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Bildmontage aus Elementen der Titelseite von "Niemand so wie ich?"
Bildmontage aus Elementen der Titelseite von "Niemand so wie ich?"
29.03.2024

Mit Niki kannst du einfühlsam ihr Hin- und Her-gerissen-Sein nachvollziehen

In „Niemand so wie ich?“ kommst du mit der Hauptfigur spannend geschriebenen Geheimnissen einer Familie nahe.

„Ich zählte, um mich abzulenken von dem Gefühl, dass ich nicht auf dem Untersuchungstisch liegen will und nicht von allen angeschaut werden möchte. Ich zähle, um keine Fragen beantworten zu müssen. Denn wenn ich zähle, bin ich nicht dort, sondern unterwegs woanders hin, wo es nicht außergewöhnlich ist, dass ich so bin wie ich bin. Ein Land, wo alle so sind wie ich und wo es komisch ist, gewöhnlich zu sein. Ein Land, in dem man sich nicht zwischen Mädchen- und Jungesein entscheiden muss.“

Niki, elf Jahre, wird immer wieder damit konfrontiert, irgendwie anders zu sein. Eigentlich kommt Niki oft damit gut zurecht, warum soll sie sich entscheiden Mädchen oder Bub zu sein, warum reicht es nicht, einfach Niki zu sein?!

Doppelte Existenzen

Einfühlsam beschreibt Rachel van Kooij in „Niemand so wie ich?“ die Situation des Kindes auf dem Übergang ins Jugendlichen-Stadium – den Druck, mitunter Verhöhnung von außen, den irgendwie doch vorsichtigen Umgang der Eltern, den doch dezenten Druck vor allem von Seiten des Vaters, irgendwann stehe eine Entscheidung an ob männlich oder weiblich.

Und das ist nur eine Hälfte der konfliktträchtigen Situation in der Familie. Eine ganz neue kommt dazu. Und die lässt die Autorin sogar noch davor, gleich zu Beginn hereinbrechen, sozusagen fast mit der Tür ins Haus fallen. Ein – vermeintlich – Fremder läutet an der Tür. Sein Auftauchen macht den Vater wütend, der andere hätte sein Leben zerstört, weshalb er jetzt nach zehn Jahren auftauche…

Niki, äußerst sensibel, checkt, da steckt ein dunkles Geheimnis dahinter, hat Mitleid mit dem Verstoßenen, trifft zufällig später auf ihn, teilt eine Pizza mit ihm und…

Spannende Geheimnisse

Da die Autorin diese zwei Stränge zweier Menschen, die sozusagen jeweils zwei verschiedene Seiten haben, eng miteinander verwebt und erst nach und nach enthüllt, was hinter dem „Fremden“ steckt, sei es hier nicht verraten – auch wenn der Klappentext des knapp mehr als 200 Seiten umfassenden, spannend und einfühlsam geschriebenen Buches, das zum Verschlingen einlädt, schon mehr verrät.

Wobei sie auch so schreibt, dass sie dich als Leser:in immer wieder auch zwischen den Zeilen einlädt, mehr zu wissen oder wenigstens zu ahnen als schon direkt ausgesprochen ist.

Schade nur, …

… dass Rachel van Kooij – obwohl sie bekannt ist für aufwändige Recherchen – gerade was Frage der Pronomen betrifft ein wenig schlampt. Das geschlechtsneutrale Pronomen „hen“ lässt sie (Seite 200) aus dem Englischen kommen. Dort wird allerdings schon lange „they“ (in diesem Fall für dritte Person Singular) verwendet, während „hen“ in Schweden (han – er; hon – sie) erfunden wurde; übrigens schon vor rund einem halben Jahrhundert zum ersten Mal, seit mehr als zehn Jahren weit verbreitet. Wobei es eigentlich aus dem Finnischen, einer geschlechtsneutralen Sprache, ausgeborgt wurde, wo das Pronomen seit ewig für alle „hän“ heißt.

Und eine Seite davor lässt die Autorin Niki ein eigenes deutsches Pronomen erfinden – ser als Kombination von sie und er. Dabei gibt es das viel deutlichere „sier“ auch als „xier“ schon läääängst sogar über die non-binäre Community hinaus – übrigens neben „en“ und auch „dey“ als sozusagen eingedeutschte Version des englischen „they“.

Hin- und hergerissen

Das soll aber keineswegs den großartigen Roman schmälern – könnte ja bei weiteren Auflagen ausgebessert werden. Vielleicht zum Abschluss noch ein Zitat aus dem Buch, das auch die für Niki durchaus immer komplizierte Lage gut zum Ausdruck bringt:

„Man kann nicht alles mit Regeln festschreiben. Das greift zu kurz. Für besondere Fälle muss es Ausnahmen geben dürfen!“ lässt die Autorin Nikis Mutter aufregen, als es um ein Fußballspiel des Mädchenteams geht, bei dem Niki mitspielen möchte. Und das wiederum bringt Niki auf die Palme.

„Besondere Fälle!“, schreibt Rachel van Kooij und legt Niki die folgenden Sätze in den Mund: „Aber genau das will ich nicht“, fiel ich ihr wütend ins Wort. „kapierst du das nicht? Ich, ich will keine Ausnahme, ich will wie alle anderen behandelt werden! Wie alle anderen sein. Ich hasse es, besonders zu sein!“
„Niki“, Mama schaute mich bestürzt an. „Was redest du da? Wie alle anderen sein. Jeder Mensch ist einzigartig, das weißt du doch.“

Wobei diese Einzigartigkeit, die ja für jede und jeden gilt, natürlich leichter wäre, wenn das allgemein akzeptiert werden würde! Und wie sie eben im wahrsten Sinn des Wortes durchaus natürlich ist – sowohl unter Menschen als auch bei Tieren – siehe Links zu Kinderbüchern hier in diesem Beitrag eingestreut.

Übrigens: Aktuelle Studien besagen, dass zwischen 1,2 und 2,7 % Jugendlicher sich als Transgender bezeichnen, sich also weder als weiblich noch als männlich sehen/fühlen; und das heißt immerhin ein bis drei von 100, also von durchschnittlich vier Schulklassen.

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Titelseite des Jugendromans
Titelseite des Jugendromans „Niemand so wie ich?“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Text: Rachel van Kooij
Niemand so wie ich?
222 Seiten
Ab 11 Jahren
Jungbrunnen Verlag
Hardcover: 18 €
eBook: 16,99 €
Zu einer Leseprobe – mehr als zehn Seiten – geht es hier