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Die Stützpfeiler müssen weg gezwickt bzw. gefeilt werden

„Hier dürfen wir malen und basteln, was uns einfällt!“

Wer bin ich? Bin ich vielleicht wie du? Oder gibt’s mich gar doppelt – einmal in klein, aus Schokolade oder als Eiswürfel? Beim künstlerischen Schaffen tauchen Jung- und Jüngst-Studierende an der kinderunikunst „nebenbei“ auch ins Philosophieren ein.

Klingt, pardon liest sich der Anfang vielleicht ein wenig verwirrend, so wird das natürlich hier in diesem Beitrag – mit vielen Fotos und einigen Videos – doch aufgelöst. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … besuchte nach dem Auftakt der Kinderuni Wien auch das kreative Gegenstück an der Universität für Angewandte Kunst am Oskar-Kokoschka-Platz, wo sich das künstlerische Schaffen der jungen Student:innen in der zweiten Woche konzentrierte. In der Woche davor waren andere Kunst-Unis und -Einrichtungen in Wien und Niederösterreich „Spiel“Orte der kinderunikunst – mit insgesamt rund 3000 Plätzen in 153 Kursen, Workshops, Ateliers plus vier Online-Lehrveranstaltungen.

Unsichtbarer Vorhang

Nun also zunächst zu den ersten Fragen. „Vorhang auf!“ heißt es die ganze Woche in einem Theater-Workshop. Mira Lobes und Susi Weigels „Das kleine ich bin ich“, das es auch in vier-, drei- und zweisprachigen Versionen gibt (zuletzt im Vorjahr auf Deutsch und Ukrainisch erschienen) bildet die Basis für das Stück, das die Kinder mit den Lehrenden (Anne und Julija) erarbeiten. Aber nur die Grundlage. Nilpferd wollte niemand sein und so dachten sich die Student:innen für diese Begegnung des Wesens das alle Tiere fragt, wer es sein könnte, Schildkröten aus. Statt Kühen gibt es Füchse und aus den Fischen wurden Orcas. UND es gibt zwei Wesen, die gemeinsam das kleine ich bin ich spielen: Frederica und Emma. Erstere erzählt Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… : „ich spiel gern Theater, wegen Corona sind in der Schule die Aufführungen jahrelang ausgefallen, in der vierten Klasse ist dann nicht mehr viel übrig geblieben. Hier hab ich die Chance gehabt, endlich eine Rolle mit viel Text spielen zu können. Das wollten auch andere, am Anfang waren’s sogar drei, aber jetzt spielen die Emma und ich die Hauptfigur, die auf andere Tiere trifft.“

Bei den anderen springen und laufen bei der Probe, die der Reporter sehen, filmen und fotografieren darf, vor allem die Pferde – Nora, Meta, Carla, Grete und Nives – lustvoll im Kreis. Bevor sie den beiden Suchenden sagen, dass diese keine Pferde sind. Am Ende – so viel darf schon verraten werden, weil es ohnehin keine Abschlussveranstaltung mit Präsentationen gibt, rufen alle laut, selbstbewusst und voller Lust, die Erkenntnis: Ich bin ich. Vielleicht sogar in mehreren Sprachen 😉

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Miniatur-„Zwilling“

„Oder gibt’s mich sogar doppelt?“ – diese am Anfang gestellt dritte Frage bezieht sich nicht darauf, dass es zwei kleine Ich bin ichs gibt, sondern auf einen ganz anderen Workshop, einen aus dem Bereich Architektur namens „Gemacht aus Schokolade“. Bence, Janna und Luca scannen die einzelnen kinderunikunst-Student:innen dreidimensional, lassen die Köpfe aus weißem Filament ausdrucken. Und dann arbeiten die Kinder mit kleinen Zangen und Feilen, um die Stützpfeiler des 3D-Drucks weg zu zwicken, -feilen und den kleinen Kopf, dessen Gesichter wirklich gut zu erkennen sind, freizulegen. Ob das nicht ein komisches Gefühl sei, sozusagen am Ebenbild des eigenen Kopfes herumzufeilen, will der Journalist wissen. „Irgendwie fühlt sich der kleine Kopf wie ein Zwilling von mir an und ich hätte nicht gern, dass meine Schwester auf meinem Kopf herumfeilt“, lächelt Johanna Lani und schickt noch gleich die Erklärung nach, dass ihr zweiter Vorname Hawainisch sei und Himmel bedeute. Während sie und Flora ihre Gesichter freikriegen, suchen die Lehrenden mit dem letzten ausgedruckten Kopf, zu wem der kinderunikunst-Studenten der gehört, denn dass es sich um einen Bubenkopf handelt, haben sie schon herausgefunden.

Schoko, Eis oder wie auch immer

Die kleinen Köpfe sind aber gar nicht das Endprodukt des Workshops, erklärt Bence. In der Mittagspause sägt er von einem langen Rohr lauter kleine Stücke ab und baut sie auf einer Platte auf. Mittlerweile pickt in jeder der kurzen Rohr-Stücke je ein Kopf, er rührt lebensmittelechtes Silikon mit einem „Vernetzer“ an, zwei der Kinder-Studentinnen lösen ihn beim Rühren ab. Die zähe Flüssigkeit wird in die Rohre rund um die 3D-Köpfe gegossen. Und muss über Nacht trocken und fest werden. Dann können die Kinder die Abguss-Formen ihrer Köpfe selber mit flüssiger Schokolade füllen oder zu Hause mit Wasser und ins Tiefkühlfach stellen um Eiswürfel, natürlich nicht-würfel, sondern Eis-Köpfe zu haben – oder was auch immer – jedenfalls mit ihrem eigenen Antlitz 😉

Gips, Holz, Metall, Farben …

Fast klassisch, aber in ihren eigenen Fantasiewelten malen die Kinder mit Golnaz in „Faszination Illustration“ – mit abstrakten Wellen- oder Kreisformen erschaffen sie ihre Bilderwelten, die in den „warmen“ Farben sind schon fertig und liegen zum Trocknen auf dem Boden, nun sind die kälteren, die Blautöne dran…

Im Raum daneben spielt Farbe auch eine Rolle, aber nur eine unter vielen. Hier sind Mina, Livia, Sebastian und ihre Mitstudent:innen an der „Materialerkundung durch Malerei“. Mina hat vor sich einen aus Gips gegossenen kreisförmigen Hügel, den sie bemalt. Sie freut sich vor allem, „dass wir hier machen können, was uns einfällt und nicht wie in der Schule, was uns gesagt wird und dann schauen alle Bilder gleich aus. Kunst ist doch, wenn jede und jeder was Eigenes schafft!“ Und so werken die einen einfach drauflos und schauen, was dabei rauskommt, andere gehen nach Plan vor. Sebastian, der seine Kreativität auch schon vorher bei seinem kinderunikunst-T-Shirt ausgelebt hat, in dem er einen der Kurzärmel zerschnitten, verflochten und verziert hat, schneidet nun an einem Hasengitter, das er an eine kreisrunde Holzscheibe montiert hat und erklärt: „Das wird ein Vogelhaus. Ich bastle gerne, auch wenn ich finde, dass das nicht meine Stärke ist“, was angesichts seiner Geschicktheit doch verblüfft.

Zwei Tische bohren abwechselnd zwei der Kinder – der eine an einem Holzwürfel, damit er ihn bei seinem aus Holz und Gips gebauten Objekt auf ein wegstehendes Teil draufstecken kann, der andere an einem geringelten Kunststoffschlauch, der aus seiner Holz-Gips-Ablagefläche „wächst“.

Farb-Berge

Viel gemalt – aber ohne direkt mit Pinsel – wird auch noch in einem weiteren Workshop, in den Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… kurz hineinschaut. „Ich brauch doch keinen Pinsel“ läuft übrigens zweisprachig – Deutsch und Ukrainisch – ab. Pinsel werden höchstens dazu verwendet, Farbe aufs Papier zu spritzen, aber ansonsten wird viel mit in Farbe getunkten Fingern oder kräftigen Farbtuben selbst gearbeitet, sodass teils dreidimensionale Farbberge entstehen.

Digital

Die Bandbreite der künstlerischen Betätigungsmöglichkeiten bei der kinderunikunst ist riesig. Da dürfen natürlich Computer nicht fehlen. Vor großen Bildschirmen programmieren bei „Kunst mit Code“ die Student:innen meist kleine Spiele mit Scratch. Für die meisten ist diese bausteinartige Programmier-Tool schon aus der Schule bekannt – aus Informatik, digitaler Grundbildung oder wie in der Schule von Oskar und Nils wo es sogar ein Freifach Coding gibt. Nils erzählt dem Reporter: „Ich hab schon 76 Spiele programmiert, aber nur zwei hab ich veröffentlicht – als Nilgra.“ Haibecken und ein Geschicklichkeitsspiel kannst du auf der Scratch-Site finden und spielen.

Während die meisten zu Figuren und Objekten aus dem großen Angebot von Scratch greifen, zeichnet Oskar auf dem Computer Figur sowie Werkzeuge für sein Spiel „Hau den Putin“ selbst. Während des KiJuKU-Lokalaugenscheins arbeitet er gerade in einer stark vergrößerten Ansicht an dunkle- und hellgrauen Pixel für einen Schlaghammer.

Am Computer vor ihm programmiert die viersprachige Jana – Ukrainisch, Russisch, Englisch und Deutsch – ein Spiel, in dem eine Katze möglichst die durch die Luft fliegenden roten Herzen fangen muss/soll/kann/darf 😉

Aus Alt mach Neu

Wieder zurück zu handfesteren Materialien. Stolz hält Max dem Reporter, der auch fotografiert, seine Halskette in die Kamera, die er hier im Workshop „Aus Alt mach neu“, der jeden Tag unter einem anderen Motto steht, gebastelt hat. An diesem Tag stand Schmuck auf dem Programm. Knöpfe, Kügelchen, Schnüre, Draht und viele andere Materialien standen den Kindern zur Verfügung. Nachdem Max den Bann gebrochen hatte, kommen viele der Kinder-Student:innen und präsentieren Ohrringe aus alten Kaffeekapseln, Ringe, Armbänder, Ketten – und immer wieder eigenhändig aus Papier gefaltete Schuck-Schachteln – mitunter mit sauberen Putzschwämmen ausgelegt, in die sie die Drähte der kreierten Ohrringe einhängen. Manche Schmuck-Teile haben sie aus lackiertem Draht angefertigt, den sie sich nun von Claudia-Eva, der Workshopleiterin mit einem Heißkleber beispielsweise auf kleine Kunststoff-Schmetterlinge picken lassen, die wiederum auf Haarspangen oder andere ihrer hergestellten Schmuckteile draufkommen.

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Doppelseite aus "Lollo" von Mira Lobe und Susi Weigel

Puppendoktorin aus der Müllhalde

Nachhaltigkeit – davon reden viele. So manche tun auch was dafür – so präsentierten bei zwei großen Bewerben (Jugend Innovativ und Junior Companys) ältere Schüler:innen – Oberstufe – ganz handfeste, konkrete Projekte, mit denen sie Müll vermeiden bzw. Dinge recyclen: Zweites Leben für alte Akkus beispielsweise (ReCell), ein schulübergreifendes Netzwerk zum Kleidertausch und mehr, Verarbeitung von Brotrestln, die weggeworfen worden wären zu köstlichen Crackers (Scherzl mit Herzl)… – Links zu Ersteren unten am Ende des Beitrages, die Reportage über die Junior-Firmen von Schüler:innen folgt am 8. Juni 2023.

So wichtig der Gedanke der Nachhaltigkeit gerade heute ist, einige Menschen haben schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, etwa die (leider längst verstorbenen) Kinderbuchmacherinnen Mira Lobe und Susi Weigel (bekannt nicht zuletzt für „Das kleine Ich bin ich“ oder „Die Geggis). In „Lollo“ – das noch, vertont und mit interaktiven Workshops für Kinder – am 7. Juni 2023 im Dschungel Wien läuft. Dort ist auch schon kurz das Bilderbuch erwähnt, auf dem die Geschichte aufbaut.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Lollo“ von Mira Lobe und Susi Weigel

Schwarze Puppe

Es ist übrigens ein für Bilderbücher ganz schön dickes – 72 Seiten Inhalt mit – wie es für die Bilderbücher dieses Duos praktisch immer der Fall war Reimen. Lollo ist eine – auch das eher für die Entstehungszeit ungewöhnlich in Österreich (1987) schwarze Puppe mit der damals üblichen N-Wort-Bezeichnung, die in der Neuauflage 2013 erklärt wird, weshalb dieses Wort eigentlich vermieden werden sollte, weil es für die Betreffenden abwertend verwendet wird.

Also, diese Lollo kämpft sich aus der Müllhalde heraus, sucht sich dort Stoff, aus dem sie sich ein Kleid anfertigen kann. Stoff verwendet sie sozusagen als Puppendoktorin nun auch, um anderen Spielzeugfiguren und -tieren zu helfen, sie zu verarzten. Aus Weggeworfenem, weil da und dort was fehlt, wird wieder vollwertiges Spielzeug.

Freundschaft, Zusammenhalt

Neben diesem Re- oder Upcycling spielt Zusammenhalt und Freundschaft – wie in praktisch allen Mira-Lobe- und Susi-Weigel-Büchern eine große Rolle. Sogar die kleinen Mäuse, die zu Dieben werden und den wertvollen Stoff stehlen, der als Bandagen bei den Verletzungen dient, werden zwar gestellt, aber nicht ausgeschlossen, sondern einbezogen – sozusagen resozialisiert 😉

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Lollo“ von Mira Lobe und Susi Weigel
Doppelseite aus dem neu aufgelegten Kinderbuch "Ingo und Drago"

Buntes Ei statt Ball – das ungewöhnlichste Haustier

Ingo, ein Bub im Vorschulalter, spielt im Park allein mit seinem Fußball. Schießt ihn weit weg, hinter die Büsche am Rande des Spielplatzes. Kriecht hinein, um den Ball zu suchen. Findet ihn nicht. Dafür aber ein buntes, rundes Ding. Das ist nicht sein Ball bemerkt er schnell, es ist nicht kugel-, sondern anders-rund – wie ein Ei. Um ein solches handelt es sich auch.

Der Ball ist vergessen, das Ei wie ein geheimnisvoller Schatz. Sachte, sanft unter T-Shirt verborgen trägt Ingo es nach Hause. Tage später schlüpft ein Lebewesen heraus. Anfangs graust dem Buben und seiner Schwester Marion richtiggehend davor. Doch nach und nach wird es ein ungewöhnliches, aber niedliches Tierchen. Bewundert von allen, ganz fest ins Herz geschlossen von Ingo.

Und wieder ließ sich die Autorin, die bekannte Mira Lobe – 1913, am 17. September, geboren als Hilde Mirjam Rosenthal, 1995, am 6. Februar, gestorben – eine Wendung einfallen: Drago, wie Ingo das Tier nennt, das ihn an Dinosaurier erinnert, wird groß und größer, wild und wilder. Die Wohnung zu klein, das Futter zu wenig, Kaum auszuhalten. So viel zerstört er. Doch weggeben, wie die Eltern sagen? Nein, das will er keinesfalls.

Tante Slatka wiß übrigens, dass dies in einer anderen Sprache lieb und teuer heißt (wird auf Bosnisch, Kroatisch, Serbisch oft als Ansprache verwendet: sozusagen Drago Drago wäre Lieber Drago). Die Familie meint, dass Drago mittlerweile eher teuer als lieb geworden wäre.

Hin und her gerissen zwischen der Liebe zu Drago und dem Angefressensein, dass der kleine Drache so viel kaputtmacht, lässt Mira Lobe im Text – untermalt von Bildern ihrer jahrzehntelangen kongenialen Illustratorin Susi Weigel – den kleinen Buben einen Ausweg suchen – und finden. Immerhin scheint sich sein Liebling ja doch auch in der Beengtheit einer Stadtwohnung auch nicht wohlzufühlen. Aber verkauft oder im Zoo abgegeben – nein, das kommt nicht in Frage. Dazu ist Ingo zu gefühlvoll. Und darum ging’s der Autorin sicher in dem vor fast 50 Jahren (1975) erstmals erschienen Buch, das nun neu, leicht überarbeitet, aufgelegt wurde – sozusagen zum zweifachen 100er: der Verlag Jungbrunnen feiert heuer ebenfalls sein erstes Jahrhundert. Und Mira Lobe hat fast 100 Bücher geschrieben; ihr Geburtstag jährt sich heuer zum 110. Mal

Ach ja, Drago – ob es ihn wirklich gibt oder er vielleicht auch nur in Ingos Fantasie lebt, wer weiß – liefert am Ende eine ganz schöne Überraschung: Ach nein, kein Spoilern des Endes 😉

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Titelseite des neu aufgelegten Kinderbuchs
Titelseite des neu aufgelegten Kinderbuchs „Ingo und Drago“