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Szenenfoto aus "Ragazzi del Mondo" von und mit aktionstheater ensemble

„Kinder“, was machen wir aus dieser Welt?!

Aus tragischem aktuellen Anlass muss das aktionstheater ensemble, das ab Donnerstag „Ragazzi del Mondo“ im Bregenzer Kosmos Theater (Details siehe Info-Box) spielt, jeweils eine Vorbemerkung – auf kleinen Plakaten im Foyer anbringen und damit’s niemand übersieht, auch vortragen, und die sei auch hier auszugsweise veröffentlicht: „Sämtliche Textpassagen, wie etwa die Tatsache, wie leicht es ist, in Österreich an Waffen zu gelangen, sind im Laufe des Probenprozesses entstanden und somit keine direkte Reaktion auf die jüngste Tragödie des Amoklaufs in Graz. Es handelt sich im Stück also um Reflexionen auf das allgemeine Zeitgeschehen.“ Samt dem Verständnis dafür, dass angesichts dieser Ankündigung, manche Besucher:innen das Stück unter diesen Voraussetzungen nicht anschauen können oder wollen.

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Szenenfoto aus „Ragazzi del Mondo“ von und mit aktionstheater ensemble

Psychologisches Gutachten Teil des Waffenverkaufs-Pakets

Gleich in der ersten Szene steht die Lust am Schießen, auch wenn’s „nur“ auf Feldhasen ist, zu der Touren in den USA einladen, im Zentrum. Und dazu Erfahrungen aus Recherchen in einem österreichischen Waffengeschäft. Dort bzw. auf der Homepage eines solchen Dealers ist 1:1 zu lesen, was – hoffentlich nicht mehr lange so gelten wird: In drei Stunden von null auf Waffe samt dem psychologischen Gutachten. Das war übrigens bisher in der Berichterstattung nach dem Massenmord an dem Grazer BORG noch kaum bis nicht zu vernehmen – und ebenfalls bislang offenbar noch kein Thema bei der angekündigten Verschärfung der Waffengesetze: Ein Unternehmen, das Waffen verkauft, sorgt auch gleich für das Gutachten!!!???

Die heftige und aufgrund der Aktualitäten – Graz sowie Krieg Israel-Iran – noch heftigere Eröffnungsszene lässt den Atem des Publikums stocken, auch wenn die Gruppe schon vorab das jüngste Stück als „theatralisches Gemälde über die Möglichkeit und Unmöglichkeit des Miteinanders vor der Kulisse internationaler Kriegsszenarien, unter anderem die gestiegene Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft“ ankündigte.

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Szenenfoto aus „Ragazzi del Mondo“ von und mit aktionstheater ensemble

Lust an Fetzereien

Und so fetzen sich Darsteller:innen heftigst – und verströmen dabei auch noch teils riesengroße Lust an gegenseitigen zumindest verbalen Verletzungen. Klar, jede und jeder im Publikum weiß, das ist „nur“ gespielt. Aber es wirkt über weite Strecken derart authentisch, dass es innerlich wehtut – und noch viel mehr, weil viele der Auseinandersetzungen allzu bekannt vorkommen, dass sie zum Spiegelbild dessen werden, was permanent – vor allem – auf Social Media abläuft; und dazu so manches das sich im analogen Leben abspielt: Trotz schier unendlich vieler Worte und Sätze findet Kommunikation miteinander selten statt – aneinander vorbeireden, die / den anderen ignorieren, überhören trotz oder eben auch wegen der Lautstärke…

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Szenenfoto aus „Ragazzi del Mondo“ von und mit aktionstheater ensemble

Jura Soyfer im „Weltuntergang“: Die Erde hat Menschen

Konnten Menschen zu Beginn ihrer Geschichte nur (über-)leben, wenn sie zusammenhielten, so scheinen wir alle nicht nur in Sachen Umgang mit der Umwelt, sondern auch miteinander ziemlich kräftig an der eigenen Auslöschung zu arbeiten. Dem Planeten selber wird’s überspitzt formuliert wurscht sein. Wie schon Jura Soyfer in seinem Stück „Der Weltuntergang“ den Planeten Saturn sagen lässt: „Er hat sich gedacht, ein Zusammenprall ist eh überflüssig. Die Menschen rotten einander sowieso über kurz oder lang aus!“ Als Die Sonne zur Versammlung der Planeten reif, um die Störung der Sphärenharmonie zu besprechen und die Erde als Verursacherin ausmachte, entschuldigt der Mond diese mit der Bemerkung: Die Erde hat Menschen.

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Szenenfoto aus „Ragazzi del Mondo“ von und mit aktionstheater ensemble

(Selbst-)Kritik

Das aktionstheater ensemble hat natürlich auch Kinder der EINEN Welt  (Ragazzi del mondo) wie immer gemeinsam entwickelt: Mastermind Martin Gruber mit dieses Mal Zeynep Alan, Isabella Jeschke, Thomas Kolle, Kirstin Schwab, Benjamin Vanyek (Schauspiel, Tanz und Text) sowie den Live-Musikern Andreas Dauböck (Drums, Klavier, Synthesizer, Looper, Gesang) und Pete Simpson (Gesang, Bass); und dazu noch Martin Ojster (Dramaturgie), Valerie Lutz und Martin Platzgummer (Bühne) sowie Luis Kaindlstorfer (Kostüme). Und wie ebenfalls praktisch immer zielt die Inszenierung darauf ab, dass sie die Zuschauer:innen nicht außen vor lässt und über „die anderen“ erzählt, sondern sich das Ensemble selbst sowie das Publikum in die „Selbst-)Kritik einschließt.

Und damit dies auch möglich ist, die Distanz, die vierte Wand durchbricht, weist trotz aller Heftigkeit auch „Ragazzi del Mondo“ die eine oder andere humorvolle Passage und Szene auf, auch wenn das Lachen dann – bewusst provoziert – nicht selten im Hals stecken bleibt.

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Szenenfoto aus „Ragazzi del Mondo“ von und mit aktionstheater ensemble
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Wollte entweder „bossy“ oder ein wenig rebellisch spielen

KiJuKU: Nachdem gesagt wurde, dass sich alle zwei Rollen aussuchen konnte, was war die zweite Rolle, die du wolltest?
Margarethe Plass-Willensdorfer (Darstellerin der Co-Fabriks-Chefin Ada Unterberger): Ich habe mich sehr für Alquist (Ingenieurin der Roboterfabrik) interessiert. Eine Figur, die zu denen gehört, die auch einmal alleine auf der Bühne mit Turnanzügen waren. Aber natürlich habe ich mich mehr für die Hauptrolle interessiert, die ich auch bekommen habe. Das ist schön.

KiJuKU: Aber war dann klar, dass du diese eine Hauptrolle spielst oder eine dieser drei?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Es war noch nicht eingeteilt. Für die drei weiblichen Hauptrollen wurden drei Schauspielerinnen ausgesucht und dann teilt man sich den Text ein.

KiJuKU: Warum waren diese zwei verschiedenen Rollen deine Auswahl? Also einerseits eine Hauptrolle und andererseits eine kleinere Rolle…
Margarethe Plass-Willensdorfer: Für die Rolle, die ich bekommen habe, habe ich mich interessiert, weil ich dachte, dass ich das gut schaffe, so viel Text zu lernen. Sie hat auch zu mir gesprochen, weil ich dieses bossy-mäßige mag. Alquist wäre interessant gewesen, weil er der einzige Wissenschaftler ist, der ein bisschen gegen die Roboter ist, und man bei dieser Rolle so ein bisschen rebellisch sein kann.

KiJuKU: Hängt das mit der eigenen Persönlichkeit zusammen, einerseits bossy und andererseits rebellisch?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Ja, kann man so sagen, ich weiß nicht, aber vielleicht. Es ist einfach eine Rolle, die cool zum Spielen ist.

KiJuKU: Und du spielst schon ewig Theater?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Meine Eltern sind auch Schauspieler und mit ihnen habe ich Kurse besucht und auch mal bei irgendwas mitgespielt. Es macht mir schon immer Spaß.

KiJuKU: Gab’s nie eine Phase, wo du es nicht wolltest, weil es die Eltern machen?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Nein, ich habe mich immer dafür interessiert und bin auch immer gerne ins Theater gegangen.

KiJuKU: Du hast ja eine Fabrikleiterin gespielt und noch zu deiner Rolle: Wie war es, ein Liebespaar – mit einem der UN- Delegierten – zu spielen?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Ich war zuerst mit einem anderen Schauspieler ein Liebespaar. Wir haben dann ziemlich kurzfristig Rollen getauscht, weil die Energie zwischen den anderen besser war. Am Anfang habe ich mit jemand anderem geprobt, aber dann ging es auch schnell, dass ich mich mit Valentin (Szep, Darsteller des UN-Delegierten John Smith) eingegroovt habe. Es war auch schwer, die Energie zu entwickeln, aber es ging dann auf jeden Fall.

KiJuKU: Wie wurden die Lieder im Stück geprobt?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Wir haben immer in unserem Musikunterricht geprobt. Es war am Anfang ein bisschen kompliziert, weil niemand die Stimmen hatte, aber es hat dann mit der Zeit funktioniert.

KiJuKU: Ganz am Anfang wird ja ein Tango getanzt und währenddessen wird die Entstehungsgeschichte der Fabrik erzählt. Wie ist es, während des Tanzens zu sprechen?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Das war am Anfang anstrengend, weil wir auch ziemlich kurzfristig den Tango gemacht haben. Man muss mehr auf seine Stimme achten und wie man sie einsetzt. Vor allem wenn man während einer Figur redet.

KiJuKU: Ist Schauspiel eine Berufsperspektive?
Margarethe Plass-Willensdorfer: Ich weiß es nicht. Man muss sehr dahinter sein, um auch wirklich etwas zu reichen. Es gefällt mir auf jeden Fall, aber ich weiß nicht, ob ich die Energie dafür habe, wirklich so dahinter zu sein. Es ist aber eine Möglichkeit für mich.

Stefanie Kadlec

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Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Von Mal zu Mal mehr genießen können

KiJuKU: Wie geht es euch nach der Aufführung?
Ludwig Psenner (der den UN-Delegierten Fabricio Caprioli spielt): Gut, es ist jetzt die dritte gewesen und jede Vorstellung war bisher anders für mich.
Floria Gehringer (die Fabriks-Co-Direktorin Sofia Bürkli spielt): Ja, ich glaube, ist normal und ich denke, die anderen werden auch alle anders sein.

Ludwig Psenner: Von Mal zu Mal kann ich es mehr genießen.
Floria Gehringer: Man merkt, wie viel weniger du von Vorführung zu Vorführung gestresst wirst.
Ludwig Psenner: Du wirkst irgendwie nie gestresst. Es kommt nie so rüber, dass du gestresst bist.
Floria Gehringer: Da oben bin ich gestresst.

KiJuKU: Du warst einer der UN-Delegierten und du warst eine der Fabrikleiterinnen. Was war besonders und was war schwierig an diesen Rollen? Ihr habt euch die Rollen auch ein bisschen aussuchen können. Warum habt ihr euch genau für diese Rolle entschieden?
Ludwig Psenner: Es war so, dass vier Jungs unter vier Rollen aufgeteilt werden mussten. Drei Rollen waren die UN-Delegierten und eine war Nana. Ich habe die Intention gehabt, mit Ferdi zusammen zu spielen, der auch ein UN-Delegierter ist. Damals wusste ich nicht, was auf mich zukommen wird und dann hat sich das einfach so ergeben.
Floria Gehringer: Ich fand die Rolle cool, weil das eine Führungsposition ist, und ich wollte aber auch ein Liebespaar spielen, ich finde das richtig lustig. Es war ein bisschen eine Überwindung, so nah mit jemandem zu sein, aber es war dann nicht mehr unangenehm. Es wurde von Mal zu Mal weniger gestresst.
Ludwig Psenner: Es war überhaupt kein Stress fand ich. Der Tango kam sehr spät als Idee. Das war schwierig, aber es war nicht unangenehm.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Nach zehn Jahren werden aus den Direktorinnen und den UN-Delegierten Paare

KiJuKU: Ich mochte die Tanzeinlagen sehr, die haben so ein bisschen Schwung in das Ganze gebracht und sind mir auch sehr in Erinnerung geblieben. Es wurden schon so viele Fragen vom Publikum gestellt. Ich habe noch nie so ein Publikumsgespräch erlebt. Ist das üblich?
Ludwig Psenner: Es ist üblich. Ich habe es auch noch nie so erlebt. Wenn ich bei so einem Gespräch dabei war, war ich nur im Publikum, weil es jetzt meine erste Aufführung war. Es war aber voll entspannt für mich.

KiJuKU: Wollt ihr das auch irgendwann beruflich machen?
Floria Gehringer: Ich wollte es für eine lange Zeit, aber ich glaube eher nicht, sondern mehr als Hobby. Es macht mir sehr viel Spaß, aber ich kann es mir nicht vorstellen, weil es mir ein bisschen zu wenig Sicherheit hat. Du musst schon sehr darauf hoffen, dass du immer wieder Aufträge bekommst und deswegen eher nur so als ein Hobby.
Ludwig Psenner: Ich habe keine Ahnung, ich wusste es davor nicht und weiß es jetzt noch nicht, aber es ist als Möglichkeit offen und das finde ich voll praktisch.

KiJuKU: Vielleicht ein bisschen eine andere Frage, die mit KI zu tun hat, nutzt ihr KI für Hausübungen?
Floria Gehring: Nein.
Ludwig Psenner: Ich schon. Bis jetzt ist es nicht aufgefallen. Es gibt Hausübungen mit mehr Priorität, die mehr zählen und manche, die man einfach nebenbei machen muss. Da kann man auch unterscheiden, wo man es benutzen soll und wo nicht.

KiJuKU: Wie war es mit einem Regisseur zu arbeiten?
Floria Gehring: Spannend und entspannt.
Ludwig Psenner: Nicht unangenehm. Es ist überhaupt das erste Mal, dass ich bei so einer Produktion mitmache. Es heißt von Anfang an, der ist dabei und man macht es so.

KiJuKU: Wart ihr auch in einer dieser Gruppen, die für die Kostüme oder das Bühnenbild zuständig waren?
Floria Gehring: Ja. Wir haben viel für das Bühnenbild gemacht und du hast auch bisschen bei den Texten mitgeschrieben.
Ludwig Psenner: Ich habe auch bei den Texten mitgeschrieben, aber ich war nur ein paar Mal dabei.
Floria Gehring: Aber … hat viel im Hintergrund geholfen, immer Vorhänge aufgehängt und ist bei der Lichtprobe dageblieben.
Ludwig Psenner: Ja, es interessiert mich, wie es hinter den Kulissen so abläuft.

Stefanie Kadlec

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Weitere Interviews mit Schüler:innen

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Haben diesen Roboter in einen Rockstar verwandelt

Marko Dimitrijević spielt den Roboter „Radius“, hat einen Song komponiert und getextet – und kam schon mehrfach auf KiJuKU.at vor.

KiJuKU: Wie lange bist du schon an der Hegelgasse 12?
Marko: Ich bin schon seit zwei Jahren an der Hegelgasse, also jetzt in der siebten Klasse. Dieses Projekt, das wir heute aufgeführt haben, war das siebente Klasse Polyprojekt. An unserer Schule ist es üblich, dass die Polyklassen, die Schauspielklassen, in ihrem siebten Jahrgang immer ein Theaterprojekt haben.

KiJuKU: Das Lied „Ihr werdet für uns bauen“ im Stück hast du selbst komponiert. Wie ist es entstanden und wie bist du da auf die Idee gekommen?
Marko: Es war eine sehr große Herausforderung. Jeder von uns konnte sich zwei Rollen aussuchen und dann wurde ihm oder ihr eine davon zugeteilt. Bei mir war das aber nicht der Fall. Der liebe Jakub hat gesagt: Marko, ich hätte gern, dass du diese Rolle spielst, weil wir nur dich in dieser Rolle sehen. Dann habe ich den Roboter „Radius“ bekommen und wir haben ihn sozusagen in diesen Rockstar verwandelt. Es gibt an unserer Schule diese sogenannte Weinberg-Woche, wo wir mit der Klasse eine Woche außerhalb von Wien verbringen. Da ist alles entstanden und ich habe den Song in dieser Zeit geschrieben. Es war sehr schwer, weil ich ihn auf Deutsch über Roboter schreiben musste und es war generell einfach stressig.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

KiJuKU: Ich kann es mir vorstellen, denn es ist ja nicht nur die Musik, sondern auch der Text. Du hast schon einiges an Bühnenerfahrung, gibt es derzeit auch andere Theaterproduktionen, bei denen du mitwirkst?
Marko: Ich spiele gerade parallel zu diesem Projekt auch woanders mit. Das bedeutet, ich musste die Proben fürs andere Projekt absagen, damit ich hier mitspielen kann. Es ist ein serbisches Stück, das auch demnächst am 24. und 25. Mai vom Jugendtheater Stanislavski aufgeführt wird.

KiJuKU: Möchtest du es irgendwann beruflich machen?
Marko: Ich glaube, es ist etwas, was ich in Zukunft ausüben will. Ob es Schauspiel oder Musik ist, weiß ich noch nicht. Ich bin noch am überlegen, weil ich schreibe auch Songs, was der Heinz von KiJuKu in einem anderen Interview schon erfahren hat. Ich schreibe Songs, spiele jeden Tag Klavier und singe.

KiJuKU: Kann auch beides sein…
Marko: Kann auch beides sein, wieso nicht.

Stefanie Kadlec

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Weitere Interviews

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Intelligente Maschinen proben den Aufstand – der Klassiker, jung gespielt

Mehrere der Schauspielerinnen in rosa Tütü näheren sich Zuschauer:innen in der Warteschlange, die ins Theater Arche wollen. Ihre Bewegungen wirken, obwohl nicht maschinell, wie nicht ganz von dieser Welt. Ähnliches gilt für ihre Sprache. Egal ob auf Englisch oder auf Deutsch stellen sie Fragen auf die sie – das strahlen sie aus – keine Antwort erwarten. Ob du meinst schlau zu sein? Setzen sie damit fort, dass KI (Künstliche Intelligenz) viel mehr wisse. Und ähnliches.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

„Roboter“

Der performative Prolog leitet die rund einstündige dichte, abwechslungsreiche, leicht adaptierte und modernisierte Version von Karel Čapeks „R.U.R. Rossums Universal Robots“ ein. Das Drama – 1920 erstmals veröffentlicht – ist jenseits seines Inhalts nicht zuletzt deshalb berühmt geworden, weil es zum ersten Mal den Begriff „Roboter“ für Maschinen, die Arbeite verrichten, verwendet. Wobei sich der Autor dies von seinem Bruder Josef – Schriftsteller, Maler, Fotograf und vieles mehr – ausborgte, der übrigens auch als Urheber der Bedeutung von Automat gilt; das heißt, die Wörter gab es ohnehin, in einigen slawischen Sprachen steht eine Version von „roboti“ für arbeiten.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Die Grundstory

Vielleicht knapp die Grundstory von Čapeks rund 70-seitigem Stücktext: Auf einer abgelegenen Insel werden diese menschenähnlichen intelligenten Maschinen (das Tschechische Rozum heißt übersetzt Verstand / Vernunft) zu Zehntausenden hergestellt – als billige Arbeitskräfte, nachdem die Experimente des Gründers, einen künstlichen Menschen zu erschaffen, nicht so wirklich geklappt haben.

Irgendwann beginnen sich diese Roboter zu organisieren, den Aufstand gegen die sie beherrschenden Menschen zu planen. Und was machen die Menschen? Sie setzen auf Nationalismus. Statt weiterhin Universalroboter herzustellen, soll jedes Land seine eigene Fabrik bekommen, die Produkte sollen sich optisch und durch ihre Sprache unterscheiden und so Zwietracht und Hass unter den Maschinen-Menschen gesät werden.

Das „gute“ alte römische Imperial-Motto: divide et impera – teile und herrsche! Ach, das ist gar nicht so alt, kommt ziemlich aktuell bekannt vor? Nun, Karel Čapek hat dies vor knapp mehr als 100 Jahren geschrieben; übrigens verwenden die Chefitäten seines Stücks bereits tragbare Telefone.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Adaptierungen

Wie in der Version von Shakespeares „Sommernachtstraum“ – ebenfalls einer Kooperation von Theater Arche mit dem Polyästhetik-Zweig des innerstädtischen Gymnasiums in der Hegelgasse 12 – wurden einige Rollen vervielfacht, und in diesem Fall auch die Geschlechterrollen ausgetauscht. Aus dem Fabriksdirektor werden hier drei Chefinnen über die Produktion der Roboter: Ada Unterberger (Margarethe Plass-Willensdorfer), Sofia Bürkli (Floria Gehringer) und Marie Weinberger (Lena Hitl). Die mit dem Schiff anreisende Delegierte der Humanitären Liga, Helena Ruhm, verwandelt sich in drei UN-Delegierte aber ebenfalls dieser Liga, die sich um die Lebensbedingungen der Roboter kümmern wollen: John Smith (Valentin Szep), Fabricio Caprioli (Ludwig Psenner) und Jan Siegemann (Ferdinand List).

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Pink

Wie schon eingangs angedeutet – die Roboter:innen stecken in Barbie-Rosa-Kostümen. „Ich wollte die Roboter:innen lieblich machen. Von Menschen hergestellt, die sich selber eine heile Welt vorgaukeln … deshalb sind die Roboter so programmiert, dass sie immer singend sprechen und außerdem schauen sie eben lieb aus“, verrät Regisseur Jakub Kavin, Co-Leiter des Theaters Arche, den Hintergedanken auf die Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr und setzt gleich noch dazu: „Die Umsetzung der Grundidee haben dann die Schüler:innen gemacht.“ Beim Publikumsgespräch verrät Co-Dramaturgin Ute Bauer (Lehrerin der Schule und federführend am jährlichen Theaterprojekt engagiert): „Wir haben die Kostüme bestellt, sie sind knapp vor den Bühnenproben noch immer nicht eingetroffen und so haben Schüler:innen sie selber genäht – mit Ausnahme des rosa Anzugs für den männlichen Roboter.“

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Eigener Song

Anelie Papst, Ronja Gorkiewicz, Olivia Hassa und Terézia Lovásová (wenn nicht verhindert auch Vanessa Fülöp) lernt das Publikum ja schon wie eingangs erwähnt beim Warten auf den Einlass in den Theatersaal kennen. In ähnlicher Art, aber eben singend und tanzend, agieren sie auf der Bühne sowie im Mittelgang zwischen den Publikumsreihen, wenn sie beginnen, sich für ihre Befreiung einzusetzen. Zu ihnen gesellt sich noch in pinkem Anzug Marko Dimitrijević als Radius. Er, der schon in anderen nicht schulischen Theaterproduktionen in Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… vorgekommen ist, hat für diese Version von Čapeks Mensch-Maschinen-Story einen eigenen Song komponiert und getextet: „Ihr müsst jetzt für uns bauen“, außerdem spielt er auch noch abwechselnd mit Valentin Szep und – so sie nicht verhindert ist Lorena Schranz – Klavier.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

Seiner Zeit voraus

Die Genannten sind aber bei Weitem noch nicht das gesamte Personal des Stücks – in der Info-Box ist eine vollständige Liste. Jedenfalls ist auch diese Roboter-Story wieder als fast Ganz-Jahresprojekt mehr als übliche Schulaufführungen, eine professionell geworden Bühnen-Performance mit vielen wechselnden Szenen, Abwechslung in der Form – von Gesprochenem, Getanztem, Realitätsnahmen und dann wieder weit Entrücktem. Und lässt spüren, wieweit der Autor auch seiner Zeit voraus war – was auch für andere seiner Stücke gilt, so spielt etwa das Wiener Theater Spielraum im Oktober 2020 „Die weiße Krankheit“ und wer nicht wusste, dass Karel Čapek dies 1937 geschrieben hat, hätte – über weite Strecken – meinen können, es wäre für die Zeit der Pandemie verfasst worden (Stückbesprechung unten verlinkt.

Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“
Szenenfoto aus „R.U.R. Rossums Universal Robots“

KI-Texte eingebaut

Gelungen ist in der Kooperation von Theater Arche und der Schule Hegelgasse 12 in „R.U.R. Rossums Universal Robots“ übrigens auch der Einbau von Texten, die mit Hilfe von Chat GPT geschrieben worden sind. Was nicht auffallen würde, wenn es nicht preisgegeben worden wäre. Der Regisseur erzählte bei einem Publikumsgespräch nach einer Vorstellung, die vor allem von Schüler:innen besucht wurde: Für die Roboter:innen habe er der KI eingegeben: Entwirf eine Szene für fünf Roboter:innen, die beschließen sich gegen die Herrschaft der Menschen über sie aufzulehnen. Er habe dann im vierten oder fünften Anlauf mit der zusätzlichen Eingabe „im Stile von Elfriede Jelinek“ jenen Text bekommen, der nun von den Schauspieler:innen zum Leben erweckt wird.
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Interviews mit jungen Darsteller:innen

Stückberspechung „Die weiße Krankheit“ <- noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus Körper [Sic!]: Julia Hammerl, Clemens Janout, Lara Bumbacher

Körper und der Druck auf ihre Optimierung…

Selten so ein „umwerfender“ erster Eindruck beim Betreten eines Theaters: Unmengen von versprühtem Duft. Gut zitronenartig, aber doch seeeehr intensiv, was da in die Luft geblasen wird. Dies ist die Duftnote vor und in der drei Schauspieler:innen – Lara Bumbacher, Julia Hammerl, Clemens Janout – in hautenger, großer Unterwäsche rund um das Thema Körper spielen.

Szenenfoto aus Körper [Sic!]: Lara Bumbacher, Julia Hammerl, Clemens Janout
Szenenfoto aus Körper [Sic!]

In der Stückentwicklung von Ars ex Machina (in Kooperation mit klagenfurter ensemble und TheaterArche; Regie: Juliane Aixner) thematisieren sie vor allem einerseits unterschiedlichste Unzufriedenheit mit den eigenen Körpern und andererseits, wie diese durch vorgegebenen Schönheitsnormen überhaupt erst entsteht. Neben vielem Reden darüber setzen sie ihre Körper natur- und themengemäß natürlich auch vielfach ein – tänzerisch, verspielt, verrenkt, verändert durch Überziehen diverser Gewänder oder Aufsetzen von Vogelkopfmasken…

Szenenfoto aus Körper [Sic!]: Lara Bumbacher, Clemens Janout, Julia Hammerl
Szenenfoto aus Körper [Sic!]

Charmant, aber hilflos versuchen die drei Schauspieler:innen knapp nach Beginn das Publikum zum Mitreden zu bewegen, teils sogar fast provokant. Aber so, dass du ohnehin das Gefühl hast, dass sie so oder so ihr Ding durchziehen werden. Wofür hätten sie sonst ein Stück entwickelt, geprobt und schon gut ein halbes Dutzend Mal aufgeführt;) Und noch dazu in einem elaborierten Programmheftchen von vielen Seiten zwar knapp, aber doch tiefschürfend, vielseitig beleuchtet.

Szenenfoto aus Körper [Sic!]: Clemens Janout, Lara Bumbacher, Julia Hammerl
Szenenfoto aus Körper [Sic!]

Viele von dem, das in der Stunde auf der Bühne ver- und behandelt wird – Druck auf „Optimierung“, Oberflächlichkeit des Aussehens, Beschämung … – war schon dutzendfach zu lesen, hören, auch auf Bühnen gespielt und/oder getanzt zu sehen und doch ist es ein anregender, nachdenklicher und doch amüsanter Abend, vielleicht mit ein bissl zu viel künstlichem Geruchsaroma.

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Szenenfoto aus "The Mirror of Nomori"

Spieglein, Spieglein – wer bin ich und wer will ich sein?

Höchst Ungewöhnliches spielt sich derzeit als Gastspiel im Theater Arche (Wien-Mariahilf) ab: Eine Oper mit kleinem Live-Kammerorchester auf der Bühne, singenden, teils tanzenden, schauspielenden Drag-Queens und -Kings mit schrillen, teils bewusst verstörenden Klängen.

„The Mirror of Nomori“ (Musik & Text: Wataru Mukai) nennt sich im Untertitel „queere Drag-Oper nach dem japanischen Noh-Theater Nomori“. Die in Japan bekannte Legende von Nomori – einem geheimnisvollen See, der als Spiegel dient samt Dämon – hat der Autor und Komponist in ein städtisches Rotlicht-Viertel verlegt. Und in diesem vier Sex-Arbeiter:innen obendrein noch mit einigen queeren Figuren besetzt – samt heftigen gesungenen Sprüchen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „The Mirror of Nomori“

Ihr Dasein als Außenseiter:innen – wenngleich manche in ihrem Job beliebt – samt Konkurrenzverhältnis und mancherseits gegenseitigem Mobbing führt immer wieder auch zu Selbstreflexion samt Zweifel. Wer bin ich? Will ich das sein? Ja! Oder vielleicht doch eher nicht?

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte die letzte Probe vor den leider nur zwei Aufführungen am ersten Juni-Wochenende (2024) besuchen.

Außenseiter:innen

Üppig kostümiert (Moche Le Cendrillon) singen und spielen Max Bell (Bitti), Noriyuki Kubo (Kitti), Risa Matsushima (Sissi) und Valentin Trandafir (Titti) die vier Haupt-Charaktere auch mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. Sie kommen aus den vier Türen im Hintergrund der Bühne, betreten und be-setzen die Hauptbühne, auf deren Boden große Puzzleteile verstreut liegen – und bald als „Splitter“ eines Spiegels zu vermuten sind.

Dirigiert von Taichi Hiratsuka musizieren Miho Sakuma (Flöte), Akari Kagoshima (Fagott), Ayaka Sato (Euphonium), Dora Donata Sammer (Blockflöte), Kimiko Krutz (Cembalo – Keyboard), Eni Maqellari (Viola), Irini Liu (Violoncello), Hibiki Mukai (Electronics) und Seina Matsuoka. Letztere tritt mit ihrer Geige mehrmals fast ins Zentrum des Geschehens auf der Bühne, um dieses solistisch zu kommentieren, unterstützen, voranzutreiben. Fallweise erklingen Klaviertöne aus einer ganz anderen Richtung. Du drehst dich aus deinem Publikum-Sitz um und siehst aber auf der Tribüne niemanden – Yuto Kiguchi spielt versteckt aus unter der Tribüne am Klavier.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „The Mirror of Nomori“

Dämon

In der Legende ist dieser See/Spiegel mit einem furchterregenden Dämon verknüpft. Wikipedia nennt „Nomori große und mächtige Yokai aus der japanischen Folklore und Mythologie. Sie ähneln Schlangen, haben aber auch sechs Arme, die jeweils in kräftigen Greifkrallen enden.“

Gegen Ende, als die „Splitter“ zum kreisrunden Spiegel/See zusammengefügt worden sind, tritt auch dieser Dämon (Wataru Mukai) mit einer ihn begleitenden Tänzerin (Nahoko Fort) in Erscheinung, nachdem Bitti, Kitti, Sissi und Titti wieder zurückkehren. Zuvor hatte sie der in einer Art Polizei-Stil agierenden „Anführer“ (Fábio Coutinho) vertrieben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „The Mirror of Nomori“

Japanisches Nō-Theater mit offenem Ende

„The Mirror of Nomori“ – ein englischer Sprache mit deutschen Übertiteln – ist, wie es im ausführlichen Programmheft heißt, „eine Überschreibung des Noh-Stücks im Kostüm der Dragqueen“.

Dort wird der Autor und Komponist Wataru Mukai so zitiert: „Das Libretto wollte ich von Anfang an selbst schreiben, aber während der Vorbereitung habe ich bemerkt, dass es schwierig ist, es aus dem Nichts zu verfassen. Deswegen habe ich beschlossen, ein bereits existierendes Werk als Vorlage zu nehmen. So kam ich auf die Idee, ein Noh-Stück zu verwenden. … Außerdem war Noh, auch wenn es heute etwas offener ist, ursprünglich für Frauen verboten und durfte nur von Familienmitgliedern aufgeführt werden. Ich dachte, dass ich etwas Interessantes schaffen könnte, wenn ich diese strenge Kultur mit der freien Drag-Kultur mische. … Nach einigen Recherchen bin ich auf Nomori gestoßen, das auch in 100 Best Noh Pieces aufgeführt ist. Besonders der Wasserspiegel in Nomori hat mich sehr inspiriert, ein Musiktheaterstück zu komponieren.“

Bewusst lässt die Oper – die vor mehr als einem Jahr in Japan uraufgeführt wurde – das Ende offen.

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Szenenfoto aus "Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause" von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Jahrzehnte alt, aber leider brand-aktuell

Wäre nicht so manch unfreiwillig komische Passage – in den Texten, aber noch viel mehr im Schauspiel der Mitwirkenden – könnte es einem die 1 ¼ Stunden des organischen Mixes zweier alter Elfriede-Jelinke-Texte („Das Lebewohl“/ 2000 und „Wolken.Heim“/ 1988) fast nur kalt den Rücken runterlaufen. Und leider nicht nur als historische Erinnerung, obwohl die Ausgangs-Originaltexte 24 bzw. 36 Jahre alt sind. Das ist wohl das Erschreckendste an den analytisch sezierenden, rhythmisch, teils chorisch, mit Wiederholungen arbeitenden Texten der Literatur-Nobelpreisträgerin: Ausgehend von konkreten jeweils aktuellen politischen Ereignissen oder Sagern, legt sie das jeweils Strukturelle im Hintergrund offen. Und das überdauert nicht selten den aktuellen Anlass.

Ansonst könnte ja gelächelt werden über das seinerzeitige „Bin schon weg“, „bin wieder da“ Jörg Haiders, der den Rechtspopulismus (nicht nur in Österreich) schon vor der Jahrtausendwende zu einer Hochblüte getrieben hatte. Bezogen auf seinen Rückzug auf Kärnten, um die erste Schwarz-Blaue Regierung 2000 zu ermöglichen der Drittplatzierten ÖVP das Kanzleramt überließ, um die eigene Politik durchsetzen zu können, beispielsweise.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Indirekt aktuelle Bezüge

Solches sprechen Jelinek-Texte aber auf einer Art Meta-Ebene und damit auch noch allgemeingültiger an. „Warum bitte sind all diese fremden Leute, die wir nicht persönlich kennen, weil sie sich selber mitsamt den Wurzeln ausgerissen haben, warum bitte sind die überhaupt noch da? – Die sollten doch längst weg sein, als Entwurzelte.“ Und schon schießt dem rezensierenden Zuschauer „Remigration“ oder „Leitkultur“ ein – weit über die seinerzeitigen Rechts-Extremen hinaus von der einstigen politischen Mitte gefordert.

Theater-Geburtstage

Die beiden Texte verwob Karl Baratta, der schon früh Jelinek-Texte auf Bühnen inszenierte, für das Theater Arche in Wien-Mariahilf. Mit „Das Lebewohl.Wolken.Heim
Und dann nach Hause“ begeht dieses Theater seinen eigenen fünften Geburtstag, aber auch gleichzeitig den 40. Gründungstag des Vorläufers „Theaterbrett“ – von Nika Brettschneider und Ludvík Kavín, den Eltern des heutigen Arche-Co-Leiters Jakub Kavín; der übrigens schon als Kind auf dieser Bühne den Kleinen Prinzen gespielt hatte.

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Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Unterläufel als Antreiber

Nun schlüpft er, Haare frisch geschoren, in eine der „Buberl“-Rollen des „Schattenkanzlers“ J.H. Den Hass gegen Fremde, Andere und nicht zuletzt Journalist:innen – „geschirrt gehören sie unters Joch“ übersetzt Jelinek Haiderisches „Aufräumen in den Redaktionsstuben“ ins Literarische. Sein Co. in der Rolle der Handlanger/Vollstrecker des Anführers: Eckart Schönbeck. Gegenseitige Stichwortgeber einer-, Aufgansler andererseits. In der Rolle des irgendwie zwischen Diabolischem, multipler Persönlichkeit, scheinbar Chaos stiftendem aber mit zielgerichtetem Plan Agierenden glänzt mit immer wieder aufgesetztem Lächeln Manami Okazaki (Co-Leiterin von Theater Arche).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Be-greifbarer

Die beiden dichten, tiefschürfenden, die hintergründigen politischen Strukturen freilegenden Texte werde durch die Aufteilung auf die Schauspieler:innen und ihr szenisches Spiel viel (be-)greifbarer und können so in ihrer Dichtheit leichter aufgenommen werden.

Ergänzt werden die beiden genannten zwei bzw. drei Jahrzehnte alten und doch so erschreckend aktuellen Texte durch einen aus dem Vorjahr, vorgetragen von der 13-jährigen Amelie Kanon, die schon davor Tanz-Auftritte in unterschiedlichen Stilen im Hintergrund bei den vier Türen an der Bühnen-Rückwand hatte. „Dieses Land braucht junge Männer und Frauen, die das Herz am rechten Fleck haben, die sich trauen, oft gegen den Strom zu schwimmen, die sich auch trauen, etwas auszusprechen, wofür man vielleicht nicht von allen geliebt wird“, heißt es da unter anderem. Und was wie ein Offenlegen von Elfriede Jelinek sein könnte, stammt original von „Österreichs Jugend, die vorangeht“ vom Bundesjugendtag de RFJ (Ring Freiheitlicher Jugend) 2023.

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Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Ausgebreitet

Wie auch schon zu Haiders Zeiten ging’s – und geht’s heute genauso – nicht nur um Rechtspopulismus, sondern – durchaus auch offenen – Rechts-Extremismus. Nur heute schon weiter verbreitet. Ob heute in Österreich ein Landeshauptmann noch zurücktreten würde, wenn er von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im 3. Reich“ sprechen würde?

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Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Aus der Geschichte lernen?

Dazu fällt der oftmals – mitunter abgewandelt – zitierte Satz von Ingeborg Bachmann aus ihrem Roman „Malina“ (derzeit dramatisiert im Wiener Volkstheater) ein: „Die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler.“ Den sie sich übrigens bei Antonio Gramsci ausgeborgt hat, der schon 1921 in „Ordine Nuovo“ schrieb: „Die Illusion ist das zäheste Unkraut des Kollektivbewusstseins; die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler.“

Der trotz des Ernsts der Texte und noch mehr der Lage immer wieder auch von Humor aus Texten und Schauspiel durchzogene Abend ist ab 1. März wieder – mehrmals bis fast Mitte Mai (siehe Info-Block) im Theater Arche zu erleben.

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Szenenfoto aus "NICHTS Was im Leben Wichtig ist" im Theater Arche (Wien)

Intensive, heftig gespielte Sinn-Suche

Der einst heftig umstrittene (Jugend-)Roman „Nichts“ von Janne Teller erlebt in einer sehr jungen Inszenierung im Wiener Theater Arche eine Auferstehung – gespielt von Jugendlichen und sehr jungen Erwachsenen, inszeniert vom Co-Leiter des Theaters.

Vor fast einem ¼-Jahrhundert (2000) im dänischen Original erschienen, wurde das Buch erst zehn Jahre später ins Deutsche übersetzt – und mit dem Untertitel „Was im Leben wichtig ist“ gleich als eine Art pädagogischer Gebrauchsanleitung versehen.

Die Story

Die Grundgeschichte: Ein Schüler der 7A (im Stück der 7 D) im kleinen fiktiven dänischen Ort Tæring (was übrigens Korrision, also zersetzen, zerfressen, sozusagen kaputtgehen wie verrosten bedeutet) namens Pierre-Anthon, beginnt alles und das offen in Frage zu stellen. Welchen Sinn macht es, zu lernen, zu leben, wenn wir doch am Ende alle sterben – und das nach kurzer Zeit, verglichen mit der Existenz der Erde. Noch dazu leben im täglichen Einerlei, Trott… Er setzt sich in eine. Zwetschgenbaum nahe der Schule und bespuckt die Mitschüler:innen.

Diese wollen ihn erst vom Baum schießen, bis sie die Idee haben, ihn nur dann herunterzubekommen, wenn sie ihm beweisen, dass es doch Sinn und Bedeutung im Leben gibt, in ihrer aller, in jeder/jedem einzelnen von ihnen. Und so lässt die Autorin die (Ex-)Klassenkolleg:innen einen „Berg aus Bedeutung“ in einem alten, stillgelegten Sägewerk errichten. Jede und jeder muss etwas opfern, das ihr/ihm wirklich wichtig ist. Und das wird heftig.

Wowh…

Wobei hier das Stück – fast ließe sich sagen natürlich – gleich anfangs vom Original abweicht, um später sehr wohl wieder dort zurückzukehren. Das erste was alle – und zwar gleichermaßen auf den Berg legen: Ihre Handys. Und das löste die stärkste Reaktion in den 1¼ Stunden im erwachsen dominierten Publikum aus – von Erstaunen mit „wowh“s bis zu verhaltenem Jubel darüber, dass (ihre) Kinder sich von Smartphones trennen können. Obwohl sie das selbst wahrscheinlich auch kaum zustande brächten und höchstwahrscheinlich auf der Bühne Dummies verwendet wurden.

Doch danach geht’s erst so richtig zur Sache, lässt Janne Teller – und die Theaterversion – Schritt für Schritt die Sache eskalieren. Denn nach teuren Schuhen, zu denen die Erzählerin Agnes (Livia Andrä) die Mutter erst monatelange überreden musste, dem geliebten gelben Fahrrad von Hans (Adria Just-Font) usw. müssen beispielsweise Gerda (Viktoria Ginzel) ihren Hamster Oskar sowie Marie Ursula (Kieran Foglar-Deinhardstein) schon ihre blauen Zöpfe, darbringen. Schon da scheinen glaubhaft Bühnentränen zu fließen.

Heftigst

Und es wird heftiger, wenn es noch intensiver an die körperliche Integrität geht. So soll Jan-Johann (Jakob Köllesberger), der das Stück schon vor Beginn mit Gitarre und Beatles-Songs u.a. „Here comes the Sun“ und „Let it be“ einleitet, seinen rechten Zeigefinger opfern. Sophie (Lena Hergolitsch), die am intensivsten versucht, mit Pierre-Anthon (Max Melo, der die Stufen zwischen den Publikumsreihen hinaufgeht und auf einem einsamen Sessel Platz nimmt) zu diskutieren, wird gar – es wird verbrämt ausgedrückt – ihrer „Unschuld“ beraubt, also eigentlich vergewaltigt. Was ihr noch mehr raubt, ihre ganze Empathie-Fähigkeit. Sie muss, um zu überleben, einen emotionalen Panzer errichten und kann nur mehr eiskalt (re-)agieren.

Meister:innen-haft

Gerade die Szenen, in denen Darsteller:innen weinen spielen oder gar die logischen und doch fast unaushaltbaren Schreie, mitunter auch lautlose sind höchst berührend und professionell gespielt. Solche könnten ur-leicht ins peinliche kippen. Tun sie hier aber nie und nimmer.

Schul-Kontext

Alle schon Genannten und dazu noch Elizabeth Dorner (als Die hübsche Rosa und Theresa Gerstbach (Die fromme Asta), wobei fast alle immer wieder kürzestfristig auch in weitere Nebenrollen aus dem Roman schlüpfen, sind noch bzw. waren bis vor Kurzem Schüler:innen des polyästhetischen Zweiges im BORG (BundesOberstufenRealGymnasium) Hegelgasse 12 (Wien-Innere Stadt) – mit Ausnahme von Adria Just-Font (Hans). Nach Einmietungen von Bühnenprojekten dieses Zweiges hatte Jakub Kavin, Co-Leiter von Theater Arche, als Regisseur im vergangenen Schuljahr mit einer ganzen Klasse ein Bühnenstück erarbeitet („Sommernachtstraum“), heuer steht – in derselben Konstellation – „Lysistrate“ auf dem Programm. Jetzt – bis 9. Dezember 2023 (Details siehe Info-Box) handelt es sich eine kleine Gruppe sehr leidenschaftlicher junger Schauspieler:innen, die in diesem Metier teils auch ihre berufliche Zukunft sehen.

Fraaaagen

Trotz der immer heftiger werdenden Opfergaben und des noch ärgeren Schlusses – alles soll nicht gespoilert werden, und jene, die den Roman kennen, wissen’s ohnehin – stehen auch in dieser Inszenierung wie in Janne Tellers Roman die Fragen, die Suche nach dem im Zentrum, was für jede/n Einzelnen einer- und die Gesellschaft insgesamt andererseits im Leben Sinn macht, bringt, stiftet. Und hat nicht

„Ich sehe es als eine Art modernes Märchen. Ich will gar nicht mit Wahrscheinlichkeit oder Plausibilität argumentieren: Ich finde am wichtigsten, dass Literatur ihre eigene Logik hat. Weil sie nicht abgebildete Realität ist, kann sie uns Einsichten in unsere eigene Wirklichkeit vermitteln. Wie ein magischer Spiegel. Während ein realistischer Spiegel uns nur die Oberfläche zeigt“, sagte Janne Teller in einem Interview mit Susanne Gaschke in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ kurz nach Erscheinen der deutschen Übersetzung dieses Romans (5. August 2010, Link zum gesamten Interview weiter unten). Auf die Frage der Journalistin, weshalb denn nicht Erwachsene eingreifen, wenn Pierre Anthon die Schule verweigert.

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zeit.de -> janne-teller-interview

Szenenfoto aus "Weltuntrgang" in "Theater Arche", Wien

Wen kümmert schon der Weltuntergang

Der seit Jahrzehnten verselbstständigte Witz eines Gesprächs zwischen Planeten und Sternen im Weltall, wonach die Erde darüber klagt, dass sie Menschen hat und die „Kolleg:innen“ sie trösten, das gehe vorbei, stammt ursprünglich aus Jury Soyfers „Der Weltuntergang“ (aus dem Jahr 1936!).

Das Theater Arche zeigt eine schwungvolle Inszenierung mit tänzerischen und Gesangs-Passagen sowie Bezügen zur Gegenwart und Zitaten einer Reihe weiterer Autor:innen aber auch von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens derzeit in seinem Haus in Wien-Mariahilf – nach einer Aufführungsserie im oberösterreichischen Traun im Frühjahr – unter dem Titel „Prof. Guck sucht das Glück“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Weltuntrgang“ in „Theater Arche“, Wien

Jandls „schtzngrmm“

Schon während des Publikumseinlasses spielt Ruei-Ran „Algy“ Wu – mit dem Rücken zu den Zuschauer:innen – aber einem spiegelnden Instrument auf seinem Piano klassische Hits wie Frank Sinatras „Fly me to the moon“. Und dann geht’s los mit einem (sprach-) choreografierten Art sprachlichem Babel aus Texten von Ernst Jandl, aus dem nicht zuletzt „schtzngrmm“ immer wieder besonders hervorstach eine Buchstabenkombination, die sich bei mehrmaliger Wiederholung leicht im Kopf zu… – genau, womit wir auch schon bei der alles anderen als friedfertige Menschheit sind, die das Universum aus dem Gelichgewicht zu bringen droht. Weswegen der Rat der Planeten samt Sonne beschließt, Komet Konrad loszuschicken. Durch einen Zusammenstoß, soll die Erde von ihren Plagegeistern befreit werden – so die Grundstory Soyfers Stück. Das er dann allerdings nicht so enden lässt, denn noch hat, oder will, er Hoffnung verbreiten. Berühmt auch Jura Soyfers Schilderung der Widersprüchlichkeit im „Lied von der Erde“: „Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde/ Voll Leben und voll Tod ist diese Erde“.

… dann halt auf zum Mars

Das war dem Regisseur Jakub Kavin, der gemeinsam mit Dramaturgin Jana Schuller-Frank und dem Ensemble das Stück bearbeitet hatte, zu pathetisch. Und so endet dieser „Weltuntergang“ in der Theater Arche damit, dass sich der Komet Konrad in die Erde „verguckt“ hat, wunderbar getanzt und gesungen von Manami Okazaki.

Diese Inszenierung ist überhaupt eine grandiose, liebevolle, vielfältige runde Sache mit unterschiedlichsten ineinander greifenden und übergehenden Elementen – Schauspiel, Gesang, Tanz und vor allem dem humorvollen Spirit des besonders satirisch talentierten Jura Soyfer. Der Einbau von Texten andere Autor:innen – Jandl war schon, die anderen sind in der Infobox genannt – ist ebenso organisch gelungen wie die Herstellung aktueller Bezüge mit zum Brüllen komischer Persiflagen in Form der „Geistesgrößen“ Ronald Tramp (Markus Pol) und Iron Trust (Georg Behma-Kreuzbauer), die gemeinsam mit Präsident Xe Jenpeng (Multitalent Ruei-Ran „Algy“ Wu) beschließen: Wurscht, wenn die Welt untergeht, wir hauen ab auf den Mars.

Vielsprachig

Dieser Präsident, vom Musiker gespielt, der zwischendurch auch schon in die Rolle eines fotografierenden Journalisten beim Treffen diverser Staatsoberhäupter schlüpft, tritt auch in einer wichtigen Verhandlung in Sachen drohender Weltuntergang mit Allgemeinplätzen zwischen Sicherheit und Balance auf. Dabei verwendet er seine Erstsprache Mandarin-Chinesisch. Sein Gegenüber, Präsident Amazon Nengege (Futurelove Sibanda) spricht ähnliche Floskeln und Phrasen auf IsiNdebele. Georg Beham-Kreuzbauer und Michaela Khom „übersetzen“ in (deutsche) Lautsprache, während im Hintergrund Markus Pol – theatral vergrößert und überhöht – in Österreichische Gebärdensprache übersetzt. Eine Szene großen „Kinos“ mit etlichen Anklängen an reale TV-Bilder von Politiker:innen-Treffs – übertroffen vielleicht nur noch von der oben angesprochenen über das Mars-Trip-Trio.

Übrigens bringt Okazaki schon in einer früheren Szene ihre Erstsprache japanisch ins Spiel.

Ignoranz und Krisengewinn

Alle Akteur:innen auf der Bühne kehren immer wieder von den unterschiedlichsten Rollen in ihre angestammten Himmelskörper-Figuren zurück, hinreißend vor allem Futurelove Sibanda als Venus und Manami Okazaki als Komet Konrad.

Margot Binder (u.a. Mond) tritt vor allem als die Wissenschafterin (bei Soyfer männlich) Professorin Guck auf, die verzweifelt versucht, Beamt:innen und Entscheidungsträger:innen vom drohenden Weltuntergang und vor allem von der eigenen Erfindung, diesen verhindern zu können, zu informieren, in die Gänge zu bringen. Und treffen auf Ignoranz bei den einen – symbolisiert durch die berühmten drei „äffischen“ Handhaltungen Augen, Ohren bzw. Mund zuhalten. Sowie gar Abwehr bei den anderen – denn so manche Unternehmen profitieren gut und übermäßig: Wenn die Welt bald untergeht, dann erst recht noch schnell: Kaufen, kaufen, kaufen…

Geschichte und ihre Lehren

Bitterböse ist vor fast einem Jahrhundert entstandene Stück mit gar nicht allzu vielen Aktualisierungen leider noch immer oder gar noch aktuell(er). Wie schon Ingeborg Bachmann im Roman „Malina“ (1971), der derzeit dramatisiert im Volkstheater läuft, schreibt, dass die Geschichte lehrt, aber keine Schüler hat – was allerdings Antonio Gramsci schon 50 Jahre ähnlich formulierte: „Die Illusion ist das zäheste Unkraut des Kollektivbewußtseins; die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler“, zitiert aus marxists.org -> gramsci -> italspan

Weshalb auch der sarkastische Song von K.I.Z. ft. Henning May nicht fehlen darf mit den Songtext-Zeilen: „Und wir singen im Atomschutzbunker: Hurra die Welt geht unter“.

Jura Soyfer…

… wurde 1912 in Charkiw (heute Ukraine) geboren, maturierte in Wien im Gymnasium Hagenmüllergasse, kam – mit nur 27 Jahren im Konzentrationslager der Nazis in Buchenwald ums Leben (1939). In seinen wenigen Lebensjahren schrieb er – neben Gedichten – etliche Theaterstücke, die sich sozialkritisch und satirisch mit seiner Gegenwart – und der drohenden Zukunft auseinandersetzten, darunter nicht zuletzt „Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang“. Dieses wurde im Frühjahr 1936 uraufgeführt und nach wenigen Vorstellungen abgesetzt.

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Szenenfoto aus "Skriker" im Theater Arche (Wien)

Mystisch-düsteres Horromärchen über Abgründe

In einem mystisch, meist dunklen Ambiente mit sehr aufwändigem Bühnenbild spielen Schauspieler:innen und solche, die gerade ihre Ausbildung dazu machen das düster, teils Angst machende „Horror-Märchen“ namens „Skriker“ – eine Koproduktion von Yellow Cat Theatre mit der Open Acting Academy-Konservatorium für Schauspiel.

Apfel, Tierköpfe und Fluss zur Unterwelt

Wenige Tage spielt(e)n 18 Darsteller:innen die rund zweistündige Geschichte im Wiener Theater Arche. Im Schwedischen würde Skriker für Schreien stehen, aber die britische Autorin Caryl Churchill siedelte ihre (vor rund 30 Jahren geschriebene) sehr wandelbare Fee in einer schottischen mystischen Fantasiewelt an, einer Art Jenseits. Und paarte sie mit Märchen- und anderen Versatzstücken – von der Stiefmutter, die Schneewittchen mit einem Apfel vergiften will über Shakespeares Sommernachtstraum mit einem Menschen mit Tierkopf bis zur griechischen Mythologie mit dem Fluss Styx als Grenze zwischen Lebenden und Toten.

Dies- und Jenseits

In dieser Inszenierung (Regie: Colleen Rae Holmes) – 2017 war eine andere Version im Kosmos Theater zu sehen – wird die titelgebende Figur von drei Schauspielerinnen gespielt, die zeitweise im Trio, sehr oft aber abwechselnd allein und in immer neuen Gestalten in Erscheinung treten: Nadja Kruselburger, Pia Schiel und Matea Novak. Die beiden Hauptfiguren im Diesseits sind Josie (Jasmina Eder) und Lily (Julia Wiehart). Erstere war schon „drüben“ – irgendwie als Sühne für eine böse Tat womit sie sozusagen in den Bann der Skriker gekommen ist. Diese Last will sie abschütteln und auf Lily, die ein Kind erwartet, übertragen.

Großes Ensemble

Der Kampf der beiden – gegeneinander einer- und gegen die Inbesitznahme durch die Jenseits-Feen andererseits – steht im Zentrum des fast zweistündigen, emotional fesselnden Abends, der für so manche Schreckmomente sorgt. Die genannten fünf Darsteller:innen werden von gut einem Dutzend weiterer in vielen kleinen und größeren Rollen ergänzt – manche mit Tierköpfen, dominierend dabei der sehr oft präsente Wachhund aus dem Jenseits (Christian Georgita). Alle einzelnen Rollen, ihre Funktion sowie ihre Darsteller:innen zu nennen, wäre hier vielleicht zu verwirrend – sie alle machen aber erst aus dem doch lange dauernden Stück einen kurzweiligen Abend, ob sie nun nur kurz auftreten, spielen oder tanzen.

Echter kleine Flusslauf

Mehr als bemerkens- und erwähnenswert ist allerdings die vielleicht aufwändigste Bühne, die je in diesem Theater – noch dazu nur für wenige Vorstellungen – aufgebaut wurde: Die düstere, mystische Landschaft mit knorrigen Bäumen, Erde und einem kleinen Flusslauf – mit echtem Wasser – und viel Müll. Denn das jenseits, das Reich des Todes winkt nicht nur für individuelle böse Taten, sondern der ganzen Menschheit dafür, wie sie den Planeten zerstört.

Wobei dieses Jenseits, getrennt durch den Wasserlauf, vielleicht auch „nur“ das schlechte Gewissen, die eigenen dunklen Abgründe sind?! Das würde erklären, weshalb Lily beispielsweise verwundert ist über Josie, die von ihrem urlangen Aufenthalt in der anderen Welt spricht, ihre Abwesenheit aber kaum bis gar nicht wahrgenommen haben will.

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Szenenfoto aus "Ein Sommernachtstraum" der 7 D, BORG Hegelgasse im Theater Arche (Wien)

Traumhafter „Sommernachtstraum“

Fast zwei Stunden durchwegs pure Spielfreude, ein kompletter – hin und wieder auch mit original-englischen Passagen – „Sommernachtstraum“ William Shakespeares – gespielt von Jugendlichen. Sie alle sind Schüler:innen der 7D des polyästhetischen Zweiges des BORG (BundesOberstufenRealGymnasiums) in der Wiener Hegelgasse 12 – wem das nun bekannt vorkommt, ja, genau, es gab hier auf dieser Site schon einen Probenbericht samt Interviews mit einigen der Jugendlichen – Link hier unten

Liebeswirren

Nun aber gehen die Aufführungen echt über die Bühne im Theater Arche (Wien-Mariahilf), mit dem sie auch in Kooperation erarbeitet worden sind. In nicht ganz zwei Stunden (eine Pause) erzählen, nein spielen, die fast zwei Dutzend Jugendlichen die ganze Geschichte mit ihren teils schon recht verwirrenden vom Elfenkönig Oberon (Yannic Schober) im Kampf gegen seine Ehefrau, Titania angezettelten Liebeswirren. Diese soll sich in das nächstbeste Wesen, am besten ein tierisches Monster, verlieben, wenn sie ihre Augen aufmacht, die Oberon mit Liebestropfen beträufeln lässt.

Puck- und Titania-Trio

Sein Gehilfe Puck wird in dieser Inszenierung (Regie: Co-Arche-Direktor Jakub Kavin, Schauspiel-Unterricht Lehrerin Ute Bauer) von drei Jugendlichen miteinander und gleichzeitig, manchmal synchron, aber immer mit unterschiedlichen individuellen Noten gespielt: Kieran Foglar-Deinhardstein, Theresa Gerstbach und Finja Sturm. Gleiches gilt übrigens auch für Titania, in deren Rolle Mia Aimet, Zoë Falkner und Amelie Strolz schlüpfen – und sich in den zum Esel verwandelten schauspielenden Handwerker Zettel verwandeln. Dessen Darsteller Christopher Rohlfing strotz nur so vor komödiantischem Talent.

Viele Lachmomente

Dies vor allem in einer der weiteren Ebenen des Shakespeare’schen Stückes. Zettel und die anderen Handwerker:innen – Nora Gaugg als Schlucker, Elena Feigl als Schnock, Lisa Mair als Flaut und Emily Valant als Schnauz (die jetzt genannten spielen auch Titanias Elfen wo sie noch um Alisya Fabian verstärkt werden) – sollen mit der Tragödie von „Pyramos und Thisbe“ für eine theatrale Einlage bei der Hochzeit von Theseus (Viktoria Ginzel) und Hippolyta (Daria Tayel) sorgen. Zettel will fast alle Rollen an sich reißen, spielt den Alleskönner und sorgt im „Probenprozess“ für die „Tragödie“ für kräftige Lacher fast auf dem laufenden Band.

Er liebt mich, er liebt mich nicht …

Eine weitre zentrale Ebene des Stücks sind die angerichteten Liebeswirren um das Paar Hermia und Lysander (Flora Oswald-Ulreich) einerseits. Und andererseits um Helena, die unsterblich in Demetrius (Elizabeth Dorner) verliebt ist, der aber von ihr genau gar nichts wissen will. Das soll durch die Liebestropfen geändert werden. Aber Schreck, „natürlich“ passiert auch hier dem Kobold, hier natürlich dem entsprechenden Trio, ein „Versehen“: Neben Demetrius, der übrigens nach einem adeligen Versprechen Hermia, die Tochter des Egeus (Linnea Paulnsteiner) heiraten soll, wird auch Lysander eingetropft – und beide sehen als Erstes jeweils Helena, verlieben sich in sie. Und die denkt und fühlt, sie würde von beiden verarscht. Als obendrein Hermia auszuckt, dass ihr Lysander sie nun verachtet, vermutet Helena gar ein Trio-Komplott, das sie an den Rand des Wahnsinns bringt.

Geteilte Rollen

Sowohl die Rolle der Helena als auch die der Hermia teilen sich jeweils zwei Schülerinnen – abwechselnd in verschiedenen der Vorstellungen. In jener, die Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besuchte waren dies Lena Hergolitsch (in den anderen spielt Lelia-Sidonie Herbeck die Helena) und Vicencia Amon-Lavnick (die andere Hermia spielt Mirandolina Wissgott).

Und trotz großartiger Ensemble-Leistung muss einfach die genannte Hermia-Darstellerin extra erwähnt werden, die insbesondere in dieser heftigen Szene, da sie die entwürdigende Ablehnung durch ihren Liebsten, erlebt und ausflippt, spielt Vicencia Amon-Lavnick großartig auf, lässt den Atem der Zuschauer:innen stocken, wenn sie zu Boden geschleudert wird. Und bewahrt dennoch ihre Würde – insbesondere im Abgang, bei dem sie unabsichtlich gegen einen der Bäume – die zum Glück aus hängenden dünnen Stoffsäulen bestehen (Bühne: Johannes Hierzenberger und Martin Kaar) rennt und spontan reagiert als wär’s geplant.

Live-Musik und Tanz

Die Schüler:innen spielen aber nicht nur, zu Livemusik (einer der Lehrer: Florian Ehrlinger) gibt es immer wieder auch getanzte Szenen (Choreografie: Lehrerin Manuela Bayer). Und auch das beherrschen die Jugendlichen. Klar, sie besuchen einen Schulzweig, bei dem Theater und Kunst einen Schwerpunkt bilden. Doch mit dieser „Ein Sommernachtstraum“ können sie durchaus mit anderen professionellen Produktionen sehr gut mithalten.

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Szenenfoto aus "Unter dem Fußboden" nach Daniel Wissers Texten im Theater Arche (Wien)

Verbirgt sich etwas „unter dem Fußboden“ oder hinter Zeitungsmeldungen?

Der gesamt Bühnenboden im Theater Arche ist mit Zeitungspapier (Ausstattung: Clarisse Maylunas) bedeckt. Fast plakativ, wird doch darauf „Unter dem Fußboden“ gespielt. Und dieses Stück aus minimalen literarischen Episoden baut auf Daniel Wissers gleichnamigem Buch auf. Dort versammelt er meist sehr skurrile Kürzest-Geschichten im Stile chronikaler Zeitungsmeldungen – vom Weltrekord im Fahnenmast-Sitzen bis zu einem Künstler, der nur im Dunklen malt, jemandem, der jahrelang nicht spricht und vieles mehr.

Im vor vier Jahren erschienen Buch versammelte Wisser knapp mehr als 100 solcher Miniaturen, bei denen immer wieder Zweifel aufkommt, ob sie wirklich nur erfunden sind oder doch wahr sein könnten. Manche haben zumindest wahre Kerne. Der Autor lässt bewusst offen, welche und was wie ist/sein könnte. Und immer wieder ergänzt er auf seiner Homepage neue solcher „Meldungen“ – und verlinkt kreuz und quer – manche Figuren ziehen sich durch, tauchen immer wieder auf. Aber auch über Stichworte kommen Leser:innen dann zu Miniaturen mit ähnlichem Thema.

Der verschwundene Redakteur

Dennoch war es nicht leicht vorstellbar, wie daraus ein Stück werden kann. Ist es aber geworden. Und das wunderbar. Zum einen hatte Regisseur Karl Baratta den Einfall, den immer wiederkehrenden Zeitungskorrespondenten Huitzinger als „roten Faden“ anzulegen. Wisser hatte über den unter vielen „Meldungen“ jene verfasst: „Es begann damit, dass niemand bemerkte, dass Huitzinger verschwunden war. Erst nachdem die Sekretärin der Abendblätter feststellte, dass Huitzinger seit sieben Jahren an keiner einzigen Redaktionssitzung teilgenommen und keinen Artikel mehr geschrieben hatte, begann man seine Abwesenheit wahrzunehmen…“

Ein Zusatztext

Stanislaus Dick, Manami Okazaki, Elisabeth Prohaska und András Sosko verschmelzen immer wieder als Zeitungs-Leser:innen mit den szenisch gespielten „Nachrichten“ bzw. schlüpfen in die eine oder andere der phantastischen, sehr oft eher bedauernswerten oder genial scheiternden Figuren. Jakub Kavin spielt den Alk-trinkenden nicht gerade angenehmen Chefredakteur, der Huitzinger anblafft. So sehr, dass gut zu verstehen wäre, wenn sich der wirklich aus dem Staub gemacht hätte. Kavin spielt aber seine zweisprachige Stärke aus, verleiht seinem Deutsch immer wieder tschechischen Akzent und rezitiert – als einzigen Fremdtext – das in Kunstsprache verfasste Nonsensgedicht „Monolog des verrückten Mastodon“ von Paul Scheerbart (Pseudonyme Kuno bzw. Bruno Küfer), angeregt dadurch, dass Daniel Wisser in seinen Miniaturen einen Wissenschafter namens Scheerbart vorkommen lässt – wobei auch der besagte Dichter ein perpetuum mobile erfinden wollte:
Zépke! Zépke!/ Mekkimápsi – muschibróps./ Okosôni! Mamimûne ……./ Epakróllu róndima sêka, inti …. windi …. nakki; pakki salône hepperéppe – hepperéppe!!/ Lakku – Zakku – Wakku – Quakku — muschibróps./ Mamimûne – lesebesebîmbera – roxróx – roxróx!!!/ Quilliwaûke?/ Lesebesebîmbera – surû – huhû (Monolog des verrückten Mastodons, Paul Scheerbart 1902)

Multi-Musik

Der genialste Einfall allerdings ist ein gar nicht textliches verbindendes Glied: Ruei-Ran „Algy“ Wu erfand während der Proben Musik, die der Tausendsassa live auf Klavier, Keyboard, 1/10-Geige und Bandoneon (eine spezielle Harmonika) spielt – mal nur kurze Unterbrechung, dann wieder Untermalung zu Gesangseinlagen von Manami Okazaki, Stanislaus Dick und András Sosko.

Ein weiterer Regie-Einfall (Dramaturgie: Marie-Therese Handle-Pfeiffer), der sich als eine weitere Klammer des immer wieder stark zum Lachen anregenden Abends erweist: So manche der Textminiaturen alias Zeitungsmeldungen werden vielfach, jeweils von anderen der Schauspieler:innen, wiederholt. Meist dennoch tonlich, stimmlich, szenisch anders gefärbt, womit trotz des Wissens um die Pointe keine Langeweile aufkommt.

Zwillinge?

Nochmals zurück zum Huitzinger: „Das Gerücht machte die Runde, dass man Huitzinger in einer ohnehin sensiblen Phase seines Lebens in einer Redaktionssitzung ausgelacht hatte, weil er die Zwillinge Ginzburg nicht nur nicht miteinander verwechselt, sondern sie auch gar nicht für Geschwister gehalten hatte. Huitzinger hatte versucht sich zu retten, indem er sagte: »Die beiden sind aber auch besonders zweieig.« Doch auf diesen Satz folgte wieder nur lauteres und noch länger anhaltendes Gelächter.“ Übrigens veränderte Wisser die Formulierung im Internet auf „die beiden wirken eher wie zwei Einlinge!“. Und dazu hat er seine kürzeste Miniatur verfasst, die im Stück vielfach gespielt wird:

Der siamesische Einling

„Er dachte, er wäre nicht allein auf zur Welt gekommen, der siamesische Einling. Dachte er aber nur.“

Unter dem Fußboden

Was es mit dem Titel seiner Kürzest-Geschichten – und damit auch des Stücks – auf sich hat, können wir einem dazu dezidiert verfassten Text entnehmen: „Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass Gegenstände, die auf dem Fußboden liegen, auf Gegenstände hinweisen, die sich unter dem Fußboden befinden. Und doch hat die Mehrheit der Menschen Angst davor, dass die Hörner des Teufels durch den Boden stoßen, längst verlegte belegte Brote oder Tramezzini auftauchen oder Vergrabenes oder Verstecktes wieder sichtbar werden könnte. Die Menschen sehen in den Gegenständen unter den Fußböden und Rasenflächen meist unheilvolle Dinge, die Katastrophen, Unglücke, Tod oder Verdammnis bringen. Nur wenige sehen wirklich nur das, was sich tatsächlich auf dem Fußboden befindet. …“

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Titelseite von Daniel Wissers
Titelseite von Daniel Wissers „Unter dem Fußboden“

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Puck mal 3 – Schüler:innen spielen Shakespeares Sommernachtstraum

Lysander muss heute ersetzt werden. Die Spielerin dieser Rolle fehlt an diesem Nachmittag, das heißt eine der beiden. Denn diese Figur wird von zwei Darsteller:innen verkörpert, ebenso wie die der Hermia, in die er verliebt ist. „Dafür sind alle drei Puks da!“, frohlocken die Schüler:innen der 7D des BORG (BundesOberstufenRealGymnasiums) für Musik und Kunst Hegelgasse 12 (Wien) gegenüber dem Regisseur.

Jakub Kavin ist kein Lehrer, sondern Co-Leiter von Theater Arche. Die Schule, die u.a. den Zweig Polyästhetik hat, in dem vielfältige Kunstsparten kombiniert und unterrichtet werden, hat seit dem vergangenen Schuljahr eine Kooperation mit dem genannten Theater in der Mariahilfer Münzwardeingasse, das jahrzehntelang als Theaterbrett bekannt war.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Zweisprachig

Die Aufführungen von „Ein Sommernachtstraum“ werden auch dort über die Bühne gehen. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eine der Proben im Festsaal der Schule besuchen. Bis zu den Aufführungen sind noch viele Wochen. Und dennoch flutscht die Durchlaufprobe schon einigermaßen. Mal sind da Sätze zu leise, zu schwach, dann kommen dort Passagen zu schnell herausgesprudelt. Letzteres mitunter im Englischen. Gespielt wird diese Parade-Verwirrungskomödie mit mehreren Handlungsebenen (unter anderem ein Theaterstück im Stück, gespielt von schauspielenden Handwerkern) von William Shakespeare zwar vorwiegend auf Deutsch, aber immer wieder sind auch Sätze in der Sprache DES Theaterautors, dessen Stücke auch fast 400 Jahre später noch zu den wohl meistgespielten auf den Bühnen der Welt gehören.

Besonders spielfreudig – und damit offenkundig die Idealbesetzungen – die Pucks. Dieser Kobold, soll mit magischen Mitteln die Pläne seines Chefs, des Elfenkönigs Oberon verwirklichen, die dieser im Clinch mit seiner Ehefrau Titania ausheckt.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Lustig, einen Macho zu spielen

Nach der Probe durfte kijuku.at fünf der jugendlichen Schauspieler:innen interviewen.
Elizabeth Dorner, spielt Demetrius. Auf die Frage, ob sie sich diese Rolle ausgesucht habe oder die zugeteilt worden wäre, antwortet sie: „Ein bisschen von beidem. Am Anfang wollte ich eher Helena oder Hermia spielen. Die waren schon vergeben und Demetrius ist auch eine coole Rolle wegen seinem Mach-mäßigen Gehabe.

KiJuKU: Wieso finden Sie das cool?
Elizabeth Dorner: Ich bin eine sehr liebe Person, aber ich hab halt oft diesen „Resting Bitch Face“ (ungewollt herablassenden Gesichtsausdruck) und es gibt heutzutage auch noch genug Jungs mit dieser Haltung, zuerst nehm ich die eine, dann die andere… Es ist auch lustig zu spielen.

KiJuKU: Warum haben Sie sich überhaupt für den Theaterzweig entschieden?
Elizabeth Dorner: In meiner alten Schule wusste ich in der vierten, ich muss dort unbedingt weg. Ich hab damals schon in einem Chor gesungen und bei der Sommeroper Klosterneuburg mitgemacht. Es hat mir sehr gut gefallen, auf der Bühne zu stehen. Dann hab ich eine Schule gesucht und diese gefunden und die taugt mir sehr.

KiJuKU: Das ist auch Ihre Berufspersektive?
Elizabeth Dorner: Ja, ich will auf jeden Fall probieren ins Reinhardt-Seminar für Schauspiel zu kommen und wenn das nicht klappt, eine andere Schauspielschule besuchen. Bühne oder Film. Wenn ich auf der Bühne bin, bin ich in meiner Rolle und mein Privatleben und alles andere ist ausgeblendet und ich kann mich in der Rolle ausleben.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Auf der Bühne und im Leben …

Kieran Foglar-Deinhardstein, spielt „ein Drittel vom Puck“.
KiJuKU: Was heißt, ein Drittel vom Puck?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Das heißt, dass wir drei immer gleichzeitig auf der Bühne stehen und eine Rolle verkörpern aber in drei verschiedenen Ausprägungen. Wir haben uns den Text aufgeteilt, so dass jede und jeder von uns immer nur einen Teil, ein, zwei Sätze hintereinander sagen. Wir sind eine Rolle, aber drei verschiedene Personen.

KiJuKU: Sie haben sich dieses Drittel Puck ausgesucht, oder war das überhaupt von Anfang an klar, dass diese Figur sozusagen dreifach auftritt?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Nein. Wir wurden der Reihe nach durchgefragt, welche Rolle wir am liebsten spielen würden. Zuerst mussten wir jede und jeder jeweils drei Rollen aufschreiben, die wir gerne spielen würden. Es wurde uns versprochen, dass wir eine davon bekommen. Als wir gefragt wurden, welche wir am liebsten spielen würden, haben wir alle drei den Puck gewählt. Dann gab’s die Entscheidung, weil das ohnehin eine große Rolle ist, dass die eben aufgeteilt wurde. Dadurch, dass diese Szenen ja im Feenwald spielen, kann auch ein bisschen weg von Realität gespielt werden.

KiJuKU: War Puck Ihre erste Wahl – und wenn ja, warum?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Ja, ich weiß nicht genau. Ich hab den Sommernachtstraum schon vorher gekannt und ich fand den Charakter vom Puck, dieses komplett Verrückt-Sein sehr lustig zu spielen. Ich hab den Text dann noch einmal durchgelesen und es war die Rolle, die mich am meisten angesprochen hat, weil man da die Realität komplett wegschmeißen kann, komplett herumspringen und wahnsinnig sein darf. Das find ich sehr faszinierend.

KiJuKU: Ist das etwas, das Ihrem Naturell entspricht oder genau nicht?
(Alle Umstehenden lachen teils heftig.) Kieran Foglar-Deinhardstein: Naja, schon, ich bin vielleicht nicht ganz so extrem, aber ich bin schon eher ein bisschen ein Springinkerl. Außerdem spiele ich gerne extreme Rollen.

KiJuKU: Nur auf der Bühne?
(Hörbares Schmunzeln des Umfeldes.) Kieran Foglar-Deinhardstein: Auf der Bühne geh ich sehr gerne in das Übertriebene. Aber ich bin auch im echten Leben ein bisschen eine überdrehte Person, rede gern und viel auch mit meinen Händen, habe lila Haare und gelbe Augenbrauen. Dadurch, dass ich auch von meiner Persönlichkeit sehr präsent bin, ist es auch auf der Bühne einfacher für mich, das zu übertragen.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

KiJuKU: Hatten Sie das schon immer, dass sie Rollen spielen wollten – auf der Bühne und im realen Leben?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Unterbewusst ja. Aber in der Volksschule wollte ich Delfin-Forscherin werden bis ich draufgekommen bin, dass ich Angst davor habe, unter Wasser zu sein. Dann ist mir relativ schnell klar geworden, dass Schauspielen etwas ist, das ich gern mag. Ich hab meine kleinen Geschwister immer wieder dazu gezwungen, mit mir Theaterstücke aufzuführen.

KiJuKU: Gezwungen?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Naja, ich wollte halt, sie sind jünger und ich hab halt gesagt: Wir machen jetzt ein Theaterstück.

KiJuKU: Das waren eigene, selber erfundene Stück?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Ja, die hab ich mir immer ausgedacht. Ich weiß nicht, wie gut die waren, aber wir haben halt gespielt. Ab der 1. Klasse Gymnasium hab ich gewusst, dass ich auf eine Schule wechseln will mit Schauspiel-Schwerpunkt.

KiJuKU: Und es ist auch Ihr Berufswunsch?
Kieran Foglar-Deinhardstein: Jahaa, ich weiß nicht, wie viel ich schon sagen darf, aber ich hab schon für nach der Matura ein bisschen was in diese Richtung und das wäre jedenfalls der Weg, den ich gerne gehen würde – alles mit Schauspiel.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Und noch ein Drittel Puck

Theresa Gerstbach spielt ein zweites Drittel Puck.

KiJuKU: War das auch Ihre erste Wahl?
Theresa Gerstbach: Ja.

KiJuKU: War das anfangs gewöhnungsbedürftig – eine Rolle von drei Leuten gleichzeitig gespielt?
Theresa Gerstbach: Wir waren alle drei am Anfang ein bisschen skeptisch. Dann waren wir – die ganze Klasse – auf einer Projektwoche für unser Stück. Da haben wir zum ersten Mal dann zu dritt diese Rolle gespielt, uns eingewöhnt und gemerkt, dass das eigentlich gut funktioniert. Wir haben einen Weg gefunden, uns da alle einzubringen – jede/r den eigenen Charakter reinzubringen und trotzdem zusammen diesen Puck zu spielen. Nach ein paar Tagen hat es mir ur-Spaß gemacht, mit den anderen gemeinsam diese Rolle zu spielen und ich find’s jetzt sehr cool.

KiJuKU: Warum haben Sie sich den Puck ausgewählt?
Theresa Gerstbach: Am Anfang war ich mir gar nicht sicher, wen ich spielen will, habe Puck, Hermia und Helena aufgeschrieben, den Puck aber an erster Stelle, weil ich find, das ist so eine interessante Rolle. Diese Figur hat so viele Seiten, macht das was er will.

KiJuKU: Sie wollten auch schon immer auf der Bühne sein?
Theresa Gerstbach: Meine Mama hat schon früh gesagt, dass ich auf die Bühne gehe, weil ich immer so laut war und mich dargestellt habe. In meiner Unterstufe hatten wir Schulspiel und Stücke gespielt. Das hat mir extrem Spaß gemacht, ich konnte mich da voll reinleben und dann wusste ich, das möchte ich einmal auch als Beruf machen. Deshalb hab ich nach einer Schule gesucht, die das fördert.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Komm vom Tanzen und Singen

Vicencia Amon-Lavnick spielt eine zweite Hermia.

KiJuKU: Ist das so wie es drei Pucks gibt?
Vicencia Amon-Lavnick: Nein, das ist eine Doppelbesetzung wie Helena, die werden abwechselnd gespielt.

KiJuKU: Und diese Rolle war Ihre erste Wahl?
Vicencia Amon-Lavnick: Ich glaub ich hatte Helena, Hermia und weiß nicht mehr wen noch. Dann gab’s sogar schon drei für Helena, dann dachte ich, ich nehm die Hermia.

KiJuKU: Sind Sie zufrieden damit und auch damit, dass sie nur jede zweite Vorstellung spielen?
Vicencia Amon-Lavnick: Nicht hundertprozentig, weil man ja mit allen alles spielen würde, aber doch, dass ich überhaupt spielen kann.

KiJuKU: Hatten Sie auch schon sehr früh Lust auf Schauspiel?
Vicencia Amon-Lavnick: Bei mir hat das zuerst mit dem Tanzen und dann mit dem Singen begonnen. Ich bin auch schon sehr früh in Film- und Schauspielkurse gegangen. Ich wurde in meiner alten Freundesgruppe auch immer als die kindischere angesehen, weil ich verschiedene Rollen spielen wollte.

KiJuKU: War Bühne sozusagen ein früher Wunschtraum?
Vicencia Amon-Lavnick: Ich würd sagen eher Film, aber auf jeden Fall Schauspiel. Für Filme war ich schon bei einigen Castings und einmal konnte ich auch schon in einer Szene wirklich spielen. Auf der Bühne bin ich schon das fünfte Jahr bei der Youth Company vom Performing Center Austria und dieses Jahr haben wir auch ein Konzert. Was mir besonders an der Youth Company gefällt ist, dass sie in Englisch singen. Ich fühl mich generell im Englischen wohler.

Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares
Szenenfoto aus Proben zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Schüler:innen des Polyästhetik-Zweiges des BORG Hegelgasse 12

Macht Spaß, schlimme Seite und Macht rauszulassen

Yannic Schober spielt Oberon

KiJuKU: Warum haben Sie sich den Feenkönig ausgesucht?
Yannic Schober: Er ist der Böse in dem Stück und ich wollte einen Bösen spielen.

KiJuKU: Warum?
Yannic Schober: Weil’s Spaß macht, die schlimme Seite rauszulassen, so richtig die Wut zu spüren – das mag ich.

KiJuKU: Sind das Dinge, wo Sie sich manches Mal denken, ich würde jetzt gerne wütend sein und nun hab ich auf der Bühne die Möglichkeit, das zu dürfen?
Yannic Schober: Es fällt mir auch gar nicht schwer, die Energie dann so raufzubringen und das rauszulassen. Außerdem hat es schon etwas, so einen Hof-Status zu haben wie der Oberon. Ich mag es auch, diese Macht zu spielen.

KiJuKU: Auch an Sie diese Frage, ob Sie schon immer Theater spielen wollten?
Yannic Schober: Auch, weil meine Eltern das machen und damit schon immer von Klein auf im Theater war.

KiJuKU: Aber geht einem das nicht genau deswegen vielleicht auch auf die Nerven, weil das schon die Eltern gemacht haben oder machen?
Yannic Schober: Gibt es auch, aber ich mag das eben, ich hab schon als Kind gern Theater gespielt und mir Stücke ausgedacht.

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