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Karikatur von KiJuKU-heinz
28.03.2021

Plötzlich zwangsweise Analphabetin

Reisewarnungen für fast alle Länder, außer es wird dorthin abgeschoben. Kommentar – nicht nur – zur aktuellen Unmenschlichkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen.

Stell dir vor, du lernst brav, bist aber trotzdem nicht das was landläufig so mit Streberin – Burschen sind mitgemeint 😉 – verbunden ist. Sondern völlig hilfsbereit, für jede und jeden in der Klasse da. Ganz ohne Hintergedanken. Das geben dir eben deine Eltern mit auf den Lebensweg. Streiten sich in deiner Nähe andere, versuchst du stets schlichtend einzugreifen. Deswegen machst du nicht nur eine Ausbildung zur Streitschlichterin, deine Kolleginnen und Kollegen wählen dich zu ihrer Vertreterin, zur Klassensprecherin.

Dass deine Eltern aus einem anderen Land kommen, ja du selbst die allerersten Jahre auch woanders als in Österreich verbracht hast, daran kannst du dich gar nicht wirklich erinnern. Wer kann das schon – aus den frühen Anfängen basteln sich die meisten doch „Erinnerungen“ aus Fotos, Videos und Erzählungen.

Dann kriegst du schon irgendwie mit, deine Eltern sind in Sorge, wenn Briefe vom Amt kommen. Das spürst du. Aber meist sagen sie nichts, deuten höchstens an, dass es da gewisse Schwierigkeiten gibt, „aber damit wollen wir euch nicht belasten, ihr sollt euch darauf konzentrieren, gut zu lernen, einen guten Schul- oder gar Uni-Abschluss oder eine andere, aber jedenfalls eine Ausbildung zu machen. „Ihr sollt’s mal besser im Leben haben!“ So wie’s praktisch alle Eltern wollen – auch wenn manche das immer wieder in Frage stellen. Wie die dazu kommen? Nur, weil jemand woanders auf die Welt gekommen ist, will doch keine Mutter, kein Vater, dass ihre Kinder nix lernen und es nicht besser haben sollen.

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Zur gesamten Antwort geht es hier © Bild: Parlament.gv.at

In einem fremden Land mit fremder Sprache und Schrift

Und dann wirst du von heute auf morgen – manchmal liegen auch noch ein paar Tage eingesperrt dazwischen – in dein angebliches Heimatland abgeschoben. Das kennst du kaum, warst vielleicht, sogar wahrscheinlich in den einen oder anderen Ferien bei Oma und Opa oder einer Tante, einem Onkel… Von der Sprache verstehst und kannst du gerade so viel reden, dass du Small-Talk mit Verwandten, vielleicht dem einen oder anderen Kind beim Spielen im Hof reden, möglicherweise sogar einkaufen gehen kannst. Aber von jetzt auf gleich bist du Analphabetin. Diese Schrift – nicht einmal die geringste Ähnlichkeit mit jener, mit der du deine ganze bisherige Schulzeit geschrieben und sie gelesen hast. Einfach nix.

Gut, das Letztere gilt nicht für alle rund drei Dutzend Kinder und Jugendliche, die in der ersten Hälfte des Vorjahres aus Österreich abgeschoben worden sind. Fünf der 34 Kinder und Jugendlichen mussten/müssen nur ein paar Sonderzeichen dazulernen – für Slowakisch und Albanisch. Weitere fünf müssen zwischen der ihnen bekannten und einer für sie neuen Schrift switchen (Serbisch). Zwei Dutzend weitere sind aufgeteilt auf drei verschiedene Schriften – Kyrillisch (Ukraine: 5), Arabisch (Ägypten: 4) sowie Georgisch (15; die Zahlen stammen aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Innenminister Karl Nehammer an die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper).

Zu den 15 Kindern/Jugendlichen, die 2020 nach Georgien abgeschoben worden sind zählen Ana und Mariam (13 und 9 Jahre) noch nicht. Sie wurden erst im November „außer Landes gebracht“ wie jene die versuchen Unmenschlichkeiten zu beschönigen dies nennen.

Und nein, da geht’s nicht um Tina und ihre Verwandten, die mitten in der Nacht zum Donnerstag (28. Jänner) unter heftigem Polizei-Einsatz und mit hoher Aufmerksamkeit und dankenswerterweise Protesten und großer Solidarität ihrer Gymnasialklasse in den Flieger verfrachtet wurde. Das sind zwei Mädchen, über die der Kinder-KURIER – erst im Nachhinein erfuhr, aber die Mittelschulklasse Anas besucht hat – Link zum Bericht weiter unten.

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Erstveröffentlicht im Kinder-KURIER