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Zwei Männer auf der Bühne - Szenenfoto aus der Lesung "Emigranten": Jihad Alkhatib, Stephan von der Deken
Zwei Männer auf der Bühne - Szenenfoto aus der Lesung "Emigranten": Jihad Alkhatib, Stephan von der Deken
24.07.2021

Gastarbeiter als Sklave eines intellektuellen Flüchtlings

Szenische Lesung von Sławomir Mrożeks „Emigranten“ beim Wiener Kultursommer. Noch am Sonntag, 25. Juli 2021, zu sehen.

Ein bisschen derangiert wirkt er schon der Herr Intellektuelle. Aber furchtbar g’scheit reden hört er sich unheimlich gerne. Und er putzt den – fein gesackelt – eintretenden Mitbewohner zusammen, nein eigentlich immer eher runter. Sein amouröses Abenteuer sei nur eine Einbildung. Außerdem sei er ihm seit Monaten den Mietanteil schuldig, obwohl er schwer und viel hackelt.

So fast nebenbei kommt heraus, die beiden hausen im Keller, über ihnen eine feine Gesellschaft, die zu Sylvester Champagnerkorken knallen lässt, während sie mit Fusel auf den Jahreswechsel anstoßen. Durch ihre Behausung laufen die Wasser und Abflussrohre…

Irgendwie wirken die beiden, meisterhaft dargestellt von Jihad Alkhatib und Stephan von der Deken, fast wie ein altes Ehepaar – aneinander gekettet, obwohl sie einander nicht (mehr?) lieben. Erst gegen Ende stellt sich heraus: Der intellektuelle Flüchtling hat den Gastarbeiter – beide kommen aus dem selben nicht genannten Land, wie sie selber im Originaltext von Sławomir Mrożek auch nur AA und XX heißen – zu seinem Projekt erkoren. Er will sozusagen über den totalen Sklaven schreiben. Er selber sei ja aus oppositionellen Gründen geflüchtet, der andere aber hätte keinen blassen Schimmer vom Drang nach Freiheit.

Genial ergänzt werden die beiden auf der Bühne (Regie: Joanna Godwin-Seidl) tontechnisch immer exakt getimt von Jakob Jelinek: Ob Wasser aus der Leitung rinnt oder nicht, der Tee kocht oder eine Flasche fast zu Bruch geht – alles „nur“ aus den Lautsprechern, programmiert und geregelt von ihm.

Trotz des ernten Plots sorgen nicht nur die Schauspieler, sondern schon der Text immer wieder für herzhafte Lacher – der polnische Autor war neben Schriftsteller auch Karikaturist. Und machte selbst die Wandlung vom glühenden Stalinisten zum Emigranten – erst Frankreich dann Mexiko -, nachdem die Panzer der Warschauer-Pakt-Staaten den Prager Frühling 1968 niederwalzten.

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Die beiden Schauspieler, die Regisseurin und der Techniker auf der Bühne beim Schluss-Applaus dem Publikums
Tontechniker Jakob Jelinek, Regisseurin Joanna Godwin-Seidl sowie die beiden Schauspieler Jihad Alkhatib und Stephan von der Deken
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

„Emigranten“

von Sławomir Mrożek
Ost-westlicher Diwan (Jihad Alkhatib, Stephan von der Deken und Jakob Jelinek)
Regie: Joanna Godwin-Seidl
Ton: Jakob Jelinek

Wann & wo?

25. Juli 2021
18.30 Uhr
1160, Kongresspark
Kultursommerwien -> Emigranten