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Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Vor und nach dramatischem Ende – zweite Chance für die Liebe?

Viel poetische Romantik versprüht schon das Ambiente von „Davor / Danach“, einem Experiment im 41. Jahr des kleinen, feinen, engagierten „Theaters Spielraum“ (seit 22 Jahren im ehemaligen Erika-Kino in der Wiener Kaiserstraße). Experiment, weil zum ersten Mal ein Musical gespielt wird. Mit viel Liebe, Wärme, aber auch so manchem Beziehungsstress und nicht selten auch Komik im Schauspiel und dem vollen, warmen, mitunter eben brüchigem, traurigem Klang in den Stimmen der beiden Protagonist:innen. Und vollem musicalischen Tönen des Live-Musik-Trios.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Ach ja, das Ambiente: Ein riesiger, einfacher Baum mit vielen kleinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen auf seinem Stamm, den Ästen und sogar den Wurzeln (Bühne: Raoul Rettberg). Darunter bzw. dazwischen sitzen drei Musiker:innen, die die knapp mehr als zwei Stunden (eine Pause) live – Piano, Gitarre und Cello – spielen, und das schauspielende und singende Duo begleiten.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Jetzt und Einst – aber (noch) nicht für beide

„Davor / Danach“, vor zehn Jahren von zwei Briten für ein japanisches Theater geschrieben und komponiert, erzählt die Geschichte des Liebespaares Ami und Ben. Zu Beginn erleben wir sie, wie sie bei diesem Baum – auf einem Hügel mit Weitblick – aufeinander treffen. Sie erkennt ihn, für ihn ist sie eine neue Begegnung. Sie waren schon früher ein Paar, er hatte einen Autounfall mit nachfolgendem Gedächtnisverlust.

Das sagt sie ihm aber (noch und viel zu lange) nicht, weil sich eine neue Romanze auftut und sie Angst hat, die zerstören zu können durch die Erinnerung an früher. Dürfte – wird auch später gespielt und gesungen – nach intensiver Zweisamkeit schief gegangen sein. Das weiß das Publikum aber noch nicht die männliche Figur.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Schwarz-weiß vs. bunt

Immer wieder pendelt das Stück zwischen dem Jetzt, sozusagen dem Danach, und dem Davor, also der Vergangenheit. Der Einfachheit halber hat Anna Pollack Denise Jastraunig (Ami) und Florian Sebastian Fitz (Ben) fürs Davor schwarz-weiß gekleidet mit leichter Verwandelbarkeit in ein buntes Danach (ein blumenartig farbenprächtiger Wickelrock für sie und ein abendsonnenfärbiges Sakko für ihn. Die drei Musiker:innen sind in weiße Anzüge mit schwarzen Strichen – fast gezeichnet – gehüllt. Musikalische Leitung und Live-Piano: Bernhard Jaretz, an der Gitarre am Premieren-Abend Patrick Henriquez (der sich bei Vorstellungen mit Niko Georgiades abwechselt sowie Margarethe Vogler (Cello; die alternierend mit Maike Clemens streicht).

Farben bzw. keine auch in Teilen der Bühne. Der große, schräg an der Wan im Hintergrund hängende Bilderrahmen bleibt die gesamte Zeit leer, die Rahmen an den Seitenwänden sind eine Art Reminiszenz an den Suprematismus-Maler der sowjetischen Avantgarde Kasimir Malewitsch (weltberühmt für sein schwarzes bzw. weißes Quadrat). Auf den Stufen des Podests (Hügel) hängen an den Treppen ebenso wie auf dem Baum viele Schwarz-Weiß-Zeichnungen – vom schon genannten Bühnenbildner sowie der Assistentin für alle Bereiche, Alice Gonzalez-Martin.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Tiefe Emotionen

Der Hügel und der Baum waren übrigens DER Platz des Liebespaares im „Davor“. Sie eine starke Business-Frau, er ein unbekannter Maler mit Brot-Job als Kellner, unter anderem. Im Restaurant, wo er arbeitete und sie an ihrem Geburtstag versetzt wurde, kommen sie über ein Missgeschick einander nahe, danach immer näher, doch … – Details seien nicht gespoilert, auch wenn der Abend weniger von den durchaus spannenden Wendungen als von den tiefen gespielten und gesungenen Emotionen lebt. Und von dem Versuch einer Art zweiter Chance – mit unterschiedlichen Start-Positionen.

Das Originalkonzept, die Musik sowie die Songtexte stammen von Stuart Matthew Price, der sie im kapitelweisen Hin- und Herschicken mit Timothy Knapman (Buch und ergänzende Songtexte) vor rund zehn Jahren innerhalb weniger Wochen verfasst bzw. komponiert hatte. Für die – gerade angesichts von Songtexten nicht leichte – Übersetzung ins Deutsche sorgte Robert G. Neumayr, der auch Regie führte.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Rollen-Klischees

So gut gespielt – sowohl Musik als auch Schauspiel – und gesungen, so berührend die dargestellten Gefühls-Auf und Abs, so bleibt doch als bitterer Wermutstropfen sehr altbacken klischierte Frauen- bzw. Männer-Rollen. Der frei schwebende, Zeit und Raum vergessende, Künstler und die dienende, sich um alles aufopfernd kümmernde Frau. Im Davor handelt sie zunächst immer nach den Wünschen des Vaters – der sie via „Fernwartung“ zu allen Unzeiten am Handy dirigiert. Im Versuch sich aus dieser Umklammerung ein wenig zu befreien, landet sie in der Romanze und tiefen Liebe zu Ben. Obwohl sie Power ausstrahlt, ordnet sie sich dessen Zeit-Missmanagement unter.

Nach Trennung, seinem Unfall und der zufälligen Wieder-Begegnung, kämpft sie sanft darum, dass er wieder sein Gedächtnis findet, massiver dafür, dass er seine Bilder in ihrem nunmehrigen Geschäft, einer Galerie ausstellt…

In ähnlicher Struktur kracht’s wieder. Knapp vor dem Ende der Moment, wo er gehen will, weil er erkennt, ihr zu schaden. Das wäre ein schöner Schluss gewesen – beide gehen mit der Erinnerung sowohl in Herzen als auch in Hirnen an schöne Zeiten. Doch nein, ein klassisches „Happy End“, es wird wieder…

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Der Autor …

… war bei der Premiere anwesend, der Komponist und Songtexter wird zu einer der letzten Wiener Aufführungen kommen. Timothy Knapman meinte nach der Premiere, es sei die beste Version ihres Stücks gewesen. „Und das sagen Sie, obwohl Sie ja gar nicht Deutsch verstehen?“, fragte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… danach den Stück- und einige Songtexte-Schreiber. „Stimmt, aber am Ende hatte ich Tränen in den Augen“, verrät Knapman. Auf die Kritik an den klischierten Frau-Mann-Rollen meinte er: „Wir haben auch ein anderes Stück mit genderfluiden Rollen, aber hier wollten wir nicht Rollen schreiben, wie wir sie uns wünschen, sondern wie es sie noch immer gibt.“

Im Übrigen verriet er dem Journalisten, dass dieses Musical bisher viel öfter in anderen Ländern als in ihrer englischen Heimat gespielt worden ist. Fünf Jahre lief es in Japan, auch in den Niederlanden war es zu sehen, in England bisher nur ganz am Anfang wenige Male und während der Pandemie als aufgezeichneter Stream.

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Szenenfoto aus "Wald - ein interaktives Hörerlebnis"

Eintauchen ins Wood (!) Wide Web

Auf der Hinterbühne des Linzer Schauspielhauses Eintauchen in einen Wald samt „sprechender“ auch „weinender“ Bäume – das ermöglicht die rund einstündige Performance „Wald – ein interaktives Hörerlebnis“ von Diana Rojas-Feile aus der Schweiz (mit dem Weg vom Treffpunkt zum Performance-Ort und Schuhe-Ausziehen usw. ca. ¼ Stunde mehr. Und dafür hat sie natürlich keine Topfpflanzen in den Raum gestellt und ihnen Mikrophone umgehängt 😉

Dennoch kommt dir die Welt der Bäume vielleicht so nahe wie sonst „nur“ noch bei einem Ausflug in einen echten Wald. Mit Kopfhörern ausgestattet und in Überzieh-Socken wanderst du in dem – meist – sehr dunklen Raum nein, auch nicht auf einem aufgeschütteten Waldboden, sondern mit Ausnahme einer kleinen Kiesgrube über glatten Boden – entlang oranger Linien, die wiederum plüschige kleine Inselchen verbinden, sozusagen stilisiertes Moos (Raumkonzept, Kostüme & Licht: Theres Indermaur).

Fühl dich in einen Baum rein

Und du wirst zu einem der nun vielen Bäume, die entlang der genannten Linien miteinander vernetzt sind – im Wood Wide World. Mit Bewegungen, wenn der Wind durchs Gehölz rauscht, du mit anderen Bäumen in wortlosen Austausch trittst, Schmerzen empfindest…

Gedanken – von Kindern und von den professionellen Künstler:innen – live von Diana Rojas-Feile, von der die Texte stammen und die Regie führte, sowie von Victor Moser, der Musik und Sounddesign einbrachte, beide mitunter mit verzerrten Stimmen – fließen über deine Ohren in dein Gehirn. Gedanken, die mögliche Gefühle von Bäumen ausdrücken, die die meisten von uns in ihrer überheblichen westlich angeblich zivilisierten Welt kaum bis nicht wahrnehmen. Im Gegensatz zu Menschen, die sich viel mehr als Teil der Natur und des Universums fühlen. Und so hat die Stück-Autorin auch mit Indigenen aus dem brasilianischen Amazonas gesprochen und deren Sichtweisen einfließen lassen. Ohne die Performance auch nur im Geringsten ins Belehrende kippen zu lassen.

Die beiden Künstler:innen führen unter anderem mögliche Dialoge zwischen Mensch und Baum. Auf die Frage, wie es für Zweiteren ist, wenn Ersterer ein Blatt ausreißt: „Wie ist es für dich, wenn dir ein Haar ausgerissen wird?“ Beispielsweise.

„Eine westliche Frage“

Auf die Frage an die Indigenen aus dem Regenwald, ob sich die Natur vielleicht an der Menschheit rächen könnte, erntete die Stück-Autorin Unverständnis samt dem Sager, dies sei westliches Denken. Sie und jene Menschen, die im Einklang mit der Natur leben kennen solche Gedankengänge und Sichtweisen nicht: „Wir kennen diese Trennung, diese Widersprüche nicht – wir sind doch gleichwertige Teile des gemeinsamen Ganzen wie Bäume, Flüsse usw.“ Und selbst das kommt weder esoterisch noch belehrend daher – einfach ein bisschen den größeren Zusammenhang mehr beachten wird so „nebenbei“ vermittelt, eben Wood Wide World – so wie auch Bäume über ihre Wurzeln unter- und miteinander vernetzt sind 😉

Und dem Hinweis, dass die Natur, trotz Zerstörungen durch die Menschheit, sicher auch ohne Menschen leben können und werden. Umgekehrt hingegen nicht, noch dazu wo die Bäume sozusagen die (natürlichen) „Maschinen“ gegen den Klimawandel sind, wie die von Kindern und Jugendlichen vor mehr als 15 Jahren (2007) gegründete längst weltweite Initiative „Plant fort he Planet“ hinweist.

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Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.