Kommst du durch den Eingang in der Mariahilfer Straße ins MuseumsQuartier, bist du im kleinsten Hof dieses Areals – mit Zugang zu den Büros von Dschungel Wien und Ausgang von Bühne 3 dieses Theaterhauses für junges Publikum sowie zum Bürotrakt des Zoom Kindermuseums. Dazwischen steht derzeit ein hölzerner Wohnwagen – ohne Räder. „Spaces of Memories” nennt sich dieses „Temporäre Mahnmal”, gestaltet von der Künstlerin Luna De Rosa. So wie beim vorherigen, dem 3. „E bistarde – vergiss mein nicht“ Roma-Kulturfestival wird das Mahnmal wieder künstlerisch bespielt. (Im November 2023 stand der Wagen im nächstgelegenen, größeren Hof mit den Eingängen zum Theaterhaus, dem Kindermuseum und zur wienXtra-Kinderinfo.)
Dieses Mal stehen und hängen im Wagen Bilder – mit feinen Linien gezeichnet – von Emanuel Barica. Wenn er selber da ist, sitzt er meist vor dem Wagen unter einem Baum, lässt Musik über sein Handy abspielen. Zufällig laufen Nummern aus seiner Playlist. Vor sich hat er immer ein Blatt und einen Stift, meist Fineliner oder Kugelschreiber. Vor allem die Musik scheint immer wieder seine Hand zu führen – und Gespräche mit Vorbeikommenden oder Menschen, die sich zu ihm setzen, vielleicht sogar von ihm portraitieren lassen.
Der heute 40-Jährige wurde im rumänischen Botoșani (im Nordosten des Landes; mehr als 100.000 Einwohner:innen) geboren, wuchs erst mit Romanes und ab der Schulzeit mit Rumänisch auf, zeichnete und malte natürlich wie (fast) jedes Kind gerne. Mit 15 begann er sich von Mangas und Anime inspirieren zu lassen und wollte diesen Stil lernen, erzählt er im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Fünf Monate tigerte er sich da rein und kam dann drauf, „ich sollte lieber Grundlagen der Malerei lernen“. Dazu machte er einige Workshops, holte sich aber vor allem Anleihen, Tipps und Vorbilder aus Büchern in der Bibliothek seiner Heimatstadt – vor allem Anatomie suchte er zu ergründen.
„So brachte ich mir nach und nach alles selber bei, aber nach einigen Monaten war es eher noch schwieriger.“ Je mehr er an Wissen ansammelte, desto komplizierter wurde es, richtig zu zeichnen. „Was mich dann wirklich weiterbrachte, war mein Ehrgeiz. Ich wollte es unbedingt!“
So begann er sich zunächst auf Natur, Landschaften zu konzentrieren, auf Licht und Schatten zu achten. „Und ich ging immer wieder von einfachen Formen aus wie von einem Viereck, einem Kreis und Linien und entwickelte daraus die Bilder, die ich zeichnen wollte.“ So kam er nach und nach immer mehr dazu, Gesichter zu zeichnen. „Das mache ich vor allem, weil es mit der menschlichen Identität verknüpft ist – und die ist mein zentrales Thema!“
KiJuKU: Wenn du Gesichter zeichnest, hast du dann reale, konkrete Menschen vor dir oder zeichnest du aus deiner Fantasie?
Emanuel Barica: Meist aus meiner Vorstellung – aber kombiniert mit der Realität!
KiJuKU: Du malst immer mit Musik?
Emanuel Barica: Nicht immer, aber meistens, Musik inspiriert mich.
KiJuKU: Hast du dafür spezielle Songs oder eine Playlist?
Emanuel Barica: Nein, zufällig, was gerade kommt. Und das finde ich so spannend, weil ich nicht weiß, welche Songs gespielt werden.
KiJuKU: Du weißt also am Beginn eines Blattes gar nicht was du letztlich zeichnest?
Emanuel Barica: Nicht ganz. Eines weiß ich schon, es geht immer um die menschliche Identität. Aber wie und was – das ist auch für mich als Künstler dann überraschend. Es ist am Beginn unbekannt.
Seit elf Jahren lebt der Künstler in Berlin, hat Ausstellungen in seiner neuen Heimatstadt, aber auch schon in Dresden, Leipzig, Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Paris. Neben Ausstellungen hält er auch Zeichen- und Mal-Workshops. In Wien war/ist er nun zum ersten Mal – eingeladen von Simonida Selimović, Schauspielerin, Regisseurin, Stücke-Autorin und nicht zuletzt künstlerische Leiterin des Rima-Kulturfestivals „E Bistarde“, das nun zum vierten Mal stattfindet. „Mit ihr hab ich in Berlin einige Projekte gemeinsam gemacht – Auseinandersetzung mit dem Holocaust und der Geschichte der Roma für Gedenkveranstaltungen am 2. August (siehe dazu Links am Ende des Beitrages).
„Manchmal spreche ich Deutsch“, sagt er mitten im auf Englisch geführten Interview, „aber eher Englisch, weil die meisten Käufer:innen meiner Arbeiten sind aus den USA, auch aus Lateinamerika, Portugal… Aufgewachsen bin ich mit zwei Muttersprachen – zuerst Romanes und dann – verstärkt durch die Schule – Rumänisch.“ Von Wien zeigt er sich – ohne gefragt zu werden – begeistert, ähnlich wie von Berlin.
„Ein berühmter Zuckerbäcker
ist Onkel Marzipan,
dem man jedoch nie auf einem
Ross reiten sehen kann…“
Dieser Onkel Marzipan aus dem jüngst im Burgenland vorgestellten gedichteten Büchlein mit vielen Zeichnungen von Kindern illustriert, heißt aber auch Marcipán Apó, O dad Marcipan und Poznati Slastičar. Denn das Buch ist in den vier Volksgruppen-Sprachen des Burgenlandes erschienen: Deutsch, Ungarisch, Romanes und Burgenland-Kroatisch.
Neben dem „Onkel Marzipan“ wurde noch ein zweites – ebenfalls viersprachiges – aund auch von Kindern illustriertes – Bilderbuch vorgestellt: „Blauer Bäcker/ Akék pék/ O modro pekari/ Plavi pekar.
Der mehrfach ausgezeichnete Künstler László Devecsery aus Steinamanger schrieb die in Reimen verfassten Episoden um den phantasievollen Zuckerbäcker, der praktisch alles aus Marzipan herstellt. Was nicht immer praxistauglich ist – wie bei einem Boot für seinen Sommerurlaub, das dann von Schwänen und Möwen mehr als geliebt wird. Bei Brot und Gebäck trifft er nicht so den Geschmack der Kund:innen, die bei Brezel oder Brot nicht ganz so Süßes gewollt hätten. Dafür versteckt er in einer der 33 Torten, die er für das Hochzeitsfest seiner Enkeltochter Klara kunstvoll herstellt etwas ziemlich Hartes in einem Geheimfach…
Im zweiten Buch lässt der Dichter einen Bäcker auf neue Ideen bringen. Warum braunes Bort, wenn’s doch auch – mit Lebensmittelfarbe – blau sein könnte, sogar den Namen seines Betriebes ändert er in „Bäckerei Veilchenblau“. Aber, naja, den Kund:innen verging der Appetit angesichts der Farbe. Also nix mit Blaubrot, dafür gab’s in Kapitel 2 gerade Brezerln, später Unmengen von Kipferln, weil sein Enkel Matthäus davon nicht genug bekommen konnte. Oder gebackene Ostereier – also nicht die Eier im Backofen, sondern Striezel in Ei-Form oder zu Weihnachten klingende Kipferln und ein Glöckchen an jeder Semmel.
Die Abenteuer der beiden Helden wurden von Kindergartenpädagogin Katharina Dowas (selber Autorin vieler der mehrsprachigen Bücher des UMIZ – Ungarisches Medien- und Informations-Zentrums) ins Deutsche, von Marijana Wagner (kroatischer Kulturverein HKD) ins Burgenland-Kroatische und von Emmerich Gärtner-Horvath (Verein Roma-Service) auf Romanes übersetzt. Die Illustrationen wurden im Rahmen eines grenzüberschreitenden Zeichenwettbewerbs, an dem sich mehr als 100 Kinder und Jugendliche beteiligt haben, angefertigt.
Bei der Präsentation im Kulturhaus Unterwart rezitierten Kinder des Nationaliätenkindergartens aus Felsöcsatár Tiergedichten des Autors der beiden eben genannten Bücher in ungarischer und burgenland-kroatischer Sprache. Die Mädchen und Buben der „Spielerischen Ungarischen Kinderstunde“ des Burgenländisch-Ungarischen Kulturvereines zeigten eine Auswahl ihrer liebsten Lieder, Kreisspiele und Verse, unter anderem das Lied „az a szép, akinek a szeme kék“, das Lied von den blauen Augen.
Eine Woche später wurden die genannten beiden jeweils viersprachigen Bücher in der Komitatsbibliothek Steinamanger (Szombathelyi Berzsenyi Dániel Megyei Könyvtár) wieder gemeinsam mit dem Ungarische Medien- und Informationszentrum Unterwart (Alsoöri Magyar Média- és Információs Központ) in dieser Partnerstadt von Oberwart vorgestellt. Es ist auch die Heimatstadt des Dichters László Devecsery.
Für die musikalische Umrahmung sorgte die Musikgruppe „Tarisznyások Együttes“ mit vertonten Gedichten des genannten Künstlers. Erneut sagten Kinder aus dem „Nationalitätenkindergarten Felsöcsatár“ Gedichte von László Devecsery auf – auf Ungarisch und Burgenland-Kroatisch. Anschließend führten Kinder des „Weöres Sándor Kindergartens“ aus Steinamanger Kreisspiele, Lieder und Gedichte über den Herbst auf. Auch diese Gruppe präsentierte ihr Können in ungarischen Trachten und wurde lautstark beklatscht. Als dritter Programmpunkt konnten die Schüler und Schülerinnen aus Szentpéterfa begrüßt werden. Die Tamburizzagruppe „Tanke Zice Tamburazenekar“ spielte kroatische Lieder aus der Grenzregion. Viele Zuschauer sangen mit, was für eine besonders gute Stimmung im Saal sorgte.
Zwischen den Auftritten der Kinder und Jugendlichen las László Devecsery aus seinen beiden neuen Bücher seine Lieblingsgeschichten vor. Katharina Dowas stellte hierbei auch gleich die Künstlerin Mária Tihanyiné Müller vor, welche wunderschöne Kunstwerke auf Steine gemalt hatte. Diese finden sich in beiden Werken nicht nur auf dem Deckblatt, sondern auch im Inneren der Bücher wieder.
Übrigens hier noch die ersten vier Gedichtzeilen vom Beginn dieses Beitrages in den drei anderen Sprachen:
„Híres cukrász Marcipán,
nem jár soha paripán!
Miért ülne paripára?
Házában a cukrászdája.“
„Jek barikano cukrengero pekari
hi o batschi Marcipan,
savo schoha upre jek gra
te dikel sina.“
„Tetac Marcipan je poznati slastičar,
ali nikada se ne vidi na konju jahati.
Zašto tetac Marcipan ne jaše?
Kad se njegova slastičarna nalazi u njegovoj kući!“
30 Jahre Anerkennung als Volksgruppe – das stand als Motto über der von „Voice of Diverstity“ (Stimme der Vielfalt) organisierten Veranstaltung zum internationalen Roma-Tag im Wiener Porgy & Bess; und wird über vielen Aktionen und Events in diesem Jahr stehen. Diese Anerkennung ist ein Erfolgserlebnis der Roma und Sinti in Österreich, die noch immer gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus kämpfen (müssen) – übrigens auch weiter darum, dass der Völkermord der Nazis an dieser Volksgruppe öffentlich gut sichtbar wird.
Da und dort Gedenktafeln an einstigen Zwangsarbeitslagern gibt es, aber seit Jahren wird – auch von so manch politisch Verantwortlich (Gewesenen) die Forderung nach einem zentralen Mahnmal für die Opfer des „Porajmos“ – das Romanes-Pendants zur Shoah an Jüd:innen – in Wien, nicht und nicht umgesetzt. Und es geht auch darum, neben dem Leid und der Verfolgung, die Leistungen, Kunst und Kultur einer breiteren Öffentlichkeit sicht- und hörbar zu machen.
Das waren unter anderem Elemente in einer Podiumsdiskussion zum 8. April 2023, an dem sich heuer zum 52. Mal die erste internationale Roma-Konferenz (in London) jährte. Übrigens beschlossen die knapp zwei Dutzend Delegierten damals schon die Ablehnung des Z-Wortes bzw. seines englischen Pendants Gipsy! Eine gemeinsame Hymne und Flagge dieser vielleicht internationalsten Volksgruppe wurden 1971 ebenfalls beschlossen – mehr siehe Info-Box.
Wie wenig – verbreitetes – Wissen es um Roma, Sinti, Lovara, Jenische usw. gab, illustrierte in der schon genannten Podiumsdiskussion – geleitet von Doron Rabinovici – beispielsweise Ursula Hemetek, langjährige Leiterin des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie. Als sie das erste Mal in ihren Anfängen Ruža Nikolić-Lakatos singen hörte, begann sie an der Uni für Musik und darstellende Kunst am Institut nach Roma-Musik zu suchen und stöbern und fand lediglich ein paar Schallplatten aus Ungarn mit klassischer Z-Musik. Erst im privaten Archiv des Sprachwissenschafters Mozes Heinschink wurde sie fündig. Grundstein für ihre weiteren Forschungen.
Nicht viel anders war es Dieter Halwachs, Soziolinguist und langjähriger Leiter des Forschungsbereichs Plurilingualismus an der Grazer Uni beim Erforschen der Sprache Romanes ergangen. Selbst aus dem Südburgenland stammend und seine Herkunftssprache Hianzisch kaum beherrschend, schickte ihn sein Chef „ins Feld, zu den Leuten, um deren Sprache zu erforschen“.
Erika Thurner, langjährige Politik-Wissenschaftsprofessorin an der Uni Innsbruck, fasste den Prozess zusammen bis es 1993 zur Anerkennung der Roma und Sinti als sechste Volksgruppe in Österreich kam. Emmerich, genannt Charly, Gärtner-Horvath, war damals schon als Aktivist in einem der Roma-Vereine tätig und ist Vorsitzender des Volksgruppenbeirates. Die Vereinsstruktur sei damals auch wichtig für die Anerkennung gewesen, berichtete er. Politologin Mirjam Karoly, die mit einer Arbeit über den Anerkennungsprozess diplomierte, brachte u.a. in die Diskussion ein, dass die Europäische Union eine Roma-Strategie zur Inklusion entwickelt habe, wo Österreich sich mehr als ein wenig um die Umsetzung drücke.
Zwar wäre es heute, 30 Jahre nach der Anerkennung als österreichische Volksgruppe vielleicht nicht mehr so wie damals als in einem ORF-Beitrag Menschen nach Roma gefragt, nur mit „italienischer Name für Rom, oder Menschen, die in Wäldern leben“ geantwortet haben. Viel mehr als Musik falle vielen aber auch nicht ein. Leider gelte vielfach noch immer Ceija Stojkas Buchtitel (aus 1988!): „Wir leben im Verborgenen“.
Diese und andere Veranstaltungen in diesem 30-Jahr-Jubiläum wollen mit dazu beitragen, noch mehr aus dem Verborgenen herauszutreten. Übrigens feierte die HÖR – Hochschüler*innenschaft Österreichischer Roma und Romnja, Sinti und Sintizze an diesem 8. April ihren ersten Geburtstag. Der erste Jugendverein dieser Volksgruppe trägt zu einem sehr selbstbewussten Auftreten bei.
Übrigens: Natürlich durfte Musik bei dieser Veranstaltung nicht fehlen, wenngleich sie den Roma, wie alle betonten, „nicht im Blut liege“. Aber Gitarren“gott“ Harri Stojka und Band – Geri Schuller (Keyboard, Klavier), Peter Strutzenberger (Kontrabass), Sigi Meier (Schlagzeug), Andi Steirer (Percussion) – sowie die Sängerinnen Patrizia Ferrara und als Gastsängerin kurz zuvor dazugestoßen Mariia Tarnavska, sowie am Ende auch Sissi Stojka – spielten auf und rissen das mehr als volle Porgy & Bess mit heftig-kräftigen, teils tanzbarem Roma-Jazz ebenso mit wie sie mit bluesigen Nummern tief berührten.
Dazwischen ließ die Schauspielerin Konstanze Breitebner, die den erkrankten Michael Köhlmeier vertrat, drei Roma-Märchen lebendig werden, allerdings recht heftige, arge, teils blutrünstige Märchen ganz ohne Happy End – die übrigens nicht typisch für Märchen dieser Volksgruppe sind.
In diesem Jahr gibt es übrigens gleich am Tag danach noch einen zweiten Abend: Alan Bartuš spielt am 9. April 2023 (ab 20.30 Uhr) ebenfalls im Porgy & Bess auf und präsentiert live seine CD „Born in Millenium“ feat. Gregory Hutchinson – mit ihm selbst am Klavier, seinem Vater Štefan Pišta Bartuš am Kontrabass und Gregory Hutchinson am Schlagzeug; übrigens Video-Lievestream – siehe Info-Box.
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