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Szenenfoto aus "Shallow Water"
Szenenfoto aus "Shallow Water"
28.06.2023

Nichts zu trinken, aber zu verschwenden

Sechs Tänzer:innen stellen mit höchstem körperlichen Einsatz den Kampf um die knappe Ressource sauberes (Trink-)Wasser in einer beeindruckenden, berührenden, bewegenden Performance dar – Kürzest-Gastspiel im Dschungel Wien.

Diesmal hat die Bühne eine kniehohe Begrenzung. Dahinter Berge, Hügel und irgendwie Unmengen von etwas das vielleicht Wüstensand darstellen könnte. Ist es aber nicht. Erde vielleicht? Auch nicht, jedenfalls stellt es sofort das Bild einer ziemlich ausgetrockneten Landschaft dar. Der große Würfelförmige Wasserkanister in der hinteren Ecke scheint offenbar längst leer zu sein. Wie dürre, fast verdorrte Reste von Bäumen wirken auch die beiden sehr gebeugt in der Landschaft stehenden Menschen. Vor dem Mäuerchen eine ebenso fast verdorrte Frau mit Kinderwagen. Hilfe, was droht dem Kind? Lebt es überhaupt noch?

„Shallow Waters“ (seichtes Wasser) – ein Gastspiel eines internationalen Teams (Schweiz, Finnland, Litauen, Niederlande) – ist/war nur in zwei Aufführungen im Dschungel zu erleben. Eine extrem körperlich, sinnliche Tanzperformance (ab 14 Jahren) die sich erfahr- und erlebbar der Knappheit der (über-)lebenswichtigen Ressource sauberes (Trink-)Wasser widmet – fast durchgängig die ganze Stunde wortlos, aber mit viel Bewegung, Musik, Geräuschen, Gegen- und Miteinander.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Shallow Water“

Sinnlich erlebbar was uns allen droht

Unter der Regie und Choreografie von Sebastian Zuber tanzen, springen, kriechen, trippeln, in manchen Szenen schleppen sich Jefta Tanate, Anna Virkkunen, Gotautė Kalmatavičiūtė, Elina Lindfors, Victor Rottier, Jordan Gigout zwischen, auf, unter, in den vier Kubikmetern verstreuten, zu Hügeln und Furchen gebautem recyceltem Korkgranulat. Und hin und wieder mit „Ausflügen“ in die Mitteltreppe zwischen den Publikumsreihen. Es ist eben nicht „nur“ eine Bühnen-Show, sondern ein reales Problem der Menschheit. Eine Stunde, in der sich die sechs Tänzer:innen voll einsetzen, mitreißen, bewegen, berühren, nachdenklich machen -ohne auch nur im Geringsten zu belehren.

Die Tänzer:innen, die bei ihren Proben am Sandstrand von Korsika improvisierten und ihre Premiere in der Schweiz auf Sand in einer ehemaligen Wasserfilteranlage spielten, symbolisieren sowohl das fast schon Verdursten, den Kampf ums Wasser einerseits und dann wiederum das Verschwenden desselben andererseits als plötzlich doch noch ein bisschen davon im großen Kanister zu finden ist – und durch große Spielzeug-Spritzgewehre gejagt wird. Einer der Mitwirkenden verwandelt übrigens den Riesenkanister in eine wahre Drum-Maschine  und entlockt ihr die wildeste Schlagzeug-Passage, die gleichzeitig mitreißt und unbändige Wut angesichts des Umganges der Menschheit mit den Ressourcen des Planeten spürbar werden lässt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Shallow Water“

Inspiration aus einem Buch

Manches in der Szenerie ist inspiriert von „Die Geschichte des Wassers“ der norwegischen (Dreh-)Buchautorin Maja Lunde. Angesiedelt in rund 20 Jahren flüchten Menschen aus der Dürre Frankreichs u.a. nach Norwegen, wo die Protagonisten – David und seine Tochter Lou Überreste eines alten Segelbootes finden, mit dem fast ¼ Jahrhundert davor, also vor wenigen Jahren die alte Umweltaktivistin Signe von Norwegen aus Frankreich erreichen wollte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Shallow Water“

Schweizer Kulturgut

Und dann vermittelt das Stück, dessen Titel vielleicht noch zu hoffnungsvoll ist, ein Stück Schweizer Kultur mit dem auf Berndeutsch gesungen Lied „Dr Alpeflug“ von Mani Matter (Hans Peter Matter: 1936 bis 1972). In dem Lied geht es um ein kleines Sportflugzeug. Der Passagier will die ganze Zeit dem Piloten sagen, dass der Treibstoff zur Neige geht und es dringend an der Zeit wäre zu landen. Der Pilot ruft nur, es sei zu laut und er könne nicht hören, was der andere sage.

„Da, auf einmal, wird’s ganz still,
weil nämlich das Benzin ausgeht …
…. Und jetzt da man es verstanden hätte,
haben sie beide nichts mehr gesagt.“

„In der Schweiz kennt jedes Kind seine Lieder im Dialekt, die immer ganze Kurzgeschichten erzählen und eine Botschaft transportieren“, erklärt Produktions-Assistent Mathias Stich und die (noch) künstlerische Leiterin des Dschungel Wien, die Schweizer Migrationshintergrund hat, bestätigt das sofort vollauf. Eine hochdeutsche Übersetzung – vom Team des Stücks – flimmert im Hintergrund über die Projektionswand und ist dankenswerterweise auf dem Programmzettel zum Stück abgedruckt. Link zum Original – Text und Hörbeispiel – in der Info-Box.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Shallow Water“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Shallow Waters

Sebastian Zuber (Schweiz)
Tanztheater; ca. eine Stunde; ab 14 Jahren
inspiriert durch das Buch „Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde

Regie, Choreografie: Sebastian Zuber
Regieassistenz: Anna Friedrich
Tanz: Jefta Tanate, Anna Virkkunen, Gotautė Kalmatavičiūtė, Elina Lindfors, Victor Rottier, Jordan Gigout
Kostüme: Noemi Szalay
Musik: Lukas Thielecke
Licht: Minna Heikkilä
Produktionsassistenz: Mathias Stich, Rahel Roethlisberger

Wann & wo?

Noch am 28. Juni 2023
10.30 Uhr
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> Shallow Waters

Zu einer Berndeutschen Version – Text und Gesang – von „Dr Alpeflug“ geht es hier