Kabarettistin Aida Loos tourt nun mit ihrem neuesten, bisher besten, rundesten Programm durch Österreich. Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … sah die Premiere und sprach mit der Künstlerin.
Pandemie, Lockdowns – vor allem für Bühnenkünstler:innen, Theater waren länger zu als fast alle anderen Einrichtungen. Trotz strengster Sicherheitsmaßnahmen wie oft 2G+, FFP2-Maske UND fixen Sitzplätzen zwecks Contact-Tracings. Da drängte sich für die Kabarettistin mit dem Kunstnamen Loos auf nach „Hartes …“, „Achtung, Fertig …“ sowie „Filter-“ ihr viertes Solo- und fünftes Programm insgesamt (dazwischen Duo „Glücks-„) „Arbeits-Loos“ zu nennen. Und ihr – echter – Vorname Aida legte sozusagen auf, wohin das AMS sie vermitteln würde. So ist ein Teil der Bühnenausstattung sowie des Outfits der Künstlerin in zuckerl- oder Punschkrapferl-Rosa (Ausstattung: Lydia Hofmann) gehalten.
In diesem switcht sie bei der Premiere im Cas Nova (Wiener Innenstadt) dann gekonnt in die Rolle so mancher von ihr schon zuvor erfolgreich in Videos parodierter Gästinnen wie Christiane Hörbiger, Ursula Stenzel, Philippa Strache, Maria Vassilakou oder der umstrittenen Kabarett-Kollegin Lisa Eckhart, teilweise zum Niederknien komisch und jeweils fast echt klingend.
Das Kaffeehaus war der Rahmen, den sich Aida Loos, die viel mit Sprachfärbungen, Akzenten und immer wieder auch ihrer familiären Herkunft aus dem Iraaan spielt, schon im Sommer ausgedacht hat, wie sie im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … verrät. „Ich wollte diesmal mehr schauspielen als in meinen vorherigen Programmen (Regie: Petra Kreuzer) und hab mir einen Rahmen ausgedacht, in dem ich schnell in verschiedene Rollen und themenmäßig switchen kann. Und warum dann nicht mit meinem Vornamen gleich ein Bild schaffen?
Die Traditions-Café-Konditorei als Bühnenbild und Rahmen vor der sie ihre und ihrer Kolleg:innen Zwangs-Arbeitslosigkeit thematisiert, „aber auch meine Wut über die Ungleichheit. Als Frau in der Kabarettszene ist die Luft nochmals viel dünner und die gläserne Decke viel dicker“, so Loos im Gespräch nach der Premiere. In kurzen Pointen bringt sie das an – nennt „Kabarettgipfel mit regelmäßig vier Männern und jeweils nur einer Frau“. Als das TV-format „Pratersterne“ Kabarett ins Flux brachte, zeichneten sich die ersten Folgen durch frauenlose Bühnen aus.
Wie in praktisch jedem ihrer Programme verknüpft die Kabarettistin eigene Erfahrungen mit allgemeiner scharfzüngiger Gesellschaftskritik bzw. kommen präzise Spitzen gegen (gewesenes) politisches Spitzen-Personal nicht zu Kurz.
Ebenso baut Aida Loos immer wieder Höchstpersönliches ein. Der Schicksalsschlag eines akuten gefährlichen Blinddarmdurchbruchs („meinen Durchbruch hab ich mir anders vorgestellt“) am Tag vor Weihnachten des Vorjahres ließ sie einen Gutteil des aktuellen Programms schreiben. Als Wurmfortsatz verkleidet entert sie im zweiten Teil die Bühne. Ein Körperteil, das im Grunde genommen ein total langzeitarbeits-looses Leben führt und dann lebensbedrohen werden kann. Durch die Bühnenkünstlerin spricht dieses unnötige Teil im Körper, sinniert über sein Dasein und das seiner Kolleg:innen, die Arbeit haben, die einen mehr, die anderen weniger. Lässt Hirn und Herz streiten, wer das wichtigere Organ wäre. Und landet schließlich bei der Fehlkonstruktion der Natur, den Zähnen, die sich im Kindesalter erneuern, aber nicht dann, wenn Mensch das wirklich brauchen würde…
Diesen Teil – zumindest jenen vom Wurmvorsatz ausgehend – „hab ich echt gleich im Krankenhaus geschrieben, als es mir so schlecht gegangen ist. Ich hab den Philipp – ihren Mann-ager – als erstes gebeten, mir meinen Laptop zu bringen. Je aussichtsloser eine Situation für mich ist, desto mehr Wuchteln fallen mir ein, je schmerzvoller, desto mehr Witze – sozusagen Galgenhumor.“
Und natürlich darf auch in Arbeits-Loos nicht so manch bitterböser und doch liebevoller Schlag in Richtung eigener Familie gehen. War’s im ersten Programm vor allem die Mutter, die sich allerdings bei der Premiere (vor zehn Jahren) köstlich zerkugelte, so kommen diesmal ihre drei Schwestern dran. Und das alles nur, weil sie, Aida, an der Position eines Sandwich (Dazwischen) Kindes leide. „Vielleicht ist es deswegen kein Wunder, dass ich – obwohl wir alle vier kreative und künstlerisch sind – auf der Bühne gelandet bin – im Kampf um Aufmerksamkeit“, meint sie abschließend im Interview – mit der Bemerkung, „es ist das sicher mein ehrlichstes Programm, es ist nichts drinnen, was nicht wichtig für mich war und ist.“
Und sie selbst zieht sich durch den Kakao, in dem sie eine doch um Monate zu lange dauernde Beziehung mit einem Ex-Freund schilderte, der so geizig war, dass sie ihn mit dem persischen Worten Tschos Khor („Furzfresser“) charakterisierte, der sozusagen selbst Schase zurückhielt, um sie nicht mit der Welt teilen zu müssen – weniger aus Höflichkeit 😉
Wie auch immer: Dieses, das rundeste ihrer bisherigen Programme mit rezeptfreier Lachgarantie – bei gleichzeitiger gedanklicher Tiefe – beweist auch einen Aspekt aus der pionierhaften sozialempirischen Studie von Marie Jahoda und Paul Lazarsfeld und ihrem Team „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts). Die Sozialwissenschafter:innen hatten in der ersten großen Feldforschung die Folgen der großen Arbeitslosigkeit in Gramatneusiedl nach der Schließung einer Textilfabrik die Folgen für die Arbeitslosen detailgenau untersucht. Und unter anderem festgestellt, vor allem die Frauen hatten zwar keinen Job mehr, waren aber sehr wohl viel beschäftigt – mit Care-Arbeit, die damals noch nicht so hieß. Obwohl arbeitslos hat Aida Loos neben privater Beschäftigung viel und intensivst, selbst im Spital, an ihrem Programm gearbeitet.
Nach dem donnernden, schier fast nie endenden Applaus und als sich der Saal im Casa-Nova schön langsam leerte, kamen die Träger:innen der Plakate auf die umjubelte Künstlerin zu. Das Geheimnis der sechs Plakate löst sich mit zwei Herzen vor dem ersten und nach dem letzten A auf. „Wir sind der Hard-Core-Fanclub von Aida“, stellen sich Kerstin, Heinz, Denise, Andreas und Valentina vor. Zumindest Kerstin und Aida kennen einander – aus der Zeit vor dem dritten Solo-Programm „Filter-Loos“. Da rauchte die Kabarettistin noch und war häufig Kundin bei Kerstin, Trafikantin in Schwechat. Heinz ist deren Ehemann, Denise die Tochter, Andreas deren Freund und Valentina eine gute Freundin von Denise. Nicht immer zu fünft, aber in wechselnder Besetzung haben sie Programme von Aida Loos – „bis zu sieben Mal, weil sie immer wieder was Aktuelles einbaut und sich das Programm damit ändert“ – besucht. Und sie haben Blumen für ihre Lieblingskünstlerin mitgebracht, die mit ihnen und den Punschkrapferl-rosa Plakaten für Fotos posiert.
Die nächsten Auftritte führen die scharfzüngige und diesmal noch viel quirliger schauspielende Kabarettistin durch praktisch ganz Österreich vom Offenen Haus Oberwart im Burgenland bis zum Spielboden im Vorarlberger Dornbirn, nächster Wien-Termin im Mai im Orpheum – siehe Info-Block).
Hartes-, Glücks- nun FilterLoos
Neues, viertes Solo-Programm der Kabarettistin Aida Loos
Regie: Petra Kreuzer
Stimmtraining: Astrid Golda
Ausstattung: Lydia Hofmann
Mitentwicklung einiger der Lieder: Lollo Pichler von Christoph & Lollo
19. März 2022
OHO – Offenes Haus Oberwart
7400, Lisztgasse 12
Telefon 0 3352-38555
OHO -> Aida Loos
24. März 2022
Spielboden Dornbirn
6850, Färbergasse 15, Rhombergs Fabrik
Telefon: 0 5572 21933
Spielboden -> Aida Loos
30. März 2022
Black Ox Murstetten
Black Ox -> Aida Loos
1. April 2022
ARGEKultur Salzburg
argekultur -> Aida Loos
2. April 2022
Kuga Großwarasdorf
KUGA
Nächster Wien-Termin
11. Mai 2022
Orpheum: 1220, Steigenteschgasse 94b
Telefon: 01 481 171 70
Orpheum wien -> Aida Loos
Weitere Termine auf der Homepage der Künstlerin: Aida Loos -> Termine
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