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Szenenfoto aus "In allen Farben des Regenbogens"
Szenenfoto aus "In allen Farben des Regenbogens"
22.01.2024

Schnecken-Reporterin auf der (Schleim-)Spur natürlicher Vielfalt

„In allen Farben des Regenbogens“ – (Nicht nur) queere Kindergeschichten auf der Bühne im Niedermair.

„Wer gehört zu deiner Familie?“, ertönt die erwachsene Stimme aus dem Off. „Zur kleineren oder zur größeren?“, fragt die – ebenfalls eingespielte Kinderstimme. Die Bühne ist noch mehr oder minder schwarz in schwarz mit Ausnahme eines kleinen Regenbogenfähnchens, einer ebenso bunten großen Halskette, einer großen roten Brille und einigen Kuscheltieren in einer Ecke vorne am Bühnenrand. „In allen Farben des Regenbogens“ thematisiert in einer ¾ Stunde im Wiener Niedermair (bekannt vor allem als Kabarett-Location) die Vielfalt von Kinder-, Familien- und anderer Leben. „Queere Kindergeschichten für alle ab 4 Jahren“ heißt der Nachmittag im Untertitel.

Inspirieren ließen sich die beiden Schauspielerinnen Anna Kramer und Julia Schranz von einigen (Bilder-)Büchern. Den meisten Raum nimmt die Geschichte von Schnecke Sam ein. Julia Schranz setzt sich einen Haarreifen mit zwei pinken Stielaugen auf – schon ist sie die/der Schneck‘.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In allen Farben des Regenbogens“

Alles ganz natürlich

Samantha oder Samuel – bei Schnecken ist das ja eben ganz natürlich nicht eindeutig! Und so kriecht die Schnecke für ihre Reportage, die ihr Magda Wasserschwein, die Schulpsychologin, als Hausübung gegeben hat, zu allen möglichen Tieren, wo es auch ganz natürlich ist, dass ein Weibchen mehrere Männchen hat, Fische ihr Geschlecht wechseln usw. Alles nicht erfunden, nicht willkürlich, sondern schlicht und einfach ganz natürlich. Sogar die Lehrerin, die die Klasse zuerst in Mädchen und Buben einteilen wollte und damit Sami in eine mehr als peinliche Situation gebracht hat, entschuldigt sich. Und jene Tierkinder, die darüber zuerst gelacht haben – sind nun auch viel g‘scheiter. Und offener. Sam kann sich nun in der Klasse wohlfühlen – checkt aber auch die Absicht, die die Psychologin verfolgt hat und sagt ihr diese auf den Kopf zu. Womit der pädagogische Hintergedanke offengelegt wird 😉 Link zu einer Buchbesprechung am Ende dieses Beitrages.

Dieses Bilderbuch aus Polen, für das die Weinviertlerin Ewelina Rockenbauer, die es übersetzt hat, sogar eigens einen Verlag gründete, um es veröffentlichen zu können, gibt es, weil Co-Autor Jakub Samałek Rollenklischees in vielen Büchern störten und Co-Autorin Maria Pawłowska als Biologin das nötige, fundierte Fachwissen einbrachte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In allen Farben des Regenbogens“

Bub im Kleid

Kramer und Schranz haben Elemente aus weiteren (Bilder-)Büchern verarbeitet – unter anderem über Felix, der gern Röcke anzieht, weil ihm das beim Tanzen mehr Beinfreiheit lässt. Im neuen Kindergarten wird er dafür aber verspottet. Sein Vater stärkt ihn, indem er selber in einem Kleid mit dem Sohn durch die Stadt geht.

Letzteres beruht übrigens auf einer wahren Geschichte: Das Foto von Nils Pickert mit seinem Sohn – dieser im Kleid, der Vater im Rock – ging so krass viral, dass der Autor und Journalist das Buch „Prinzessinenjungs“ (vor allem für Eltern und Pädagog:innen) schrieb – Links zu einer Buchbesprechung und einem Interview mit Pickert, der übrigens daraufhin das Kinderbuch „Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“ verfasste, ebenfalls unten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In allen Farben des Regenbogens“

Spiel

Das besagte Foto – das Pickert dann auch als Cover für „Prinzessinnenjungs“ verwendete, war übrigens für Hüseyın Tabak der Ausgangspunkt für seinen Kinofilm „Oskars Kleid“. Das Motiv vom Buben im Kleid spielt auch die zentrale Rolle in Jens Thieles „Jo im roten Kleid“, das von österreichischen Theaterleuten schon mehrfach – unterschiedlich dramatisiert wurde – Links zu Stückbesprechungen unten.

Wobei letztere die Geschichte wirklich in szenisches Spiel umgesetzt haben – etwas das Anna Kramer und Julia Schranz leider stark vermissen lassen. Deutlich viel mehr Schauspiel statt der über weite Strecken eher Erzählung mit einigen schauspielerischen Einsprengseln würde der Aufführung guttun und die Kinder im Publikum sicher länger bei der Geschichte dranbleiben lassen. Am Spielerischsten wurde es bei der Premiere am ehesten in jenen Phasen als ein Mädchen in den ersten Reihen immer wieder vorschlug, welches der Kuscheltiere in welche Rolle für nachgestellte Fotos schlüpfen sollte.

Übrigens sind die angespielten/angesprochenen Geschichten weit mehr als „queer“, einfach Vielfalt und Toleranz – und damit von vornherein für alle.

Follow@kiJuKUheinz

sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER

Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

In allen Farben des Regenbogens

Queere Kindergeschichten für alle ab 4 Jahren; ¾ Stunde
Von und mit Anna Kramer und Julia Schranz nach Bilderbüchern v. a. „Wer ist die Schnecke Sam“ (aus Polen)

Wann & wo?

29. Februar 2024
Niedermair: 1080, Lenaugasse 1A
Telefon: 01 408 44 92
niedermair -> In allen Farben des Regenbogens