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Szenenfoto aus "sommer.hunds.traum"
Szenenfoto aus "sommer.hunds.traum"
18.04.2024

Liebes- und Gewalt-Wirren im Wald und im Baumarkt

Jüngstes „das.bernhard.ensemble“-Mash-Up mixt Seidls Hundstage mit Shakespeares „Sommernachtstraum“.

Die eine wischt und putzt, andere wandern in roten Overalls oder Arbeits-Latzhosen umher, räumen da was weg, stellen dort was hin; manche sprechen immer wieder Zuschauer:innen an, die die White Box im Wiener Off Theater betreten. Eine starrt die eine oder den anderen an. Dafür ist eine Kollegin Dauer-Quasslerin, fragt immer wieder, ob sie jemand im Auto mitnehmen könnte. Manche, die auf der Liste der Mitwirkenden stehen, setzen sich ins Publikum. Die Bühne dominiert ein hölzernes Art Würstelstandel inmitten eines grünen Rasenteppichs. Und der entpuppt sich als Teil eines Baumarktes.

In diesem Ambiente tobt sich das.bernhard.ensemble schauspielerisch, tänzerisch, manche auch singend aus – haben viel Spaß und Freude beim verrückten Verquicken von Ulrich Seidls Film „Hundstage“ und William Shakespeares „Sommernachtstraum“ zum Mash-Up „Sommer.Hunds.Traum“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „sommer.hunds.traum“

Auferstehung…

Jenen, die diesen Seidlfilm kennen, kommen die Charaktere bekannt vor. Selbst die umwerfende alle nervenden Film-Anna, Maria Hofstätter, erlebt hier in Person von Sophie Resch eine Bühnen-Auferstehung. Sie trifft ihr filmisches Vorbild total. Ungut bis fast zur Unerträglichkeit agiert schimpfend, brutalst, niederträchtig Yvonne Brandstetter; sozusagen extrem toxisch männlich. Bis sich herausstellt, dass dieser Mario aus dem Film hier eine Maria ist und die bevorstehende Verheiratung mit Klaudia eine gleichgeschlechtliche Ehe sein soll.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „sommer.hunds.traum“

„Engelsgeduld“ oder…

Diese Klaudia wird von Ylva Maj in einer mehr als bewunderswerten Art verkörpert. Egal ob von Maria oder – auf weniger körperliche als auf verbale Weise – von dem aus dem „Publikum geholten“ Masseur Luis (Christian Kohlhofer) ärgstens gedemütigt, entmündigt, sie sagt einfach nichts. Tanzt sich den aufgeladenen Müll aus Körper und Seele, mitunter muss sie heftig speiben. Aber wann, aber wann… explodiert sie, schleudert dem einen oder der anderen ein „Halt endlich deine Papp’n“ entgegen?! Nie. Passiver Widerstand, der die Aggressionen letztlich ins Leere laufen lässt. Erst ganz, ganz spät erhebt sie ihre Stimme – aber gar nicht im vielleicht erwartbaren Sinn, sondern in einem wunderschönen Gesang.

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Szenenfoto aus „sommer.hunds.traum“

Hex-hex-Puck

„Hüttenwirt“ mit einer ordentlichen Gosch’n ist Matthias Böhm las Ronnie – der Übergang zu Oberon in Shakespeares „Sommernachtstraum“ ist wortmäßig nicht weit. Anna wird zu Puck, um hier per „hex hex“-Glitzerzauberstab für Liebes-verwirrungen zu sorgen. Und so begehren viele plötzlich wie eins Helena nun Jelena (Leonie Wahl, die auch für die gesamte Choreografie des Stückes verantwortlich zeichnet) ab. Bis zur Verzauberung eher graue tanzende Putzmaus und Dienstleisterin, deutlich unterqualifiziert, weil sie in ihrer ersten Heimat immerhin Wissenschafterin gewesen ist. Als „Ausländerin“ wird ihr von Anna immer wieder Ausländerhass, den sie an den Kopf geworfen bekommt, selber angedichtet.

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Szenenfoto aus „sommer.hunds.traum“

Teppich und Lampe statt Wand…

Der beste Gast beim Baumarkt-Würstelstand, Herr Ingenieur (Kajetan Dick), der gern Mengenangaben im Markt reklamiert und nun hier den 30. Hochzeitstag seiner verstorbenen Frau feiern will, mutiert einerseits zum Peter Squenz, sozusagen dem Polier, der als Regisseur die Laienschauspieltruppe leitet – und andererseits aber auch zum Esel, in den sich bei Shakespeare die Feenkönigin Titania verliebt.

Auf seine „Regie“-Einfälle hin muss sich Bernhardt Jammernegg als Herr Ruby im Baumakrt für Sicherheitsfragen und Kamera-Überwachung zuständig in Gegenstände verwandeln: Teppich, Lampe – „nicht so bewegt“ -, (Massage-)Tisch. Was bei Shakespeare das Spielen einer Wand war…

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Szenenfoto aus „sommer.hunds.traum“

Wiener Underdogs

Mastermind hinter dem witzig-derben Mix – erstmals ein österreichischer Film und ein international berühmtes Theaterstück; bisher war’s immer umgekehrt – ist wie immer Ernst Kurt Weigel, von dem Konzept, Regie und dieses Mal auch die Ausstattung stammt. Ihm ist, wird er im Programmheft zitiert, das Milieu der Seidl-Filme sehr vertraut, „entspricht es doch exakt jenem, in dem ich als Bub in Inzersdorf ganz im Süden der Stadt (Wien) aufgewachsen bin, mitten unter den Wiener Underdogs.“

Visuals

Ein Teil der Ausstattung sind übrigens wechselnde projizierte Bilder an zwei Großformat- „Werbe“-Screens – einmal hauptsächlich mit Titelseiten einer Gratiszeitung, die andere mit Werbe-Anzeigen und zwischendurch in Shakespeare-Momenten auch Disney-Filmen (Wall Visuals: Evi Jägle). Apropos Werbung – am laufenden Band sprudelt Anne die bekanntesten Werbesprüche ebenso herunter wie im Boulevard beliebte Listen wie die zehn häufigsten Sex-Unfälle und andere oder auch die Inhaltsstoffe von Leberkäse.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „sommer.hunds.traum“

Nach-Spiel

Das sehr körperliche Schauspiel mit vielen Tanz-Momenten lebt natürlich von Rhythmus und Musik (Soundscape: Bernhard Fleischmann). Apropos Tanz. Das Stück ist eigentlich aus – aber „wir haben noch einen Tanz, den wir oft geübt und einstudiert haben, er hat nirgends im Stück hineingepasst, wir zeigen ihn jetzt!“

Abgerundet wird die Aufführung klarerweise auch von den passenden Kostümen (Julia Trybula).

Die schräge, heftige Spielfreude überträgt sich aufs Publikum, das sich nicht ganz zwei Stunden gut unterhalten kann.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Sommer.Hunds.Traum

das.bernhard.ensemble
Mash-up inspiriert von William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ und Ulrich Seidls Film „Hundstage“

Konzept / Regie / Ausstattung: Ernst Kurt Weigel
Performance
Maria: Yvonne Brandstetter
Ronnie: Matthias Böhm
Herr Ingenieur: Kajetan Dick
Herr Ruby: Bernhardt Jammernegg
Luis: Christian Kohlhofer
Klaudia: Ylva Maj
Anna: Sophie Resch
Jelena: Leonie Wahl

Kostüme: Julia Trybula
Choreografie: Leonie Wahl
Soundscape: Bernhard Fleischmann
Wall Visuals: Evi Jägle
Regieassistenz: Beatrice Leodolter
Dramaturgie-Assistenz: Nadine-Melanie Hack, Betrice Leodolter
Lichtdesign/Technik: Josef Morawek
Produktionsleitung: Monika Bangert

Wann & wo?

Bis 11. Mai 2024
Off Theater Wien: 1070, Kirchengasse 41
Telefon: 0676 360 62 06
karten@off-theater.at
off-theater
das.bernhard.ensemble