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Rebels of Change Jugendforum 2023 im Kulturareal Brotfabrik

Zukunft ist jetzt – Nachhaltigkeit unterschätzt

Es ist 2023 und die Zukunft ist jetzt
Noch immer wird Nachhaltigkeit unterschätzt
Mit kritischen Stimmen stellen wir fest
Unsere Forderungen brauchen ein Manifest
Wir junge Rebell:innen haben vieles zu sagen
Es liegt der Kurs der Entwicklungsziele im Argen
Unser Jugendforum fördert zu Tage

Wir befinden uns in einer kritischen Lage

Das sind acht von 156 – gereimten – Zeilen, die rund zwei Dutzend Jugendliche Anfang Oktober am Ende eins zweitägigen intensiven Gedankenaustausches und künstlerischer Workshops in Gruppenarbeiten in ihrem „poetischen Manifest“ formuliert haben. „Rebels of Change“ nennt sich das Jugend-Forum, zu dem die entwicklungspolitische NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) „Südwind“ immer wieder Jugendliche selbst einlädt, um deren eigene Standpunkte zu erarbeiten und vorzustellen.

Zwei Dutzend Jugendliche und junge Erwachsene setzten sich ein Wochenende lang intensiv vor allem mit sechs der 17 von der UNO gemeinsam beschlossenen Nachhaltigskeitsziele (Sustainable Development Goals – SDG) auseinander, die sie zu Beginn selbst ausgewählt haben. Diese sechs SDG-Ziele (Link zum Wikipedia-Artikel über alle 17 SDG-Ziele am Ende des Beitrages) waren:
1 – Keine Armut
3 – Gesundheit und Wohlergehen
4 – Hochwertige Bildung
5 – Geschlechter-Gleichheit
12 – nachhaltige/r Konsum und Produktion
13 – Maßnahmen zum Klimaschutz

Rebels of Change Jugendforum 2023 im Kulturareal Brotfabrik
Foto aus dem Skulpturen-Workshop

Kreativ umsetzen

Für ihr zum Abschluss entstandenes Manifest schreiben sie zunächst zu diesen auf, wie sie den derzeitigen Zustand – in der Welt, aber nicht zuletzt in Österreich sehen, um daraus in der Folge Forderungen abzuleiten und letztlich die Stichworte und Sätze zu reimen.

Davor hatten sie an den beiden Tagen schon ihre Gedanken – aufgeteilt – in drei künstlerischen Workshops erarbeitet und zum Ausdruck gebracht: Schauspiel (mit Joschka Köck vom Theater der Unterdrückten), Comic-Illustration (Esma Bošnjaković – Sturdelworte) und Bildhauerei (Osama Zatar), die in den vergangenen Monaten auch mit Jugendlichen für das Festival „DWG – Demokratie, was geht?“ gearbeitet hatten.

Über den zuletzt genannten Workshop erzählt Nicola im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…:
Nicola: Ich habe mich dem Bildhauerei Workshop gewidmet. Das war mir am weitesten entfernt und das habe ich als Möglichkeit gesehen, einmal hineinzuschnuppern.

KiJuKU: Wie habt ihr diese Hände im Workshop gemacht?
Nicola: Erstmal haben wir unsere Hand in ein Gefäß gegeben, wo wir eine silikonartige Substanz eingefüllt haben. 10 Minuten dauert es bis sie trocknet und dann ist ein Abdruck von unserer Hand in diesem Silikon entstanden. Diesen haben wir dann mit Gips gefüllt und das getrocknete Silikon aufgeschnitten. Unser Ziel war es, viele dieser Forderungen, die wir an die Politik haben, kreativ darzustellen. Mir war das Recht auf Bildung sehr wichtig. Deswegen habe ich eine Hand gemacht, die einen Stift haltet als Symbol für die Schulbildung.

Was an den Spruch der jüngsten Friedens-Nobelpreisträgerin (mit 17 im Jahr 2014) aller Zeiten Malala Yousafzai erinnert: „Ein Kind, ein Lehrer, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern.“

Zum ausführlichen Interview mit Nicola geht es hier unten.

Skulpturen

Zu den einzelnen Skulpturen formulierten die neuen Bildhauer:innen ihre Forderungen, zur Bildung etwa: „Wir fordern kreativere Menschen im Bildungswesen. Wir fordern eine Erneuerung des Bildungswesens, sodass es sinnvoll an heutige Bedürfnisse angepasst ist.

Hier nun die anderen Skulpturen – sowie jene Forderungen für die sie stehen:

Eine kämpferisch erhobene Faust, die die Erde hält steht für „Wir fordern, dass Klimaschutz gesetzlich verankert wird!“

Die Hand einer wohlhabenden Person (symbolisiert durch Ringe) hält die meisten Münzen in der Hand, die anderen Hände strecken sich danach aus und haben selbst zu wenig. Das steht für die Forderung nach Vermögensumverteilung.

Eine Männerhand, die einen Frauenmund zuhält und eine Frauenhand, die versucht die Männerhand wegzuziehen ist die dreidimensionale kreative Umsetzung der Forderung nach „mehr Frauenrechten“ sowie nach „Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung ohne Vorurteile“.

Schließlich steht eine aufrechte Hand auf einer Eisscholle und hält eine Sanduhr. Damit drücken die Teilnehmer:innen – stellvertretend für alle Forderungen – aus: Die Zeit läuft ab, wir müssen jetzt handeln!

Einige der Comics

Für Comics-Zeichnen hatte sich unter anderem Aeron entschieden, der dazu folgendes meinte:
KiJuKU: Was nimmst du jetzt von den zwei Tagen mit?
Aeron: Dass man Forderungen auch kreativ verarbeiten kann und dass es da Möglichkeiten gibt, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Ich habe mich für Comics entschieden. Es muss nichts Aufwendiges sein, es reichen so simple Sachen, wie ein Strichmanderl.
Das ausführliche Interview mit Aeron gibt es hier unten

Zehn Forderungen für eine nachhaltigere Zukunft

1. Wir fordern mehr Frauenrechte und eine konsequente Umsetzung der Rechte und Sanktionen bei deren Verletzungen!
2. Wir fordern eine Erneuerung des Bildungswesens, sodass es an die heutigen Bedürfnisse sinnvoll angepasst ist!
3. Wir fordern eine Vermögensumverteilung!
4. Wir fordern, dass Klimaschutz gesetzlich verankert wird!
5. Wir fordern kreativere Menschen im Bildungswesen!
6. Wir fordern, dass Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen ohne Vorurteile begegnet wird, sowie einen leichteren Zugang zu medizinischen Möglichkeiten der Geschlechtsänderung und eine Erleichterung von Namensänderungen!
7. Wir fordern zugängliche, nachhaltige Menstruationsprodukte und Verhütungsmittel für alle!
8. Wir fordern eine strengere Bekämpfung von Kinderarbeit und Sklaverei!
9. Wir fordern, dass es keine Massentierhaltung mehr gibt!
10. Wir fordern strengere Tierschutzgesetze!

Zum Poetischen Manifest geht es hier unten

Das Poetische Manifest des
Das Poetische Manifest des „Rebel of Change“ Jugendforums Anfang Oktober 2023

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Wikipedia-Artikel über die 17 Nachhaltigskeitsziele, SDG

"Die unmöglichen Möchlichmacher:innen" aus der Brückenschule (Wien-Liesing)

Unmögliche Möglichmacher:innen

Dutzende Initiativen, Vereine, Organisationen, Schulen sowie kommerzielle Anbieter präsentierten ihre Angebote nach der Verleihung des Staatspreises innovative Schulen auf drei Stockwerken in der Aula der Akademie der Wissenschaften in der Wiener Innenstadt. Mehrere Stunden waren die Messestände in Betrieb, stellten Mitarbeiter:innen vor, welche Angebote – von naturwissenschaftlichen Experimenten, klima- und umweltrelevanten Projekten bzw. Spielen über landwirtschaftliche Pflanz-projekte, Zusatz-Qualifikationen bis zur Bearbeitung psychischer und psychologischer (mental health) es jedenfalls gibt. Es waren sicher bei Weitem nicht alle.

Manche zeigen allerdings auf, was Schulen selber zukaufen sollen/können/müssen, auch wenn beispielsweise gerade naturwissenschaftliche Experimente auch Teil des „normalen“ Unterrichts sein könnten/sollten/müssten. Wobei es für Wiener Pflichtschulen seit Kurzem unter dem Titel „Wiener Bildungs-Chancen“ die Möglichkeit gibt, kostenpflichtige Angebote gratis wahrzunehmen – die Stadt Wien bezahlt dafür in Summe vier Millionen Euro – siehe hier.

Neben den engagierten, (Spiel-)Freude versprühenden jugendlichen angehenden Elementarpädagog:innen aus der BAfEP Strebersdorf – die kommen im Artikel über die Preisverleihung vor, weil diese Bildungsanstalt einen der zehn Preise gewonnen hat – stachen dem durch die Ausstellung wandernden Journalisten die Jugendlichen der „Brückenschule“ ins Auge. Die über eine Brücke verbundene aus zwei Gebäuden bestehende Schule in Wien Liesing präsentierte eine bunten Stand mit unter anderem einer „sozial genialen Box“. Berfin, Omar, Anais, Melissa, Nicole, Suhejla, Elif, Hamed, Leonie, Hassan, Nina, Marcel, Shaidullah, Nikodem und Dokka hatten gemeinsam dieses Set aus einer Art gestapelten Werkzeugboxen erarbeitet. Nach langem Tüfteln, basteln und gestalten finden sich in diesen Boxen Elemente für Spiele für soziales Lernen. „Zum Beispiel haben wir eine kleine Box mit Steinen. Die haben wir zuerst gesammelt und dann mit Symbolen bemalt, die Gefühle ausdrücken können. So haben auch Schülerinnen und Schüler, die noch nicht so gut Deutsch können oder sich noch schwertun, über Gefühle zu reden, die Möglichkeit zu zeigen, wie es ihnen gerade geht“, schildern Berfin und Anais ein wichtiges Element des genannten Holzkisterls.

Sozusagen ein Einstieg, um davon ausgehend über Gefühle zu reden. Das ist aber nur eine Basis, von der ausgehend dann mögliche Konflikte besprochen, bearbeitet und Streits geschlichtet werden (können).

Die genannten sind rund zwei Drittel ihrer – jetzt vierten („wir haben das aber im vorigen Schuljahr entwickelt“) Klasse, „wir haben das alles freiwillig gemacht – als eigener Verein und wir nennen uns „Die unmöglichen Möglichmacher:innen“

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Roukaya (rechts) ist 15 Jahre alt. Gemeinsam mit einer Freundin muss sie in Gomozo (Niger) Wasser holen und in Kanistern nach Hause transportieren.

Wenn Tag für Tag nur Wasser holen am Programm steht

„Wir verpassen Schulstunden, weil wir Wasser holen müssen. Manchmal kommen wir zu spät zum Unterricht und der Lehrer schimpft mit uns. Wenn wir am Nachmittag vom Wasserholen kommen, sind wir oft zu erschöpft, um die Hausaufgaben zu machen. Während der heißen Jahreszeit ist der Bedarf an Wasser größer. Es gibt also Tage, an denen es schwierig wird, überhaupt in die Schule zu gehen.“ Diesen zusammengefassten Erlebnisbericht der 15-jährigen Roukaya aus dem Niger (von vor einigen Wochen, wobei sich nach dem aktuellen Putsch daran sicher nichts, jedenfalls nicht zum Besseren, verändert) stellte die Österreich-Sektion des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) der Information zu einer neuen Kampagne voran.

Fast ein Viertel der Weltbevölkerung (1,8 Milliarden Menschen) lebt in Haushalten ohne eigene Wasserversorgung, rund 771 Millionen Menschen (im Vergleich: Mehr als ganz Europa, also EU plus Großbritannien, Schweiz, die Nachfolgeländer Jugoslawiens, Albanien, Ukraine, Russland, Moldau …) haben gar keine Grundversorgung mit Trinkwasser. Das hat vor allem für Millionen Kinder, insbesondere Mädchen und junge Frauen, dramatische Auswirkungen auch auf ihre (Nicht-)Bildung.

Hier (im Jemen) schleppt ein Esel die vollen Wasserkanister
Hier (im Jemen) schleppt ein Esel die vollen Wasserkanister

Mehrmals täglich 20-Liter-Kanister weit schleppen

Damit diese Kinder an Wasser gelangen, das sie und ihre Familien zum Überleben brauchen, müssen sie täglich enorme Lasten tragen. Im schlimmsten Fall bedeutet das für die Kinder, dass sie keine Zeit mehr haben, in die Schule zu gehen, weil sie stundenlang unterwegs sind, um Wasser von weit entlegenen Wasserstellen zu holen. Im Durchschnitt müssen sie dabei eine Last von 20 Litern in Wasserbehältern schleppen und das oft mehrmals pro Tag. Das Tragen dieser schweren Lasten auf langen Wegstrecken kann zu gesundheitlichen Problemen und Verletzungen führen und stellt für die Kinder auch eine schwere psychische Belastung dar. Meistens müssen Mädchen und junge Frauen Wasser holen, sie verpassen daher eher den Schulunterricht als ihre männlichen gleichaltrigen Kollegen und auch der Weg ist für sie oft viel gefährlicher. Dadurch wird die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern weiter verstärkt. Frauen und Mädchen tragen die Hauptlast der Wasserkrise.

Hier schleppt ausnahmsweie einmal ein Bub (im Niger) zwei schwere, volle Wasserkanister
Hier schleppt ausnahmsweie einmal ein Bub (im Niger) zwei schwere, volle Wasserkanister

Klimawandel und bewaffnete Konflikte verschärfen Wasserkrise

Der Klimawandel verschärft diese Problematik zusätzlich, da extreme Wetterereignisse die Qualität und Menge des Wassers weltweit bedrohen und Millionen Kinderleben gefährden. Extreme Wetterereignisse wie Tropenstürme verschmutzen oft das Trinkwasser und bieten einen Nährboden für die Ausbreitung lebensgefährlicher Krankheiten wie Cholera. Gleichzeitig leben etwa 160 Millionen Kinder in Dürregebieten.

Wasser muss nicht nur sauber sein, sondern es muss „sicher“ sein. Unicef spricht dann von „sicherem“ Wasser, wenn es für Menschen in der Nähe ihres Zuhauses zugänglich, bei Bedarf verfügbar und sauber ist, also frei von Verunreinigungen.

In Konflikten und Krisen (aktuell ist Niger in den Blickpunkt gerückt) haben Kinder doppelt so häufig keinen Zugang zu Wasser. Länder wie Syrien, die Ukraine und aktuell der Sudan leiden besonders unter der Zerstörung der Infrastruktur. Beschädigte Wasserleitungen und Kläranlagen machen es fast unmöglich, sauberes und sicheres Wasser zu erhalten. Die Menschen sind von der Wasserversorgung abgeschnitten – mit allen Folgen für Gesundheit und Hygiene. Unicef arbeitet gemeinsam mit lokalen Partnern daran, Menschen auch an Kriegs- und Konfliktschauplätzen mit Wasser zu versorgen. Durch Wassertransporte, Reinigungstabletten und der Reparatur von Wassersystemen.

Mädchen und Mutter bei Wasserstelle in Sambia
Mädchen und Mutter bei Wasserstelle in Sambia

Promis für #walk4water

Die UNICEF Österreich Ehrenbeauftragten, darunter Ivona Dadić, Valerie Huber, Helge Payer und Yury Revich, unterstützen die Aktion #walk4water und gehen mit Beispiel voran, wie man einfach unterstützen kann. Sie rufen dazu auf, gemeinsam Kindern weltweit Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen, indem jede und jeder eine eigene Spendenaktion über die Unicef.at-Site erstellt, Freund:innen und Familien einlädt dafür zu spenden – unter dem Motto: Jeder Schritt zählt: Laufen oder wandern Sie alleine, gemeinsam, als Gemeinde oder als Unternehmen und posten Sie Ihren Erfolg mit dem Hashtag #walk4water auf Social Media – Link zur Aktion am Ende des Beitrages.

Tag für Tag nichts als Wasser holen?

Neben der oben schon zitierte Roukaya, die Tag für Tag – und da gibt’s auch keine Wochenende – um fünf Uhr in der Früh aufstehen muss, um Wasser zu holen, findet sich – – hier unten auch verlinkt – das Video über einen Tag im Leben der 13-jährigen Aysha aus dem äthiopischen Afar.

In den drei Minuten siehst du, wie sie um 6.30 Uhr aufbricht mit einem spindeldürren, definitv unterernährten Kamel, dem sie Kanister umhängt. Rund vier Stunden später landet sie nach mühsamem Fußweg in Schlapfen – das Kamel würde sie sicher nicht tragen können – bei einer dürftigen Wasserstelle landet, wo sie erst einmal sich selbst das Gesicht abkühlt und reinigt, Wäsche säubert und die Kanister anfüllt. Und dann steht ihr noch der Rückweg in sengender Hitze bevor…

Wie weit gehst du für Wasser? Und wie viele Minuten?
Sollten anderen Kindern nicht stundenlanger, kilometerweiter Weg erspart werden?

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unicef -> walk4water

Aktion der BundesJugendVertretung gegen Kinderarmut im Dezember 2021

Kinderarmut abschaffen: 285 € für jedes Kind + bis zu 587 Euro

285 Euro für jedes Kind plus – je nach Einkommen aber allerhöchstens noch 587 € – und Kinderarmut wäre in Österreich (fast) gänzlich beseitigt. Das sind die jüngsten, aktualisierten, Zahlen zum Thema Kindergrundsicherung, die Volkshilfe und Europäisches Zentrum für Sozialpolitik und -forschung (EZfS) am Dienstag in einem Mediengespräch im Kindermuseum Zoom vorstellten.

Mehr als ein Fünftel der rund eineinhalb Millionen Kinder und Jugendliche – genau 353.000 – lebten im Vorjahr in einer von Armut – und damit oft Ausgrenzung – bedrohten Familie. 40.000 Kinder mussten sogar in Familien verbringen, die ihre Wohnung nicht heizen konnten.

Kein Hilfs-Dschungel

Seit Jahren gibt es daher die Forderung nach einer Kindergrundsicherung. Mit dieser soll kein Kind in Österreich mehr in Armut aufwachsen. Und sie sollte automatisch – je nach Einkommensgrenzen berechnet – auf dem Familienkonto landen. Damit würden alle anderen Unterstützungen ersetzt, also statt Familienbeihilfe, -bonus, Mehrkinder-Zuschlag, Altersstaffelung, Schulstartgeld… Also auch zu beantragende Hilfen fielen weg – womit sich Familien ersparen in die Rolle von nicht selten auch demütigenden Bittsteller:innen zu schlüpfen. Als einziger Zusatzbetrag soll aber natürlich der Zuschlag für Kinder mit Behinderungen im Rahmen der Familienbeihilfe bleiben.

Über die 285 Euro für jedes Kind kommen aus den von den Forscher:innen berechneten Kosten für Miete, Energie, Nahrung, Gesundheit, Bildung (u.a. Nachmittagsbetreuung) auch solche für kulturelle und soziale Teilhabe hinzu. Daraus ergeben sich durchschnittlich 872 Euro pro Kind.

Hanna Lichtenberger, Forschungsteam Kinderarmut abschaffen der Volkshilfe Österreich
Hanna Lichtenberger, Forschungsteam Kinderarmut abschaffen der Volkshilfe Österreich

Zwischen 25.000 und 40.000 Jahreseinkommen

Jene Familien, deren Haushaltseinkommen unter 25.000 € jährlich liegen bekämen den vollen Betrag – also die 285 Euro plus die oben schon angeführten 587 Euro. Als rechnerische Überlegung dazu legten für die Volkshilfe Hanna Lichtenberger und Erich Fenninger sowie für das European Centre for Social Welfare Policy and Research Michael Fuchs und Felix Wohlgemuth dar: Die Schwelle zur Armutsgefährdung für Alleinlebende liegt – laut EU-SILC (Community Statistics on Income and Living Conditions/ Gemeinschaftsstatistiken zu Einkommen und Lebensbedingungen) bei 16.452 Euro, für zwei Erwachsene bei 24.678 €.

Als Obergrenze berechneten die Wissenschafter:innen ein Jahreseinkommen von 40.000 Euro. Bis dahin würde als das Plus aus der Kindergrundsicherung zu den 285 Euro für alle gegen Null sinken.

Kosten: Plus 2,2 Milliarden €

Ach ja, und was kostet das: Darum drückten sich die beiden Organisationen nicht herum. In Summe 4,6 Milliarden Euro, allerdings müssen bei der Berechnung ja bisher bezahlte Familienunterstützungen abgezogen werden, netto bleiben 2,2 Milliarden Euro. Dafür gäbe es praktisch keine armen Kinder und Jugendlichen mehr – den Berechnungen zufolge blieben doch 2,8 % an der Armutsgrenze übrig, was auf KiJuKU-Nachfrage auch ein rein statistischer Ausreißer sein könnte. Damit aber gäbe es weniger kranke (u.a. aus kalten Wohnungen, schlechter Ernährung, sozial-psychische Folgen von Ausgrenzung), möglicherweise auch weniger Schulabbrecher:innen und andere Folgewirkungen von Armut und Ausgrenzung. Zudem würde ein Gutteil des zusätzlichen Familieneinkommens sofort wieder in den Wirtschaftskreislauf fließen.

Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich

Optimistisch

Auf eine mögliche Umsetzung angesprochen, zeigte sich Volkshilfe-Direktor Fenninger fast optimistisch: Die Grünen seine dafür, alle drei Bewerber:innen um den SPÖ-Vorsitz, die NEOS zeigen sich der Forderung gegenüber offen – in der Vorwoche verkündete der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr im eigenen Wirkungsbereich eine deutliche Entlastung bei Essens- und Besuchs-Beiträgen in Schulen, Kindergärten und Horten an. „Und viele aus der Wirtschaft signalisieren auch eine Zustimmung zu unseren Forderungen, weil dadurch auch viel mehr Jugendliche fit fürs Leben würden.“

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Volkshilfe -> Kinderarmut abschaffen

Europäisches Zentrum für Sozialpolitik und -forschung

Bild aus dem Film: Darstellerinnen von Schülerinnen der Schwarzwaldschule

Filmische Würdigung für geniale Pionierin

Mehr als 100 Jahre nach ihrem Wirken – von dem immerhin viele vor allem Schülerinnen ihr Leben lang zehrten und profitierten – wird sie schön langsam halbwegs entsprechend gewürdigt. Sie – das ist Eugenie Schwarzwald, geborene Nussbaum. Revolutionäre Reformpädagogin würde sie vielleicht am ehesten aufs Knappste zusammengefasst charakterisieren. Aber auch frühe Feministin, Sozialreformerin, open minded für moderne Kunst, eine große Vernetzerin und – obwohl wohlhabend und Organisatorin von Salons in einem Palais nahe der Innenstadt – soziale Barrieren überwindend. Am kommenden Montag (5. Dezember 2022, Details siehe Info-Block am Ende dieses Beitrages) widmet der kulturMontag dieser „Pionierin der Moderne“ ein filmisches Porträt von Regisseurin Alex Wieser.

Und mit der Wiedereröffnung des – generalüberholten – Parlaments im Stammsitz an der Ringstraße wird der Saal VIII (römische 8) umbenannt in Eugenie-Schwarzwald-Saal.

Foto vom Set: Crew vor einer Schul-Szene
Foto vom Set: Crew vor einer Schul-Szene

Nur in Zürich durften Frauen studieren

Es sind – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… konnte den Film für Medien und andere Interessierte diese Woche bei einer Preview im Dachgeschoss der Wiener Urania vorab sehen. Es sind 52 dichte, einfühlsame, viele der Grundzüge ihres Wirkens und einige ihrer Persönlichkeit schildernde Minuten. In der Nähe von Czernowitz (heute Czerniwzi, in der Ukraine, damals Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, Galizien) geboren (1872), zog es sie nach der Schule nach Zürich – dort durften Frauen schon studieren – die einzige Stadt im deutschsprachigen Raum um die Wende vom 19. Zum 20. Jahrhundert.

Eine andere Schule muss her

Ab 1900 lebte sie – nach der Heirat mit Hermann Schwarzwald in Wien. Nicht zuletzt die eigene Erfahrung, nur weil Angehörige des weiblichen Geschlechts nicht einfach überall studieren zu können, spornte sie an, es der nächsten Generation zu erleichtern. Außerdem wollte sie Kindern und Jugendlichen eine ganz andere Art der Schule bieten: Kein stures Auswendiglernen, indoktriniert werden, sondern selbstständig denken, arbeiten und dabei Freude und Spaß am Lernen haben.

Die von ihr gegründeten Schwarzwaldschulen funktionierten nach diesen Prinzipien. Auch wenn sie sie nicht einmal formal leiten durfte, weil ihr in der Schweiz erworbener Universitätsabschluss in Österreich nicht anerkannt worden ist. Weshalb ihr Umfeld sie oft nicht bei ihrem Namen nannte, sondern nur „fraudoktor“ (oft zusammengeschrieben).

Original-Bildmaterial, Interviews mit Fachleuten

Die wenigen vorhandenen Fotos, Dokumente und Briefe aus dieser Zeit baute die Regisseurin in ihren Film ebenso ein, wie sie mehrere Fachleute, die sich seit einiger Zeit, manche sogar schon sehr lange mit Leben und Wirken Schwarzwalds beschäftigen, unter anderem die Autorin Bettina Bàlaka („Über Eugenie Schwarzwald“ im Mandelbaum Verlag mit fünf Texten der Pionierin selbst). Nicht fehlen darf natürlich der Historiker Robert Streibel, der schon vor rund 20 Jahren ein erstes Symposium über die nun filmisch Portraitierte organisierte.

Erzogen zur Selbstbewusstheit

„Danach hab ich allerdings wütende Anruf von älteren Frauen bekommen“, erzählt er im gemeinsamen Interview mit der Regisseurin in deren Produktionsstudio Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Wie ich dazu komme, so ein Symposium zu machen und sie alle nicht einzuladen, wo sie doch ehemalige Schülerinnen der Schwarzwaldschule waren. Da hab ich eine Folge der Erziehung zu selbstbewussten Frauen erlebt“, freut er sich über die Resolutheit der ehemaligen Schülerinnen der „fraudoktor“. Zur Entschuldigung und Rechtfertigung: „Wir hatten nicht alle, vor allem nicht veränderte Nachnamen nach Heirat.“

Bild aus dem Film: Darstellerin der Eugenie Schwarzwald an einer alten Schreibmaschine
Bild aus dem Film: Darstellerin der Eugenie Schwarzwald an einer alten Schreibmaschine

Promis der Zeit lehrten, andere wurden Promis

Einige ehemalige berühmte Schülerinnen präsentiert der Film, etwa die Schauspielerinnen Helene Weigel und Elisabeth Neumann-Viertel. Eugenie Schwarzwald sammelte aber auch junge Künstler für ihre schulischen Projekte, etwa einen gewissen Oskar Kokoschka als Zeichenlehrer. Was der Schulbehörde so gar nicht gefiel, passte nicht ins Schema. Da half auch das Argument der Schulleiterin nichts, dass es sich bei ihm um ein eben noch nicht erkanntes Genie handle. Der überlieferte Satz „Genies sind im Lehrplan nicht vorgesehen“, kommt auch im Film vor. Musiklehrer war übrigens Arnold Schönberg.

Ein anderer bekannter Mann kommt immer wieder auch im Universum der Eugenie Schwarzwald vor, der Architekt Adolf Loos, der für sie Schulen (um-)baute. Allerdings später – nicht nur – das Vertrauen einiger Schülerinnen missbrauchte und wegen der sexuellen Ausbeutung sogar vor Gericht kam. Auch das spart der Film nicht aus.

Bild aus dem Film: Darstellerin der Eugenie Schwarzwald mit Oskar-Kokoschka-Darsteller vor den Darstellerinnen der Schulklasse
Bild aus dem Film: Darstellerin der Eugenie Schwarzwald mit Oskar-Kokoschka-Darsteller vor den Darstellerinnen der Schulklasse

Trickreich aber gut zu Bewegtbildern

Am meisten bedauert die Regisseurin, dass „wir so viel weglassen mussten, weil es nicht in die 52 Minuten hineingepasst hat. Das war oft nicht leicht. Was können wird schneiden, ohne dass der Film, ohne dass die Persönlichkeit Schwarzwalds darunter leidet.“

Was sie aber keinesfalls machen wollte: „Nur ein paar alte Bilder und dazwischen die Interviews“. Und so inszenierte sie – dezent – mit Laiendarsteller:innen einige Schauspielsequenzen, unter anderem mit Schülerinnen im Schulmuseum Michelstetten (Asparn an der Zaya, Niederösterreich). Alle szenischen, bewegten Bilder kommen aber ohne Dialoge aus – sie untermalen den dazu passenden thematischen Off-Text.

Um den Film kompakt, dennoch der Vielseitigkeit dieser Frau gerecht werdend zu gestalten, „haben wir uns – abgesehen von einigen genannten und in Szenen gesetzten Lebensstationen – auf die Wiener Periode 1910 bis 1912 konzentriert. Das war die spannendste zeit, jene, in der am meisten im Bereich ihrer Schulen passiert ist.“ Und da war schon die erste Schnittversion mehr als doppelt so lang (120 Minuten).“

Anlass, neu zu recherchieren

Mit der Regisseurin hat Pia Padlewski das Drehbuch geschrieben. Und sie war es, die DEN Eugenie-Schwarzwald-Experten in Österreich schlechthin ständig kontaktierte. Robert Streibel: „Sie hat immer angerufen und nach Details gefragt, ich konnte leider nicht immer sofort Auskunft geben, hab dann ein schlechtes Gewissen gehabt. Aber es war oft auch Anlass, selber noch einmal nachzuforschen. So bin ich unter anderem draufgekommen, dass die berühmte Schriftstellerin Vicki Baum doch nicht Schülerin in der Schwarzwald Schule war. Das hab ich früher auch von anderen übernommen.“

Treffen der Ex-Schülerinnen

Streibel organisierte übrigens als Wiedergutmachung für die ehemaligen Schwarzwaldschülerinnen durch zehn Jahre hindurch zwei Mal jährlich Treffen in der Wiener Urania und eine Dauerausstellung über Eugenie Schwarzwald in der Volkshochschule Hietzing, die er seit Jahrzehnten leitet.

Er hat auch zwei Bücher herausgegeben: „Das Vermächtnis der Eugenie – gesammelte Feuilletons“ und „Die fröhliche Schule“ von Karin Michaëlis (eine Übersetzung aus dem Dänischen). Die Autorin war Zeit- und Augenzeugin sowie Freundin von Schwarzwald und beschreibt sehr ausführlich die reformpädagogische Schule. Die auch heute noch recht revolutionär wäre!

Historiker Robert Streibel und Regisseurin Alex Wieser am Schnittplatz als noch letzte Hand angelegt wurde, bevor der Film endgültig fertig gestellt wurde
Historiker Robert Streibel und Regisseurin Alex Wieser am Schnittplatz als noch letzte Hand angelegt wurde, bevor der Film endgültig fertig gestellt wurde

Vieles wäre heute noch hochmodern

Nicht nur, dass diese Pionierin lange Zeit in Vergessenheit geraten ist – auch heute wären die Grundsätze ihrer Schulen noch revolutionär und es wäre nicht unwahrscheinlich, dass sie im herrschenden Schulsystem noch immer anecken würden.

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