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Die 14-jährige Duha sitzt neben ihrer 3-jährigen Schwester Malak in ihrem Zelt in Rafah, südlich des Gazastreifens. Duha ist gehörlos, erhält Unterstützung von Unicef in Palästina und verwendet Gebärdensprache, um sich auszudrücken und über ihre Erfahrungen während des anhaltenden Krieges zu sprechen.

Im Sinne der Kinder: Dringender Appell um De-Eskalation

Getötete, ja massakrierte Kinder am 7. Oktober in Israel, von Bomben zerfetzte Kinder in Gaza, Libanon, Golanhöhen… Kinder in vielen Ländern des Nahen Ostens sind heute mehr denn je tödlich bedroht, und die die (über-)leben sind mit alltäglicher Gewalt und von Unsicherheit bedroht. Darauf wies vor wenigen Tagen die Regional-Direktorin für den Nahen Osten des Kinderhilfswerks Unicef, Adele Khodr hin.

Das sei aber noch gar nicht alles, so die Expertin. „Neben diesen tragischen Todesfällen gibt es noch viele weitere Kinder, die unter Verletzungen leiden, die ihren Körper für immer gezeichnet haben und unermessliche Schäden an ihrer psychischen Gesundheit verursachen. Viele haben durch die Vertreibung ihr Zuhause verloren und leben in einem ständigen Zustand der Unsicherheit und Angst.“

Humanitäre Folgen

Doch die Lage der Kinder droht sich noch viel, viel weiter zu verschlechtern. Jede Eskalation der Gewalt in der Region wird zu schwerwiegenden humanitären Folgen führen und das Leben und Wohlbefinden von vielen weiteren Kindern gefährden. Sie wird auch langfristige Auswirkungen auf die Aussichten auf Frieden und Stabilität im Nahen Osten haben. Eine sofortige Deeskalation ist unabdingbar, um das Leben und das Wohlbefinden der Kinder zu schützen, denn die Alternative ist unvertretbar und unvorstellbar.

Duha, 14 Jahre alt, ist ein gehörloses Mädchen, das ursprünglich aus Beit Hanon im Norden des Gazastreifens stammt und jetzt nach Rafah im Süden des Gazastreifens vertrieben wurde. Sie erzählt in Gebärdensprache von ihren Erfahrungen während des Krieges: „Ich bin 14 Jahre alt und habe sieben Geschwister. Das Leben ist unglaublich herausfordernd und die Bedingungen sind schrecklich. Die Kälte im Zelt ist unerträglich und das tägliche Leben ist ein ständiger Kampf. Um auf die Toilette zu gelangen, muss ich eine gewaltige Strecke alleine zurücklegen. Und das macht mir solche Angst, dass ich meine Toilettengänge auf einmal am Tag beschränke.“
Duha, 14 Jahre alt, ist ein gehörloses Mädchen, das ursprünglich aus Beit Hanon im Norden des Gazastreifens stammt und jetzt nach Rafah im Süden des Gazastreifens vertrieben wurde. Sie erzählt in Gebärdensprache von ihren Erfahrungen während des Krieges: „Ich bin 14 Jahre alt und habe sieben Geschwister. Das Leben ist unglaublich herausfordernd und die Bedingungen sind schrecklich. Die Kälte im Zelt ist unerträglich und das tägliche Leben ist ein ständiger Kampf. Um auf die Toilette zu gelangen, muss ich eine gewaltige Strecke alleine zurücklegen. Und das macht mir solche Angst, dass ich meine Toilettengänge auf einmal am Tag beschränke.“

Kindern wenigsten Recht auf Hilfe zukommen lassen

Unicef ruft weiterhin alle Parteien dringend dazu auf, höchste Zurückhaltung zu üben und Zivilist:innen sowie die lebenswichtigen Dienstleistungen, auf die sie angewiesen sind, gemäß ihrer Verantwortung nach internationalem humanitärem Recht zu schützen. Kinder haben ein Recht darauf, vor Gewalt geschützt zu werden, und dieses Recht sollte immer gewahrt werden.

Diese für Kinder zuständige Organisation der Vereinten Nationen ist allen Widernissen zum Trotz noch vor Ort und arbeitet mit Partnern zusammen, um Kinder in der Region mit wichtigen Dienstleistungen und Hilfsgütern zu unterstützen und zu schützen. „Was Kinder jedoch wirklich brauchen, sind Frieden und Sicherheit, die Chance auf ein Leben in Würde und frei von Entbehrungen und Angst. Und das beginnt mit Deeskalation, einer dauerhaften politischen Lösung und dem Versprechen einer besseren Zukunft.“

Großer Schriftzug Frieden - am Donaukanal

Wasser für Frieden, endlich Wasser in Eswatini

Seit 32 Jahren wird jeweils am 22. März der Weltwassertag begangen. Von den Vereinten Nationen (UNO) wurde er ins Leben gerufen, um auf die lebenserhaltende und -rettende Bedeutung sauberen (Trink-)Wassers hinzuweisen.

„Sich für Wasser einsetzen heißt, sich für den Frieden einzusetzen. Dies ist heute notwendiger denn je“, beginnt die Erklärung des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres zum Weltwassertag 2024. „Unsere Welt erlebt stürmische Zeiten: Konflikte wüten, Ungleichheit ist weit verbreitet, Umweltverschmutzung und der Verlust an biologischer Vielfalt schreiten ungehindert voran, und mit der anhaltenden Nutzung fossiler Brennstoffe durch die Menschheit beschleunigt sich die Klimakrise auf ein todbringendes Maß – eine weitere Bedrohung für den Frieden.

Die Erde wird immer wärmer; der Meeresspiegel steigt, Niederschlagsmuster verändern sich, und Flüsse führen immer weniger Wasser. Dies hat in einigen Regionen Dürren, in anderen Überschwemmungen und Küstenerosion zur Folge. Gleichzeitig gefährden Verschmutzung und überhöhte Entnahme die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von sauberem Süßwasser, auf das alles Leben angewiesen ist. Schwindende Wasservorräte können Konkurrenz verschärfen und Spannungen zwischen Menschen, Gemeinschaften und Ländern anheizen. Dadurch steigt das Konfliktrisiko. Der diesjährige Weltwassertag steht unter dem Motto Wasser für den Frieden“.

Kinder an einer neu verlegten Wasserleitung in Eswatini (südliches Afrika)
Kinder an einer neu verlegten Wasserleitung – von World Vision-Spenden – in Eswatini (südliches Afrika)

Täglich sechs Kilometer

Noncedo (17 Jahre) musste bis vor Kurzem täglich in Eswatini (bis 2018 offiziell Swasiland, traditionell inoffiziell kaNgwane; Binnenstaat im südlichen Afrika – grenzt an Südafrika und Mosambik) sechs Kilometer gehen, um zu der einzigen Wasserstelle in der Umgebung zu gelangen. Das war ein alter Brunnen mit Handpumpe. Dank der Global 6K (sechs Kilometer) Wasserspenden von World Vision konnte der weit entfernten Brunnen durch ein neues Wassersystem ersetzt werden, das mit einer Solarpumpe betrieben wird. Außerdem wurden neue Wasserleitungen gelegt, die das dringend benötigte Wasser zu zehn neu installierten Wasserhähnen in der Gemeinde transportieren.  Die kilometerlangen Märsche gehören nun der Vergangenheit an und Noncedo hat Zeit die Schule zu besuchen!

Seit 2015 hat World Vision 25 Millionen Menschen mit sauberem Wasser erreicht. Leider ist Wasser für viele Menschen aber keine Selbstverständlichkeit. 771 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Jeden Tag sterben mehr als 1000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von verschmutztem Wasser. 1,69 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu angemessenen sanitären Anlagen. Durchschnittlich legen Kinder und Frauen in den ärmsten Regionen der Welt täglich 6 Kilometer zurück, um Wasser zu holen.

Laufen und gehen für Wasser

Der „Global 6K Walk & Rund für Wasser“ ist eine globale Bewegung mit dem Ziel, Menschen in den ärmsten Regionen der Welt dauerhaften Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen.

Wer mitmachen will, spendet 42 € und erhält ein Startpaket (da die T-Shirts schon aus sind, eine Kappe) und soll möglichst sechs Kilometer zurückzulegen – egal laufend oder wandernd, sogar am Laufband. Dieses Start-Geld fließt in Wasser-Projekte, wie das eingangs beschriebene.

Freies Wasser – freie Menschen

Dieser internationale Tag steht 2024 unter dem Motto „Water for Peace“ (Wasser für Frieden). Wasser ist heute oft ein (Lebens-)Mittel, um das Konflikte und sogar Kriege geführt werden. Unter dem Slogan „Free Water – Free People“ wiesen Aktivist:innen durch Verteilung von Wasser in Flaschen – leider Plastik – an diesem Tag in Wien-Mitte zwischen dem dortigen Einkaufs- und dem gegenüberliegenden Kino-Center darauf hin, dass Palästinenser:innen nicht nur aktuell im Gaza-Streifen, sondern auch im Westjordanland nur sehr schwer bis kaum und gar nicht Zugang zu sauberem (Trink-)Wasser haben.

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UNO-Erklärung zum Weltwassertag 2024

worldvision -> global6k

Szenenfoto aus "A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe" von Théâtre Majâz, Frankreich/Israel beim Wortwiege-Festival in den Wr. Neustädter Kasematten

Unglaublich witzige (selbst-)ironische Performance zum Nahostkonflikt

So super wäre unser Stück gewesen, aber leider – Sie wissen ja, 7. Oktober 2023, jetzt mussten wir alles kübeln… Das ist sozusagen die Ausgangsthese von Ido Shaked & Hannan Ishay (Théâtre Majâz) für ihre rund einstündige Performance „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“. Und die vermittelt schon eine ordentliche Portion von (selbst-)ironischem Humor. Zu sehen, nein zu erleben, ist das „Handbuch für israelische Theaterregisseur:innen in Europa“ beim „Wortwiege“-Festival in der zum Kultur- und Veranstaltungsort umgebauten ehemaligen Wehranlage von Wr. Neustadt, den Kasematten (keine zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt übrigens).

Fußball?

Jetzt sei alles noch komplizierter, aber das was sie gehabt hätten samt einer großartigen „Metapher des Konflikts“, einfach jetzt nicht spielbar. Noch dazu, wo keine/r weiß, ob das Ausgedachte auch nur 1 ½ Minuten später noch richtig und aktuell ist…

Aber was machen wir jetzt? Sind doch schon eingeladen von einem großen – in der Performance (fiktiven) – Festival. Lass uns doch was völlig jenseits des Konflikts spielen. Zum Beispiel über Fußball.

„Ido: Fußball?
Hannan: Ja, Teams, Nationalhymnen, Stadien, die Europameisterschaft… Fußball ist eine großartige Möglichkeit, über Identität zu sprechen!
Ido: Also fangen wir damit an, gemeinsam die Nationalhymne im Stadion zu singen.
Hannan: Ja.
Ido: Und dann merkt das Publikum nach und nach, dass alles eine nationalistisch-faschistische Energie ist, und das Ganze ist eigentlich eine Metapher für den Konflikt.
Hannan: Ja – nur ohne den Konflikt!“

Nicht darüber reden und doch…

In ähnlicher Ton- und Spielart geht’s dahin – immer den Konflikt vordergründig aussparen und auf einer anderen Ebene doch sozusagen zu Wort kommen lassen. Trotz der Tragödie des realen Hintergrundes bringen die beiden das Publikum immer wieder zum herzhaften Lachen – nicht selten auch zu solchem, das dann doch irgendwie im Hals steckenbleibt.  Hannan Ishay, Reinhardt-Seminar-Absolvent (2011), lebt seit fünf Jahren wieder in Tel Aviv, sein kongenialer Bühnenpartner und Co-Stück-Entwickler Ido Shaked in Paris. Auch dieses Hier- und Dort-Sein wird zum Thema.

Sie beginnen ihre natürlich doch gespeilte Performance mit der Kommunikation (Telefon und eMail) mit dem schon genannten fiktiven Festival, um dann ein Jahr ablaufen zu lassen – mit handschriftlichen Tafeln mit Datums-Angaben. Start: 7. Oktober 2022, ein Jahr vor den koordinierten Angriffen und Morden der Hamas samt Entführung von damals mehr als 200 Geiseln. Das Duo bespielt aber genauso die breite Demokratie-Bewegung gegen den Versuch der rechtsrechten israelischen Regierung, das Justiz-System auszuhebeln. Aber die Minderheit an Demonstrant:innen, die auch auf Besatzung (palästinensischer Gebiete) aufmerksam machten kontert der eine dem anderen: „Dafür ist jetzt keine Zeit…“

Es gibt keine Worte, oder doch?

Hier noch ein Zitat zum ironischen Wechselspiel zwischen heikle Themen umschiffen und dann doch so „nebenbei“ anzusprechen:
„Hannan: … Aber wir haben noch nichts gesagt: Massaker, Geiselnahmen, Vergewaltigungen, Bombardierungen, Kinder…
Ido: Wir haben es gerade gesagt.
Hannan: Und was ist mit dem Krieg? Wir haben noch nicht einmal etwas über den Krieg gesagt?!
Ido: Okay, hier hast du es; wir haben auch den Krieg erwähnt.
Hannan: Was haben wir gesagt? Wir haben nichts gesagt! Wir gehen auf eine militärische Operation ohne absehbares Ende und ohne echte Ziele. Es werden 3-jährige Kinder im Gazastreifen entführt, wir bombardieren eine Zivilbevölkerung, die nirgendwohin fliehen kann… Ganze Familien, auf beiden Seiten, werden zerstört und weiter ausgelöscht.
Ido: Wir können nicht darüber sprechen. Es gibt keine Worte, um es zu beschreiben.“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“ von Théâtre Majâz, Frankreich/Israel beim Wortwiege-Festival in den Wr. Neustädter Kasematten

Die beiden spielen nicht nur voller (Spiel-)Witz und vermitteln Empathie – so wie sie die aktuell explosive Lage in Nahost thematisieren schwingt eine gewisse Allgemeingültigkeit unabhängig vom Ort des Geschehens mit. Detail-Info: Die beiden spielen auf Englisch – es gibt bewusst keine Übertitel, weil das Mitlesen zu sehr vom beeindruckenden Schauspiel sowie Mimik und Gestik ablenken würde; aber es gibt die deutsche Übersetzung der gesprochenen Texte auf der wortwiege-Homepage zum Download. Absolute Anschau-, nein Miterleb-Empfehlung – und an Veranstalter:innen, das Duo unbedingt einzuladen.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“ von Théâtre Majâz, Frankreich/Israel beim Wortwiege-Festival in den Wr. Neustädter Kasematten
Lena Kalisch in "Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten" von Maya Arad Yasur in der Inszenierung von Sapir Heller

Intensives körperliches und geistiges Ringen um Menschlichkeit

Die wohl intensivste halbe Theaterstunde tourt seit Wochen über deutschsprachige Bühnen, derzeit – leider nur bis 2. Februar 2024 – macht sie Station im Hamakom (Theater Nestroyhof in Wien-Leopoldstadt). Der Titel legt schon den aktuellen Bezug nahe – wenngleich in der Diskussion nach den knapp 30 Minuten die via Online-Video zugeschaltete Autorin Wert darauf legt, dass sie den Text bewusst frei von Zeit und Verortung gehalten hat und universell versteht: „Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten“.

Lena Kalisch in
Lena Kalisch in „Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten“ von Maya Arad Yasur in der Inszenierung von Sapir Heller

Ausgehend von eigenen persönlichen inneren Kämpfen

Eineinhalb Wochen nach dem 7. Oktober hat Maya Arad Yasur, die in Tel Aviv lebt und deren bisherige Stücke in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt wurden, den Text – ausgehend von den ureigensten Gefühlen und Ängsten geschrieben. Furcht, einzuschlafen vor weiteren unvorhersehbaren Attacken, Sorge um die eigenen Kinder, die sie mit ihrem Körper schützen will und mit ihnen in deren Betten schläft. Angst aber auch, verliert sie die eigene Humanität, Empathie, droht sie die Menschen auf der anderen Seite – wie es manche Politiker machten – als Tiere zu betrachten? Daher immer wieder der Satz „Mütter auf der anderen Seite haben auch Kinder“.

Lena Kalisch in
Szenenfoto

Spürbarer Text aus dem Körper

Inszeniert von Sapir Heller performt die Schauspielerin Lena Kalisch diesen Text – wobei die gesprochenen Worte aus dem Off eingespielt werden. Kauert sie – anfangs sozusagen Schutz suchen unter einem Tisch, so wird dieser und ein daneben stehender Sessel mit Schnüren weggezogen. Pur und schutzlos steht sie in einer Art fast Sitzhaltung in der Luft. Quält sich die Gedanken aus dem Körper. Neben den Ängsten ums eigene und vor allem das Leben der Kinder machen sich bald jene breit: Was macht das mit mir. Und meinem Verhältnis zu den Menschen auf der „anderen Seite“.

Die Tier-Metapher wird schon im Vorspiel nahegelegt, in dem Tierdokus über einen Screen laufen: Ein Hai der Robben frisst, eine Riesenschlange, die Beute erdrückt…

Gedanken an Rache, Zynismus, Vernichtung… – die an- und ausgesprochen – und extrem berührend körperlich zu spüren sind. Fast unaushaltbar diesem inneren Ringen zuzuschauen. Pendelnd zwischen Verständnis für de-humanisierende Gefühle und Sichtweisen und der Hoffnung, es mögen doch die Elemente der Empathie, der Humanität die Oberhand gewinnen…

Lena Kalisch in
Szenenfoto

Podiumsdiskussionen

An die kurzen Performance-Abende schließen sich jeweils Podiumsdiskussionen an, die jeweils schwerpunktmäßig einem Thema gewidmet sind. Nach „Trauma“ nach der Wien-premiere am letzten Jänner-Abend, folgen „Humanismus – Wie bleiben wir humanistisch angesichts der Massaker und des Krieges?“ (1.2.24) sowie „Versöhnung – Ist ein Tag danach möglich?“ (2.2.24)

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Bildmontage: Plakat einer- und Kundgebung andererseits

Trauern um alle zivilen Opfer und für Waffenstillstand

„Ich denke, ich spreche im Namen vieler Menschen hier, wenn ich sage, dass die letzten Wochen absolut verheerend waren. Für viele von uns waren sie nicht nur deshalb verheerend, weil wir oder unsere Freund:innen vielleicht Freund:innen oder Angehörige durch Terror und Krieg verloren haben, sondern auch, weil viele von uns den Raum verloren haben, um um alle zivilen Opfer zu trauern, ob sie nun Israelis oder Palästinenser:innen sind. Ich habe das Gefühl, dass es zu einer umstrittenen Position geworden ist, Empathie für alle Opfer von Gewalt zu empfinden, auch wenn sie zur „anderen Seite“ gehören. Es ist zu einer umstrittenen Position geworden, sich gegen das Töten unschuldiger Menschen zu stellen und ein Ende des Krieges zu fordern.“ Dies ist der Beginn der Rede von Isabel Frey, die sie Sonntagabend bei der mittlerweile zweiten Kundgebung innerhalb von zwei Wochen auf dem Platz der Menschenrechte vor dem Wiener MuseumsQuartier gehalten hat – die ganze Rede, die zum Besten und Differenziertesten gehört, das in den vergangenen vier Wochen nach dem ungeheuren brutalen Terror-Überfall der Hamas im Süden Israels gesagt worden ist, darf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… veröffentlichen – sie ist in einem eigenen Artikel, der am Ende dieses Beitrages verlinkt ist.

Konfliktfreier Raum

Mehr als 500 Menschen waren zu dieser „Mahnwache“ vor und rund um das von Ulrike Truger gestaltete Denkmal an Marcus Omofuma, der im Zuge einer Abschiebung im Flugzeug gefesselt mit zugeklebtem Mund erstickte (Mai 1999), gekommen.  Aufgerufen hatte die oben schon kurz beschriebene Initiative „standing.together.vienna“. Zu Beginn wurde gebeten, weder Fahnen noch Logos zu hissen. Die Kundgebung selber solle ein konfliktfreier Raum sein und bleiben – jenseits aller ideologischen, ethnischen, religiösen und sonstiger Unterschiede. Sogar eigene Awareness-Teams wanderten umher, für den Fall, dass sich jemand unwohl fühle oder Angst habe. Diese Ehrenamtlichen blieben „arbeitslos“.

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Kurdische Musik

Den Auftakt zur Kundgebung spielten die kurdischen Musikerinnen und Sängerinnen Sakîna Têyna und Özlem Bulut. Sie kennen das Leben als verfolgte Angehörige einer Minderheit und sangen unter anderem ein Wiegenlied – niemand auf der Welt solle Angst um ein kleines Kind in der Wiege haben!

Kunst und Künstler:innen bekamen überhaupt mindestens soviel Raum wie Redner:innen – wobei manche beides verbanden. So bat das Kunst-Duo Osama Zatar (geboren im palästinensischen Ramallah) und Inbal Volpo (aus Oranit, Israel) um eine Minute der Stille mit brennenden Kerzen. Die beiden sind Teil der Initiative One State Embassy, die wenigstens in der Kunst alle Grenzen der Welt überwinden will.

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Jiddisches Lied

Isabel Frey, die schon eingangs erwähnte Rednerin ist jiddische Sängerin und brachte das Lied „A shtik fun harts“ (Ein Stück vom Herzen – das in viele Teile zerspring/zersprungen ist) von Josh Waletzky zu Gehör – Video-Ausschnitt ist in diesem Beitrag verlinkt. Der bekannte Marwan Abado konnte als Abschluss sein Instrument (Oud) nicht mehr spielen, da nach zweieinhalb Stunden seine Finger schon zu kalt dafür waren, er sang über die Sehnsucht nach einem ganz langweiligen Tag in Palästina, an dem einfach „nichts passiert“ – auch da Videoausschnitte verlinkt.

Medina Abau verwies in ihrer Rede u.a. auf die herkünfte ihrer Eltern - aus dem iran bzw. dem Kosovo
Medina Abau verwies in ihrer Rede u.a. auf die herkünfte ihrer Eltern – aus dem iran bzw. dem Kosovo

Iran, Kosovo

So wie die kurdischen Sängerinnen eigene Erfahrungen mit dem jetzigen Nahost-Krieg verbanden, so tat dies auch die Rednerin Medina Abau. Sie habe eine Mutter aus dem Iran und einen Vater aus dem Kosovo, wo vor Jahren am Höhepunkt der bewaffneten Auseinandersetzungen sie 182 Tage nichts von den Verwandten väterlicherseits gehört und täglich um deren Leben gezittert hätten. Seit dem Vorjahr, seit dem Tod von Jina Mahsa Amini engagiere sie sich verstärkt für die Demokratiebewegung im Heimatland ihrer Mutter.

Nadine Sayegh, Autorin des Buches „Orangen aus Jaffa“, spielte mit dem Brechen von Klischees. Sie begann auf Französisch zu begrüßen, um Arabisch fortzusetzen und sich eine Kufiya (traditioneller palästinensischer Schal) um den Hals zu hängen. Und sie versuchte – trotz der aktuellen fast aussichtslosen Lage auf Frieden – Mut zu machen. Auch in Südafrika sei die Apartheid überwunden, in Ruanda der Völkermord der Hutu an den Angehörigen der Tutsi-Minderheit (geschätzte 800.000 Tote in knapp mehr als drei Monaten), überwunden worden. Auch wenn damit nicht alle Konflikte und Probleme vorbei wären.

Allen Opfern gedenken

Der Tenor aller Reden, aller künstlerischen Beiträge, der gesamten Kundgebung: Allen zivilen Opfern gedenken – und als Konsequenz die Forderung nach einem Waffenstillstand sowie humanitärer Hilfe für die Bewohner:innen Gazas. Der Krieg wirft aber auch Schatten nach Europa, Auswirkungen sind hier spürbar wie der extrem gestiegene Antisemitismus, aber auch antimuslimischer Rassismus habe zugenommen, konstatierte Muna Duzdar, Nationalratsabgeordnete der SPÖ. „Es darf nicht einmal der Eindruck entstehen, dass Menschen feiern, wenn Menschen getötet werden!“, verlangte sie. Anderseits dürften Menschen niemals als „Kollateralschaden“ bezeichnet und getötet werden. Außerdem kritisierte sie das Abstimmungsverhalten des neutralen Österreich in der UNO bei der Resolution, die in der Vorwoche sofortigen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung verlangte.

Ausschnitt aus der Petition
Ausschnitt aus der Petition

Petition

Immer wiesen Redner:innen auf einen herumgereichten, groß ausgedruckten, QR-Code hin, mit dem Teilnehmer:innen zu einer Petition an die österreichische Bundesregierung kamen/über die untern verlinkte Homepage kommen. Diese beginnt mit dem Satz „als Mitglieder jüdischer und arabischer Gemeinschaften in Wien, vereint in unserem Bestreben nach Frieden und Gerechtigkeit in Israel und Palästina und als besorgte österreichische Bürger*innen und Bewohner*innen dieses Staates, sind wir zutiefst bestürzt, sowie enttäuscht darüber, dass Österreich gegen die Resolution der UN-Generalversammlung, die einen sofortigen Waffenstillstand im blockierten Gazastreifen fordert, gestimmt hat.“

Und weiter heißt es: „In einer für so viele Menschen tragischen Zeit verurteilen wir unmissverständlich sowohl die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel, bei denen 1.400 Israelis getötet und über 3.000 verletzt wurden, als auch die israelische Blockade und Bombardierung des Gazastreifens, bei der über 9.000 Palästinenser*innen getötet, zehntausende Menschen verletzt und 1,4 Millionen Zivilist*innen in Gaza zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen wurden.

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Mehr Informationen

Um eine weitere Verschärfung der bereits katastrophalen humanitären Lage zu verhindern, muss die Bombardierung des Gazastreifens sofort eingestellt  und die unverzügliche Lieferung von dringend benötigten Nahrungsmitteln, Wasser, Strom und medizinischer Hilfe sichergestellt werden.

Wir appellieren dringend an die österreichische Bundesregierung, besonders in ihrer Rolle als Vertretung eines neutralen Staates, sich gegen die Tötung aller Zivilist*innen auszusprechen und einzuschreiten. Jede Intervention muss darauf abzielen, die anhaltende Gewalt zu beenden und den Konflikt zu deeskalieren. Wir würden uns auch wünschen, dass sich Österreich für integrative, langfristige Lösungen in der Region einsetzt, um Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit für alle zu erreichen. …“

Shoah nicht instrumentalisieren!

Walter Baier, Vorsitzender der europäischen Linken, der selber, wie er sagte, aus einer kommunistisch-jüdischen Familie stammt – eine Großmutter wurde im KZ Auschwitz ermordet, der Vater überlebte, schwer gezeichnet, das KZ Dachau, fand es unter anderem „un-erträääglich“, dass rechte Politiker zynisch die Shoah, den systematischen Mord der Nazis an Jüd:innen, instrumentalisieren, um den Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung zu rechtfertigen. Dagegen gilt es realpolitisch anzuerkennen, dass es auf diesem Gebiet zwei Völker gibt, die beide das Recht haben, in Sicherheit, Frieden und Würde zu leben.

Die Shoah sei ein Verbrechen weißer Europäer an weißen Europäern gewesen. Dafür heute die Palästinenser:innen haftbar zu machen wäre ein Ausdruck des Kolonialismus, der noch immer die Mindsets in europäischen Staaten präge.

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onestateembassy _ standingtogetherpetition

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

„Zusammenstehen I Standing Together I الوقوف معا I עומדים ביחד“

Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute hierher gekommen sind, um gemeinsam aller zivilen Opfer in Israel und Palästina zu gedenken und für Frieden und Menschlichkeit einzutreten. Ich denke, ich spreche im Namen vieler Menschen hier, wenn ich sage, dass die letzten Wochen absolut verheerend waren. Für viele von uns waren sie nicht nur deshalb verheerend, weil wir oder unsere Freund:innen vielleicht Freund:innen oder Angehörige durch Terror und Krieg verloren haben, sondern auch, weil viele von uns den Raum verloren haben, um um alle zivilen Opfer zu trauern, ob sie nun Israelis oder Palästinenser:innen sind. Ich habe das Gefühl, dass es zu einer umstrittenen Position geworden ist, Empathie für alle Opfer von Gewalt zu empfinden, auch wenn sie zur „anderen Seite“ gehören. Es ist zu einer umstrittenen Position geworden, sich gegen das Töten unschuldiger Menschen zu stellen und ein Ende des Krieges zu fordern. Und es ist noch umstrittener geworden, sich gegen die Besatzung und für die Notwendigkeit eines gerechten Friedens in Israel und Palästina auszusprechen.

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede
Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

„Krieg der Narrative“

In den letzten Wochen habe ich oft daran gedacht, wie mein Vater mir den israelisch-palästinensischen Konflikt erklärte, als ich achtzehn Jahre alt war. Er nannte ihn einen „Krieg der Narrative“, die miteinander völlig unvereinbar sind. Ich habe diese Unvereinbarkeit selbst erlebt, als ich mit einem Narrativ aufwuchs und dann von der Existenz eines anderen erfuhr. Ich bin in einer sozialistisch-zionistischen Jugendbewegung aufgewachsen, nicht weil meine Familie besonders zionistisch war, sondern weil dies die einzige Möglichkeit für ein säkulares jüdisches Leben in Wien war, auch als Folge der Zerstörung des jüdischen Lebens in der Stadt durch das Nazi-Regime. Bis ich 18 war, hatte ich das Wort „Besatzung“ noch nie gehört. Als ich für ein Jahr nach Israel-Palästina kam, begann ich zum ersten Mal zu verstehen, dass mir und den anderen jungen Menschen in meiner Gemeinde nicht die ganze Geschichte erzählt worden war. Als ich 2013 von einer von Breaking the Silence organisierten Tour durch Hebron zurückkehrte, rief ich meine Eltern unter Tränen an und fragte sie: „Warum habt ihr mir das nicht gesagt?“ Seitdem bin ich eine Aktivistin gegen die Besatzung und für Gerechtigkeit, gleiche Rechte und Frieden für alle in Israel und Palästina.

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede
Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

Ver- und Erlernen

Das vergangene Jahrzehnt war auch ein erfreulicher, aber manchmal auch schmerzhafter Prozess des Lernens, zwischen den Erzählungen zu wechseln. Es war ein Prozess des Verlernens – des Verlernens vieler der Erzählungen, mit denen ich aufgewachsen war, des Verlernens meiner eigenen Vorurteile und des verinnerlichten Rassismus; und gleichzeitig ein Prozess des Lernens – des Lernens, zuzuhören und die Erzählungen anderer Menschen zu akzeptieren, und des Lernens, zwischen verschiedenen Erzählungen zu koexistieren. Ich habe daran gearbeitet, einen Raum für das Jüdischsein zu schaffen, der Solidarität mit den Palästinenser:innen ermöglicht – Teil einer jüdischen Gemeinschaft zu sein und gleichzeitig die ethno-nationalistischen Tendenzen in ihr in Frage zu stellen und Teil einer breiteren nicht-jüdischen Linken zu sein, die das Recht der Israelis auf ein Leben in Sicherheit, Frieden und Selbstbestimmung akzeptiert und sich gegen alle Formen von Antisemitismus oder Judenhass wendet, während sie für eine gerechte und friedliche Zukunft für alle arbeitet. Diese Arbeit erforderte es, sich zwischen den Welten zu bewegen, die Worte sorgfältig zu wählen, und brachte es auch mit sich, dass ich mich dabei manchmal verbrannte. Aber ich blieb hartnäckig, weil ich der Meinung war, dass es sich zutiefst lohnt.

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede
Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

Alles brach zusammen

Am 7. Oktober, seit dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilist:innen in der Grenzregion des Gazastreifens, fühlte es sich an, als ob alle Errungenschaften meiner Arbeit der letzten zehn Jahre einfach in Stücke zerbrachen. Es fühlte sich an, als ob alle Vermittlungskanäle, die ich aufgebaut hatte, plötzlich zusammenbrachen, als ob alle verständnisvollen Ohren plötzlich aufgehört hatten zuzuhören. Einige nichtjüdische Aktivist:innen, die ich als Verbündete im Kampf für palästinensische Freiheit betrachtet hatte, weigerten sich, Worte der Trauer für die 1400 von der Hamas getöteten israelischen Zivilist:innen zu finden und legitimierten diese brutale Gewalt manchmal sogar als notwendigen Widerstand. Einige jüdische Menschen aus meiner Gemeinde, die bis dahin nie virulent gewesen waren, riefen plötzlich zur Rache an unschuldigen Zivilist:innen und zur Kriminalisierung jeglicher Palästina-Solidaritätsaktivität auf. Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen der Trauer um die von der Hamas getöteten und entführten Menschen, bei denen es sich manchmal um entfernte Verwandte handelte, die aber auch enge Freund:innen oder Familienangehörige hätten sein können, und der Trauer um die unschuldigen Menschen, die in Gaza durch Israels wahllose Bombardierungen getötet wurden und die nie mit einem anderen Namen als „Kollateralschaden“ bedacht oder anerkannt wurden. Aufgrund dieses Gefühls des Auseinanderfallens beschloss ich, eine Mahnwache zu organisieren, bei der es darum ging, zusammenzustehen, so schwierig das auch erscheinen mag.

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede
Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

Brücken bauen

Aber wie können wir in solchen Zeiten, in denen jeder Dialog oder jede gegenseitige Akzeptanz unmöglich erscheint, zusammenstehen? Es ist naiv zu glauben, dass wir die tiefen Gräben, die das jüdische und das palästinensische Volk so weit voneinander entfernt erscheinen lassen wie nie zuvor, vollständig überwinden können. Was wir jedoch tun können, ist, Brücken zu bauen, Brücken des Verständnisses, die es ermöglichen, dass unterschiedliche Erzählungen, Geschichten und Traumata nebeneinander bestehen können. Wir müssen verstehen, dass die schrecklichen Berichte über das Massaker jüdische Menschen weltweit an das Trauma jahrhundertelanger antisemitischer Gewalt in Europa und deren völkermörderischen Höhepunkt in der Shoah erinnern. Wir müssen verstehen, dass die Bilder von hunderttausenden Menschen im Gazastreifen, die ihre Heimat verlassen, die Palästinenser:innen weltweit an die Massenvertreibung und ethnische Säuberung erinnern, die sie seit Beginn der Nakba, der Katastrophe, bis zur Gründung des Staates Israel durchlebt haben. Verstehen, dass die Angst vor antisemitischen Angriffen die in Wien lebenden Juden und Jüdinnen an die Zerstörung jüdischen Lebens in dieser Stadt während des Naziregimes erinnert. Verstehen, dass in Wien lebende Palästinenser:innen, die die israelische Flagge auf dem Dach des Bundeskanzleramtes sehen, während sie als Hamas-Anhänger:innen kriminalisiert werden, weil sie um ihre in Gaza getöteten Verwandten und Freund:innen trauern wollen, sie an die jahrzehntelange Vernachlässigung und Unterdrückung der individuellen und kollektiven Rechte ihres Volkes in Israel und der Welt erinnert.

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede
Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

Zusamenstehen

Verstehen ist nicht gleichbedeutend damit, gleich zu werden. Es setzt nicht voraus, dass man die Erzählung eines/einer anderen vollständig akzeptiert und seine eigene aufgibt. Es bedeutet einfach, diese unterschiedlichen Realitäten nebeneinander bestehen zu lassen und Möglichkeiten zu finden, Brücken zwischen ihnen zu bauen. Ich glaube, dass wir alles tun müssen, was wir können, um zu verhindern, dass wir noch weiter auseinander getrieben werden, und dass wir fest zusammenstehen müssen gegen die Tötung unschuldiger Menschen, gegen Krieg, Besatzung, Massentötungen und Massenvertreibungen, und dass wir auch in den schlimmsten Zeiten weiter zusammenstehen müssen für Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit für alle Menschen, die in Israel und Palästina leben.

Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede
Isabel Frey bei ihrer vielbeachteten Rede

Israelische Aktivistin

Ich möchte mit einem Zitat der israelischen Aktivistin Sahar Vardi schließen, das mich sehr berührt hat. Sie schreibt: „Wir, die Linken, werden oft einer doppelten Loyalität bezichtigt. Und an Tagen wie diesem spüre ich das wirklich.“ Und weiter: „[…] Loyalität ist vielleicht nicht das richtige Wort. Es ist doppelter Schmerz, doppelter Herzschmerz, Sorge, Liebe. Es bedeutet, die Menschlichkeit von allen zu bewahren. Und das ist schwer. Es ist so schwer, hier Menschlichkeit zu haben. Es ist anstrengend, und es fühlt sich an, als ob die Welt dich immer wieder auffordert, loszulassen. Es ist so viel einfacher, „eine Seite zu wählen“ – es ist fast egal, welche. Entscheiden Sie sich einfach für eine Seite und bleiben Sie dabei, um zumindest den Schmerz zu verringern, den Sie empfinden. Und zumindest das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein und nicht so allein mit all dem. Als ob das wirklich eine Option wäre. Als ob wir nicht verstehen würden, dass unsere Schmerzen miteinander verbunden sind.“

Hier unten geht es zu einem Bericht über die Kundgebung, bei der Isabel Frey die obige Rede – dort auf Deutsch und Englisch – gehalten hat; mit Fotos und Videos.

Ballons bei der Lichtermeer-Kundgebung gegen Terrorismus, Antisemitismus... November 2023

Bringt sie – die Geiseln – nach Hause

Der vielleicht leiseste sichtbare Protest unter den rund 20.000 Teilnehmer:innen der Lichtermeer-Kundgebung gegen Terror, Hass, Gewalt und Antisemitismus stand auf drei weißen Luftballons: Bring them home, Yes we care, Stop Antisemitsim.

Bringt/holt sie nach Hause – damit sind die rund 240 Geiseln gemeint, die Terroristen der Hamas am 7. Oktober 2023 nach Gaza verschleppt haben. Zuvor hatten sie in koordinierten Angriffen etwa 1.400 Menschen ermordet, ja richtiggehend abgeschlachtet. Wie schon mehrfach erwähnt: Der größte Massenmord an Jüd:innen nach dem Holocaust, der systematischen Tötung durch die Nazis in der Zeit der faschistischen Herrschaft und des zweiten Weltkriegs.

Ballons bei der Lichtermeer-Kundgebung gegen Terrorismus, Antisemitismus... November 2023
Ballons bei der Lichtermeer-Kundgebung gegen Terrorismus, Antisemitismus… November 2023

Die Kundgebung am 2. November 2023 thematisierte aber auch die seit diesem Überfall im Süden Israels steigende Anzahl antisemitischer Attacken – in Wien etwa den Brandanschlag auf den jüdischen Teil am Wiener Zentralfriedhof mit Hakenkreuz-Schmierereien an der Mauer oder das Runterreißen der israelischen Flagge an der Außenmauer der Synagoge in der Wiener Innenstadt.

Gedacht wurde auch der Opfer des Terroranschlags in Wien drei Jahre zuvor. Organisiert worden war die Kundgebung von der Initiative „Yes we care“ (ja, wir kümmern uns), die schon in der Corona-Zeit mit Lichter-Ketten und -Ringen gegen den damals aufkommenden Hass beispielsweise gegen Pflegepersonal und für Gemeinsamkeit, Zusammenstehen demonstrierte.

Online-Plakat für die Mahnwache am 5.11.2023
Online-Plakat für die Mahnwache am 5.11.2023

Am Sonntag, 5. November 2023, findet übrigens auf dem Platz der Menschenrechte (Mariahilfer Straße neben dem MuseumsQuartier) eine Mahnwache für die zivilen sowohl israelischen als auch palästinensischen Opfer statt – zu der „standing.together.vienna“ (Jüdisch-arabische Initiative in Wien für Frieden in Nahost) aufruft.

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Das Interview-Quartett: Ami, Ehab, Hanna und Ido

Jenseits politischer Differenzen als Menschen respektiert

Mitte der Woche (12. Juli 2023) ging das 17. PeaceCamp, das erste nach den Pandemiejahren, zu Ende. Zehn Tage lang hatten Jugendliche aus Israel – jüdische und arabische -, Ungarn und Österreich gemeinsam Spiel, Spaß. Kreative Workshops und (heftige) Diskussionen. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… war bei der abschließenden Show4Peace im Dschungel Wien – zu einem Bericht darüber gibt’s den Link unten am Ende dieses Beitrages. Vier der Teilnehmer:innen erzählten dem Reporter über ihre Eindrücke: Ido (16) aus Kfar-Hasidim (Israel), Ehab (16) aus Nazareth (Israel), Hanna (16) aus Budapest (Ungarn) und Ami (17) aus Wien (Österreich).

Ido: Ich war vor den zehn Tagen sehr aufgeregt. Und kurz gefasst, das PeaceCamp brachte mehr als ich erwartet habe mit all diesen wundervollen Menschen und jetzt ist es wenige Stunden vor dem Abschiednehmen.

Natürlich spielte der Konflikt zwischen Israel und Palästina eine große Rolle, es war Platz und Zeit, darüber intensiv zu diskutieren. Aber aufgrund der vielen gemeinsamen Aktivitäten haben wir nicht zu viel darüber geredet. Und selbst dann, wenn wir intensiv diskutiert haben, waren wir alle freundlich und nett zueinander. Das ist mein Eindruck von dem, was PeaceCamp kann. Als Kids, als Jugendliche ist es vielleicht noch leichter zu begreifen: Wir sind alle Menschen.

Ehab: Die ersten beiden Tage hatten wir nur Spaß, konnten Teenager sein. So war es einfach, den Kontakt zueinander zu knüpfen. Ja, und dann kamen die großen Runden dazu, in denen wir ernsthaft diskutierten. Was ich am PeaceCamp mochte und mag, ist wie intensiv auch immer die Diskussionen waren, gleich danach waren wir einfach die Teenager wie in den ersten beiden Nur-Spaß-Tagen. Wir haben nie politischen Fragen vermischt mit dem, wer wir als Menschen sind. Wie unterschiedlich auch unsere Standpunkte waren oder sind, wir respektieren und mögen einander einfach als Menschen.

Hanna: In den zehn Tagen habe ich all die anderen Jugendlichen als Menschen kennengelernt, sie sind nun alle meine Freund:innen. Und es ist jetzt ein paar Stunden vor dem Ende echt schwer, Abschied zu nehmen. Aber ich hoffe, dass wir weiter alle in Kontakt bleiben können, um miteinander zu reden. Wir haben gemeinsame Erfahrungen gemacht und die sind sehr wichtig.

Ami: Die Menschen, die ich hier getroffen habe, haben wirklich mein Leben verändert, weil ich viel über alle anderen hier, über sie und ihre Kultur, gelernt habe. Ich habe auch an Aktivitäten anderer Religionen teilgenommen. Ich habe gelernt, Probleme auf unterschiedliche Art zu lösen. Und ich bin glücklich“, strahlt die Wiener Schülerin, die im Gegensatz zu ihren drei anderen Interview-Kolleg:innen die Information über das PeaceCamp nicht in ihrer Schule, sondern im Jugendzentrum bekommen hat. „Ich plane eine Reihe von Video-Calls mit Teilnehmer:innen, ich will ständig in Kontakt mit ihnen bleiben, weil die zehn Tage zu schnell vergangen sind. Aber ich habe viele Erinnerungen, viele Bilder und ich bin glücklich und weiß, in vielen Monaten oder Jahren werde ich zurückblicken und sicher nicht bereuen, mich auf diese zehn Tage eingelassen zu haben.“

Das Interview-Quartett: Ami, Ehab, Hanna und Ido - mit Lia in der Mitte, die heuer im Leitungsteam - und 2004 als Jugendliche beim allerersten PeceCamp dabei war
Das Interview-Quartett: Ami, Ehab, Hanna und Ido – mit Lia in der Mitte, die heuer im Leitungsteam – und 2004 als Jugendliche beim allerersten PeceCamp dabei war

Großartige Gelegenheit, raus aus der Komfortzone

Ido erfuhr in der Schule und ist einer von acht, die teilnehmen durften, Ehab hat’s auch in der Schule erfahren. Hanna wurde nur vom Englisch-Lehrer informiert und findet es einen Fehler, dass es nicht in der Schule allgemein verbreitet wurde, dass es diese Chance gibt. „Zuerst hab ich mich nicht getraut, aber dann hat mich meine Mutter ermutigt, aus meiner Komfortzone rauszugehen und mich doch für die Teilnahme anzumelden. Ich bereue es auf keinen Fall!“ Ami besucht seit 2019 ein Jugendzentrum in Wien, das von Lia Böhmer geleitet wird. Sie ist die Tochter der beiden Gründer:innen von PeaceCamp. „Sie hat mir das empfohlen und weil ich ihr vertraue, bin ich da.“

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