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Szenenfoto aus "Parzival" vom Theater der Jugend im Theater im Zentrum: Elisa Seydel als Trevrizent, Jonas Graber als Parzival
Szenenfoto aus "Parzival" vom Theater der Jugend im Theater im Zentrum: Elisa Seydel als Trevrizent, Jonas Graber als Parzival
29.04.2024

Abgeschiedenes Aufwachsen hält ihn nicht ab, Ritter werden zu wollen

Kompakte, kurzweilige, fokussierte „Parzival“-Version im Theater der Jugend (Wien), im kleineren Haus, dem Theater im Zentrum.

Die Helikopter-Mutter versucht den Sohn vor dem Schicksal seines Vaters, ihres Ehemanns zu bewahren: Ritter werden, in den Kampf ziehen, töten bzw. getötet werden. Doch es kommt wie’s kommen muss – das verlangt wohl eine dramatische Geschichte – irgendwie wohnt im Sohn so eine zunächst unbestimmte Sehnsucht. Dann sieht er eines Tages Ritter in dem Schutzwald, in dem er von der Mutter behütet, lebt und prompt will er genau so einer werden. Wird es dann letztlich auch, noch dazu ein ganz besonders toller Held. Da aber doch viel von seiner mütterlichen Auf- und Er-ziehung in ihm steckt, wird er kein grausamer, reihenweise mordender, sondern ein besonders gefühlvoller und letztlich der Gralskönig, auch wenn er auf dem Weg dahin schon recht ungestüm und gewaltig, dazwischen auch unsensibel (re-)agiert.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Parzival“ vom Theater der Jugend im Theater im Zentrum: Ensemble

Die Story

So ließe sich vielleicht kürzest der ur-lange mehr als 800 Jahre alte Parzival-Stoff zusammenfassen. Wolfram von Eschenbachs hatte die deutlich komplexere Handlung mit einem zweiten Hauptstrang rund um Artusritter Gawain zwischen 1200 und 1210 in fast 25.000 Verse gefasst. Und dabei schon teils starke Anleihen bei Chrétien de Troyes und seinem französischen Perceval le Gallois (1180 – 1190 entstanden) genommen.

Szenenfoto aus
Uwe Achilles als König Anfortas, Jonas Graber als Parzival, Sascia Ronzoni als Kundry

Fokussiert

Ausgehend von Eschenbachs Dauer-Bestseller durch die Jahrhunderte, der immer wieder in unterschiedlichster Form und Version aufgegriffen wurde, schrieb und inszenierte Michael Schachermaier fürs Theater der Jugend in Wien ein flottes, kurzweiliges (ca. 1¾ Stunden einschließlich einer Pause) fokussiertes Coming-of-Age-Stück mit einer kräftigen, aber organisch verwobenen Portion Suche nach den wahren Werten.

Szenenfoto aus
Sascia Ronzoni als Kundry

Digitale Bühnenbild-und Requisiten-Ergänzungen

Besonders beeindruckend sind die auf mehreren Ebenen hintereinander projizierten Videos und Animationen (Ausstattung und Video: Dominique Wiesbauer) mit denen die Schauspieler:innen inter-agieren. Ob digitale Vögel auf einen realen Arm fliegen, ein digitaler Kübel voller Wasser mit Schauspielhänden gegriffen und damit das projizierte Feuer eine Hütte gelöscht wird – alles greift perfekt ineinander.

Jonas Graber spielt ausschließlich den Parzival – vom anfänglich naiven, vermeintlich dummen Buben im Wald von Soltane über den aufbrausenden Möchtegern- und dann geläuterten Ritter der bis zum empathischen, bedächtigen für den heiligen Gral würdigen Mann reift.

Szenenfoto aus
Jonas Graber als Parzival, Frank Engelhardt als Herr Gurnemanz

Wandlungsfähig

Seine Kolleg:innen müssen/dürfen jede und jeder in jeweils drei bis vier Rollen schlüpfen – manchmal reicht ein Stück Stoff, das zur Kapuze wird, dann aber wieder ist – offenbar auch blitzschnell – eine ganz andere Frisur auf dem Kopf. Gestik, Mimik, Sprachfärbung sowieso.

Und so überzeugt Elisa Seydel sowohl als Parzivals Mutter Herzeloide, die das Kind beschützen will – damit aber auch jahrelang anlügt -, ebenso wie als König Artus, als Fischerin und als Einsiedler.

Ihre drei Kolleg:innen Uwe Achilles, Frank Engelhardt und Sascia Ronzoni tauchen zunächst als drei Ritter auf – die ersten, denen Parzival nach seiner Mutter zu Gesicht bekommt. Ronzoni wird bald danach als Herzogin Jeschute seine erste nähere Begegnung. Sie brilliert vor allem als Zauberin Kundry auf der Gralsburg – und mitunter neben den Publikusmreihen wie als eine aus einem Fantasy-Roman/Film entsprungene Figur fast von einer anderen Welt.

Szenenfoto aus
Jonas Graber als Parzival, Sascia Ronzoni als Herzogin Jeschute

Uwe Achilles verleiht dem Roten Ritter Ither einen charmanten fransösiiischeen Akzent und pendelt als Gralskönig Anfortas zwischen Leiden an seiner Kampfeswunde und Hoffen auf den schon als Vision gesehenen Erlöser Parzival – mit der großen Enttäuschung beim ersten – empathielosen – Aufeinandertreffen. Denn statt der sich aufdrängenden mitfühlenden Frage, will der künftige Held nur wissen, wann er endlich und wie Ritter werden könnte.

Fünfter im Bunde der Darsteller:innen ist Frank Engelhardt. Er switcht zwischen Jeschutes Ehemann Orilus, der erfolglos von der Jagd zurückkehrt und sich hintergangen fühlt, Gahmuret bevor der Vater von Parzival wurde und schließlich in die Figur des Gurnemanz, der nach dem Vater nun auch dem Sohn ritterliche Tugenden beibringen will.

Szenenfoto aus
Elisa Seydel als Herzeloide, Frank Engelhardt als Gahmuret

Lächerlich machen hilft nicht

Die witzigsten Kostüme sind sicher jene bald nach Beginn, mit denen die Mutter ihren Sohn fast faschingsmäßig kostümieren möchte, auf dass er hoffentlich draußen außerhalb des Waldes verlacht würde und zurückkäme. Passiert natürlich nicht, da ist schon Parzivals starker Wille das Abwehrschild. „Werde, der du bist“ – diesen Spruch, der über der Entwicklungsgeschichte (nicht nur) Parzivals steht, ist ihm sozusagen schon eingebrannt auf dem Weg der Suche nach sich selbst.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Parzival

nach Wolfram von Eschenbach
von Michael Schachermaier
ab 11 Jahren; 1¾ Stunden (eine Pause)

Parzival: Jonas Graber
Herzeloide, Parzivals Mutter / König Artus / Eine Fischerin / Trevrizent, ein Einsiedler: Elisa Seydel
Anfortas, Gralskönig / Ein Ritter im Wald (3) / Der Rote Ritter Ither: Uwe Achilles
Gahmuret / Ein Ritter im Wald (2) / Herzog Orilus / Herr Gurnemanz: Frank Engelhardt
Kundry, eine Zauberin / Herzogin Jeschute / Ein Ritter im Wald (1) / Der Silberne Ritter: Sascia Ronzoni

Regie: Michael Schachermaier
Ausstattung und Video: Dominique Wiesbauer
Licht: Fritz Gmoser und Daniel Ueki
Dramaturgie: Sebastian von Lagiewski
Assistenz und Inspizienz: Natalie Ogris
Hospitanz: Fabian Tastel

Wann & wo?

Bis 15. Juni 2024
Theater im Zentrum: 1010, Liliengasse 3
Telefon: 01 52110-0
tdj.at -> parzival