Bevor Kinder – bei Familienvorstellungen unterstützt von erwachsenen Begleitpersonen – angeleitet mit Materialien (Batterie, Motor, Drähte, Büroklammern als Schalter) der Puppenspielerin und gelernten Elektrotechnikerin, eigene fantasievolle Roboter bauen dürfen, hören und sehen sie das Theaterstück „Stina und der Tentakelarm-Verkäufer“ von „Robotheater“ aus dem deutschen Bochum.
Die Puppenspielerin und Schnellst-Sprech-Erzählerin Yvonne Dicketmüller führt das Publikum ab 5 Jahren in eine komplexe Geschichte (die sie und die Zeichnerin Vera Keitmeier sich ausgedacht und getextet haben) in der Welt von (fast) nur Roboter:innen. In Robo-City, wo sie immer wieder Stücke ansiedelt, geht’s beim in Feldkirch (Vorarlberg) gezeigten Stück im Rahmen des internationalen Theaterfestivals „Luaga & Losna“ (Schauen und Hören) um einen Krimi. Die uniformierten und alle gleich aussehenden gezeichneten Robo-Cops lechzen bei der morgendlichen Besprechung über die zugenommene Kriminalität in ihrem Universum vor allem aber erst einmal nach Kaffee-Öl. Das Schmiermittel, damit sie überhaupt gut funktionieren können. Dieses aber wurde zur Mangelware.
Neben dem übermächtig als riesige Kartonfigur mit Alu-Schnauzbart auftauchenden Polizei-Boss, fällt natürlich vor allem die titelgebende Hauptfigur durch anderes als das gleichförmige Aussehen auf: Stina. Als Kaffeemaschine programmiert, will nichts sehnlicher als Polizistin werden, wird aber von den möglichen Kolleg:innen sowie deren Chef in ihrem Wunsch so gar nicht ernst genommen.
Und klar, sie wird es schaffen, indem sie die Hintergründe der Verbrechenswelle aufklärt. Und dabei – eh kloar, wozu sonst der Titel – spielt ein Tentakelarm eine große Rolle, sogar mitunter eine riesengroße. Denn so wie der große Ober-Polizist und Stina sowie der kleinsten Polizistin POL 101 taucht der Tintenfisch-Arm mit seinen Saugnapf-Noppen nicht nur in den Zeichnungen auf, sondern wird von der Puppenspielerin auch in dreidimensionaler Form (teils 3D-Drucke) außerhalb des beleuchteten Guckkastens be- und gespielt; der Tentakelarm sogar in Klein und riesig, sogar den Polzei-Boss überragender Form
Der überwiegende Teil des verwickelten Krimis – Polizei gegen Ersatzteil-Gang – mit komplexen Wendungen samt Ausflügen über die Feuermauer hinweg in die analoge, natürliche Welt mit richtigem Gras – solches das auf Wiesen wächst und kein Fall für die Polizei ist – wird von der Spielerin in dem genannten Guckkasten stets weitergekurbelt (daher Crankie-Puppentheater; das englische Crank steht für Kurbel).
Zu oft doppelt die Spielerin in zu langen Stück – „aber die Komplexität soll erhalten bleiben“ (so Dicketmüller) Text und Bilder, gesteht in diesem Nachgespräch, dass sie „vielleicht zu wenig den Bildern vertraut“ hätte. Solches aber würde dem Publikum auch Zeit zum Durchatmen und mehr Raum geben, sich auf die comic-artigen Bildern auch zu konzentrieren bzw. selber im Kopf Text und Bild, die gemeinsam ein Ganzes ergeben könnten, zusammenzufügen.
Vielleicht würde sich auch anbieten, einen „Trick“, das Publikum ein wenig mehr bei der Stange zu halten, aus dem ersten Drittel ein paar Mal zu wiederholen: Da bittet die Puppenspielerin und Roboterbauerin die Zuschauer:innen mittels Klatschen, Stampfen usw. für die musikalische Untermalung zu sorgen, denn dafür sei sie gar nicht gebucht worden. Mit Ausnahme dieser einen Passage spielt sie dann aber doch immer wieder Musik ein.
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch (Vorarlberg) eingeladen.
Am Anfang ist – ein Stein. Der hängt an einem Haken an einer Schnur in den Händen des Theatermachers. Damit kommt er aus dem Saal im Pförtnerhaus an der Ill im Vorarlberger Feldkirch beim internationalen Theaterfestival für junges Publikum „Luaga & Losna“, tänzelt durch die Reihen der wartenden Zuschauer:innen. Insbesondere vor Kindern lässt Michael Lurse vom Helios Theater im deutschen Hamm diesen kleinen Stein baumeln, mit kleinem Anstoß zieht der Kreise.
Dieses Rund ist auch der Titel der folgenden rund halbstündigen Performance im Saal mitten zwischen dem Publikum, das im Viereck um den Tanzboden auf Bänken sitzt. Erst lässt der Solo-Performer einen Stein pendeln, später tänzelt er zwischen drei hin und her schwingenden Steinen hindurch. Der Techniker (Malte Kochanek), der die langen Schnüre, an denen die Steine baumeln, auch schon mal hochzieht, versorgt das Bühnengeschehen mit wenig, dafür umso wirkungsvolleren Lichtspielen.
Noch kreisen die Steine nicht, aber bald kommt ein Metallkübel ins Spiel, Klappe im Boden geöffnet und raus rieseln winzig-zerkleinerte Steine, besser bekannt als Sand. Ein Schubs, und schon kreist der Kübel über dem gesamten Tanzboden, womit sich Kreis um Kreis runde Sandspuren ergeben. Irgendwann beginnt der Schauspieler in diese seine Fußspuren zu setzen, malt dabei das eine oder andere Bild damit, hüpft, tritt nur mit Ferse oder Zehen auf, und schon sehen wir andere Spuren.
Obwohl allein spielend, erschafft der Co-Leiter des Theaters, das nach Sonnengott benannt ist, sozusagen nicht nur das Universum, die Welt, sondern lässt – in Form von wild gebauten Papier-Figuren Tiere und Menschen ins Spiel kommen, verleiht ihnen Geräusche und Stimmen – um schon gegen Ende das Publikum spielerisch ins Geschehen einzubeziehen und nach dem Schluss die Bühne als Spielfläche freizugeben – mit Figuren und Sand.
Das sehr poetische bildstarke, beeindruckende und gleichzeitig berührende Spiel mit fast meditativen Momenten schon für Besucher:innen ab 2 Jahren, kann von älteren Zuschauer:innen vielleicht sogar als eine Art metaphorische Schöpfungsgeschichte gesehen/gelesen werden, ist jedenfalls ein Vergnügen es zu erleben. Und offensichtlich auch, es zu spielen. Wie zu sehen, zu spüren, und wie Michael Lurse im abendlichen Nachgespräch erzählt. Genau deshalb habe sich Helios Theater auf den Bereich für die Allerjüngsten verlegt. Die seien noch wenig von „pädagogischer Bewertung“ von Bildern und/oder Musik verdorben, könnten sich noch am Betrachten und Lauschen erfreuen – „und wir können dadurch künstlerische Freiräume ausleben“.
Und – so erzählt er: Am Anfang stand tatsächlich das Bild eines über der Bühne hängenden, schwebenden Steins gewesen, das er mehrmals abends vor dem Einschlafen hatte. Steine genommen, ausprobiert und Schritt für Schritt sei so die Performance entstanden.
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch (Vorarlberg) eingeladen.
So klein der Kreis des rundum sitzenden Publikums, so groß und weit die Perspektive, die Solo-Performerin/-tänzerin Tilde Knudsen in dieser Stunde eröffnet. Und das hängt nicht nur am Stoff, der schon die vielleicht längste seit mehr als 2 ½ Tausend Jahren weltberühmte Reise mehr als anklingen lässt. In „My Odyssey“ der dänischen Theatergruppe Asterions Hus spannt die tanzende, spielende, fast durch Raum und Zeit fliegende Performerin den Bogen noch viel weiter als die rund 20-jährige sprichwörtlich gewordene Odyssee – die von Homer in Verse gegossenen Abenteuer des griechischen Helden auf der Rückkehr nach dem Krieg gegen Troja. Gleich zu Beginn, über den sie mit dem Publikum im Zwie- und Gruppengespräch darüber philosophiert, wo diese, ja überhaupt eine oder vielmehr jede Geschichte wirklich startet, erweitert sie durch die gesummte, gebrummte Intonierung der auch sehr bekannt gewordenen Filmmelodie die Reise auf den Weltraum (der 1968 erschienene Science-Fiction Roman Arthur Clarkes und die Verfilmung Stanley Kubricks im selben Jahr: 2001 Odyssee im Weltraum).
Auch wenn sie sich entlang der groben Storyline der Odyssee (Regie: Peter Kirk) durch die Stunde hantelt, so springt die fast artistisch in dem Rund, der fast einer Manege gleicht, assoziativ zu verwandten Themen. Ebenso wie zu Erfahrungen aus ihrem Leben. So spielt sie auf ein kreatives EU-Projekt an, in dem im Laufe von vier aufeinander folgenden Sommern (darstellende) Künstler:innen aus elf europäischen Ländern in einem eigens aus Holz gebauten Schiff von den baltischen Staaten bis Griechenland und Malta gereist sind. Voller hoffnungsvoller Erwartungen auf diesen künstlerischen Austausch – untereinander ebenso wie mit Publikum jeweils vor Ort. Samt großen Enttäuschungen, dass das Projekt voll nicht das gebracht hat, sondern sehr oft bei Fragen, „wer putzt nun das Klo an Bord“ hängen geblieben sind. Aber immerhin so manche Kontakte zwischen Beteiligten dauerhaft geblieben sind…
Ebenso baut sie die Enttäuschung ihrer Theatergruppe ein, dass sie auf der dänischen Insel Møn, wo sie und ihr Mann ihre (künstlerische) Heimat gefunden haben, von dem seit Jahrzehnten hier etablierten Theater aus öffentlichen Subventionen gemobbt worden sind. Worauf sie sich nach wie vor auf Tour-Theater und das oft mit wenigstens Mitteln konzentrieren, „so dass wir mit unserem Campingbus anreisen und fast aus diesem und rund um diesen spielen können“, wie sie in einer Gesprächsrunde mit Teilnehmer:innen des Symposions „Bild & Ton & Bild“, das parallel zum internationalen Theaterfestival „Luaga & Losna“ in Feldkirch (Vorarlberg) läuft, berichten. Das diesjährige, 20. Symposion – das Festival feierte sein 35-Jahr-Jubiläum – steht übrigens unter dem Motto „Die abhanden gekommene Konzentration und ihre Rückgewinnung“.
Tilden und Kirk schilderten, sie würden in Dänemark erleben, dass Kinder im Publikum mit abstrakten Performances heute weniger anfangen könnten als vor 20 Jahren, „sie brauchen heute viel mehr konkrete Geschichten, deren Sinn sie gleich verstehen“.
Beim Festival waren bei Tilde Knudsens doch streckenweise eher abstrakter, assoziativer „Alice im Wunderland“ aber doch auch recht viele sogar junge Kinder am Geschehen geblieben. Ihre „Odyssey“ verfolgten allerdings – obwohl ab 12 Jahren angegeben – ausschließlich und meist auch nicht ganz junge Erwachsene. Die sich doch auf ihr Spiel einlassen konnten, obwohl sie im Laufe der Stunde mehr oder minder fast jede Einzelne/ jeden Einzelnen im Publikum direkt in ihre Erzählung verstrickte.
Hin und wieder wechselte Knudsen die Perspektive von Odysseus zu seiner zu Hause (Ithaka) – das in dieser Version in Dänemark liegt – wartenden Frau Penelope und dem heranwachsenden Sohn Telemachos, in der Odyssee vernachlässigte Charaktere. Und sie erzählte – wie recht oft sehr sprudelnd (englisch) einen angebliche ganze andere Interpretation: Penelope wäre eine Eizelle, Odysseus jenes Spermium, das es als einziges ans Ziel geschafft habe – Ergebnis: Telemachos, ihrer beider Sohn 😉
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch (Vorarlberg) eingeladen.