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Transparent vor dem Parlament
Transparent vor dem Parlament
21.06.2025

„In der neuen Weltrealität kann jede und jeder flüchten müssen“

Demo zum Weltflüchtlingstag vor dem Parlament – ausgehend vom Jugend-Kunst-Festival „Demokratie, was geht?“, mit vielfältigen Aktivitäten; Realität konterkariert zynische Kinderbroschüre von Frontex.

Die Parlamentsrampen sind abgesperrt. An einer Ecke davor steht ein weißer Kasten. Immer wieder gehen Menschen neugierig auf diesen zu. Wenn sie wollen, bekommen sie ein elektronisches Gerät ausgehändigt, das eine flache Platte vorne hat, Kabel zu Kopfhörern. An einigen Stellen, die wie Fenster in diesem Kasten aussehen, leuchten kräftig rot, aber auch in anderen Farben Lichter auf – und in den Kopfhörern ertönen Musik sowie Stimmen.

Çağdaş Çeçen hat diesen technischen Wunderkasten gebaut und auf der auf einem Zettel ausgedruckten aufgeklebten Beschreibung dazu heißt es unter anderem: „Diese Installation bringt zum Leuchten, was allzu oft im Dunkeln bleibt: Die Stimmen junger Menschen, ihre Erfahrungen, Perspektiven und Kämpfe. Sie ist Teil des dreitägigen Jugend-Kunst-Kultur-Festivals „DWG – Demokratie, was geht?“, einer Initiative die Jugendlichen Zeit und Raum gibt, sich künstlerisch – unterstützt von Profis verschiedener Sparten – zu betätigen, ihre Anliegen, Gedanken, Wünsche, Forderungen und Sichtweisen zu äußern. Im Herbst 2023 fand das erste Festival statt, nun steigt das zweite – bis einschließlich Sonntag, 21. Juni 2025.

Sicht- und hörbar machen

„Gerade jungen Menschen, die mehrfach marginalisiert sind, wird zu oft das Gefühl genommen, etwas bewirken zu können. „Demokratie, Was geht?“ setzt dem etwas entgegen: Es macht hör- und sichtbar, was sie denken, fühlen und verändern wollen. Denn durch Geschichten lernen wir. Wer zuhört, wird empathischer. Und wer empathisch ist, hält eher zusammen.
Die Installation übersetzt dieses Prinzip in Licht: Auf kleinen Tafeln zeigen 3-D-gedruckte Reliefs Bilder der Teilnehmenden. Unsichtbare Laserstrahlen tragen codierte Tonspuren – Geschichten, von den Jugendlichen selbst erzählt. Um sie hörbar zu machen, braucht es einen Receiver – und die Bereitschaft, aktiv zuzuhören so wie auch in der Gesellschaft oft erst die bewusst Suche notwendig ist, um die Geschichten derer zu finden, die an den Rand gedrängt wurden. Doch hier holen wir sie zurück ins Zentrum. Ihre Stimmen leuchten. Ihre Geschichten strahlen. Und wir feiern sie – so wie jede Geschichte gefeiert werden sollte.“

Aktivistin initiiert am Ende Sprech-Chöre der Teilnehmer:innen
Redner wiest auf das Recht auf Flucht hin, das existenziell ist…

Flucht ist ein existenzielles Recht

Und weil der 20. Juni – seit einem ¼ Jahrhundert – der Weltflüchtlingstag ist, gab es eine kleine, feine, viele Initiativen – freie syrische Gemeinde in Österreich, Ichkeria (Tschetschenen), Ukrainer:innen,… einbeziehende, Demonstration dazu vom Ottakringer Yppenplatz zum Parlament. Lautstark wurde unter anderem skandiert: „Um Europa keine Mauern, Bleiberecht für alle und auf Dauer!“ Wobei nach Europa ohnehin nur ein minikleiner Bruchteil der mehr als 120 Millionen Menschen kommt, die laut UNHCR (Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen) derzeit auf der Flucht sind. Rund zwei Drittel Teil finden in den eigenen Ländern in anderen Regionen Zuflucht; die meisten der 43 Millionen Geflüchteten in anderen Ländern, landen in (Nachbar-)Staaten des globalen Südens.

„Flucht ist ein existenzielles Recht. Und in der Kriegsrealität von heute kann eines Tages jede und jeder von uns zu Geflüchteten werden“, brachte der erste Redner bei der abschließenden Kundgebung einen brisanten Gesichtspunkt ins Spiel.

Blutende Füße und noch Ärgeres

Danach schilderte Evray Eskander bewegend seine rund 1½ Jahre dauernde langwierige und gefährliche Flucht aus dem syrisch-kurdischen Afrin. „Ich habe Menschen gesehen, die so lange gelaufen sind, dass ihre Füße geblutet haben… An einem anderen Tag hat uns Polizei aufgegriffen. Ein Polizist hielt mir eine Waffe an den Kopf und sagte: „Weißt du, was passiert, wenn ich dich erschieße? Nichts. Du wirst Fischfutter.“

Aber ich habe durchgehalten – weil ich geglaubt habe, dass es irgendwo einen Ort gibt, wo ich in Frieden leben, lernen und arbeiten kann. Aber meine Familie darf nicht hier sein. Das neue Gesetz erlaubt es nicht mehr, dass ich meine Familie nach Österreich bringe – selbst wenn ich integriert bin, arbeite und alles tue, was von mir verlangt wird…. Ich bitte Sie: Denken Sie an uns. Denken Sie an Menschlichkeit. Integration beginnt mit der Familie – nicht mit Trennung.“

Zynische Frontex-Kinder-Broschüre

Seine Rede und so manche der Geschichten aus dem eingangs geschilderten „Wunderkasten“ zeigen noch stärker den ohnehin schon offensichtlichen Zynismus einer Broschüre für Kinder von Frontex, der EU-Agentur für die Kontrolle der Außengrenzen, über die „Der Standard“ vor wenigen Tagen berichtete.

Auf der Frontex-Website findet sich die 22-seitige Broschüre aus dem September 2024 mit bunten Bildern in 15 Sprachen zum kostenlosen Download – von Albanisch über Arabisch bis Farsi, Pashto und Türkisch, übrigens auch auf Deutsch – siehe Montage von Screenshots.

Abschiebung wird als „Leitfaden für Rückkehr“ beworben und geschildert, als würden Kindern dabei fast so etwas wie Abenteuer-urlaub machen. Abschiebezentren, oft isoliert abgelegene gefängnisartige Lager werden als Erholungsstätten mit Spielplatz-Charakter gezeichnet. Warnwesten der Bewacher:innen im Flugzeug kriegen ein nettes Bildchen mit der rage: „Welche Farbe wird die Weste wohl haben?“…

Montage aus einigen Seiten der deutschsprachigen Broschüre von Frontex für Kinder
Montage aus einigen Seiten der deutschsprachigen Broschüre von Frontex für Kinder

In Diktaturen? Schulverbot für Mädchen?

Zwar wird auch darauf hingewiesen, dass Kindern ihre von der UN-Konvention festgelegten Rechte zustehen, aber…

… der dortige Artikel 22 legt fest, dass geflüchtete Kinder besonders gut geschützt und unterstützt werden müssen und der Zufluchtsstaat dafür sorgen muss, dass Kinder mit der Familie vereint werden oder wenn das nicht möglich ist, sich jemand anderes gut um sie kümmern muss.

Und was heißt Rückkehr? Die meisten der Kinder aus Flüchtlingsfamilien kennen das Land, aus dem ihre Eltern flüchten mussten, gar nicht.

Die Lite der Sprachen (ver-)birgt noch einen weiteren Schuss Zynismus: Pashto – gesprochen vor allem in Afghanistan (auch Pakistan und Iran), Farsi (Iran), Russisch – sollen Kinder in ein diktatorisches Land verfrachtet werden, wo obendrein Mädchen keine weiterführende Schule besuchen dürfen? Oder in aktuell kriegführende, diktatorische bzw. autokratische Länder?

kijuku_heinz

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Mehr Informationen

demokratiewasgeht -> festival-2025

frontex -> my-guidebook-on-return-children-version

unhcr -> bildungs-material zu Flucht

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

DWG – Demokratie, was geht?

Festival

Finale für die Zukunft
Filmscreenings, Musik, Poetry und Comedy – lebendig, laut, mutig und vielfältig. Ein Abend voller junger Stimmen, die zeigen, was Zukunft bedeuten kann. Abschluss oder besser gesagt Anfang von dem, was noch kommt.
21. Juni 2025
Ab 17 Uhr
Ankersaal, Kulturhaus Brotfabrik
1100, Absberggasse 27, Steige 3; 3. Stock
kulturhaus-brotfabrik -> ankersaal