Mitten auf den Doppelseiten dieses Bilderbuchs steht ein Mauer – auf jeder; naja fast. Aber dazu später. Links ein kleiner Ritter, rechts einige Tiere wie Tiger, Affe, Nashorn… Der kleine Ritter ist auch nicht allein. Erst mit Leiter und einem Ziegelstein unterwegs, um die Mauer zu stabilsieren. „Auf dieser Seite ist es sicher“, lässt ihn der Autor und Illustrator, der US-Amerikaner Jon Agee, sagen; oder denken. Ein paar Seiten später: „Wenn der Oger mich zu fassen kriegt, frisst er mich auf.“ Da reißt hinter ihm im Wasser – auf seiner Seite der Mauer – ein Krokodil das Maul auf. Aber es schnappt sich „nur“ das Schwimmvögelchen.
„Nur gut, dass mitten im Buch eine Mauer steht“, ist links beim Ritter zu lesen, während auf der anderen Seite der Riese ganz sanft und zärtlich auf ein kleines Tier schaut…
Klar, dass es dabei nicht bleibt. Schon zu erwarten, dass es da zu einer Änderung kommt. Und als das Ritterlein in Gefahr gerät… – nein, hier wird nicht gespoilert. Höchstens so viel, dass zumindest die letzte Doppelseite ohne Mauer auskommt, dafür weitgehend leer ist, nur umrahmt von Bäumen, Blättern und einem wunzigkleinen Tier – Platz für deine Zeichnungen. Wie du dir vorstellst, dass die Geschichte weitergeht oder für auch ganz was anderes.
„Meine frühen Zeichnungen waren sehr animiert: viele herumflitzende Dinge, Flugzeuge, Rennautos, Fußballspieler. Kein Wunder, dass meine erste veröffentlichte Zeichnung ein Rattenrudel war, das über eine Autobahn lief (The Rat Race). Ich habe das für die Op-Ed-Seite der New York Times gemacht, als ich noch in der High School war“, schreibt der 1959 geborene in New York geborene Autor und Illustrator über sich auf seiner Homepage.
„Auf der anderen Seite lauert was“ dürfte – soweit im Netz zu finden – das einzige auf Deutsch übersetzte seiner rund drei Dutzend bisherigen, darunter einigen wort- und sprachverspielten sein. Es wird von Amnesty International empfohlen. So einfach und schon für so junge Kinder geeignet wird da der Bau von Festungen und Mauern gegen Fremde und Unbekanntes zum Einsturz gebracht.
Vor einem projizierten Zitat der vor drei Jahren verstorbenen vor allem für ihre Kinder- und Jugendbücher bekannten Autorin Gudrun Pausewang aus „Die letzten Kinder von Schewenborn“ sitzt eine Frau am Schreibtisch an ihrem Rechner. So startet „Mauern“ der Gruppe She She Pop – in Zusammenarbeit mit etlichen Theatern und einzelnen Künstler:innen – siehe Infobox.
In dem Pausewang-Roman (erschienen 1983) geht es um einen Atomkrieg mitten in (West-)Deutschland, erinnert im Nachklang vielleicht auch „nur“ an einen Super-GAU, einen Größtmögliche anzunehmenden Reaktor-Unfall. Aber dies ist „nur“ eine Erinnerung. Wir steigen ein ins Zeitalter nach dem Kalten Krieg. Die Protagonist:innen sehen sich mit einem Haufen an Büchern konfrontiert.
Welche sollen sie aufheben, welche sozusagen zum Altpapier geben, schlicht aussortieren. Und was ist für die Zukunft sinnvoll, brauchbar, bringt sie weiter? Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl. Aus der DDR – weg damit? Sämtliche tote Autor:innen – weg? Oder braucht’s nicht vielleicht doch auch historische Bezüge?
Immer wieder kommen die Schauspieler:innen zusammen und sortieren sich und ihre Kriterien ein wenig neu, adaptieren vor allem ihre – gemeinsamen – Entscheidungsfindungen. Und beziehen via (voraufgezeichneter?) Video-Meetings weitere Spieler:innen aus ihrem Kollektiv ein – inklusive anderer Sprachen, etwa Koreanisch, das sie im Raum auch so unübersetzt stehen lassen. Ja selbst in der gleichen Sprache ist ja nicht immer alles (leicht) verständlich.
So ernst das Thema klingt, so (selbst-)ironisch und humorvoll – gespeist aus Spiel- und Wortwitz – ist der Abend – Gastspiel während des jüngsten Dramatiker:innen-Festivals – im Schauspielhaus Graz gespickt.
Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für drei Tage zur Berichterstattung eingeladen.
Zwischen der großen Außenrunde in der das Publikum auf Pölstern und manche dahinter auf Sesseln sitzen und einem acht-eckigen Kobel mit metallenen Querstreben bewegen sich zwei Tänzerinnen- Christine Maria Krenn und Jolanda Lülsdorf -, klauben mal da dann wieder dort schmale, biegsame Metallstreifen auf, ordnen sie neu an, beginnen damit zu spielen, basteln Gürtel, Schnäbel, Vogelflügeln, vieles mehr und einen Geigenbogen – just in dem Moment als die dritte im Bunde (Judith Koblmüller) tatsächlich einen Geigenbogen in dem Gefängnis oder Baumhaus (?) in der Mitte bedient und damit auf der Violine zu spielen anfängt.
Zu dieser sowie zu Musik aus einer Blockflöte verwandeln sich die Tänzerinnen in spielende Kinder, wobei Christine Maria Krenn, die auch für Regie und Choreografie verantwortlich ist, immer die Prinzessin spielen will – im Bilderbuch, auf dem dieses Stück basiert, heißt sie Lamia. Die andere darf höchstens Räuber sein, obwohl sie auch so gern einmal gekrönt wäre. Irgendwann biegen die beiden zwei Metallstreifen zu länglichen Ovalen und platzieren dazwischen eine lange runde Stange.
Da das Stück – so wie das Bilderbuch von Lisa Aigelsperger – „Panzerschloss“ heißt, liegt nahe, was das gebastelte Objekt darstellt. Nun schiebt die Musikerin aus ihrem „Bunker“ ein noch längeres Rohr über die Oberkante und zitiert aus dem Buch, das die Künstlerinnen sehr frei umsetzen konnten: „Ihr lieben Kinder, das hier macht BUMM BUMM, und dann fallen alle Um“ (Buchbesprechung am Ende des Beitrages verlinkt).
Krieg. Bedrohung in wenigen, einfachen Mitteln dargestellt schon für sehr junge Kinder. Bedrohung von außen? Helfen da Zäune und Mauern? Also werden die Umsitzenden eingeladen, aufzustehen, eine menschliche Mauer zu bauen, gemeinsam aus den herumliegenden Metallteilen – es sind die Elemente von Rollos wie sie auch den „Bunker“, das Baumhaus (?) verbarrikadieren – eine Art Zaun zu bilden.
Aber kam nicht die Bedrohung von innen? Dort rollten doch die Panzer, aus dem Zentrum kam das ganz große Kanonenrohr. Und sind nicht die stilisierten „Soldat:innen“ aus den Metallgestellen für große Mistkübel auch von innen gekommen?
Diese sich szenisch aufdrängenden gar nicht ausgesprochene Fragen sowie aus dem Off eingespielte Gedanken von Kindern, die im Probenprozess in Theater-, Musik- und Bau-Workshops von den Bühnenkünstlerinnen eingebunden worden sind, und natürlich die Grundgeschichte des Bilderbuchs lassen aus dem Bunker, dessen Teile nun zu Toren werden, und dem Panzer ein Schloss werden, in dem gemeinsam gefeiert und gespielt wird. Gemeinsam lassen sich sozusagen Mauern und Zäune niederreißen und ein fröhliches Miteinander entstehen…
Die Arbeit der Künstlerinnen mit den Kindern in den genannten Werkstätten führten nicht nur zu aufgenommenen und eingespielten Sagern über Regeln, Mitsprache und den Umgang der Menschen mit der Natur, sondern führte zu vielen Inspirationen für Szenen und nicht zuletzt auch Bühnenbild. Übrigens, die Metallstreifen – Lamellen der Rollos – stammen ebenso aus dem Gebäude der alten Linzer Kunstuni, sozusagen einem Abbruchhaus wie die feuerfest imprägnierten Vorhänge, die sowohl zu Umhängen für die Prinzessin als auch zu Soldatenröcken werden (Bühnenbau: Birgitta Kunsch). Die Rollos in den hölzernen Türrahmen des anfänglichen Bunkers ergeben somit variable Situationen: Blickdicht verschlossen, dann wieder wenigstens Blicke freigeben, die Kipp-Elemente in den Rahmen lassen die im ersten Teil verschanzte Musikerin später doch den Kontakt mit der Umgebung aufnehmen. Diese Lamellen sind aber auch die Elemente für die Prinzessinnen-Krone bzw. Blumen rund um das doch irgendwie auch heimelige Ambiente im Foyer des ersten Stocks im Linzer Musiktheater, wo „Panzerschloss“ beim Schäxpir-Theaterfestival für junges Publikum gespielt wurde/wird.
Wenngleich das Musiktheater bei Vermietung von Räumlichkeiten vielleicht darauf achten könnte, nicht zeitgleich im Stock darunter eine private Hochzeit einzubuchen, wo Jubel aufbrandet, während einen Stock drüber sich gerade eher ruhige Szenen abspielen.
Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.
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