wieder in Menschengestalt – auseinanderdriften. Und – zumindest – einer die WhatsApp-Gruppe verlässt.
Ein Familiengeheimnis in zwei Teilen
Theater im Bahnhof (Graz); ca. 2 ¼ Stunden (¼ Stunde Pause)
Text: Monika Klengel und Ensemble
Regie und Konzept: Frans Poelstra, Monika Klengel
Es sprechen und spielen: Jacob Banigan, Juliette Eröd, Gabriela Hiti, Lorenz Kabas, Frans Poelstra, Martina Zinner
Ausstattung: Helene Thümmel
Sound Design und Technik: Moke Rudolf-Klengel
Lichtdesign: Martin Schneebacher
Dank an Anna Schwinger, Christoph Loidl und Michael Nußbaumer
Bis 10. Februar 2025
Gastspiel im TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße (Wien)
1060, Gumpendorfer Straße 67
Telefon: 01 587 52 22
dastag -> herbstfest
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