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Karikatur von KiJuKU-heinz
06.07.2023

„Ein Dirndlausschnitt provoziert ja auch kein Zupacken, oder?“

15-jähriger Salzburger Schüler in einem Leserbrief zur Debatte um „angemessene Kleidung“. Und ein Déjà vu – Erinnerungen an die eigene Kindheit – vor Jahrzehnten.

„Ein Dirndlausschnitt provoziert ja auch kein Zupacken, oder? Und Dirndl werden bei allen möglichen Gelegenheiten als angemessene Kleidung angesehen: bei den Festspielen, im Bierzelt oder bei der Arbeit“, schrieb der 15-jährige Arthur Pichler in einem Leserbrief an die Salzburger Nachrichten (SN). Nach Rücksprache mit ihm, darf Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… sein Schreiben, das am Montag, 3. Juli 2023 in der besagten Regionalzeitung erschienen ist, ebenfalls veröffentlichten.

Damit hat der Schüler des Akademischen Gymnasiums Salzburg wohl die treffendste Antwort auf den Brief der Direktorin einer Salzburger Mittelschule an Eltern von – ausschließlich – Mädchen gegeben. Sie hatte die Eltern ersucht „um Ihre Mithilfe bzgl. Bekleidung der Mädchen. Bauchfreie Shirts, Trägershirts sowie extrem kurze Shorts sind in der Schule (Arbeitsplatz) unerwünscht, diese Bekleidungsstücke sind unangebracht und bergen das Risiko einer übermäßigen Sexualisierung… Für alle derartigen unangemessenen Bekleidungs-Pannen haben wir neutrale XXL-Shirts angekauft, welche im Falle von Uneinsichtigkeit der Mädchen (also bei erneuter Ermahnung) während des Unterrichts überzuziehen sind…“

Unzulässige Anordnung

Sowohl Gewerkschaft als auch die Bildungsdirektion kritisierten die Vorgangsweise der Direktorin; Bildungsdirektor Rudolf Mair: „Das Hauptproblem ist, dass suggeriert wird, dass Frauen oder Mädchen in diesem Fall dafür verantwortlich sind, wie sich Männer verhalten, abhängig von ihrem Kleidungsstil.“ Laut ORF erachte er die Ankündigung, T-Shirts in Übergröße tragen zu müssen, „ als rechtlich unzulässig“, wolle den Fall nun aber auch durch die Rechtsabteilung seiner Behörde prüfen lassen.

Wenige Tage später erschien der Leserbrief des besagten Schülers, in dem er beginnt: „Ich bin selbst ein 15-jähriger Schüler am Akademischen Gymnasium Salzburg und in meiner Klasse tragen die meisten Mädchen im Sommer ein bauchfreies Top und Shorts.

Ich habe den Stimmbruch hinter mir, ich bin also mitten in der hormonellen Umstellung. Trotzdem weckt ein weiblicher Bauchnabel in mir nicht das unbeherrschbare Bedürfnis, diesen direkt berühren zu müssen.“ Dann folgt das schon oben zitierte Dirndl-Beispiel, das wohl das schlagendste Argument gegen die – alle paar Jahre an irgendeiner anderen Schule aufflammende Anordnung ist.

Unterstellung an Männer

Schließlich endet der Jugendliche mit: „Ich verwahre mich gegen die Unterstellung, als (zukünftiger) Mann nicht Herr meiner Sinne zu sein! Das ist eine Frechheit, genauso wie die Unterstellung, Mädchen würden mit „freizügiger“ Kleidung sexuelle Übergriffe provozieren. Das kommt aus derselben Geisteshaltung.

Wenn wir diese Gedanken zu Ende denken, kommen wir dazu, dass Frauen sich unter allen Umständen verstecken müssen. In so einer Welt möchte ich nicht leben.“

Zu wenig und zu viel Stoff

Wobei wahrscheinlich dieselben Personen, die gegen die knappen T-Shirts und kurzen Hosen wettern, dies genauso gegen Frauen tun, die ihr Kopfhaar verhüllen 😉

Flash back

Wobei mich persönlich diese wiederkehrende Debatte jedes Mal um Jahrzehnte zurückversetzt: Erste Klasse Gymnasium, irgendwann im Dezember: Lautsprecher-Durchsage des Schuldirektors in der er mitteilt, ab dem folgenden Tag dürfen, weil es kalt ist, auch Mädchen in Hosen kommen.

Schande über mich als 10-Jährigen: Mir war bis dahin gar nicht aufgefallen, dass in unserer Schule – Wien-Brigittenau – Mädchen bis dahin nicht in Hosen kamen/ kommen hätten dürfen.

Und im Frühjahr drauf – Hosenanzüge waren gerade in Mode – schickte der Direktor die stellvertretende Schulsprecherin durch die Klassen, um zu kontrollieren, ob diese Kleidungsstücke nicht „zu auffällige Applikationen“ besäßen. Und so ließ er tatsächlich mindestens eine Schülerin, deren Hosenanzug mit großen, bunten Blumen gemustert war, nach Hause schicken, damit sie sich zwangsweise umzuziehe. Ein oder zwei Jahre später dasselbe „Spiel“ mit den dann aktuellen kurzen Hosen, genannt „Hot Pants“.

Das war aber in der zweiten Hälfte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, also vor mehr als 55 Jahren!

Buben

Um der „Gerechtigkeit“ die Ehre zu geben: Hin und wieder sind auch Burschen und Männer von einschränkenden Kleidungsvorschriften betroffen, aber eher selten. Es betraf etwa weit unten sitzende Hosen oder Kopfbedeckungen. „Runter mit den Kappen!“, meinte im Frühjahr – 2023 (!) – bei Projektpräsentationen in Klagenfurt ein Lehrer. Ließ aber seinen eigenen Hut auf. Darauf von KiJuKu angesprochen, meinte er nur, er hätte sich das eh auch überlegt – aber das war’s dann auch schon. Zweierlei Maß in der Praxis.

PS: Die Chefredakteurin eines Wiener Medienhauses erlaubte vor ein paar Jahren bei allergrößter Hitze Männern ausnahmsweise doch in kurzen Hosen kommen zu dürfen, obwohl sie das ja gar nicht goutiere.

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