Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Bernhard Heinzlmaier und eines der Charts der aktuellen Jugendwertestudie 2023

Jugendliche: Teuerung und Krieg verdrängen Klimawandel

Die ständig steigenden Preise sind auch die größten Sorgen junger Menschen in Österreich zwischen 16 und 29 Jahren. Danach kommt die Angst vor Krieg und an vierter Stelle der Klimawandel. Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen Jugendwertestudie unter der Leitung von Bernhard Heinzlmaier und Natali Gferer, die Ersterer diese Woche bei einem Mediengespräch vorstellte. Befragt wurden – online – 800 junge Menschen im Frühjahr 2023, gewichtet nach Geschlecht, Alter, Bildung – und auf Nachfrage von KiJuKU auch nach Migrationshintergrund.

Umwelt ist bei Jugend viel wichtiger

Bei den schon genannten – und weiteren – wichtigsten Zukunftssorgen zeigen sich mit Ausnahme von Teuerung, Inflation und Krieg schon in der Reihenfolge deutliche Unterschiede zwischen jungen und älteren Menschen. Während die Jugend (gilt in vielen Bereichen bis 30 Jahre) Klimawandel und Umweltkatastrophen als viertes bzw. sechstes Problem, das sie sorgt, nennen, rangieren diese Themen in der Gesamtbevölkerung auf Platz 8 und 9 unter den Top-10. Die Älteren sind über Zuwanderung und Flüchtlinge mehr besorgt, was bei den 16- bis 29-Jährigen eine untergeordnete Rolle spielt.

Zukunftswünsche Jugendlicher
Zukunftswünsche Jugendlicher

Psychische Gesundheit nannten die Älteren gar nicht als vorranging, während diese den Jüngeren Sorgen im Spitzenfeld bereiten – interessantes Detail: Fast doppelt so viele junge Frauen nannten mental health als großes Problemfeld. Übrigens auch den Klimawandel nannte fast die Hälfte der weiblichen Jugend als wichtige Sorgen, während es bei ihren männlichen Alterskollegen nur ein Drittel sind.

Heinzlmaier liest aus den vielen Zahlen der Studie einen Widerspruch zwischen Anspruch und realem Verhalten heraus, weil viele Jüngere zwar der Umwelt hohen Stellenwert beimessen, aber auf die Frage nach dem Fortbewegungsmittel für Urlaubsreisen mehr als sechs von zehn (61,2%) als wichtigste Entscheidungsgrundlage „preisgünstig“ nannten. Wenn aber die Teuerung die größte Sorge ist, weil immer mehr mit dem eigenen Einkommen nicht auskommen, dann liegt wohl diese Wahl auf der Hand.

Rangfolge der Freizeitbeschäftigungen
Rangfolge der Freizeitbeschäftigungen der 16- bis 29-Jährigen

Arbeitsklima wichtiger als Bezahlung, Wohnen unleistbarer

Neben den größten Sorgen erhebt die regelmäßige Jugendwertestudie die Einstellungen junger Menschen in etlichen Bereichen, so ist jungen Menschen ein gutes Arbeitsklima im Job wichtiger als gute Bezahlung, dass Lehre eine gute Berufsperspektive biete, glaubt hingegen nur ein Drittel, obwohl aufgrund des Fachkräftemangels die Chancen sicher gut stünden. Die Teuerung schlägt sich auch in den Antworten zu Fragen rund ums Wohnen nieder. Fast zwei Drittel der befragten 800 jungen Menschen meinen, dass es für sie „immer schwerer wird, eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus zu kaufen“ bzw. „für junge Familien wird es immer schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden“.

Bernhard Heinzlmaier und eines der Charts der aktuellen Jugendwertestudie 2023
Bernhard Heinzlmaier und das Chart über die Sorgen aus der aktuellen Jugendwertestudie 2023

„Medienrevolution“

Seit 30 Jahren forscht Bernhard Heinzlmaier im Bereich Jugend, das habe sich anfangs nach dem Studium rein zufällig ergeben, verrät er Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… in einem kurzen Interview. Abseits der Zahlen der Jugendwertestudie die er als einen Hang junger Leute zu einem starken Pragmatismus interpretiert, wollten wir folgendes wissen:

KiJuKU: Was hat dich in diesen drei Jahrzehnten am meisten überrascht hat, wie sich Werte Jugendlicher verändert haben?
Bernhard Heinlzmaier (B.H.): „Wenn ich zurückblicke, ist eigentlich die massivste Veränderung die Medienrevolution. Am Anfang kamen auf die Frage, wer benutzt das Internet vielleicht 14 Prozent und jetzt ist es das wichtigste, das bestimmende Medium.
Fragen wie Elternbindung und andere schwanken in einem gewissen Korridor, aber der Medienkonsum ist natürlich ganz anders geworden.

KiJuKU: Da gab es ja anfangs die Hoffnung, dieses Medium könnte ein Weg zu viel mehr Demokratie sein – mit der Aufhebung zwischen Medienproduzent:innen und -Konsument:innen?
B.H.: Musste sich als Illusion erweisen, denn wer nimmt denn dann in Anspruch, selber zu produzieren. Das ist dann wiederum eine Elite, so ungefähr zehn Prozent, der Großteil konsumiert auch hier passiv. Da wurde das Potenzial der kreativen Menschen wie so oft überschätzt.  

KiJuKU: Naja, es gibt schon viele Jugendliche, die eigene YouTube- oder TikTok-Clips produzieren und ins Netz stellen.
B.H.: Sicher größer, weil es technisch einfacher und kostengünstiger geworden ist, aber nach wie vor eine Minderheit.

KiJuKu: Was wäre kurz gefasst aus der Jugendwertestudie dein Tipp an die Politik?
B.H.: Jetzt gibt’s ja diese große Diskussion um „normale“ Menschen was sicher ein unglücklicher Begriff ist, aber es ginge schon darum, sich mehr um die Probleme der gesellschaftlichen Mitte zu kümmern. Da spielen Teuerung, Inflation, Krieg, Armut eine große Rolle und auf das sollte man sich mehr ausrichten. Und das wird zu wenig gemacht und deswegen ist die Politikverdrossenheit groß.

Nutzung von zeitungen und Magazinen
Nutzung von Zeitungen und Magazinen – Vergleich Gesamtbevölkerung und Jugendliche

Medien-Nutzung

Weil im kurzen Interview Mediennutzung eine zentrale Rolle spielten hier auch noch einige Daten aus der Online-Umfrage unter den 16- bis 29-Jährigen:

Fast neun von zehn (87,9 %) gaben auf die Frage nach regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen „im Internet surfen“ an, gefolgt von Musik hören (83,8 %). Fernsehen nannten immerhin noch fast sechs von zehn der befragten 800 jungen Menschen. Einige weitere ausgewählte Nennungen: Bücher lesen (31,5%), eBooks lesen (19,9%); Tageszeitungen las knapp ein Viertel online (23,3 Prozent), gedruckt nur 17,5 % was immerhin noch vor Hörbüchern (14,9 %) rangierte gefolgt von gedruckten Magazinen bzw. Zeitschriften (13,9%).

Präsentiert wurden aus der um rund 3000 Euro (ohne Mehrwertsteuer) erhältlichen Vollversion der Studie von T-Factory Trendagentur in Kooperation mit dem Institut für Jugendkulturforschung auch noch Zahlen zur Nutzung von Zeitungen und Magazinen – hier im Vergleich zwischen Gesamt- und junger Bevölkerung und bei letzterer aufgegliedert in mit niedriger/mittlerer bzw. höherer formaler Bildung (Abschlüsse). Während bei den über 30-Jährigen mehr als vier von zehn zur Kronenzeitung greifen, ist es bei der Generation Z nur ein Viertel, beim Standard fast ein Drittel (31,7% – bei höherer Bildung sogar 36,9%). Zu Profil und Falter greifen jeweils 16 bzw. 15,3 Prozent der 16- bis 29-Jährigen, wobei jeweils überraschenderweise ein bisschen mehr mit niedrigerem formalem Bildungsabschluss.

Follow@kiJuKUheinz

Jugendwertestudie2023

jugendkulturforschung

Kinder stehen mit Schildern bei einer Demo gegen den Klimwandel in Glasgow (Schottland) anlässlich der UN-Klimakonfernz vor zwei Jahren

Politik soll endlich auf Kinder und Jugendliche hören und sie teilhaben lassen

Ali Mahlodji, unter anderem EU-Jugendbotschafter, vielfacher Keynote-Speaker in Sachen Kinder- und Jugendrechte sowie Ehrenbeauftragter von UNICEF-Österreich nahm die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der großen Ö3-Jugendstudie zum Anlass, um von der Politik zu fordern, sie solle „mehr Möglichkeiten schaffen, damit junge Menschen mitbestimmen können und, dass ihrer Meinung mehr Beachtung gezollt wird – immerhin sind sie diejenigen, die oft selbst durch die Entscheidungen der Politik betroffen sind.“

Lediglich 15 Prozent von 40.000 befragten jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren gaben in der genannten Studie an, sich von der Politik sehr oder ziemlich gut vertreten zu fühlen. Nur 17 Prozent vertrauen der Politik, wobei sich zwei Drittel der jungen Menschen als politikinteressiert bezeichnen.

Kinderrechtskonvention

Bereits seit 2020 macht UNICEF Österreich im Rahmen des Kreativwettbewerbs „Denk dir die Welt”, bei dem unter anderem Ali Mahlodji fixes Jurymitglied ist (übrigens auch Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…), verstärkt auf das in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNO) festgelegte Kinderrecht auf Partizipation aufmerksam. Im Artikel 12 dieser Konvention, die von fast allen Staaten der Welt auch unterschrieben worden ist, steht, dass jedes Kind (im Sinne der UN-Konvention bis 18 Jahre) das Recht hat, die eigene Meinung zu allen Fragen und Entscheidungen, die sie/ ihn selbst bzw. den eigenen Lebensraum betreffen, frei zu äußern bzw. danach gefragt zu werden. Die Sichtweise der Kinder und Jugendlichen muss dabei in Betracht gezogen werden, wo immer sie direkt betroffen sind – sei es in der Familie, in der Schule bzw. Ausbildung, bei der Gestaltung von Lebensräumen oder bei der Ausarbeitung von Gesetzen.

Es ist die Welt der jungen Leute

Ali Mahlodji fordert: „Junge Menschen müssen endlich von der Politik ernst genommen und gehört werden! Sie sind die Entscheidungsträgerinnen und -träger der Zukunft und sie sind es, die hoffentlich mit ihren Ideen, ihrer Kreativität und ihrer Innovationskraft die Welt trotz Klimakatastrophen zu einem lebenswerten Ort machen werden, die Kriege stoppen und gemeinsam nachhaltige Lösungen für alle auf diesem Planeten finden werden. Und, sie können uns bereits jetzt helfen, ‚out of the box‘ zu denken.“

Zu einer ähnlichen Einschätzung wie die Ö3-Jugendstudie kommt auch Petra Flieger, freie Sozialwissenschafterin und UNICEF Österreich-„Denk dir die Welt!“-Jurorin heuer: „Leider machen Jugendliche oft die Erfahrung, dass sie von Politiker:innen zwar angehört werden, dass dann aber nichts passiert. Es werden öffentlichkeitswirksam Fotos gemacht, aber die Forderungen der Jugendlichen werden nicht weiterbehandelt. Das hat mit Partizipation, so wie sie in den Kinderrechten verankert ist, nichts zu tun.“

Es geht

Dass echte Teilhabe möglich ist, zeigt beispielsweise die von UNICEF ausgezeichnete „Kinderfreundliche Gemeinde“ Kufstein. Dort gibt es einen Jugendgemeinderat, in dem Jugendliche selbst über ein eigenes Budget verfügen. Neben Veranstaltungen für Jugendliche hat der Jugendgemeinderat mit Projekten wie Begrünung der Stadt oder bunten Zebrastreifen in Regenbogenfarben Zeichen gesetzt.

Kreativbewerb

Mit dem Kreativwettbewerb „Denk dir die Welt!“ möchte UNICEF Österreich Kindern und Jugendlichen eine Plattform bieten, ihre innovativen Ideen, ihre Wünsche und Forderungen für eine faire, inklusive Welt zu artikulieren. „Wie sieht eine Welt aus, in der du gut wachsen kannst und alle eine Chance haben?“ Antworten auf diese Frage können bis 31. Juli 2023 in Form von Zeichnungen und Collagen, Kurzgeschichten und Gedichten, Songs oder Videos eingereicht werden.

Die in den Kunstwerken ausgedrückten Ideen und Forderungen werden in einem Ideenkatalog aufgearbeitet. Dieses wichtige Dokument übergibt UNICEF Österreich im Anschluss an den Wettbewerb gemeinsam mit jungen Menschen an politische Entscheidungsträger:innen, damit diese die Meinung von Kindern und Jugendlichen in ihren Entscheidungen berücksichtigen können – denn das ist ein Kinderrecht.

Follow@kiJuKUheinz

Detail-Infos in Sachen Einsendungen: unicef -> denkdirdiewelt