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Szenenfoto aus "XZehn" im Dschungel Wien
Szenenfoto aus "XZehn" im Dschungel Wien
05.03.2024

Krikus der Vogel friert, weil der Frühling streikt

Junge Ukrainer:innen in Wien entwickel(te)n eigene kleine Theaterperformances – die zweite ist rund um Frühlingsbeginn im Dschungel Wien zu erleben.

Der Frühling will nicht kommen. Aber warum? Das sind die Ausgangsthemen, auf die sich acht junge Theaterbegeisterte in den ersten Gesprächsrunden geeinigt haben. Sie treffen einander samstags um die Mittagszeit im Studio 1 des Theaterhauses Dschungel Wien im MuseumsQuartier. In dieser Stadt leben sie – vorübergehend. Gekommen in den vergangenen beiden Jahren aus Charkiw, Dnipro, Kyjiw, Odessa, Lviv (Lemberg) und einer kleinen Stadt in der Region Saporischschja, also der Ukraine – aus den traurigen bekannten Gründen nicht in ihrer Heimat.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

In kleineren Gruppen überlegen sie mögliche Szenarien, weshalb der Frühling nicht kommen will. Oder wie er doch dazu bewegt werden könnte, dies sehr wohl zu tun. Anschließend werden erste Szenen ausprobiert. Weil immer noch nicht Frühling ist, friert Krikus Ptach, ein Vogel (der zweite Name ist übrigens das ukrainische Wort für Vogel!). Und alle wollen helfen – den Vogel wärmen und den Frühling doch zu seinem Erscheinen zu bewegen.

Die 14-jährige Uliana übersetzt einiges von dem, was sich die Kinder ausgedacht haben für Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… – und erzählt, dass „ich schon mit sechs Jahren in der Ukraine begonnen habe in der Schule Theater zu spielen. Aber da haben wir immer nur etwas gespielt, das Lehrerinnen und Lehrer vorgegeben haben. Hier können wir mit Oksana unsere eigenen Geschichten und Szenen erfinden.“

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DramaLab

Oksana Maslova leitet dieses „DramaLab“ im Rahmen von „The Young Drama. Eхploring new meanings Laboratory“. Krieg und Flucht sollten von vornherein nicht das Thema sein – obwohl diese (natürlich) immer mitschwingen bzw. hinein interpretiert werden könn(t)en.

Kürzlich haben einige der Kinder und Jugendlichen dieser Gruppe (9 bis 14 Jahre) und andere damals zu zehnt schon eine Stunde lang auf Bühne 3 im Dschungel Wien das Ergebnis des ersten DramaLabs vor Publikum gezeigt – Titel der Einfachheit halber „XZehn“ (das X steht als römische Ziffer für 10).

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Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

Dafür hatten sich Sofia Vdovenko Anna-Mariia Kharkina, Anna Bakai, Uliana Bilono, Yelyzaveta Stoianova, Uliana Buzinska, Artem Zhmudenko, Demyan Ivanov, Artem Polishchuk und Lev Polishchuk magische Wesen ausgedacht. Aus welchem Grund auch immer sind sie zunächst alle in einem Raum eingesperrt, alle mit (Tier-)Masken über den Gesichtern. Warum auch immer. Darüber sinnieren sie beim Aufeinandertreffen – mal freundschaftlicher, mal gegensätzlicher. Irgendwie wollen sie – zumindest die meisten – raus. Doch da sitzt Olga, die Visa-Stellen-Beamtin – streng gespielt von Uliana Buzinska – an der Grenze. Außerdem befindet sich unter ihnen der Robo-Saurier Tritanosaurus (gespielt von Yelyzaveta Stoianova). In dem Fall scheint die Bezeichnung Saurier gar von Säure zu kommen, einer todbringenden, mit der er die Menschheit vernichten will. Das hat sich sein Schöpfer, ein Wissenschafter ausgedacht, aus Rache dafür, dass er selbst an einer unheilbaren Krankheit leidet…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

König und Niemand

Neben den beiden schon genannten Figuren tummelten sich in der szenischen Lesung noch ein Kätzchen mit Flügelchen (Sofia Vdovenko), ein nachdenklicher Blaufuchs (Artem Zhmudenko), die HühnerwächterIn (Anna-Mariia Kharkina), die Rebellin Raya (Uliana Bilonoh), die Buchliebhaberin und ganz junge Schriftstellerin Anna (Anna Bakai) in den Begegungen der Eingesperrten. Dazu pendelt Marcus (Demyan Ivanov) ständig zwischen realer und magischer Welt. Relativ spät macht sich in kleinen Schritten Schach-König Chester (Lev Polishchuk) aus seiner Ecke auf ins Geschehen. Dafür taucht immer wieder unvermittelt und meist hinter anderen Figuren Artem Polishchuk als Herr Niemand auf – aus dem Nirgendwo ins Nirgendwohin…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

Theatermagische Brücke zum vorigen Leben

Die schon oben genannte Leiterin und Dramaturgin Oksana Maslova hielt vor der Aufführung eine Rede, in der sie Beweggründe und Rahmenbedingungen dieser Theaterarbeit schilderte: „Ich wollte einen Raum schaffen, in dem wir alle neuen Bedeutungen finden könnten.

Schließlich ist das Erwachsenwerden nicht einfach. Und besonders schwierig ist es, in der Zeit des Krieges erwachsen zu werden, in Bedingungen eines neuen Landes, dessen Sprache und Traditionen man nicht kennt. Man findet sich eines Tages in einem neuen Raum wieder, und das Einzige, was man tun muss, ist weiterzuleben. Unter vorgegebenen Bedingungen. Ohne alte Freunde, bekennte Spielplätze, vertraute Schule und Lieblingsvereine. Alles bei Null anfangen. So, wie man ist. …

Ein Mädchen schrieb, dass das Theater eine Brücke zu diesem vorherigen Leben sei. … Ich kann Kinder in ihr normales Leben nicht mehr zurück bringen, aber ich kann ihnen die Möglichkeit geben, Theatermagie zu erleben. Ja, ich bin vierzig, aber ich glaube an Magie, an die Theatermagie…“

Und diese strahlte die knapp mehr als einstündige Aufführung aus – und das für die zehn Kinder obendrein in einer für sie neuen Sprache.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

XZehn

Kätzchen mit Flügelchen: Sofia Vdovenko
HühnerwächterIn: Anna-Mariia Kharkina (mit 9 Jahren die Jüngste der Gruppe)
Buchliebhaberin und Schriftstellerin Anna: Anna Bakai
Rebellin Raya: Uliana Bilonoh
Tritanosaurus, ein Robo-Saurier: Yelyzaveta Stoianova
Olga, Mitarbeiterin der Visastelle: Uliana Buzinska (die Älteste der Gruppe, 14 Jahre)
Nachdenklicher Blaufuchs: Artem Zhmudenko
Marcus, der ständig zwischen realer und magischer Welt pendelt: Demyan Ivanov
Herr Niemand: Artem Polishchuk
Schach-König Chester: Lev Polishchuk

Frühling?

Die Aufführung rund um den Frühling – die in den nächsten Wochen noch erarbeitet wird – findet für die Familien und Freund:innen der Kinder und Jugendlichen im Dschungel Wien statt – und nicht öffentlich wie hier ursprünglich kommuniziert worden ist.

Am 23. März 2024 findet allerdings in Kooperation mit dem Burgtheater Studio im Rahmen „Junge Akademie: Demokratie?“ unter anderem die Aufführung eines Theaterprojekts „Ukrainer*innen, Österreicher*innen, Menschen in Wien“ in der Burgtheater-Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz statt. In der Ankündigung heißt es „11 Menschen, alle wohnhaft in Wien, manche stammen aus der Ukraine, nahmen diesen Ausgangspunk zum Anlass einer künstlerischen Reflexion zu den dramatischen Ereignissen dieser vergangenen Zeitspanne.“ (Leitung: Anna Manzano, Mitarbeit: Anastasia Yakovenko, Assistenz: Livia Andrä)

Außerdem dort im Programm: „ER’OMA’RUNG“ (mit den Omas gegen Rechts),
* „The Future is in Our Hands“ (Kinder von 7 bis 10 Jahren entwickeln gemeinsam mit Aktivist:innen und Künstler:innen ihre Visionen der Zukunft; Dschungel-Wien-Projekt; Leitung: Sasha Davydova)
* „Mega Verstärker“ (Dschungel-Wien-Projekt mit 11- bis 13-Jährigen; Leitung: Sylvi Kretzschmar)
* „Auf der Suche“ (Dschungel-Wien-Projekt für 14- bis 25-Jährige: Ungehörte Stimmen. Unbekannte Gesichter. Unerzählte Kapitel der Geschichte; Perspektiven der Gastarbeiter:innen in Wien. Gemeinsam mit Autor:innen schreiben Jugendliche an Texten, die die Erzählungen der Stadt korrigieren; Leitung: Elif Bilici, Armela Madreiter, Thomas Perle.

23. März 2024
Kasino am Schwarzenbergplatz
Details in den beiden Links
junge-akademie-demokratie
burgtheater -> junge-akademie