„Alle sind schon da“: Schrulliges älteres Paar spielt mit Reparatur von Geräten, Sprache und vielleicht zu vielen Elementen als Abschluss des „Luaga & Losna“ Theaterfestivals für junges Publikum in Vorarlberg.
Ein Tisch voller Elektrogeräte und Werkzeuge – eine Art Bastelkeller. Im Hintergrund fünf Türen – jeder mit einer anderen Schnürtalle – wie Elli sagen würde, die insbesondere die Kinder im Publikum mit ihren Buchstaben-/Wortverdrehungen, die sie anfangs am laufenden Band loslässt, zum Kichern und Lachen bringt. Ihr Spielpartner Eddi ist der Reparateur. Seine Schrulligkeit: Er hört Fön, Maffekaschine oder Mohrbaschine bei seinen Untersuchungen mit Stethoskop ab bevor er ans Werk geht.
Mit „Alle sind schon da“ – inspiriert vom berühmten Kinderlied über Vöglein, dessen Melodie gegen Ende auch anklingt – wollte das Wolkenstein Theater (Deutschland) das Vermissen der Begegnung mit anderen Menschen thematisieren – ausgehend von Lockdown-Zeiten während der Pandemie. Zumindest wird dies in der Beschreibung thematisiert. Knut, Lotte, Niko, Lux, Leo und Tanja – Bewohner:innen ihres Hauses werden zwar in Worten und manchmal auch Video-Einblendungen vorgestellt, aber dass sie den beiden Schauspieler:innen auf der Bühne (Andrea Lucas und Thomas Marey) abgehen, ist (noch?) nicht wirklich zu spüren. Wobei über weite Strecken die beiden überhaupt mehr für sich zu spielen scheinen. Wenngleich sie im Verlauf des knapp mehr als eine Stunde dauernden Stücks sie wahrhaft große Szenen erzeugen, die auch alle im Publikum in ihren Bann ziehen.
Grandios, wenn Eddi ein „Monster“-TV-Gerät repariert – und in diesem verschwindet. Im Inneren eines Wasserkraftwerks gefilmt (Pascal Kempa), hantiert er an Knöpfen, braucht mitunter Werkzeug wie Schraubendreher, das ihm Elli von oben in den Fernsehapparat reicht und er es scheinbar innen greift. Dass es kein überdimensionales Durcheinander von TV-Innereien ist, stört gar nicht, lässt vielleicht andeuten, dass natürlich für den Betreib auch eines solchen Elektrogerätes Strom erforderlich ist.
Sehr schön auch jene Szene als die Rede auf den Tuba-Spieler kommt, den sie auch schon lange nicht gehört und gesehen haben und Eddi aus der Lade des Basteltisches ein kleines Waldhorn zieht. Doch bevor er ansetzt, um diesem einen Ton zu entlocken, erklärt ihm Elli, er müsse doch erst die Gesichtsmuskulatur und den Mund lockern, u.a. zum Kussmundspitzen, die Lippen mit brrrr flattern lassen.
Amüsant die lautmalerischen Gedichte, die Elli auf ihrer Reiseschreibmaschine – übrigens wie alle Geräte im gleichen Orange-Ton aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts – zu tippen scheint. Neben diesen Gedichten bringt das Wolkenstein Theater mit einem am Ende in einem riesigen vermeintlichen Pizzakarton auftauchenden gemalten Bild eine weitere Ebene künstlerischen Schaffens in diese Produktion ein. Gemalt von der auch abwesenden Frieda, die wir vorher schon einem and die fünf Türen als „Leinwand“ projizierten Video bei ihrer Tätigkeit ansatzweise in freier Natur hantierend sehen.
Verdoppelungen in einigen der Videos, das Nicht-Spüren des Vermissens der anderen, vielleicht ein bisschen zu viel und zu verzettelt – das sind Kritikpunkte, die im wertschätzend-kritischen, konstruktiven abendlichen Diskurs mit den Theatermacher:innen im Rahmen der organisierten Inszenierungsgespräche des Theaterfestivals „Luaga & Losna“ gefallen sind – nicht nur von den Mitwirkenden der Dramatiker:innen-Börse, sondern teils auch von den Theaterleuten selbst, die den Prozess der Entwicklung dieses Stücks noch (lange?) nicht abgeschlossen sehen. Neben Pandemie bedingten Nicht-Spielmöglichkeiten war ihr Theater auch noch vom heftigen Hochwasser im vergangenen Jahr betroffen – was zu weiteren Unterbrechungen, Verzögerungen und Komplikationen im Probenprozess geführt hatte.
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Nenzing eingeladen.
Theater mit Film
Wolkenstein Theater für Kinder / Deutschland
Ab 4 Jahren
Spiel – auf der Bühne: Andrea Lucas und Thomas Marey
Spiel – vor der Kamera: Henning Jung, Lena Egert, Gitta Roser, Nikolai Pferd
Saxophon: Leo Huhn
Piano: Christian Lorenzen
Tuba: Carl Ludwig Hübsch
Gitarre: Saskia Rudat
Malerei: Sabine Rixen
Hinter der Kamera: Pascal Kempa, Brigitte Lerho, Sula Pferdt
Dramaturgie: Gitta Roser
Das gesamte Programm findest du hier