Öl- und Acrylbilder an den Wänden und Hunderte von der Decke schwebende Flugdrachen aus Kabul – Ausstellung eines jungen Künstlers, er aus Afghanistan flüchten musste, im Wiener Kunstraum Nestroyhof.
Wowh! So viele Flugdrachen schweben über dir. Hunderte bunte, so manche davon mit den drei Farbstreifen Schwarz-Rot-Grün. Den Farben der afghanischen Nationalflagge. Bis vor rund einem Jahr. An der Wand im Hintergrund ein großes, breites, dreiteiliges gemaltes Bild des Künstlers Zaker Soltani. Zu sehen sind unterschiedlichste Menschen, am wohl augenfälligsten, weil gegensätzlichsten eine Frau mit entblößter Brust neben einer Geschlechtsgenossin in einer Burka verhüllt.
„Da wollte ich das friedliche Miteinander verschiedenster Menschen in Afghanistan malen“, erklärt der 25-jährige Künstler, der seit 2012 in Österreich lebt, Kunstgeschichte und deutsche Philologie studiert. Noch steht das Triptychon am Boden, der KiJuKu-Lokalaugenschein im Kunstraum Nestroyhof fand während des Aufbaus der Ausstellung statt. „Kabul 14. August 2021/ Kabul 15. August 2021“ wird am 11. August 2022 eröffnet – und läuft bis 22. September 2022 (Details, auch zum Rahmenprogramm im Info-Block unten am Ende des Berichts).
Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die endgültige neuerliche Machtübernahme der Taliban in Afghanistan Mitte August des Vorjahres. Schon im Juli sei das schreckliche Ende zu erahnen gewesen, „da hab ich mich so machtlos gefühlt und wusste, ich muss was tun mit meinen, den künstlerischen Mitteln“, so Zaker Soltani im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … „Und ich wollte auch, dass das Schicksal meiner ersten Heimat nicht vergessen wird, darum hab ich diese Ausstellung gemacht.“
Die Bilder (Öl und Acryl) stammen aus den ersten Jahren in Österreich – ungefähr von 2013 bis 2015. „und dann wollte ich die Ausstellung mit den berühmten afghanischen Drachen verbinden. Die sind auch ein Symbol der Freiheit – in der Luft schweben, hoch über allem fliegen. Ein Zeichen der Hoffnung.“ Soltani bestellte über Freunde in Kabul Hunderte dieser Flugdrachen – aus Seidenpapier und mit im oberen Drittel auf der Rückseite verstärkten dünnen, biegsamen Bambusleisten. Jeden einzelnen der mehr als 400 Flugdrachen versah der Künstler mit dünnen Fäden, sodass sie von der Decke schweben können. Die letzten rund 100 Flugdrachen, die im Halbstock über die Treppe hinauf oben hängen „hab ich schwarz und grau übermalt und sie immer tiefer gehängt“. Am Ende schweben sie nur mehr knapp über dem Boden. Die Hoffnung ist mit dem 15. August in Kabul sprichwörtlich abgestürzt.
„Auf die Flugdrachen hab ich monatelange gewartet, musste immer wieder anrufen und nachfragen, aber als dann die Pakete da waren und ich sich geöffnet habe, das war wie ein Schwall an Gefühlen aus meiner Heimat“, sagt der Künstler mit einer Mischung aus Heimweh und tiefer Trauer, dass eine Rückkehr, ja selbst ein Besuch derselben auf sicher lange Zeit unmöglich ist.
Unter dieser Flugdrachen-Installation werden Bilder an den Wänden hängen, die Zaker Soltani gemalt hat. Neben dem schon erwähnten dreiteiligen der seinerzeitigen Hoffnung auf ein friedliches Miteinander der unterschiedlichsten Menschen – eine Hoffnung, die er natürlich nach wie vor nicht aufgegeben hat, die aber in seeeehr weite Ferne gerückt ist – sind es Bilder rund um seine Flucht.
Schon als er sieben Jahre war, musste er mit seiner Familie aus Ghazni Afghanistan flüchten. Als Angehörige der Minderheit der Hazara waren sie auch schon vor der endgültigen Machtübernahme durch die Taliban gefährdet. Fluchtort war Quetta in Pakistan. Die meisten Menschen bleiben ja in der Nähe, hoffen möglichst bald in die Heimat zurückkehren zu können. Doch auch in Pakistan wurde die Lage immer schwieriger. Soltani stellt sich zu einem der Bilder im Obergeschoß. Es zeigt einen Jugendlichen, der sehnsüchtig noch ein letztes Mal den Kopf zurückwendet und sich auf den Weg macht. „Das zeigt mich als ich mich endgültig entschlossen habe, zwangsweise entschlossen habe, auf die große Reise zu machen“, beschreibt er den Moment des Aufbruchs.
Nach mehr als einem halben Jahr, „das war immer wieder auch sehr gefährlich mit viel Chaos, Situationen in denen ich mich sehr verloren gefühlt habe“ (dabei deutet er auf ein Bild, das seine Flucht-Station auf einem zentralen Platz in Athen zeigt), landete er in Österreich – im Vorarlberger Feldkirch. Malte sich recht bald die Erlebnisse und Erinnerungen von der Seele und begann nach der Matura zu studieren und macht gerade in beiden Studien seinen Master. „Mit Deutsch als Zweit- und Fremdsprache mache ich ab Herbst ein Semester lang ein Praktikum in Usbekistan, wenn das alles mit den Visa klappt“, verrät der Künstler, der auch schon als DaZ-Kursleiter (Deutsch als Zweitsprache) für Don Bosco gearbeitet hat. Und war übrigens beim mehrsprachigen Redewettbewerb „Sag’s Multi!“ schon drei Jahre nach seiner Ankunft in Österreich – bei dem die Teilnehmer:innen in Deutsch und einer anderen Sprache, bei ihm Dari, Reden halten – ein Preisträger.
Die jetzige ist längst nicht Zaker Soltanis erste Ausstellung. Er hatte schon welche in der Feldkircher Villa Claudia sowie Bilder für das Stück „Wir sind keine Barbaren“ im Bregenzer Kosmos Theater gemalt. In der Laufzeit der jetzigen Ausstellung wird es auch Begleitprogramm geben – u.a. eine Diskussion mit der bekannten Journalistin Antonia Rados, „aber auch einen Vortrag über das alte Kulturerbe Afghanistans von Frau Universitätsprofessorin Deborah Klimburg-Salter; ich will auch zeigen, dass wir eine alte Kulturnation sind und Afghanistan mehr ist oder sein könnte als Krieg und Taliban“, so Soltani.
Und den Kunstraum hat er sich ausgesucht, „weil ich hier mein Konzept mit den Bildern und den vielen Flugdrachen am besten verwirklicht gesehen habe“. Damit überzeugte er auch die Leiterin des Kunstraums Nestroyhof, Christine Janicek, die eigentlich im Sommer keine Ausstellung eröffnen wollte, „aber diese Idee und der notwendige Zeitpunkt rund um diesen traurigen Jahrestag haben mich sofort überzeugt“.
Eröffnung: 11. August 2022, 19 Uhr
mit Musik von Sobeir Bachriar (Saiteninstrument Rubab) und Wahid Kamran (Percussion-Instrument Tabla); Begrüßung durch die Leiterin des Kunstraums, Christina Janicek
12. August bis 22. September 2022
Montag bis Samstag, 12 – 18 Uhr
1020, Nestroyplatz 1
kunstraum-nestroyhof -> aktuell
18. August 2022, 19 Uhr
Podiumsdiskussion: Afghanistan – Ein Jahr unter den Taliban
Dr. Markus Gauster (Friedens- und Konfliktforscher), Dr. Antonia Rados (Journalistin und Autorin), Masomah Regl (Gründerin des Vereins Fivestones), Moderation: Peter Arp (Podcaster und Theaterregisseur)
8. September 2022, 19 Uhr
Vortrag: Das alte Kulturerbe Afghanistans
Univ.-Prof. Dr. Deborah Klimburg-Salter