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Doppelseiten aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen

Ein Märchen mit Frage am Ende, ein anderes, dem die wichtigste Frage fehlt

Drei Märchen aus Tschetschenien versammelt dieses bebilderte Buch. In allen spielen Tiere – wie in vielen Märchen auf der Welt – die zentralen Rollen. Besonders macht dieses Buch, dass alle drei Märchen jeweils in drei Sprachen aufgeschrieben sind: Deutsch, Tschetschenisch und Italienisch.

Doppelseiten aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen
Doppelseite aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen

Die auch dem Buch den Titel gebende Geschichte lautet: „Wer ist der Größte?“ In vielen Märchen verschiedenster Länder und Sprachen geht es um eine ähnliche Frage. Hier stehen ein Stier, ein Adler, ein Ziegenbock, ein Fuchs im Zentrum, aber auch ein Schäfer und vor allem die Jüre Baba (alleinstehende ältere Frau) spielen wichtige Rollen. Adler fängt Stier, lässt sich zwischen den Ziegenbock-Hörnern nieder… mehr von der durchaus harten Story sei nicht verraten – dafür aber der Schluss. Der ist höchst ungewöhnlich. Noch nie ist mir ein Märchen untergekommen, das so endet:

„Nun, liebe Kinder, verratet ihr mir, wer von allen, von denen ich euch erzählt habe (dann werden die Erwähnten und noch weitere alle noch aufgezählt), ist der Größte?“

Doppelseiten aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen
Doppelseite aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen

Ausnahmsweise böser Wolf

Das eben beschriebene Märchen bildet den Schlusspunkt des Buches „Mulscha shilla iokkscha? / Wer ist der Größte? / Chi è il più grande?“. Im zweiten Märchen geht es um drei Zicklein und einen Wolf – der in diesem Fall der Böse ist, was für tschetschenische Märchen und Geschichten sonst eher unüblich ist.

Doppelseiten aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen
Doppelseite aus dem dreisprachigen Buch mit tschtschenischen Märchen

Ameise und eine Kettenreaktion

Eröffnet wird das Buch mit einer aus dem Winterschlaf erwachenden Ameise. Als sie aus dem Bau kriecht, hindert ein großer, fetter Grashalm sie an der Arbeit. Und so krabbelt sie zu einem Schaf, bittet es, den Halm zu fressen. „Ameise, lass‘ mich i Ruh!“, bekommt sie zur Antwort. Gleichlautendes bzw. Ähnliches hört sie, als sie den Wolf bittet das Schaf zu fressen, die Schäferhunde, den Wolf zu verspeisen usw. Der Schäfer will lieber Detschik-Ponder (drei-saitiges tschetschenishces Instrument) spielen, die Maus nicht dessen Saiten anknabbern, die Katze nicht die Maus fangen. Erst der Wind half – zwar nicht gleich aber doch – der Ameise. Nein er blies nicht den Hal weg, sondern setzte die Kette retour in Gang, zerzauste der Katze ihr Fell und so weiter…

Aber weshalb die Ameise, die ja ein einzelgängerisches Tier ist, sondern ganz im Gegenteil mit Tausenden anderen zusammenlebt und arbeitet nicht ihre Artgenoss:innen gebeten hat?

Dies ist eine Frage, die nicht gestellt wird 😉

Historische Einleitung

Als Art Vorwort liefert das Buch – ebenfalls in den drei Sprachen eine historische Einleitung – samt Landkarte – dieser Kaukasus-Republik namens Nochtschitschö (so der tschetschenische Name, der auf „Nachfahren Noahs“ zurückgeht) und ihrer wechsel-, oftmals leidvollen Geschichte.

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Titelseite des dreisprachigen Buches mit tschtschenischen Märchen
Titelseite des dreisprachigen Buches mit tschtschenischen Märchen
Taisa Abdulkadyrova, Fotografin im Stimm*Raum, Maynat Kurbanova, Firdous und Fariza Bisaeva, Rayana Cany, Sara Bisaeva und Zulmira Edieva, ebenfalls eine Teilnehmerin im Kunst- und Kulturprojekt Stimm*Raum – und um eine der Ausstellungstafeln

Marsha Yogliyla, Nochtschiyschö – Kommt Frei, Tschetschenien!

„Wir lachen auch sehr gern über uns selber“, sagte die in Österreich wohl bekannteste Austro-Tschetschenin Maynat Kurbanova unter anderem im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Stimm*Raum“ Freitagabend (1. März 2024) im IFP (Institut für Freizeitpädagogik) von wienXtra).

Über Sprache, den mehrmaligen Wechsel der Schrift von Kyrillisch auf Lateinisch und wieder retour, die Zurückdrängung der Landessprache zugunsten der Amtssprache Russisch, was zur Folge hat, dass Tschetschenisch mittlerweile zu den vom Aussterben bedrohten Sprachen wurde, Bräuche, Witze und natürlich auch Folgen der zwei Kriege Russlands gegen das unabhängig gewordene Land, Flucht, Diaspora, Pendeln zwischen den Kulturen, Gemeinsamkeiten mit Österreich ebenso wie viele Unterschiede auch unter den hier lebenden Tschetschen:innen … gibt es mehrere Kartontafeln einer Ausstellung.

Literarische Texte

„Stimm*Raum“ lautet der Titel. Unter diesem laufen seit mehreren Jahren Kulturprojekte mit Jugendlichen. In Schreibwerkstätten verfassten junge tschetschenische Österreicher:innen oder österreichische Tschetschen:innen literarische Texte. Gemeinsam mit künstlerischen Fotos entstand daraus ein zweisprachiges Buch (Deutsch und Tschetschenisch – in kyrillischer Schrift). Im Vorjahr erarbeiteten Jugendliche ein gemeinsames Theaterstück und in diesem Jahr haben sie begonnen, an einem Film zu arbeiten.

Maynat Kurbanova leitete Schreibworkshops, drei der jungen Teilnehmer:innen – Rayana Cany, Sara und Fariza Bisaeva – lasen vor der offiziellen Ausstellungseröffnung Auszüge aus den jugendlichen literarischen Texten aus dem erwähnten Buch. Fariza Bisaeva las einen neuen Text – der in Band 2 erscheinen wird – und sich mit dem Leben in Österreich beschäftigt, das ihr die schönsten ebenso wie die schmerzhaftesten Momente beschert hat

Fariza Bisaeva las aus einem Text, der in Band 2 des Kunst-Buches von Stimm*Raum kommt
Fariza Bisaeva las aus einem Text, der im Theaterstück am Ende stand und in Band 2 des Kunst-Buches von Stimm*Raum kommt

Vertrauensbrüche

Zwei kurze Text-Auszüge hat sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die schriftliche Veröffentlichung hier zur Verfügung gestellt: „Ich bin österreichische Tschetschenin. Also tschetschenische Österreicherin. Ich meine Österreicherin mit tschetschenischen Wurzeln. Oder doch muslimisch-tschetschenische Wienerin?…
… Gleichzeitig ein Land (Tschetschenien, Anm. d. Red.), das du Österreich, zu oft mit paar Schlagzeilen abtust, dessen Leid du nach Gebrauch instrumentalisierst, dessen Komplexität du zu selten würdigst. Und Stück für Stück, mit jedem Mal, indem du das machst, bricht mein Vertrauen in dich…“

Ein bisschen mehr ist Fariza Bisaeva im Originalton in dem am Ende des Beitrages verlinkten Video von der Veranstaltung zu hören und sehen. Wobei so manche dieser Gedanken, die auf ihren Erfarhungen und Erlebnissen beruhen für viele Menschen mit Wurzeln in vielen anderen Ländern ähnlich sind – konfrontiert mit Vorurteilen, nicht selten auch Rassismus.

Höher als die Alpen

Kurbanova würzte mit schwarzhumorigen Witzen, die dort auch im genannten Buch – siehe Info-Block – zu finden sind. Als Fun Fact nannte sie noch, dass Tschetschen:innen nicht ungern darauf hinweisen, dass der höchste Berg (Dakoh Kort) ihres kleinen Landes (1,3 Millionen Einwohner:innen, weniger als 16.000km2 (kleiner als die Steiermark) 4.493 Meter hoch ist – immerhin fast genau 700 Meter höher als Österreichs höchster Gipfel, der Großglockner (3.798 Meter).

Barkal – Danke für die Infos an die jugendlichen Autor:innen und ihre Mentorin!
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Bildmontage aus mehreren Fotos - von Fußballspielen, henna-Tattoo-Malen, Schachspielen und einem der Konzerte beim afghanischen Sport- und Kulturfest im Sportgelände Hopsagasse (Wien-Brigittenau)

Fröhliches Miteinander beim (nicht nur) afghanischen Sport- und Kulturfest

Die einen in sportlichen (Fußball-)Dressen, die anderen leger und dritte, vor allem viele Mädchen und Frauen bunt, schick, festlich gekleidet und geschmückt. Hunderte Menschen bevölkerten am Wochenende das Sportgelände Hopsagasse (ASKÖ) in Wien-Brigittenau. Auf dem großen und etlichen kleineren Fußballfeldern, darunter eines mit Aufblas-Rand und ein Minifeld, das sogar auf einem Tisch Platz hätte, wurde gekickt. Auf dem Hauptfeld ging ein Turnier über den Rasen. Auf dem Sandplatz matchten sich Beach-Volleyball-Teams. In der Halle wurde tagsüber Futsal gespielt und ab dem mittleren Nachmittag regierte Musik.

Nach Pandemie-bedingter Pause und knapp zwei Jahre nach der neuerlichen Machtergreifung der Taliban in ganz Afghanistan hatte der Sport- und Kulturverein „neuer Start“ bereits zum zehnten Mal zum Integrations- Sport- und Kulturfest „Von Kabul bis Wien“ eingeladen. Neben Sport – auf vielen Feldern wurde nicht um Siege, sondern „nur“ zum Spaß, gespielt und Musik gab es Infostände, afghanische Speisen, Workshops – unter anderem mit Kickbox-Welt- und Europameister Amir Sahil zum Thema Antidiskriminierung.

Unter anderem lag auch ein von Shokat Walizadeh, dem Motor dieses Integrationsfestes, mit-verfasstes Handbuch „Vermittlung interkultureller Genderkompetenz im Fluchtkontext“ auf. Dies ist Teil der Arbeit des Vereins mit Geflüchteten, die in verschiedensten Bereichen unterstützt werden, was nicht zuletzt die Hilfe beim sich-zurechtfinden in der österreichischen Gesellschaft bedeutet.

Afghanisch-tschetschenische Freundschaft

Zum zweiten Mal bei diesem bunten, fröhlichen von viel Kinderlachen aufgeheitertem afghanischen Sport- und Kulturfest zu dem auch viele Wiener:innen ohne Wurzeln in diesem seit Jahrzehnten von Kriegen plagten Land kamen, auch der tschetschenische Verein Ichkeria. Sahar und Amiri mit afghanischen und Ali mit tschetschenischen Wurzeln posten spontan als sie den Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Journalisten sahen, um ihre Freundschaft zu zeigen.

Sahar – wie viele der Mädchen und Frauen in traditionell buntem Kleid, Amiri mit einer traditionellen Kappe und der 14-jährige Gymnasiast Ali schnappt sich die auf dem Info-Tisch liegende Dechik Pondar. „Dechik heißt Holz auf tschetschenisch“, erklärt er KiJuKU.at „und Pondar ist ein bei uns schon lange traditionelles Saiteninstrument“. Auf den Kopf setzte ihm seine Mutter eine traditionelle Haube, die in Tschetschenien aus Schafwolle gefertigt wird, „die ist glaub ich aus Kunststoff“, sagt Ali verschmitzt.

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Knochenspiel

Wenige Meter auf dem Gehweg neben der großen offenen, holzüberdachten Halle, in der sich die Info- und Ess-Stände ebenso befanden wie Station wo Henna-Tattoos kunstvoll auf Hände gemalt wurden, hatten zwei Männer einen Kreidekreis auf den Boden gemalt. Abwechselnd warfen sie kleine Schafsknochen in den Ring. Schagai heißt dieses Spiel, bei den Hazara, einer seit Jahrzehnten immer wieder verfolgten Volksgruppe in Afghanistan. Das Spiel kommt ursprünglich aus der Mongolei. Je nachdem wie die Knöchelchen aufkommen, werden sie als Pferd, Esel, Rücken oder Unterseite (Bauch) benannt – und sind in absteigender Reihenfolge mehr bzw. weniger Punkte wert. Der zweite Spieler kann nun mit einem eigenen Knöchelchen versuchen, die gegnerischen Spielsteine aus dem Ring zu bugsieren.

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Konzert

Zwischen 16 und 17 Uhr am Sonntag endete das Fußballturnier, die Zuschauer:innen hatten ohnehin schon begonnen in Richtung Sporthalle zu strömen, wo der Sänger Amir Ahmadi mit einem Percussionisten und einem Keyboarder die ersten Lieder anstimmte und in deren Pausen DJ Hamid Amiri die Halle fast zum akustischen Explodieren brachte.

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