„5 Schritte Frieden“ – ein Projekt der Visuellen Theaterbibliothek und des Theaters im Urbanen Raum mit vier Szenen von Dževad Karahasan, gespielt in Österreichischer Gebärdensprache von Werner Mössler und in deutscher Lautsprache von Markus Rupert (Regie: Herbert Gantschacher) wurde am Klagenfurter Hauptbahnhof gespielt – und ist am Abend (20 Uhr) des internationalen Frauentags – 8. März 2025 – online zu sehen; Link am Ende des Beitrages.
Als bosnischer Moslem wurde Dževad Karahasan im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina mit Ermordung bedroht, weil er mit einer Frau serbischer Herkunft verheiratet war. Die Flucht aus Sarajevo führte Karahasan in Österreich im Jahr 1993 zu ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater und der Produktion der Österreichischen und der Tschechischen Erstaufführung der Originalfassung der Anti-Kriegsoper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung“ von Viktor Ullmann (Musik und Libretto) in der Inszenierung von Herbert Gantschacher. So begann die langjährige Zusammenarbeit. Karahasan war dann Dramaturg für die Österreichische Erstaufführung der Kinderoper „Brundibár“ von Hans Krása (Musik) und Adolf Hoffmeister (Libretto). Diese Kinderoper wurde im Konzentrationslager Theresienstadt im Rahmen der Freizeitgestaltung 52 Mal gespielt. Karahasan war Garant der authentisch in Szene gesetzten Schicksale von Jugendlichen und Kindern unter den Bedingungen eines Konzentrationslagers.
Es folgten die künstlerischen Zyklen „Begegnungen an der Grenze“, „Geschichten vom Reisen“ und „Krieg = daDa“. Dafür schrieb Karahasan Dramen, Szenen und dramaturgische Texte, machte Klassikerbearbeitungen von Hölderlin und Büchner gemeinsam mit Herbert Gantschacher. Die Titel der einzelnen Szenen sind somit auch Programm des Projektes beginnend mit „Privileg Sterben“, fortgesetzt mit „Auf der Akademie“, „Die einen und die anderen“ und „Eine orientalische Parabel“ und fokussierend im gemeinsamen Text von Dževad Karahasan und Herbert Gantschacher „Gespräch als Kunst“.
Am 27. Jänner 2025 jährt sich die Befreiung von Auschwitz, des berüchtigsten Vernichtungslagers der Nazis, durch die sowjetische Rote Armee, zum 80. Mal. Vor 20 Jahren wurde der 27. Jänner zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Neben vielen Gedenkveranstaltungen streamt Arbos (Gesellschaft für Musik und Theater) online die Originalfassung von „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung“ von Viktor Ullmann – Details und Link am Ende des Beitrages in der Info-Box.
Der Komponist und Librettist schuf diese Antikriegs-Oper im Konzentrationslager Theresienstadt 1943/44. Am 18. Oktober 1944 wurde Ullmann – nach Auschwitz-Birkenau verfrachtet dort ermordet.
Am 23. Mai 1995 wurde die Oper zum ersten Mal in Theresienstadt aufgeführt. Eine Aufnahme dieser Aufführung sendet Arbos über seine Website, nachdem diese Vereinigung Viktor Ullmanns Werk zu Jahresbeginn schon als Puppentheater aus dem Salzburger Breloque-Theater online übertragen hat.
Im Sommer 1944 wurde die Oper erstmals im Konzentrationslager Theresienstadt im Rahmen der Freizeitgestaltung geprobt. Karel Berman probte die Partie des Todes, Paul Kling war als Violinist Konzertmeister des Kammerorchesters, an allen Proben nahm auch der Geiger Herbert Thomas Mandl teil als Sekretär der jüdischen Selbstverwaltung dieses Konzentrationslagers. An diesen Proben war Viktor Ullmann nicht beteiligt. Und in Theresienstadt wurde auch nicht die Originalfassung des Komponisten geprobt, sondern eine den Bedingungen von Aufführungen im Kaffeehaus angepasste verkürzte Fassung probiert. Ullmanns Oper war für eine Aufführung im Kaffeehaus zu lang, und wurde durch den Dirigenten Rafael Schächter in der Musik gekürzt und vom Dichter Peter Kien mit Texten für diese Fassung versehen. Deshalb existieren zwei Fassungen von Ullmanns Anti-Kriegsoper.
Danach dauerte es Jahrzehnte, bis Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung“ wieder gespielt wurde. Am 24. Sepember 1993 gab es in der Tschechischen Republik im Národný Pamätník im Bezirk Žižkov in Prag die Tschechische Erstaufführung durch ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater. Die Inszenierung wurde zur Operninszenierung des Jahres 1993 in der Tschechischen Republik gewählt. Der Prozess der authentischen Rekonstruktion des Originals der Oper geschah in Auftrag und Mitarbeit von Herbert Gantschacher ab Jänner 1993 in Zusammenarbeit mit den überlebenden Zeitzeugen Karel Berman, Paul Kling, Herbert Thomas Mandl und dem Musikwissenschaftler Ingo Schultz. Musikalisch betreut wurden diese Arbeiten durch den Dirigenten Alexander Drčar im Auftrag des Regisseurs und Produzenten Herbert Gantschacher. Alexander Drčar leitete als Dirigent die Studioaufnahme der Originalfassung Ullmanns Anti-Kriegsoper und dirigierte am 23. Mai 1995 die Erstaufführung in Theresienstadt.
Das berühmte im Hessischen Landboten veröffentlichte Manifest „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ von Georg Büchner – und dem weniger bekannten Ludwig Weidig – wird immer wieder als „retro“ abgewertet. Soziale Gerechtigkeit und Solidarität wurden sozusagen zeitgeistig ins Abseits, ins Out, gedrängt. Sind aber tatsächlich aktuell, vielleicht sogar angesichts der aktuellen Weltlage und der im Land noch mehr.
Wie auch immer, Arbos – Gesellschaft für Musik und Theater – hat das Manifest immer wieder in seinem Programm – und dies inklusiv, auch in gleichzeitiger Gebärdensprache.
Damit eröffnet diese Initiative ein mehrtägiges inklusives Musiktheaterfestival in der Neuen Bühne Villach (22. und 23. Jänner 2025 – Details siehe ausführliche Info-Box am Ende des Beitrages.
Schon als Vorprogramm wird am Tag davor startet bei PIVA (Projektgruppe Integration von Ausländerinnen und Ausländern) ein kurzes Stück Musiktheater: „Kriegsschweine“ / „War Pigs“ mit Szenen nach Gedichten von August Stramm. Im Titel-gebenden heißt es unter anderem:
„Generäle versammelten sich in Massen
Genau wie Hexen bei schwarzen Messen.
Böse Geister, die Zerstörung planen
Genau wie Zauberer die Baustellen des Todes.
Auf den Feldern brennen die Leichen.
Während die Kriegsmaschine sich weiter dreht und dreht,
Tod und Hass der Menschheit bringen.
Sie vergiften mit ihren gehirngewaschenen Gedanken …
… Nie mehr dürfen Kriegsschweine über Macht verfügen.“
Diese ¼-stündige Performance eröffnet dann auch zwei der Abende mit mehreren kurzen Produktionen im Theater am Hauptplatz der Drau-Metropole. Die genannte so wie „Schwarzer Sabbath“, „Sabbath blutiger Sabbath“ sind drei neue Produktionen aus dem Stationentheater von Arbos, das im Sommer in den Bergen Italiens (Montasio, Sella Nevea), Österreichs (Kärnten, Wildbachtal, Karnische Alpen) und Sloweniens (Prevallascharte) gespielt wird – in 2100 Meter Seehöhe.
Zusätzlich wird an den beiden genannten Abenden (24. und 25. Jänner 2025) noch „Wir genießen die himmlischen Freuden“ von Werner Raditschnig nach der 4. Symphonie von Gustav Mahler bearbeitet für Stimme, Kammerensemble und Gebärdensprachchor sowie „Alma und Arnold Rosé“ (inklusives visuelles Musik- und Theaterprojekt in Österreichischer Gebärdensprache und Deutscher Lautsprache mit Musik von Johann Sebastian Bach – „Konzert für zwei Violinen“ in vier Sätzen für kleines Kammerorchester unter Verwendung der Originalaufnahme des Konzertes für zwei Violinen gespielt von Alma und Arnold Rosé, arrangiert und inszeniert von Herbert Gantschacher) zu hören und sehen sein.
Für all jene, die nicht in der Kärntner Stadt oder ihrer Umgebung wohnen, überträgt Arbos diese Aufführungen – wie recht oft – in Live-Streams über die eigene Homepage – Link in der detaillierten Info-Box am Ende dieses Beitrages.
Weihnachten war in – früheren – Kriegen oft Anlass für wenigstens einen kurzzeitigen Waffenstillstand. Berühmt sind etwa die Bilder von Soldaten im ersten Weltkrieg, die aus den Schützengräben kamen und gegeneinander Fußball spielt und miteinander feierten. Einen solchen Waffenstillstand gab es nicht nur an der Westfront 1914, sondern auch im Osten – wie hier schon vor zwei Jahren berichtet wurde. Dieser Absatz sei im folgenden hier wiederholt, sozusagen ein Eigen-Zitat:
Es gab eine solche Unterbrechung des Krieges auch im Osten zwischen den Truppen des Russischen Reiches und der Habsburger-Monarchie im belagerten Przemysl. Darüber berichtete die Krankenschwester Ilka Michaelsburg, deren Buch „Im belagerten Przemysl“ 1915 erschien. Drei Mal gab es solchen Waffenstillstand, berichtet sie: Am Heiligen Abend 1914, am Neujahrstag 1915 und zum russischen Weihnachtsfest Anfang Jänner 1915. „Im Vorfeld schwenkte der Feind die weiße Fahne und schickte eine Deputation von zwei russischen Offizieren zur Weihnachtsbeglückwünschung in unser Lager herüber. Sie brachten russischen Tabak und Zigaretten als Weihnachtsgabe … daß am russischen Weihnachtsabend österreichische Offiziere die russische Beglückwünschung erwidert haben, indem sie gleichzeitig als Gegenleistung für die Zigaretten der Belagerungsarmee – Sardinen und Salami überreichten“, heißt es in dem Buch.
In beiden Fällen ging der Krieg danach jedoch unvermindert weiter. Aktuell gibt es nicht einmal solche Waffenstillstände – egal wo und egal zu welchen Feiertagen. An diese kurzfristigen Unterbrechungen der Kampfhandlungen einerseits und generell an die Frage Krieg oder Frieden möchte auch dieses Jahr Arbos – Gesellschaft für Musik und Theater (veranstaltet unter anderem das internationale Visuelle Theater-Festival vormals Gehörlosentheater-Festival) erinnern. Online wird erneut ein Konzert mit thematisch passender Musik gestreamt – im Wesentlichen die selben Stücke wie in den vergangenen Jahren u.a. „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung“ von Viktor Ullmann (Libretto und Musik), aber mit einigen wenigen Abweichungen (gespielt von anderen Ensembles) bzw. Ergänzungen – Liste in der Info-Box am Ende des Beitrages.
Während auf dem Domplatz der Stadt Salzburg das bekannte Stück „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ (von Hugo von Hofmannsthal) – über die Bühne geht, spielt sich in Hüttschlag, das ebenfalls im Bundesland Salzburg liegt, „Friede den Hüten! Krieg den Palästen!“ als visuelles Musiktheater ab. Dieser berühmte Text von Georg Büchner wurde von Werner Raditschnig vertont.
Arbos – Gesellschaft für Musik und Theater – spielt – in deutscher Laut- und Österreichischer Gebärdensprache -, singt, musiziert in einer Inszenierung von Herbert Gantschacher dieses Stück über Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit. Die Schauspieler:innen Werner Mössler, Markus Pol, Rita Luksch und Alfred Aichholzer setzen das Stück in Szene. Für die Musik sorgt das „arbos-ensemble“: Thomas Trsek (Violine), Gregor Narnhofer (Klarinette, Saxophon und Bass-Klarinette), Bojana Foinidis (Akkordeon) sowie Adi Schober am Schlagwerk.
Details – siehe Info-Box!
Die 718.373 Einwohner:innen des Großherzogtums Hessen mussten insgesamt 6 Millionen und 363.363 Gulden an direkten und indirekten Steuern, Strafen und anderem zahlen. Und wurden mit einem Gutteil dieses Geldes unterdrückt. Das und so manch anderes in Sachen Herr-schaft der Fürsten über das Volk prangerte der berühmte Dichter Georg Büchner (1813 – 1837; u.a. „Leonce und Lena“, „Woyzeck“; „Dantons Tod“) in seiner „Flugschrift „Der Hesssiche Landbote“ an.
In der Kampfschrift rief er die Bürger:innen dazu auf, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen und für Demokratie zu kämpfen. Daraufhin wurde er steckbrieflich gesucht und musste aus dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt flüchten – nach Straßburg.
Der bekannteste Spruch aus diesen rund zehn Seiten hat sich bald danach verselbstständigt, kaum wer weiß, dass „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ aus diesem kurzen Werk Büchners stammt. Und obwohl fast 200 Jahre alt finden sich so manch aktuelle Anklänge. Fällt einem beim Satz „Ihr seid wie die Heiden, die das Krokodil anbeten, von dem sie zerrissen werden“ nicht ein, wie es sein kann, dass Massen rechtsextreme Populisten wählen, die mindestens einen Tag Diktator sein wollen?
„ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater“ machte aus dem gesamten „Landboten“-Text eine rund eineinhalbstündige visuelle, musikalische Performance mit der das aktuelle, 25. Visual-Festival am Wochenende im Wiener Theater Spielraum eröffnet wurde.
In der hintersten Bühnenreihe sitzen die Musiker:innen Thomas Trsek (Violine), Gregor Narnhofer (Klarinette, Saxophon, Bassklarinette), Bojana Foinidis (Akkordeon) und Adi Schober (Schlagwerk). Sie entlocken ihren Instrumenten nicht nur bekannte Töne. Auch Winseln, Wehklagen oder Schnaufen erzeugen die Musiker:innen.
Vor ihnen warten vier Schauspieler:innen – Markus Rupert, Werner Mössler, Markus Pol, Rita Luksch – auf ihre Einsätze. Dazu erheben sie sich und treten an das Notenpult im Vordergrund. Georg Büchners Text sagen sie in Österreichischer Gebärdensprache. Abschnittsweise wiederholt Alfred Aichholzer die jeweiligen Textpassagen in deutscher Lautsprache, wobei er jeweils zu Beginn und am Ende auf eine Riesentrommel schlägt.
Komponiert haben die Musik, die nicht nur zu hören, sondern auch stark zu sehen ist, Werner Raditschnig und Herbert Gantschacher, der auch Regie führte. Und der „Vater“ von Arbos ist, das „Visual“ veranstaltet, das in den ersten Jahren noch Gehörlosentheaterfestival hieß.
Das Festival – mit Vormittagsvorstellungen für Schüler:innen und Abendvorstellungen – läuft noch bis 17. Mai 2024 – Details zu allen Aufführungen, Performances und einer Stationenwanderung in der Infobox unten.
Die Lehrerin Sarah Harvey Porter (1856-1922) brachte zusammen mit anderen Lehrkräften Musik in die Gehörlosenpädagogik ein. Porter lehrte u.a. an der Gallaudet University in Washington D.C., der einzigen Universität der Welt für Gehörlose, an der Vorlesungen in Gebärdensprache gehalten werden.
Berühmt wurden Sarah Harvey Porters „Musikalische Schwingungen für Gehörlose“. Bei fast jeder Übung für die gesamte Klasse werden in jedem Unterrichtsraum des New Yorker Instituts für Gehörlosenbildung folgende Elemente verwendet: Rhythmus der Augen, der Ohren, des Körpers und der Bewegung, sie werden gebraucht als Lehrbehelfe im Unterricht. Insbesondere wird dabei vom musikalischen Rhythmus Gebrauch gemacht.
1912, am rechten Ufer des Hudson im großen liberalen Staat New York in hübschen, perfekt ausgestatteten Gebäuden, umgeben von einer attraktiven und wunderschönen Landschaft, leben und lernen täglich rund 500 gehörlose Buben und Mädchen und stimmen sich – im wahrsten Sinne des Wortes – „rhythmisch auf ihr Leben ein“.
Diese „musikalischen Schwingungen für Gehörlose“ werden am diesjährigen internationalen Frauentag video-gestreamt. Der gehörlose Schauspieler Werner Mössler und sein hörender Kollege Markus Rupert, der auch die Gebärdensprache beherrscht, spielen diese Aufführung, die Herbert Gantschacher (Gesellschaft für Musik und Theater) für die Friedenswerkstatt des Visuellen Theaters inszeniert (und auch vom Englischen ins Deutsche übertragen) hat.
Die Vorstellung wird am 8. März 2024 um 20 Uhr online gestreamt; Link zum Stream hier
Am Samstag, 22. Juli, steigen im Turnsaal der Volksschule Hüttschlag in Salzburg besondere Salzburger Festspiele. Am Tag der Eröffnung der großen, weltberühmten Festspiele in der Landeshauptstadt, findet zum dritten Mal ein visuelles Konzert mit Übersetzung in Österreichische Gebärdensprache statt.
Nach „Störung“ bei der Premiere im Jahre 2021 und „In Ewigkeit amen“ von Anton Wildgans als bilinguale Inszenierung in Österreichischer Gebärdensprache und Deutscher Lautsprache, organisierte „Arbos – Gesellschaft für Musik und Theater“ für dieses Jahr „Dududerdudu“ als visuelles Musiktheater in Österreichischer Gebärdensprache. Es sind dies Kompositionen von Otto M. Zykan – Details was gespielt wird, wann und wo in der ausführlichen Info-Box unten.
„Ich bin zum Scheiterhaufen verurteilt und folglich werde ich verbrennen. Aber das ist nur ein Ereignis, kein Argument. Wir werden uns also in der Ewigkeit wieder begegnen und dort die Diskussion fortsetzen.“ Diesen Satz lässt Dževad Karahasan in seinem Minidrama „Die einen und die Anderen“ den in einem Calvinistenprozess in Genf Verurteilten sagen. Anlässlich des am Samstag bekannt gewordenen Todes des 70-jährigen Schriftstellers aus Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegovinas hob „Visual 2023, das 24. Europäische und Internationale Visuelles Theater Festival“ dieses kurze so aussagekräftige auf den Punkt gebrachte und so aktuelle Stück ins Programm.
Werner Mössler, Markus Pol, Rita Luksch und Markus Rupert setzten den Text in Szene, die beiden zuletzt Genannten in deutscher Lautsprache; Ersterer in österreichischer Gebärdensprache, die dann als „Echo“ vom Zweitgenannten im Hintergrund verstärkt wurde. Alfred Aichholzer, Gregor Narnhofer und Thomas Trsek spielten – ebenfalls im Hintergrund – begleitende, unterstützende Musik zu dem Stück um einen seines Glaubens wegen Verurteilten. Auf der Seite der Eine – und andererseits jene, die meinen, im Besitz der Wahrheit zu sein und sich damit das Recht herausnehmen über das Leben anderer zu entscheiden, heißt es doch unter anderem bei Karahasan: „Diese Situation ist sehr kennzeichnend für die Politik (und leider auch für die Geschichte) als Theater: auf der einen Seite stehen jene als Figuren beziehungsweise Protagonisten, die über die Macht verfügen, Ereignisse hervorzurufen und zu gestalten, auf der anderen stehen als Antagonisten beziehungsweise Gegenfiguren jene, die an die Wahrheit glauben und über Argumente verfügen. Zwischen Ihnen – als Basis ihrer Beziehung – steht der Tod. Der Tod verknüpft diese Figuren in zweifacher Weise:
1. dadurch, dass erstere ihn den Zweiten zufügen (sie töten)
2. dadurch, dass er beider gemeinsames Kennzeichen ist, denn zum Glück sind beide sterblich.“
… hatte Romane, Dramen, Essays und theoretische Schriften verfasst, mit denen er sich immer wieder als Vermittler zwischen Kulturen und Religionen verstand. Geboren 1953 in eine muslimische Familie in Bosnien, besuchte er eine christliche Schule (Franziskaner). Er studierte in Sarajevo Literatur- und Theaterwissenschaft, lehrte auch dort an der Akademie für szenische Künste. Als Sarajevo belagert wurde, konnte er flüchten – nach Österreich und wurde Gastdozent an verschiedenen europäischen Universitäten u.a. in Salzburg.
Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Sara und Serafina“ (2000), „Der Trost des Nachthimmels. Roman in drei Teilen“ (2016) und 2019 der Erzählungsband „Ein Haus für die Müden“. Vor wenigen Monaten erschien „Einübung ins Schweben: Eine ethische und existentielle Grenzerfahrung vom literarischen Chronist Sarajevos“. Nach Ende der Kriege im vormaligen Jugoslawien wurde Karahasan Dramaturg am Nationaltheater von Sarajevo. Zugleich fand er in Graz eine zweite Heimat, wo er von 1996 bis 2003 als Stadtschreiber tätig war. Dabei empfing ihn die neue Heimat auch mit entsprechenden Auszeichnungen. So erhielt Dzevad Karahasan etwa 1995 für „Tagebuch der Aussiedlung“ den Bruno-Kreisky-Preis, 1999 den Wiener Herder-Preis, 2017 den Grazer Franz-Nabl-Preis. Und 2020 wurde Dževad Karahasan mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt geehrt.
Weniger in der breiten Öffentlichkeit bekannt ist, dass Dževad Karahasan ist seit seiner Flucht vor dem Krieg auch Dramaturg und Dramatiker von „ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater“ war. „Ich werde nie vergessen, wie er im Feber 1993 in Klagenfurt vor dem Probenraum stand nur mit den Sachen, die er bei sich trug. Also hab ich die Tür aufgemacht … Und daraus wurde eine sehr schöne Zusammenarbeit, die den Tod überdauert“, schreibt Herbert Gantschacher, der „Vater“ von ARBOS in einer eMail an Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… Er führte bei vielen Stücken, die Karahasan für ARBOS schreib, Regie und übersetzte viele seiner Theatertexte. Dem oben genannten Monodrama „Die Einen und die Anderen“ fügte die Gruppe aus gegebenem Anlass einen Satz am Ende hinzu: „Wir werden uns in der Ewigkeit wiedersehen und die Diskussion dort fortsetzen“.
Nach dem aktuellen Einschub begann das Festival Visual 2023 wie geplant mit einer Inszenierung von Anton Wildgans‘ „Kain“. In der Regie Herbert Gantschachers spielten Werner Mössler, Markus Pol, Rita Luksch, Alfred Aichholzer, Markus Rupert, Gregor Narnhofer und Thomas Trsek.
In „Kain“ verbindet Anton Wildgans die biblischen Geschichten von der Vertreibung aus dem Paradies (Adam und Eva) und den bekannten Brudermord (Kain und Abel). Bei ihm ist die Titelfigur gehörlos. Damit war aufgelegt, diese Figur in der ARBOS-Version mit einem gehörlosen Schauspieler zu besetzen – und natürlich bilinguale zu inszenierne und spielen – Laut- und GebärdenspracheInszenierung.
Das 24. Europäische und internationale visuelle Theater-Festival läuft noch bis 17. Juni – live und analog im Theater Spielraum in der Wiener Kaiserstraße (siehe Info-Bos) UND vieles auch als Online-Streams – siehe Info-Box.
Sie ist – wie viele Frauen (nicht nur) in der Kultur – in Vergessenheit geraten: Die Dichterin Mary Ann Moore (1843-1918). Sie verfügte über Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn. Ihr vierter Sinn, das Hören, war beeinträchtigt. Und sie hat nichts gesehen. Zu ihrer Zeit war sie als Dichterin recht bekannt. Ihren literarisch größten Erfolg landete sie als Autorin des Buches „Musings“, ins Deutsche zu übersetzen mit „Träumereien“ oder „Grübeleien“ oder „Nachsinnen“ oder „Überlegungen“ oder „Sinnieren“.
Um sie der heutigen Vergessenheit zu entreißen, inszenierte Arbos, die Gesellschaft für Musik und Theater eine Performance auf der Basis des eben genannten Buches. In dieser spielen der gehörlose Schauspieler Werner Mössler und sein hörender Kollege, der auch die Gebärdensprache beherrscht, Markus Rupert Texte der genannten Dichterin (Regie und Produktion: Herbert Gantschacher).
Vergangen, Vergangenes ist vorbei für immer,
Ob mit Bedacht verbracht oder nicht;
Die Zukunft ist nicht, vielleicht nie,
Gebunden an unser irdisch Leben.
Vergangenes war voller Eindrücke
Gedacht zum Erneuern;
Die Zukunft, sollten wir sie erleben,
Kann uns Benachteiligten das beweisen.
Vergangenes war durchsetzt Freud und Leid,
Gut und Böse, Hoffnung und Furcht;
Die Zukunft wird gleich vermischt
Mit anderen Änderungen da.
Vergangenes können wir nicht mehr zurückholen,
Unser Tun können wir jedoch bereuen;
Die Zukunft kann Geschehenes nie ersetzen,
Fehler aus der Vergangenheit bleiben.
Vergangenes ist vorbei, und vorbei für immer,
Verbunden mit verbrauchter Macht;
Die Zukunft ist für uns unsicher,
Die Gegenwart allein ist unser.
(Ins Deutsche übertragen von Herbert Gantschacher)
Neujahrskonzerte gibt es mehrere – nicht nur das berühmte der Wiener Philharmoniker aus dem Musikvereinssaal, das in rund 100 Länder übertragen wird. Im Volkstheater spielen Slavko Ninić und die Wiener Tschuschenkapelle unter dem Titel „Mir sann et nur mir“ im Wiener Volkstheater (18 Uhr). Und ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater überträgt ab 20 Uhr live und online „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung“ in der Inszenierung für Puppentheater aus dem Museum Grad Kromberk in Nova Gorica (Slowenien).
Über das Philharmoniker-Konzert, heuer dirigiert von Franz Welser-Möst, mit fast nur Strauß-Nummern, die zuvor noch nie beim Neujahrskonzert gespielt worden sind, braucht nicht viel geschrieben zu werden – praktisch alle Medien sind voll damit (gewesen).
Das Repertoire der „Wiener Tschuschenkapelle“ mit Band-Leader Slavko Ninić als Moderator, die mittlerweile auch schon zum 23. Mal zum frühabendlichen Neujahrskonzert im Wiener Volkstheater einladen, umfasst traditionelle sowie selbstkomponierte Lieder aus Balkanländern, Serenaden des Mittelmeeres, türkisch-arabisch-orientalen Weisen, griechischen Rembetiko, bosnische Sevdalinka und vieles mehr. Und bringt immer wieder (neue) Gäste dazu, Bühne und Saal zum Schwingen zu bringen – Details siehe Info-Box.
Auch nicht zum ersten Mal überträgt ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater am Abend des 1. Jänner die Oper „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung“ live und online in einer Inszenierung für Puppentheater aus dem Museum Grad Kromberk im slowenischen Nova Gorica. Anlass: die 125. Widerkehr des Geburtstages von Viktor Ullmann, der diese Oper geschaffen hat – Im Konzentrationslager Theresienstadt.
Viktor Ullmann wurde als Soldat im Ersten Weltkrieg Zeuge des Giftgasangriffs an der Isonzofront am 24. Oktober 1917. Als Person jüdischer Herkunft wurde er von den Nazis erst ins KZ Theresienstadt verfrachtet – wo er trotzdem die Antikriegsoper schreiben und komponieren konnte. Am 16. Oktober 1944 wurde er ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht, wo er zwei Tage später mit dem Giftgas Zyklon B – wie viele andere – ermordet wurde.
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