Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Szenenfoto aus "Saloon"

Streitschlichtungs-Business auf der Schaufel

Im „Raumschiff“ auf dem Linzer Pfarrplatz gibt’s beim Schäxpir-Festival eine Installation mit riesigen Seiten eines erst im Herbst erscheinenden Comics. KiJuKU-Bericht Nummer 5.

Schon der Ort wirkt schräg. „Raumschiff“ heißt die ein wenig abgefuckt wirkende Location am Linzer Pfarrplatz (Raum zur Vermittlung von zeitgenössischer Kunst und zur Förderung von interdisziplinärer Zusammenarbeit). Was für die Performance „Saloon“, pardon „Workshop“ wie die beiden Künstler:innen mehrfach betonen, fehlt: die klassische aus Westernfilmen bekannte schwenkbare Flügeltür.

Noch bis zum Ende des Schäxpir – Theaterfestivals für junges Publikum in Linz – ist die Ausstellung großformatig auf Stoff gedruckter Seiten eines Comics zu sehen, der erst im Oktober erscheinen wird. Mia Oberländer arbeitet an diesem wohl schräg werdenden Werk namens „Saloon“. Mitten in eine US-amerikanische Wüste pflanzt sie eben einen solchen – als Begegnungsort für ein Familientreffen mit pseudolustigem Onkel, einer Jugendlichen mit Liebeskummer, einer diktatorischen Oma, ihrem Sohn – und Vater der mitwirkenden Kinder -, der sich immer wieder in einen Hund verwandelt, seiner Frau und Mutter der Kinder, mit einem Kopf größer als ein Medizinball – bemalt als Comic-Schädel. Die „Wände“ sind die Stoff gewordenen Comic-Seiten.

Aus der Ankündigung zur Performance – ausgehend von dem entstehenden Comic, die an einigen Tagen – aufgeführt wurde stammt noch der Satz, der in dieser knapp mehr als ¾ Stunde zitiert wird: „Der Tisch war schon sauer, bevor sich überhaupt hingesetzt wurde. Die Stimmung ist vergiftet, aber wer ist schuld?“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Saloon“

Nervige Autofahrt, halblustiger Onkel

Um Streits und Umgang mit diesen wird sich der Comic von Mia Oberländer drehen. Und da sind eine Szene des Familientreffens einerseits und die Anreise im Auto dazu das, wozu Raha Emami Khansari und Lukas Gandler (Regie: Henri Hüster) Freiwillige aus dem Publikum mit hinein holen. Für die Autoreise braucht’s zwei „Kinder“, die nerven. Wobei da üblicherweise ja eher diese Autoreisen das wirklich mühsame sind. Kinder sind dann eher diejenigen die an- und aussprechen, was wahrscheinlich auch Erwachsenen auf den Hammer geht – aktuell gab’s doch jede Menge Berichte über Kilometer-lange Staus am Pfingstreise-Wochenende. Da ist nerven ja wohl die angemessenste aller Reaktionen;)

Wie auch immer, diese sowie die Familiensituation würden vor allem davon leben, wenn die „Einspringer:innen“ wirklich eintauchen können / dürfen in diese Rollen. Wirkte eher – vor allem am Familientisch – so, als müssten sie nur nachsagen, was ihnen die beiden Performer:innen vorsagen.

Ironie

Mit ordentlichen Portionen von Humor gewürzt sind die Passagen, wo die beiden als Beamte vom Büro für Streitschlichtung auftreten und bemühte einschlägige Szenarien wie sie aus Ratschlag-Büchern, -sendungen, -videos, Werbungen für einschlägige Seminare und Workshops, nur leicht überdreht auf die Schaufel nehmen. Oder neue Begriffe kreiieren, pardon Angebote an Erklärversuchen zur Ausbildung in Sachen „performative Mediation“ finden sich im Internet tatsächlich 😉

Lacher rufen auch nur allzu bekannte Phrasenhervor wie: „Das ist jetzt trotzdem kein Grund, gleich ein Drama zu machen…“

kijuku_heinz

Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.

Bildmontage aus den Transparenten der Ausstellung im Foyer sowie Blick auf die Ausstellungshalee selber

Bunte Gesellschaftskritik mit viel Humor und vielfältige Kunstbücher

Grellbunte Plakate in luftiger Höhe empfangen die Besucher:innen in der beeindruckenden Eingangshalle des Semperdepost in der Wiener Lehárgasse, dem Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste zur aktuellen „Fanzineist Vienna“ (noch bis Sonntagabend, 12. Mai 2024 – Details in der Infobox am Ende des Beitrages). Dahinter in der großen Halle auf unbehauenem Bretterboden tummeln sich fast 130 Aussteller:innen aus zweieinhalb Dutzend Ländern, um auf ihren Tischen ihre künstlerischen Graphic Novels, Comics, Fotobände, Kunstbücher, bedruckte T-Shirts, Socken, Taschen und andere künstlerisch gestalteten aussagekräftigen Objekte zu präsentieren.

Viele der Werke haben gesellschaftskritische Aussagen zum Inhalt; ein eigener Bereich nennt sich Queer Quarter. Teil der Ausstellung sind auch Diskussionen, Vorträge und abends Konzerte; vieles versprüht den Charme von Street Art und oft eine humorvolle, ironische Note.

Kopfstoß fürs Patriarchat

So springt dich gleich an einem der ersten Tische in einer der sechs langen Reihen ein dunkler Kreis auf weißer Stofftasche an. In pinker Schrift groß zu lesen: „I’m stupid and you like it“ (ich bin dumm und du magst das). Die paradoxe Intervention bewirbt den Stapel der daneben liegenden Bücher von Rosalinda Napadenski mit demselben Titel, aber einem kleinen Übertitel: „Dem Patriarchat einen Headbutt geben“ (Kopfstoß).

Geschwister teilen sich einen Ausstellungstisch
Geschwister Napadenski teilen sich einen Ausstellungstisch

Gleich neben ihr sitze ihr Bruder Mark mit einem Kartonstoß. Auf jedem Blatt ein Auteo im Stil einer Kinderzeichnung. Und davor Heftchen mit dem Titel „… my car goes Brum Brum“. Für dieses hat der Kunststudent Autos fotografiert – sein Motto: „Lieber Autos auf Bildern als auf den Straßen.“

Maria Azovtseva und Aleksandr Kirilenko mit ihren [blu:d] Büchern
Maria Azovtseva und Aleksandr Kirilenko mit ihren [blu:d] Büchern

Mussten fast alles in letzter Minute wegwerfen

Nicht auf einem der Tische, sondern in einer großen Nische an der Rückwand stellen Maria Azovtseva und Aleksandr Kirilenko zwei verschiedene dicke Kunstbände mit den Titeln BL8D aus. Schon die große Titelschrift ist ein Wort-Zahlenspiel. Der 8er steht für zwei übereinander stehenden „o“ und damit dem englischen Wort für Blut und das wiederum am unteren Rand des Buchcovers in den eckigen Klammern als Zeichen für Lautschrift als Blu:d. „In vielen slawischen Sprachen steht das für Unzucht“, erklären die beiden Künstler:innen aus Estland. Gemeinsam mit Konstantin Lobanov hat das Trio 2021 begonnen ein umfangreiches Kunstbuch zur Auseinandersetzung mit russischer Kultur zu erarbeiten. „Wir waren im Februar 2022 damit fertig – hatten schon die digitalen Druckvorlagen. Dann kam der 24. Februar, der Überfall Russlands auf die Ukraine. Damit mussten wir praktisch alles über den Haufen werfen. Einzelne Passagen aus Interviews mit Künstler:innen konnten wir noch in anderer Form verwenden, ansonsten haben wir auf verschiedene Art und Weise den Krieg künstlerisch thematisiert. Zum Beispiel hat unser künstlerischer Leiter, der derzeit in anderen Ländern unterwegs ist und nicht hier sein kann, Bilder genommen, zerstört und Fotos davon gemacht, die nun im Buch sind. Außerdem haben wir diesen ersten Band nur ganz roh gebunden“, so Azovtseva und Kirilenko zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Blick auf die beiden Bände der [blu:d]-Reihe aus Tallinn (Estland)
Blick auf die beiden Bände der [blu:d]-Reihe aus Tallinn (Estland)

Der zweite Band ist der Zukunft gewidmet – mit der bewussten Irritation, dass der Einband spiegelnd glänzt – und innen drinnen ernste Essays mit unterschiedlichen Zugängen an dieses so große Thema – und mit immer wieder auch irritierenden Fotos, bei denen mitunter der Atem stockt. „Die sind alle mit künstlicher Intelligenz produziert“, verraten die beiden, die nun im italienischen Florenz leben, dem Journalisten. Und im Hintergrund haben die beiden an der Wand ein großes Plakat mit einem Wolf und dem Motto des dritten Bandes angekündigt: Eintauchen in Einheit/Gemeinsamkeit.

Internationaler Mix

Dass Künstler:innen aus rund zweieinhalb Dutzend Ländern ihre Arbeiten ausstellen und viele davon auch käuflich erworben werden können, wurde schon weiter oben erwähnt. Manche kamen extra für die Ausstellung, andere leben – teils vorübergehend – in Wien. Manche kooperieren auch darüber hinaus. So sind Andrea Ancira Garcia aus Mexico mit ihrer „ediciones tumbalacasa“, in der sie englische Texte auf spanisch übersetzt herausbringt und umgekehrt und Olivia Golde mit „Trottoir Noir“ am Samstag nicht bei der Ausstellung, sondern Teil des Workshops „kollektive Freude im Widerstand“ in den Soho-Studios in Ottakring (16. Wiener Bezirk im großen Gemeindebau Sandleitenhof).

Bücher ent-falten

Büchlein als Leporello auffalten – ist eine, durchaus bekannte Sache. In solche verpackte Nicole Tanneberger Rezeptbüchlein. Aber dann lässt sich ein quadratisches Büchlein übers Meer gleich in mehrere Richtungen auffalten. „Ich wollte die fließenden Bewegungen des Wassers spürbar umsetzen“, erklärt sie den Beweggrund für diese Form.

Ein anderes Buch wird nach und nach zu einer Spirale oder Schnecke und am Ende ergibt es ein ganzes großes quadratisches Bild – vorne und hinten. Ein anderes beginnt die Buchmacherin, die von Beruf Architektin ist, aufzufalten und entschuldigt sich: „Ganz kann ich das nicht, das wird 3 Quadratmeter groß.“

Schon mit zehn, zwölf Jahren habe sie viel mehr gezeichnet und gemalt als alle anderen, „wollte dann Kunst studieren, hab mich letztlich für Architektur entschieden“, verrät sie KiJuKU. Diese Bücher sind professionell, künstlerisch aber sicher keine Einnahmenquelle von der sie leben könnte. „Aber ein guter Ausgleich. So richtig begonnen habe ich dann während der Corona-Pandemie.“ Jetzt studiert sie neben ihrer Arbeit Buchgestaltung an der NDU (New Design University) in St. Pölten.

„Zuerst hab ich Texte, Geschichten, Gedichte, dann kommt die Illustration und die Überlegung, welche Form braucht der jeweilige Inhalt“, schilderte Tanneberger ihre Vorgangsweise. Die Originale stempelt sie meist mit Linoldruckfarbe, scannt sie ein, bearbeitet sie digital für den Druck. Die Schnitte und Falte fertigt sie in der Folge aber wieder eigenhändig an.

„Rollbücher“ aus Berlin

Scrollen ohne Strom

Am Stand von „Rollbuch“ aus Berlin liegen hölzernen Kisten und Kistchen mit einem Sichtfenster, der an einen alten Fernsehapparat erinnert. Mit Hilfe von zwei Kurbeln kannst du kontinuierlich die Bilder weiter drehen. In den großen Kisten sind jeweils elf Meter lange Bücher, die so gelesen, angeschaut werden können. Es gibt aber auch im gleichen Format leere Rollen, um dein eigenes „Rollbuch“ zu zeichnen oder/und schreiben.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Hintergrund

Fanzineist Vienna bringt kleine unabhängige Verlage zusammen, will aber mehr als eine Messe sein, sondern organisiert neben der Ausstellung Workshops, Vorträge und Konzerte und versteht sich als Vernetzungs-Chance. Ob Graphic Novels, Comics, Fotobände, Kunstbücher und andere künstlerisch gestaltete Materialien – T-Shirts, Socken, Taschen usw.

Die Werke der fast 130 Aussteller:innen aus zweieinhalb Dutzend Ländern (Ägypten, Argentinien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Irland, Japan, Kroatien, Litauen, Mexico, Niederlande, Österreich, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Taiwan, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, USA) sind im Wiener Semperdepot noch bis Sonntag, 12. Mai analog (Details siehe Infobox unten am Ende des Beitrages) zu sehen – und erleben wie etwa Konzerte. Eine parallele Online-Ausstellung läuft noch ein Monat länger.
Die gesamte Ausstellung vermittelt diverse, bunte, vielfältige und vielschichtige kunstvolle Werke, viele mit Street-Art-Touch. Viele der Künstler:innen und Herausgeber:innen widmen sich queeren, non-binären, feministischen, kapitalismuskritischen Themen; in der Ausstellungshalle gibt es einen eigene ´n Queer Quarter

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Gegründet vor acht Jahren in Istanbul

„Fanzineist“ wurde 2016 als unabhängiges und DIY (Do it Yourself)-Fanzine-Festival in Istanbul (Türkei) organisiert. Im Jahr darauf fand die Veranstaltung kleiner Eigenverlage in beiden Stadtteilen Istanbuls, also in Europa und Asien statt – mit Konzerten, Interviews, Workshops und einem Fanzine-Markt  – und dies mit großer internationaler Beteiligung. Zwei Jahre später (2019) übersiedelte Fanzineist als Kunstbuch- und Fanzine-Messe nach Wien. Die von den Co-Direktoren Deniz Beser und Deniz Güvensoy organisierte Messe fand in der Nordbahnhalle in Wien statt. 2020 organisierte Fanzineist Vienna in Zusammenarbeit mit Phasebook Prague Art Book & Zine Fair die Ausstellung „Zine Matters: Self Publishing From Prague To Vienna“.

Follow@kiJuKUheinz

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Bild aus dem Animationsfilm "Robot Dreams"

Hund schafft sich Roboter als Freund an…

Bist du (sehr) jung, kannst du mit diesem rund 1¾-stündigen Animationsfilm in die Kindheit oder Jugend deiner (Groß-)Eltern reisen. Laufen und tanzen auf Rollschuhen, telefonieren mit ziemlich großen Apparaten, die mit Kabeln mit der Wand verbunden sind und nur deswegen funktionieren…

Aber dieser Ausflug in die Alltagsgeschichte im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts ist in „Robot Dreams“ nur eine kleine „Neben“-Geschichte, die vielleicht deine erwachsenen Kino-Begleiter:innen amüsieren wird. Die Story selbst – mit allen teils verzwickten Hindernissen – ist ziemlich zeitlos, wenngleich schon ungewöhnlich.

Ein Hund fühlt sich einsam, schaut viel TV und kommt dabei auf die Idee, sich einen Freund zu bestellen. Eines Tages wird ein riesiger Karton geliefert. Amica 2000 heißt das Produkt. Mit einer Gebrauchsanleitung bastelt sich der Hund einen Roboter zusammen – ein bisschen wie bei Kästen, Tischen oder anderen Möbeln aus dem schwedischen Fertigteil-Bausatz-Haus funktioniert das nicht ganz auf Anhieb.

Viele Freude…

Aber dann – erfreuen sich Hund und Roboter verschiedenster Freizeitvergnügungen, samt Schabernack wie Zunge-zeigen und Häschen-Ohren beim Fotografieren in einem Foto-Automaten.

… großes Leid

Natürlich braucht’s für eine spannende Geschichte eine Krise. Die kommt beim Ausflug an den Strand. Das Wasser tut dem metallenen Freund nicht besonders gut. Er setzt Rost an, kann nicht mit zurück nach Hause gehen. Und als Hund Werkzeug holen will, um seinen Freund zu reparieren, ist das Bad schon zugesperrt. Ach, da setzen ziemlich Probleme ein…

Roboter-Träume

Gerade in jenem Teil des Films, in dem der Roboter allein vor sich auf und später immer tiefer im Sand des geschlossenen Strandbades liegt, kommt eine weitere Ebene ins Spiel: Robos Träume; Sehnsüchte, Freuden, Ängste – eine Achterbahn der Gefühle durchlebst du als Zuschauer:in, wenn du die Bilder dieser unkontrollierten Vorstellungen des schlafenden Roboters siehst.

Neben Hund und Roboter spielt die Stadt New York eine große Rolle

Soweit der Kern der Geschichte in dem Film von Pablo Berger (Drehbuch und Regie), der auf der gleichnamigen Graphic Novel (Comic) von Sara Varon aufbaut.

Neben der spannenden, berührend erzählten und gezeichneten (Art Director: Jose Luis Agreda; Animation Director: Benoit Féroumont; Charakterdesign: Daniel Fernández) Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zweier gänzlich unterschiedlicher Typen, rückte Berger (es war sein erster Animationsfilm) wie die Comic-Zeichnerin Varon viele Gegenden und Stadtteile von New York ins Zentrum der bewegten Bilder.

Fast ohne Worte, aber mit viel Musik

Gesprochen wird fast nichts in diesen 103 Minuten, aber es gibt viel zu hören: Geräusche – ob von Werkzeugen oder vom Straßenlärm, von tanzenden Massen auf Rollschuhen – Menschen und Tieren. Und viel Musik. Neben dem eigens für den Film komponierten Soundtrack, baute der Musiker Alfonso de Vilallonga auch große alte Hits der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein – womit der Kreis zum Beginn dieser Filmbeschreibung geschlossen wäre 😉

Follow@kiJuKUheinz

Doppelseite aus dem Comic "Detektivbüro LasseMaja

Wer hat den Wanderpokal geklaut und wen heiratet der Ober-Fiesling

Plötzlich ist der Wanderpokal weg – nein, natürlich hat er keine Füße bekommen und ist davon gegangen. Jede und jeder weiß doch das „Wander“ bedeutet, dass der Pokal nur für ein Jahre /eine Saison beim Team bleibt, das en Bewerb gewonnen hat und danach ans nächste geht – oder nur dann bleibt, wenn das selbe Team – bzw. aus der selben Schule, dem selben Verein… – wieder gewinnt.

Aber nein, dieser Pokal, den die Kinder der Schule im schwedischen Valleby (einem ausgedachten Ort) beim Handballturnier im Vorjahr gegen die Kolleg:innen aus Solbacka gewonnen haben, ist von heute auf morgen weg. Maja und Lasse, die schon in fast drei Dutzend Büchern Fälle gelöst haben, machen sich natürlich auch dieses Mal auf die Suche. Wer könnte ein Motiv gehabt haben, die Trophäe zu stehlen? Und wo gibt es Hinweise. Und welche?

Die Lösung dieses Falles ist mehr als verblüffend. Es ist aber auch nur ein kurzer Fall – im entsprechenden Buch findet sich glich noch ein Detektiv-Rätsel rund um eine Theateraufführung im Museum der Heimatstadt der beiden Jung-Kriminalist:innen. Vielleicht möchtest du ja, bevor du zu Ende liest und schaust…
Die hier angesprochenen beiden Fälle sind in einem von 21 unterschiedlichen Comic-Büchern für Kinder und Jugendliche, die es am zweiten Samstag in diesem Mai (11. Mai 2024) gratis gibt – abzuholen bei Buchhandlungen, Comic-Shops oder Bibliotheken – Link zur Auswahlliste in der Info-Box am Ende des Beitrages.

Bildmontage aus Titelseiten von Kinder-Comic-Büchern für den Gratis Kids Comic Tag 2024
Bildmontage aus einigen der Titelseiten von Kinder-Comic-Büchern für den Gratis Kids Comic Tag 2024

Gratis Kids Comic Tag

Der Lesemonat April – vom 2. (Geburtstag des Märchendichters Hans Christian Andersen – 1805) bis zum 23. (Welttag des Buches – Todestag von Miguel Cervantes und William Shakespeare – 1616) – ist knapp vorbei, da wird ein neuer Buchtag (wieder) gefeiert: Am 11. Mai findet landesweit in Österreich, Deutschland und der Schweiz der erste Gratis Kids Comic Tag statt – mit rund 900 beteiligten Abgabestellen.

Einen ähnlichen – nicht speziell für Kinder – gab es schon ab 2010. Extra für diesen Tag wurden/ werden Hefte und Bücher hergestellt, die kostenlos in Buchhandlungen abgeholt werden können. Idee dahinter: Den stationären gegenüber dem Online-Handel zu stärken. „Dank“ der Pandemie wurde der für den zweiten Samstag im Mai vereinbarte Tag 2020 in den Herbst verschoben, fiel im Jahr darauf ganz aus und wurden von vielen Verlagen gemeinsam für heuer neu gestartet – diesmal mit Schwerpunkt Kinder. Zehn Verlage haben sich zusammengetan und 21 Kinder-Comic-Hefte ausgewählt, die am Samstag, den 11. Mai 2024 in Hunderten von Buchhandlungen, Comicshops und Bibliotheken gratis an junge Leser:innen verteilt werden.

Lehren für Fieslinge

Unter den vielen – auch sehr unterschiedlichen Comic-Geschichten wie „Arielle und die Rache der Meerhexen“, „Sam und die Geister“, „Der Prinz der Drachen“, „Gorm Grimm“, „Nordlicht“, „Idefix“, „Pokémon“, Mangas – fällt eines besonders auf: „Dao – Der Weg“.

Dessen junge schon vielfach ausgezeichnete Künstlerin nennt sich Cai mogu de Sima gonggong (das Pilze sammelnde Großväterchen Sima). Sie lehnt ihren Zeichenstil an die Tradition der chinesischen Tuschemalerei, schreibt in den Schriftzeichen des Mandarin-Chinesischen – und lässt in den Sprechblasen Platz für die jeweiligen Übersetzungen. Ihre Geschichten orientiert sie ebenfalls an alten chinesischen Sagen und Volksmärchen. In dieses Umfeld baut sie lehrreiche Episoden über Gerechtigkeit ein. So verpackt will sie ihre (nicht nur) jungen Leser:innen anregen, auch über heutige Ereignisse und Begebenheiten nachzudenken. So lautet der Untertitel  zu „Fünfter Streich“ für das kostenlose Buch am Gratis Kids Comic Tag „Ein Fiesling möchte Hochzeit machen / Am Ende gibt’s nicht viel zu lachen“.

Ein von sich selbst am meisten eingenommener herrschsüchtiger Typ in Tiergestalt, erlebt am Ende – bei der vermeintlichen arrangierten Hochzeit – eine bittere Überraschung…

Follow@kiJuKUheinz

Homepage des deutschsprachigenGratis Comic Tag für Kids
Homepage des deutschsprachigenGratis Comic Tag für Kids
Doppelseite aus der Graphic Novel "Der Ursprung der Welt"

Männliche Perspektive auf Weiblichkeit enthüllt

„In Schweden beispielsweise wurde Menstruationsblut von der vorindustriellen Landbevölkerung zur Behandlung unterschiedlicher Beschwerden und Haustierkrankheiten genutzt. Man verwendete es zudem als Liebestrank!“

Dieses Zitat stammt aus dem feministischen Comic „Der Ursprung der Welt“. Liv Strömquist beschäftigt sich darin nicht mit dem Urknall, der Entstehung des Universums und Milliarden Jahre später des ersten einzelligen Lebens auf der Erde, sondern mit der eines wichtigen Teils menschlichen Lebens.

Doppelseite aus der Graphic Novel
Doppelseite aus der Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“ – mit Zitat der Darstellung aus der allerältesten Kultustätte, Göbekli Teoe in der Türkei, die rund 12.000 Jahre alt ist

Fehl-Information ans Universum

Informativ, kritisch, immer wieder auch süffisant humorvoll, ironisch nimmt die Autorin und Illustratorin in Personalunion – wie das bei Comics oder Graphic Novels fast in der Natur der Sache liegt – die Sichtweise auf das weibliche Geschlecht, vielmehr deren Geschlechtsorgane aufs Korn. Der männlich dominierte Blick drängten Vulva, Klitoris, Vagina oder auch die Menstruation ins Schmuddel-Eck, deckten sie zu, verbargen/verbergen sie. „Highlight“: Die vor einem halben Jahrhundert von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA mit den

Raumsonden Pioneer 10 und 11 ins All geschickten Informationen an mögliche Außerirdische zeigen unter anderem à la Adam und Eva – nackt – einen Mann und eine Frau; er mit Penis und Hodensack, sie ohne Geschlechtsteile, sogar der im Entwurf vorhandene Strich, der eine Vulva symbolisieren sollte, wurde entfernt.

Doppelseite aus der Graphic Novel
Doppelseite aus der Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“

Heilige Blutung

Demgegenüber haben mit der Natur verbundene Kulturen schon vor Jahrtausenden in kultischen und künstlerischen Darstellungen Frauen nicht derart zensuriert. Der patriarchale, herr-schende Blick treibt natürliches an Frauen ins Eck von Scham und – insbesondere bei Menstruation – Ekel.

Übrigens dürfte das Wort Tabu vom polynesischen tupua abstammen, was heilig bedeutet und auch für Menstruation steht – zumindest laut Strömquists Buch.

Diese Sichtweise entblößt die schwedische Künstlerin (Übersetzung ins Deutsche: Katharina Erben). Das Buch ist im Original schon vor zehn, in der Übersetzung auch schon vor sieben Jahren erschienen; aber jetzt (April 2024) ist das Buch Basis für eine mitreißende Theater-Musik-Performance im Dschungel Wien – siehe Link unten.

Follow@kiJuKUheinz

Titelseite der Graphic Novel
Titelseite der Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“
Doppelseite aus "Boris, Babette und lauter Skelette"

„Aber du bischt doch gar nicht andersch“

Ob das Sams, E.T. oder anderen Fantasiewesen beziehungsweise höchst außergewöhnliche Kinder wie Pippilotta Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf – sie alle machen Kindern Mut, Anders-Sein mindestens zu akzeptieren, ja sogar wie im Fall von Pippi vielleicht als Vorbild zu nehmen.

In eine sehr witzige Geschichte verpackt auch Tanja Esch auf 150 Comic-Seiten Diversität, die nicht immer von allen gut geheißen wird in „Boris, Babette und lauter Skelette“. Hauptfigur ist das Kind Boris mit einer Mutter (Tine), die im Home-Office ständig am Computer ist, und ihrem Sohn praktisch nie zuhört und einem liebevollen, fürsorgenden, kochenden Vater (Yaris) sowie einem chaotischen, handwerklich sehr geschickten Opa (Taio).

„Gruschel schuper!“

Schon nach wenigen Seiten aber dreht sich alles um Babette, ein gelbes, sprechendes und obendrein sehr schlaues Tier, dessen Gattung niemand kennt. Eigentlich lebt es bei der 16-jährigen Lynette, die im selben Haus wie Boris wohnt. Babette liebt Grusel so sehr, dass es ohne monsterartiges Umfeld – oder eben Skelette – fast eingeht, weswegen es ein Familiengeheimnis ist. Jetzt geht aber Lynette für ein Jahr nach London und will Babette dem Boris anvertrauen. Der wiederum darf kein Haustier haben.

Klar, dass er sich doch breitschlagen lässt und es unter seinem Hochbett versteckt. Auch klar, dass das irgendwann auffliegt – und so manche Konflikte und riesiges Chaos auslöst. Bis hin zur Abschiebung ins Tierheim – samt anschließender Befreiung durch Boris und zwei seiner Freund:innen (Jette und Jesko).

In diese kapitelweisen Abenteuer verpackt die Autorin und Illustratorin szenischen Witz – und so „nebenbei“ eben die Akzeptanz von Verschiedenheit (Diversität), die ja auch Teil von Boris‘ Familie ist. Weshalb Opa Taio und Babette sich besonders gut verstehen. „Ich weiß, wie es sich anfühlt alleine zu sein und niemanden, um sich zu haben, der so ist wie man selbst. Als ich Ende der Siebziger nach Deutschland kam, habe ich mich ganz ähnlich gefühlt. Ich war überall der einzige Schwarze… Also ich weiß, was es bedeutet, anders zu sein.“ – „Aber du bischt doch gar nicht andersch.“ – „Für manche Leute leider schon.“

Follow@kiJuKUheinz

Titelseite des Kinder-Comic-Buches
Titelseite des Kinder-Comic-Buches „Boris, Babette und lauter Skelette“
Duppelseite aus dem illustrierten Kinderkrimi "Detektiv Parzival Po - Das Geheimnis der Frau Purpur"

Ungewöhnlicher Detektiv lässt dich miträtseln

Kinderkrimis gibt es viele. Auch so manch ungewöhnliche. Der aber wahrscheinlich wirklich außergewöhnlichste Detektiv heißt Parzival Po und schaut auch so aus. Oder war umgekehrt erst die Zeichnung des riesigen Gesichts da und dann kam der Name? Entgegen dem Namen ist er jedoch keinesfalls ungut, wenngleich er manchmal ganz schön stinkig werden kann.

Wie auch immer, das japanische Text- und Illustrationsduo Troll – Yoko Tanaka und Masahide Fukasawa – verfasst leicht lesbare (Übersetzung ins Deutsche: Nana Umino), ausführlich und comic-haft illustrierte Fälle. Und lässt dich an so mancher Stelle mit-rätseln, etwa wenn es gilt, aus einer Art Buchstabensalat diejenigen herauszufinden, die dem Detektiv und seinem Assistenten Brown weiterhelfen. In Band 1 müssen die beiden in der Hauptgeschichte „Das Geheimnis der Frau Purpur“ lüften, die einen verschlüsselten Brief ihrer Vorfahren findet.

Du kannst nicht nur an manchen Stellen mitraten, an anderen deuten Zeichnungen oder textliche Feinheiten darauf hin, dass du da schon mehr weißt als Parzival Po und Brown. Das trifft vor allem auf die viel kürzere zweite Geschichte „Wer ist der Puddingdieb?“ zu.

Und dann hat sich das Duo Troll noch ein Zusatz-, nämlich ein Bilderrätsel – ohne einen Fall – einfallen lassen: Wenn du den Schutzumschlag des Buches wegklappst, siehst du das Titelbild des Buches ein zweites Mal – allerdings mit zehn Unterschieden.

Follow@kiJuKUheinz

Titelseite des illustrierten Kinderkrimis
Titelseite des illustrierten Kinderkrimis „Detektiv Parzival Po – Das Geheimnis der Frau Purpur“
Doppelseite aus "Otis & Otilie. Ein Pony zum Frühstück"

Kommt ein Pferd zu einer älteren, bunten Frau…

Zirkus wird (fast) immer mit Unterhaltung, Spaß und Witz verbunden. Doch es eine Reihe von (Bilderbuch-)Geschichten, in denen die eine oder der andere ganz dringend raus will aus der Manege und dem ganzen Rummel. Oder einfach „Nein“ sagt.

In diesem Fall ist es ein superkleines Pferdchen namens Otis, das Vorstellung für Vorstellung aus einer Kanone durch die Luft geschossen wird. Das reicht dem PE-O-En-Üpsilon. Eines Tages beschließt es, eine andere, weitere Flugbahn zu nehmen, um aus dem Zelt hinaus und jenseits des Zauns zu landen. Und dann Freiheit – UND Apfel.

Diesen Traum verwirklicht sich Otis tatsächlich. Nur, wie’s weitergeht nach der Landung, das war nicht eingeplant. Und natürlich folgen Überraschungen. Mit Rückschlägen. Auch frei und selbstständig durchs Leben zu gehen, traben, galoppieren ist nicht nur einfach.

Außerdem braucht’s noch mehr zu einer dann doch rund 90 Seiten starken Geschichte, auch wenn die nicht nur von der Story, sondern mindestens genauso von den kunterbunten Zeichnungen, von denen viele wie Wimmelbilder wirken, lebt. Und natürlich muss es ja noch eine Otilie geben, heißt das comicartige Bilderbuch doch „Otis und Otilie. Ein Pony zum Frühstück“.

Alsdann, diese Otilie ist eine ältere, farbenfrohe Frau, die Tiere allerdings nur in der Pfanne oder möglichst weit weg mag. Und genau dort landet Otis. Wird von ihr – zum Glück nicht verzehrt, aber mehrfach vor die Tür gesetzt.

Was aber – siehe Titel und wie damit zu erwarten war – nicht so bleibt. Schließlich findet Otilie, zu zweit frühstücken ist weniger allein…

Bunt, fröhlich, witzig sind nicht nur die Bilder von Nina Dulleck, sondern auch so manche ihrer Formulierungen, nicht zuletzt die ausgeschriebene Schreibweise für das kleine Pferd – wie sie hier schon im zweiten Absatz verwendet worden ist.

Follow@kiJuKUheinz

Titelseite von
Titelseite von „Otis & Otilie. Ein Pony zum Frühstück“