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Ausschnitte aus den Titelseiten der beiden Bücher von und über Alja Rachmanowas Tagebuchroman "Milchfrau in Ottakring"
Ausschnitte aus den Titelseiten der beiden Bücher von und über Alja Rachmanowas Tagebuchroman "Milchfrau in Ottakring"
28.10.2023

Weit mehr als eine Gemischtwarenhändlerin

Der Tagebuchroman der „Milchfrau in Ottakring“ und eine übersichtliche Biographie mit tiefen Einblicken.

„Übers Lebm von de oamen Leit“ hab ich vor viereinhalb Jahren die Stückbesprechung „Das Milchgeschäft in Ottakring“ betitelt. Das Theater Forum Schwechat hatte damals den in Vergessenheit geratenen Erfolgs-Tagebuchroman (in der ersten Republik) von Alja Rachmanowa ausgegraben und inszeniert (Regie und Buch: Marius Schiener, gespielt von Manuela Seidl und Johannes Kemetter – mit Live-Klavierbegleitung von Gabor Rivo). Für die Erarbeitung des Stückes hatte das Team auch Ilse Stahrs Biographie über Rachmanowa herangezogen.

Hier nun eine kurze Besprechung der beiden Bücher. Zunächst natürlich das Original „Milchfrau in Ottakring“. Von ihrem Ehemann Arnulf Hoyer vom Russischen ins Deutsche übersetzt, liefert die Autorin Alexandra Galina Djuragina (Alja Rachmanowa war ihr Künstlerinnen-Name) detaillierte Einblicke in das Leben in der Vorstadt – übrigens in Währing (Ecke Schumanngasse/ Hildebrandgasse). Von den Anfeindungen als Ausländerin bittere Armut, Betrügereien, (offene) Geheimnisse von Kund:innen bis zu tiefem Heimweh. Sie wurde in Russland geboren wo sie unter anderem ein Literaturstudium absolvierte. Dort lernte sie ihren aus der Gefangenschaft im ersten Weltkrieg entlassenen österreichischen Ehemann kennen, die beiden bekamen ein Kind – Jurka. Die junge Familie wurde – sie aus einigermaßen wohlhabender Familie, er aus kleinadeligen Verhältnissen – Mitte der 20er Jahre aus der damaligen Sowjetunion ausgewiesen.

Gedenktafel für Alexandra von Hoyer alias Alja Rachmanowa
Gedenktafel für Alexandra von Hoyer alias Alja Rachmanowa

Das Pendeln zwischen tristem, mühsamem Alltag einerseits und nachts vielen Träumen an die Vergangenheit in Russland spielt in vielen der Tagebucheinträge eine große Rolle. Bei letzteren finden sich sowohl solche über die Angst vor der Verfolgung ebenso wie jene der Sehnsucht nach der Natur ihrer Heimat einer- und vor allem der russischen (Schrift-)Kultur andererseits.

Biographie

Ilse Stahr schrieb „Das Geheimnis der Milchfrau in Ottakring – Alja Rachmanowa. Ein Leben“. Diese Biographie erschien 2012. Im Vorwort erzählt die Autorin, dass sie in ihrer Zeit im Realgymnasium in Bregenz (Vorarlberg) von einer Tante zunächst den ersten Band er Tagebücher Rachmanowas bekommen hat, später die anderen las und darüber immer Referate hielt.

Später nahm sie Kontakt mit der – in der Zwischenzeit in der Schweiz lebenden – Autorin – und hat briefliche Antwort bekommen. Als Stahr die Todesmeldung in der Zeitung las (1991) begab sie sich auf Spurensuche, fuhr nach Ettenhausen (Kanton Thurgau), traf Maria Sprenger, die Nachbarin der Verstorbenen. 40 Jahre lang kannte Sprenger die Autorin, wurde zuletzt auch deren Pflegerin. Rachmanowas Nachlass war schon in der Kantonsbibliothek, Stahr bekam aber „eine große Kiste „Salzburger-Briefe“, Dias, Fotos, Zeitungsausschnitte und vieles mehr“.

Daraus und aus vielen Gesprächen mit Zeitgenoss:innen Rachmanowas verfasste Ilse Stahr den „Lebenslauf einer Romanheldin“. Auf den ca. 230 Seiten finden sich auch mehr als vier Dutzend Fotos, Privataufnahmen von Alexandra Galina Djuragina/Hoyer. Und zitierte immer wieder auch literarische und andere Vorbilder, u.a.: „Als Leitmotiv für ihr Studententagebuch wählt Alja Rachmanowa eine Aufforderung des russischen Märtyrers Awwakum aus dem siebzehnten Jahrhundert: »Du magst ohne Furcht sprechen, wenn Du Dich nur durch Dein Gewissen leiten lässt!«“

Am Ende des Buches fügte Ilse Stahr eine knappe übersichtliche Zeittafel ebenso an wie ein Liste der Werke Alja Rachmanowas, Sekundärliteratur, ein Begriffs-erklärungs-Glossar, Pressestimmen sowie ein Personenregister samt Seitenangaben in der Biographie an, womit sie einen wunderbaren Über- und so manche Einblicke in das Leben und die literarische Arbeit von Alexandra Galina Djuragina/Hoyer liefert.

Follow@kiJuKUheinz

Schwechater Stückbesprechung – noch im KiKU

BÜCHER-INFOS

Text: Alja Rachmanowa
Übersetzung aus dem Russischen: Arnulf Hoyer
Vorwort: Dietmar Grieser
Milchfrau in Ottakring
ca. 290 Seiten
Amalthea Verlag
12 €
eBook (ePub): 9,99 €

*** Text: Ilse Stahr
Das Geheimnis der Milchfrau in Ottakring
Alja Rachmanowa. Ein Leben
Mit vielen Fotos aus dem Privatarchiv Rachmanowas
230 Seiten
Amalthea Verlag
9,95 €