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Doppelseite aus dem Buch "Total irre"
Doppelseite aus dem Buch "Total irre"
07.10.2022

Was ist schon normal?

Auch wenn die (Familien-)Konstellation ein wenig krampfhaft wirkt, ist „Total irre“ ein humorvolles Buch über Inklusion rund um einen Pubertierenden.

Vielfalt ist in vielen Schulklassen mittlerweile normal. Zumindest in Sachen Mehrsprachigkeit. Inklusion von Kindern ohne und mit Behinderung auch viel verbreiteter als vor sagen wir zwei, drei Jahrzehnten. In „Total irre“ gruppiert die Autorin Jutty Nymphius rund und ihre Hauptfigur, den geschätzt in etwa zehnjährigen „Karliiiiii“, wie bei ihm zu Hause nicht selten nach ihm geschrien wird: einen Rollstuhl fahrenden Vater, eine oversized Mutter, Onkel Holger, der sich als Tante Maria liest.

Alle drei Verwandten sind dem Buben peinlich. Aber sind das ab ungefähr diesem Alter nicht (fast) alle Eltern und viele Verwandten?

Zu Beginn des zweiten Drittels führt die Autorin mit Jona noch ein gehörloses Mädchen ein, dem Karl anfangs mehr als ignorant begegnet. Überraschenderweise reagiert sie dann aber doch, als er sie später kontaktiert, weil er das Gefühl hat, sie ist die Einzige in seinem Umfeld, die helfen kann als Robin, sein bester Freund seit frühesten Kindergartentagen, seelisch verfällt. Sein Fels in der Brandung zieht sich zurück, keine/r findet mehr Zugang zu ihm. Körperliche Symptome hat er keine. Also auch noch eine Art Angststörung.

Dennoch viel Witz

Um auch andere (Sprach-)Kulturen anzudeuten, heißt einer der Lehrer von Karl, Robin und Lina – in die Karl anfangs sehr verschossen ist, mit der er auch auf ein Konzert gehen will, die später mehr oder minder grundlos aus seinem Kosmos verschwindet – Özcan (was aus dem Türkischen kommt und übrigens so etwas wie Original-Seele bedeutet). Und trotz der vielleicht doch recht massiven Konstruktion der handelnden Personen ist das Buch eine recht amüsante Lektüre über einen zu pubertieren Beginnenden, auf der Suche nach einem eigenen Weg, gewürzt mit so mancher Situationskomik. Und (nicht nur) Karlis Erkenntnis: „Normal oder übergeschnappt, richtig oder falsch, gut oder böse – gibts das überhaupt oder sind das alles nur Hirngespinste, Erfindungen, mit denen wir wie auf Krücken durchs Leben humpeln?“ (S. 118)

Vielfalt ist natürlich

Dass Vielfalt und unterschiedliche Persönlichkeiten ganz natürlich sind – nicht nur unter Menschen – baut die Autorin zu Beginn jeden Kapitels mit realen Beispielen aus der Fauna ein: Von Tieren, die keinem Geschlecht zuzuordnen sind, solchen, die das Geschlecht ändern über zwangshandelnde Affen, listige, tricksende Hunde, frühpubertierende Ratten bis zu Tintenfischen, die auf Belohnung warten können, um dann mehr davon zu kriegen.

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Titelseite des Buchs
Titelseite des Buchs „Total irre“
BUCH-INFOS

Text: Jutta Nymphius
Illustration (Titelseite, Gestaltung Kapitel-Einstiege): Irmela Schautz
Total irre
144 Seiten
Ab 11 Jahren
Tulipan Verlag
16 €