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Szenenfoto aus "Die Entdeckung der Langsamkeit" nach dem gleichnamigen Roman Sten Nadolny

Wenn die vermeintliche Schwäche zur Stärke wird

Ein großer, leicht scheinender doch gewichtiger Tisch, eine Lichterkette mit subtilem Anklang an eine solche auf einem Segelboot. Zwei Leute betreten von hinten durch den Vorhang die Bühne im Theater am Saumarkt im Vorarlberger Feldkirch. Hier steht im Rahmen des aktuellen „Luaga & Losna“-Festivals die einzige Vorstellung auf dem Programm, die sich nicht an junge Kinder richtet. Ab 12 und nicht zuletzt für Erwachsene lassen hier Friederike Schreiber und Günther Henne von „TheaterGrueneSosse und Theaterhaus Ensemble (Frankfurt, Deutschland) einen Wesenszug der Hauptfigur in Sten Nadolnys Kult-Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“ lebendig werden.

Titelbild des ErläTitleseite des Romans von Sten Nadolny
Titelbild des ErläTitleseite des Romans von Sten Nadolny „Die Entdeckung der Langsamkeit“ – Details siehe Info-Box am Ende des Beitrages

Originaltext

„John Franklin war schon 10 Jahre alt und noch immer so langsam, dass er keinen Ball fangen konnte. Er hielt für die anderen die Schnur. Vom tiefsten Ast des Baumes reichte sie herüber bis in seine empor gestreckte Hand. Er hielt sie so gut wie der Baum, er senkte den Arm nicht vor dem Ende des Spiels…“

Die echten ersten Sätze des Buches – so wie viele andere Passagen über diesen britischen Seefahrer und leidenschaftlichen Polarforscher – gepaart mit von Nadolny durchaus ausgedachten Szenen las das Duo – scheinbar, in Wahrheit hatten sie den Text – gemeinsam mit dem szenischen Spiel verinnerlicht.

Vor sich die Blätter in den ersten Minuten und immer wieder auch zwischendurch, machen sie aus dem Tisch ein Schiff (Bühnenbau: Detlef Köhler), ein Ventilator hilft bei der Darstellung von Stürmen, in die das Segelboot gerät.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Entdeckung der Langsamkeit“ nach dem gleichnamigen Roman Sten Nadolny

Langsamkeit

Kernaspekt aus dem Roman, von dem sicher viiiiiel mehr Menschen den Titel und als Inhalt oder den Text kennen, ist die Langsamkeit, die vom lange Zeit den Titelhelden in seiner Kindheit und Jugend begleitendem Nachteil zu einem Vorzug aufgrund bedächtig gefällter Entscheidungen führt(e). Nadolny, der vieles, unter anderem Geschichte studierte und sogar unterrichtet, hatte viele Unterlagen über den historischen John Franklin (1786 – 1847) durchgeackert, zu weniger bekannten Phasen dachte er sich einiges aus. Den Charakterzug der Langsamkeit, „den der wirkliche Franklin nach Auskunft der Quellen möglicherweise hatte, aus dem er aber wohl nicht systematisch eine Tugend gemacht hätte“ (Stefan Munaretto, Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny. Textanalyse und Interpretation. Königs Erläuterungen und Materialien, Band 427 – siehe Info-Box am Ende) rückte der Autor ins Zentrum.

Titelbild des Erläuterungsbandes zu Sten Nadolnys
Titelbild des Erläuterungsbandes zu Sten Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“ – Details siehe Info-Box am Ende des Beitrages

Spürbar

Und diese verkörpern die beiden Schauspieler:innen, ohne sie je übertrieben zu zelebrieren. Selbst wenn sie einigermaßen hektisch durch die Gegend – in dem Fall die Publikumsreihen wandern, über Sitze klettern, strahlen sie keine Hektik aus (Regie: Leandro Kees, der auch mit den beiden die Textfassung aus dem Roman destilliert hatte).

Hin und wieder schlüpfen sie doch in verteilte Rollen auch anderer Protagonist:innen in John Franklins Leben, vor allem stellen sie ihn und seine Haltung, seine Suche – unausgesprochen nach dem Horizont als Fixpunkt – dar. Und selbst in den heftigen Sequenzen einer Seeschlacht mit einem Schiff der französischen Marine oder in wildesten Stürmen, strahlen sie aus: Der Typ steht zu sich und seiner damit in die Außenseiterrolle gedrängten markanten Eigenschaft. Das Schauspiel von Schreiber und Henne lässt sowohl die anfängliche Ausgegrenztheit als such die spätere Stärke spüren.

Was – so erzählen die beiden im abendlichen Inszenierungsgespräch mit Teilnehmer:innen des Symposions „Theater & Bild & Ton“ (und anderen Interessierten) – nach den ersten Vorstellungen in Frankfurt durchaus auch gegenteilige Jugendliche ge- und bestärkt habe, etwa solche bei denen ADHS – also eher Hektik – diagnostiziert wurde.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Entdeckung der Langsamkeit“ nach dem gleichnamigen Roman Sten Nadolny

Gegen den „Zeit“geist

Der vor knapp mehr als 40 Jahren erschienene Roman (mit einem Kapitel daraus hatte Nadolny drei Jahre zuvor den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen – und sein Preisgeld auf alle Teilnehmer:innen verteilt) wurde immer wieder auch als Art Statement gegen übertriebene und vor allem ungesunde Hektik, Missachtung der Lebenszyklen von Natur und Mensch interpretiert. Die Hauptfigur, die noch auf Segelschiffe setzt, während andere schon mit Raddampfer unterwegs sind. Hier bog auch Nadolny eine späte Expedition John Franklins ein wenig zurecht, dessen reale Schiffe schon maschinell ausgestattet waren.

Auch schon Michael Endes „Momo“ – zehn Jahre vor Nadolnys bekanntestem Roman erschienen – hielt ein Plädoyer für das reale Leben im hier und jetzt und gegen die grauen „Zeitdiebe“. Die Welt hat sich zwar „nur“ in der gleichen Geschwindigkeit weitergedreht, die Hektik der (allermeisten) Menschen, Zeitdruck, hat um ein Vielfaches zugenommen. Das was schon vor 50 und 40 Jahren beklagt worden war, dass damit nicht nur menschliche Beziehungen beeinträchtigt, sondern oft die Wahrnehmung der Wirklichkeit zunehmend verloren gehen könnte, hat sich potenziert. Hektische Bild- und Schnittfolge in Videos und Filmen – da setzt diese Version der Dramatisierung des Romans durch ihre Spielart viele Momente entgegen, sich auf das Loblied der Langsamkeit einzulassen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Entdeckung der Langsamkeit“ im Theater Spielraum (Wien)

Traum einer Expedition

„Wie dem – wie immer im „Spielraum“ umfangreichen, hintergründigen – Programmheft (wahrscheinlich den besten der Stadt) zu entnehmen ist, hatte das Schicksal der bei ihrer letzten Expedition im ewigen Eis verschollenen Forscher, namentlich John Franklins, Sten Nadolny schon als Schüler interessiert. Das schreibt er im Einleitungsabsatz eines Artikels für die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ Anfang 2023 anlässlich des 40. „Geburtstages“ dieses Romans. Damals träumte er davon, selber eine Expedition zu leiten, um die verschollenen Schiffe bzw. eventuelle Überreste zu finden. Um viel später daraus einen Roman zu schreiben.“ (KiJuKU, November 2023)

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Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch (Vorarlberg) eingeladen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Entdeckung der Langsamkeit“ nach dem gleichnamigen Roman Sten Nadolny
Szenenfoto aus "EchO" von Ymedioteatro aus Spanien

Mit dir ist’s schwer auszuhalten, ohne dich gar nicht?

Auf einer Bank in der Bühnenmitte sitzen zwei Darsteller schon als das Publikum den Sall betritt. Sie haben rote Nasen mitten im Gesicht. Álex Ramos und Santos Sánchez der Gruppe „ymedioteatro“ aus Torreperogil (Andalusien, Spanien) spielen zu Beginn der rund einstündigen Performance „EchO“ krasse Gegensätzlichkeit: Der eine voll aktiv, fast übermotiviert. Der andere neigt zum Einschlafen. Nur ja nichts tun müssen. Lediglich als der Erste beginnt über das Smartphone Licht und Ton zu regulieren, wird der Zweite hellwach, um stets dazwischen zu funken. Soweit das Intro, das mit dem Versuch, gemeinsam zu musizieren – mit Mini-Ziehharmonika bzw. Gitarre – endet. Da wird auch der „Schläfrige“ munter und pfeift Vogelgewitscher.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „EchO“ von Ymedioteatro aus Spanien

Als die beiden sich zum ersten Mal aus ihrer Sitzposition erheben wird etwas sichtbar: Sie sind mit einem roten Seil miteinander verbunden. Und da fällt der „Gleichklang“ mit der Bühnen-Deko auf – aus lauter solchen verknüpften Seilen spielen sie in einer Art Netz-Zelt mit großen Löchern.

Verbandelt

Das Seil verbindet die engen Freunde. Doch kaum will der eine oder andere vielleicht einen eigenen Weg einschlagen – schwierig, die „Leine“ ist kurz. Und so spielen sich die beiden Schauspieler, Clowns und bald auch Figurenspieler durch Szenen einer engen Freundschaft. Mit all ihren Facetten – der Geborgen- und Verbundenheit ebenso wie dem nicht voneinander loskommen. Gern zusammen sein vs. doch zumindest hin und wieder unabhängig, selbstständig, frei sein zu wollen. Doch da steht das enge Band dazwischen. Ärger, Wut, Aggression – mit vielen gegenseitigen Schlägen. Letztere als Clowns natürlich auch in gewisser Slapstick-Manier, was ihr die Brutalität nimmt und vor allem bei den (ganz) jungen Besucher:innen fast zu Lachstürmen sorgt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „EchO“ von Ymedioteatro aus Spanien

Viel zum Lachen

Diese genannten großen Fragen der menschlichen Existenz spielen die Clowns immer wieder situations- und bewegungskomisch (Regie: neben den beiden vor allem Delfín Caset und Zero en conducta Company). Und bald auch mit unterschiedlichsten Objekten, die sie zu spannenden Figuren beleben – etwa zwei weiße Hemden aus der Verkaufsschachtel. Diese oft geister-ähnlichen Wesen bespielen sie teils mit ineinander verschränkten Händen, sodass sie fast selber nicht mehr zu wissen scheinen, welche Hand zu wem gehört. Genial auch eine seiltanzende Radfahrer:in aus Klebebändern, die sie scheinbar live auf der Bühne basteln.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „EchO“ von Ymedioteatro aus Spanien

Aristoteles

Viele spannende Szenen liefert das Duo auch noch rund ums Schlafengehen, wo ihre Sitzbank zum Paravent wird, hinter dem sie ums Einschlafen kämpfen, mögliche Albträume ausleben… Und wie und ob sie irgendwann voneinander loskommen – nein, das Ende sei sicher nicht verraten, vielleicht kommt das Duo, das übrigens tatsächlich via Handy Ton und Licht von der Bühne aus steuert, einmal in deine / Ihre Stadt 😉

Übrigens nennen sie auf ihrer Homepage als Motto für dieses Stück: „Freundschaft ist eine einzige Seele, die in zwei Körpern wohnt; ein Herz, das in zwei Seelen lebt.“ (Der Spruch wird dem antiken griechischen Philosophen der Aristoteles zugeschrieben.)

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Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch (Vorarlberg) eingeladen.

Foto aus "Stina und der Tentakelarm-Verkäufer" von Robo-Theater, Deutschland

Puppen-Krimi in der Welt gezeichneter und dreidimensionaler Roboter

Bevor Kinder – bei Familienvorstellungen unterstützt von erwachsenen Begleitpersonen – angeleitet mit Materialien (Batterie, Motor, Drähte, Büroklammern als Schalter) der Puppenspielerin und gelernten Elektrotechnikerin, eigene fantasievolle Roboter bauen dürfen, hören und sehen sie das Theaterstück „Stina und der Tentakelarm-Verkäufer“ von „Robotheater“ aus dem deutschen Bochum.

Schmiermittel-Engpass

Die Puppenspielerin und Schnellst-Sprech-Erzählerin Yvonne Dicketmüller führt das Publikum ab 5 Jahren in eine komplexe Geschichte (die sie und die Zeichnerin Vera Keitmeier sich ausgedacht und getextet haben) in der Welt von (fast) nur Roboter:innen. In Robo-City, wo sie immer wieder Stücke ansiedelt, geht’s beim in Feldkirch (Vorarlberg) gezeigten Stück im Rahmen des internationalen Theaterfestivals „Luaga & Losna“ (Schauen und Hören) um einen Krimi. Die uniformierten und alle gleich aussehenden gezeichneten Robo-Cops lechzen bei der morgendlichen Besprechung über die zugenommene Kriminalität in ihrem Universum vor allem aber erst einmal nach Kaffee-Öl. Das Schmiermittel, damit sie überhaupt gut funktionieren können. Dieses aber wurde zur Mangelware.

Nicht nur zum Kaffeekochen

Neben dem übermächtig als riesige Kartonfigur mit Alu-Schnauzbart auftauchenden Polizei-Boss, fällt natürlich vor allem die titelgebende Hauptfigur durch anderes als das gleichförmige Aussehen auf: Stina. Als Kaffeemaschine programmiert, will nichts sehnlicher als Polizistin werden, wird aber von den möglichen Kolleg:innen sowie deren Chef in ihrem Wunsch so gar nicht ernst genommen.

Zeichnungen und dreidimensionale Figuren

Und klar, sie wird es schaffen, indem sie die Hintergründe der Verbrechenswelle aufklärt. Und dabei – eh kloar, wozu sonst der Titel – spielt ein Tentakelarm eine große Rolle, sogar mitunter eine riesengroße. Denn so wie der große Ober-Polizist und Stina sowie der kleinsten Polizistin POL 101 taucht der Tintenfisch-Arm mit seinen Saugnapf-Noppen nicht nur in den Zeichnungen auf, sondern wird von der Puppenspielerin auch in dreidimensionaler Form (teils 3D-Drucke) außerhalb des beleuchteten Guckkastens be- und gespielt; der Tentakelarm sogar in Klein und riesig, sogar den Polzei-Boss überragender Form

Der überwiegende Teil des verwickelten Krimis – Polizei gegen Ersatzteil-Gang – mit komplexen Wendungen samt Ausflügen über die Feuermauer hinweg in die analoge, natürliche Welt mit richtigem Gras – solches das auf Wiesen wächst und kein Fall für die Polizei ist – wird von der Spielerin in dem genannten Guckkasten stets weitergekurbelt (daher Crankie-Puppentheater; das englische Crank steht für Kurbel).

Zu wenig auf Bilder vertraut

Zu oft doppelt die Spielerin in zu langen Stück – „aber die Komplexität soll erhalten bleiben“ (so Dicketmüller) Text und Bilder, gesteht in diesem Nachgespräch, dass sie „vielleicht zu wenig den Bildern vertraut“ hätte. Solches aber würde dem Publikum auch Zeit zum Durchatmen und mehr Raum geben, sich auf die comic-artigen Bildern auch zu konzentrieren bzw. selber im Kopf Text und Bild, die gemeinsam ein Ganzes ergeben könnten, zusammenzufügen.

Nur einmal hereingeholt

Vielleicht würde sich auch anbieten, einen „Trick“, das Publikum ein wenig mehr bei der Stange zu halten, aus dem ersten Drittel ein paar Mal zu wiederholen: Da bittet die Puppenspielerin und Roboterbauerin die Zuschauer:innen mittels Klatschen, Stampfen usw. für die musikalische Untermalung zu sorgen, denn dafür sei sie gar nicht gebucht worden. Mit Ausnahme dieser einen Passage spielt sie dann aber doch immer wieder Musik ein.

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Szenenfoto aus "Kreise" von Helios Theater

Am Anfang – schwebt ein Stein…

Am Anfang ist – ein Stein. Der hängt an einem Haken an einer Schnur in den Händen des Theatermachers. Damit kommt er aus dem Saal im Pförtnerhaus an der Ill im Vorarlberger Feldkirch beim internationalen Theaterfestival für junges Publikum „Luaga & Losna“, tänzelt durch die Reihen der wartenden Zuschauer:innen. Insbesondere vor Kindern lässt Michael Lurse vom Helios Theater im deutschen Hamm diesen kleinen Stein baumeln, mit kleinem Anstoß zieht der Kreise.

Dieses Rund ist auch der Titel der folgenden rund halbstündigen Performance im Saal mitten zwischen dem Publikum, das im Viereck um den Tanzboden auf Bänken sitzt. Erst lässt der Solo-Performer einen Stein pendeln, später tänzelt er zwischen drei hin und her schwingenden Steinen hindurch. Der Techniker (Malte Kochanek), der die langen Schnüre, an denen die Steine baumeln, auch schon mal hochzieht, versorgt das Bühnengeschehen mit wenig, dafür umso wirkungsvolleren Lichtspielen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kreise“ von Helios Theater

Sand und Spuren in diesem

Noch kreisen die Steine nicht, aber bald kommt ein Metallkübel ins Spiel, Klappe im Boden geöffnet und raus rieseln winzig-zerkleinerte Steine, besser bekannt als Sand. Ein Schubs, und schon kreist der Kübel über dem gesamten Tanzboden, womit sich Kreis um Kreis runde Sandspuren ergeben. Irgendwann beginnt der Schauspieler in diese seine Fußspuren zu setzen, malt dabei das eine oder andere Bild damit, hüpft, tritt nur mit Ferse oder Zehen auf, und schon sehen wir andere Spuren.

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Szenenfoto aus „Kreise“ von Helios Theater

Obwohl allein spielend, erschafft der Co-Leiter des Theaters, das nach Sonnengott benannt ist, sozusagen nicht nur das Universum, die Welt, sondern lässt – in Form von wild gebauten Papier-Figuren Tiere und Menschen ins Spiel kommen, verleiht ihnen Geräusche und Stimmen – um schon gegen Ende das Publikum spielerisch ins Geschehen einzubeziehen und nach dem Schluss die Bühne als Spielfläche freizugeben – mit Figuren und Sand.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kreise“ von Helios Theater

Schöpfungsgeschichte

Das sehr poetische bildstarke, beeindruckende und gleichzeitig berührende Spiel mit fast meditativen Momenten schon für Besucher:innen ab 2 Jahren, kann von älteren Zuschauer:innen vielleicht sogar als eine Art metaphorische Schöpfungsgeschichte gesehen/gelesen werden, ist jedenfalls ein Vergnügen es zu erleben. Und offensichtlich auch, es zu spielen. Wie zu sehen, zu spüren, und wie Michael Lurse im abendlichen Nachgespräch erzählt. Genau deshalb habe sich Helios Theater auf den Bereich für die Allerjüngsten verlegt. Die seien noch wenig von „pädagogischer Bewertung“ von Bildern und/oder Musik verdorben, könnten sich noch am Betrachten und Lauschen erfreuen – „und wir können dadurch künstlerische Freiräume ausleben“.

Und – so erzählt er: Am Anfang stand tatsächlich das Bild eines über der Bühne hängenden, schwebenden Steins gewesen, das er mehrmals abends vor dem Einschlafen hatte. Steine genommen, ausprobiert und Schritt für Schritt sei so die Performance entstanden.

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Foto aus "My Odyssey" von Asterion Hus

Eine – nein viele – Odysseen

So klein der Kreis des rundum sitzenden Publikums, so groß und weit die Perspektive, die Solo-Performerin/-tänzerin Tilde Knudsen in dieser Stunde eröffnet. Und das hängt nicht nur am Stoff, der schon die vielleicht längste seit mehr als 2 ½ Tausend Jahren weltberühmte Reise mehr als anklingen lässt. In „My Odyssey“ der dänischen Theatergruppe Asterions Hus spannt die tanzende, spielende, fast durch Raum und Zeit fliegende Performerin den Bogen noch viel weiter als die rund 20-jährige sprichwörtlich gewordene Odyssee – die von Homer in Verse gegossenen Abenteuer des griechischen Helden auf der Rückkehr nach dem Krieg gegen Troja. Gleich zu Beginn, über den sie mit dem Publikum im Zwie- und Gruppengespräch darüber philosophiert, wo diese, ja überhaupt eine oder vielmehr jede Geschichte wirklich startet, erweitert sie durch die gesummte, gebrummte Intonierung der auch sehr bekannt gewordenen Filmmelodie die Reise auf den Weltraum (der 1968 erschienene Science-Fiction Roman Arthur Clarkes und die Verfilmung Stanley Kubricks im selben Jahr: 2001 Odyssee im Weltraum).

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Foto aus „My Odyssey“ von Asterion Hus

EU-Projektschiff

Auch wenn sie sich entlang der groben Storyline der Odyssee (Regie: Peter Kirk) durch die Stunde hantelt, so springt die fast artistisch in dem Rund, der fast einer Manege gleicht, assoziativ zu verwandten Themen. Ebenso wie zu Erfahrungen aus ihrem Leben. So spielt sie auf ein kreatives EU-Projekt an, in dem im Laufe von vier aufeinander folgenden Sommern (darstellende) Künstler:innen aus elf europäischen Ländern in einem eigens aus Holz gebauten Schiff von den baltischen Staaten bis Griechenland und Malta gereist sind. Voller hoffnungsvoller Erwartungen auf diesen künstlerischen Austausch – untereinander ebenso wie mit Publikum jeweils vor Ort. Samt großen Enttäuschungen, dass das Projekt voll nicht das gebracht hat, sondern sehr oft bei Fragen, „wer putzt nun das Klo an Bord“ hängen geblieben sind. Aber immerhin so manche Kontakte zwischen Beteiligten dauerhaft geblieben sind…

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Foto aus „My Odyssey“ von Asterion Hus

Theaterneid

Ebenso baut sie die Enttäuschung ihrer Theatergruppe ein, dass sie auf der dänischen Insel Møn, wo sie und ihr Mann ihre (künstlerische) Heimat gefunden haben, von dem seit Jahrzehnten hier etablierten Theater aus öffentlichen Subventionen gemobbt worden sind. Worauf sie sich nach wie vor auf Tour-Theater und das oft mit wenigstens Mitteln konzentrieren, „so dass wir mit unserem Campingbus anreisen und fast aus diesem und rund um diesen spielen können“, wie sie in einer Gesprächsrunde mit Teilnehmer:innen des Symposions „Bild & Ton & Bild“, das parallel zum internationalen Theaterfestival „Luaga & Losna“ in Feldkirch (Vorarlberg) läuft, berichten. Das diesjährige, 20. Symposion – das Festival feierte sein 35-Jahr-Jubiläum – steht übrigens unter dem Motto „Die abhanden gekommene Konzentration und ihre Rückgewinnung“.

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Foto aus „My Odyssey“ von Asterion Hus

Konzentration (zurück) gewinnen

Tilden und Kirk schilderten, sie würden in Dänemark erleben, dass Kinder im Publikum mit abstrakten Performances heute weniger anfangen könnten als vor 20 Jahren, „sie brauchen heute viel mehr konkrete Geschichten, deren Sinn sie gleich verstehen“.

Beim Festival waren bei Tilde Knudsens doch streckenweise eher abstrakter, assoziativer „Alice im Wunderland“ aber doch auch recht viele sogar junge Kinder am Geschehen geblieben. Ihre „Odyssey“ verfolgten allerdings – obwohl ab 12 Jahren angegeben – ausschließlich und meist auch nicht ganz junge Erwachsene. Die sich doch auf ihr Spiel einlassen konnten, obwohl sie im Laufe der Stunde mehr oder minder fast jede Einzelne/ jeden Einzelnen im Publikum direkt in ihre Erzählung verstrickte.

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Foto aus „My Odyssey“ von Asterion Hus

Hin und wieder wechselte Knudsen die Perspektive von Odysseus zu seiner zu Hause (Ithaka) – das in dieser Version in Dänemark liegt – wartenden Frau Penelope und dem heranwachsenden Sohn Telemachos, in der Odyssee vernachlässigte Charaktere. Und sie erzählte – wie recht oft sehr sprudelnd (englisch) einen angebliche ganze andere Interpretation: Penelope wäre eine Eizelle, Odysseus jenes Spermium, das es als einziges ans Ziel geschafft habe – Ergebnis: Telemachos, ihrer beider Sohn 😉

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